TE Vwgh Erkenntnis 2021/11/11 Ra 2020/11/0182

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Veröffentlicht am 11.11.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
40/01 Verwaltungsverfahren
60/01 Arbeitsvertragsrecht
60/02 Arbeitnehmerschutz
62 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

AÜG §3
AÜG §3 Abs3
AVRAG 1993 §7d Abs2
B-VG Art133 Abs8
COVID-19-VwBG 2020 §2 Abs1 Z2
LSD-BG 2016 §22 Abs2
LSD-BG 2016 §28
LSD-BG 2016 §28 Z3
LSD-BG 2016 §32 Abs1 Z1
LSD-BG 2016 §6 Abs3
VStG §31 Abs2
VwRallg

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/11/0183
Ra 2020/11/0184

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie den Hofrat Dr. Grünstäudl, die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des Finanzamtes Oststeiermark gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts Steiermark jeweils vom 6. August 2020, Zlen. 1. LVwG 33.13-279/2020-70 (hg. protokolliert zu Ra 2020/11/0182), 2. LVwG 30.13-284/2020-70 (hg. protokolliert zu Ra 2020/11/0183) und 3. LVwG 30.13-286/2020-70 (hg. protokolliert zu Ra 2020/11/0184), jeweils betreffend Übertretung des LSD-BG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Weiz; mitbeteiligte Parteien: ad 1. J A in A, ad 2. DI D E in W und ad 3. DI J G in W, alle vertreten durch die Scherbaum Seebacher Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Schmiedgasse 2), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Erkenntnisse werden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Die Mitbeteiligten sind handelsrechtliche Geschäftsführer der L. GmbH, die ihrerseits unbeschränkt haftende Gesellschafterin der L. GmbH & Co KG ist. Mit (im Wesentlichen gleichlautenden) Straferkennntissen der belangten Behörde jeweils vom 30. Dezember 2019 wurden die Mitbeteiligten als gemäß § 9 Abs. 1 VStG Verantwortliche der L. GmbH & Co KG für schuldig erkannt, dass die letztgenannte Gesellschaft am 4. Juli 2017 im Rahmen einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung „als Beschäftiger“ von sechs namentlich genannten Personen konkret bezeichnete Lohnunterlagen dieser Arbeitskräfte am (in Österreich gelegenen) Arbeitsort (Baustelle) weder bereitgehalten noch in elektronischer Form zugänglich gemacht habe.

2        Dadurch habe jeder der Mitbeteiligten § 22 Abs. 1 und 2 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) verletzt, sodass über jeden von ihnen gemäß § 28 Z 3 LSD-BG eine (einzige) Geldstrafe verhängt wurde. Überdies wurde jedem Mitbeteiligten ein Kostenbeitrag auferlegt und die Haftung der L. GmbH & Co KG für die Geldstrafen gemäß § 9 Abs. 7 VStG ausgesprochen.

3        In ihren dagegen erhobenen Beschwerden bekämpften die Mitbeteiligten, soweit hier wesentlich, die Ansicht, dass die L. GmbH & Co KG als „Beschäftiger“ der genannten Arbeitskräfte iSd. § 22 Abs. 2 LSD-BG zu qualifizieren sei.

4        Mit den angefochtenen Erkenntnissen hob das Verwaltungsgericht, nach durchgeführter mündlicher Verhandlung und in Stattgabe der Beschwerden der Mitbeteiligten die genannten Straferkenntnisse auf und stellte die gegen sie geführten Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG iVm § 38 VwGVG ein.

Gleichzeitig sprach es jeweils gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

5        In der Begründung der angefochtenen Erkenntnisse wurde - hier auf das Wesentliche zusammengefasst - festgestellt, die L. GmbH & Co KG sei mit Baumeisterarbeiten für den Zubau bzw. die Sanierung eines Turnsaales einer Schule beauftragt worden. Um ihren Arbeitskräftebedarf zu decken, habe sie die (in Österreich ansässige) S. GmbH, deren Tätigkeitsbereich sowohl die Überlassung von Arbeitskräften als auch die (eigene) Durchführung von Baumeisterarbeiten umfasse, beauftragt, der L. GmbH & Co KG Arbeitskräfte für bestimmte Arbeiten zu überlassen.

6        Die S. GmbH (die ebenfalls Bauarbeiten für den genannten Turnsaal verrichtet habe) habe ihrerseits im Falle des Personalbedarfs mit der (in Slowenien ansässigen) D. d.o.o. zusammengearbeitet. Bei den in den erwähnten Straferkenntnissen genannten Arbeitskräften (mit Staatsangehörigkeit von Bosnien und Herzegowina) habe es sich um Arbeitnehmer der slowenischen D. d.o.o. gehandelt, die eine (ZKO-3-)Meldung betreffend die Entsendung dieser Arbeitnehmer an die S. GmbH erstattet habe.

7        Zum angelasteten Tatzeitpunkt seien auf der in Rede stehenden Baustelle im Zuge einer Kontrolle der Finanzpolizei die sechs in den Straferkenntnissen genannten Arbeitskräfte angetroffen worden, deren Lohnunterlagen zu diesem Zeitpunkt dort nur unvollständig bereitgehalten worden seien.

8        Das Verwaltungsgericht stellte außerdem fest, die L. GmbH & Co KG habe auf dieser Baustelle sowohl die Arbeitszeiten als auch die Arbeitseinteilung der in Rede stehenden Arbeitskräfte bestimmt, ihnen Arbeitsanweisungen erteilt und deren Stundenaufzeichnungen geführt. Die L. GmbH & Co KG habe die empfangenen Arbeitsleistungen dieser Arbeitskräfte vereinbarungsgemäß auf Stundenbasis mit der S. GmbH abgerechnet.

9        Ein Vertragsverhältnis zwischen der L. GmbH & Co KG und der slowenischen D. d.o.o. habe nicht bestanden.

10       Ergänzend wurde festgehalten, dass der Geschäftsführer der D. d.o.o. mit näher bezeichneten Straferkenntnissen, soweit hier relevant, „wegen nicht erfolgter vollständiger Bereitstellung von Lohnunterlagen“ (die nicht näher präzisiert werden) rechtskräftig bestraft worden sei.

11       In der rechtlichen Beurteilung ging das Verwaltungsgericht, soweit für die Revision von Bedeutung, davon aus, dass die in den Straferkenntnissen genannten Arbeitskräfte Arbeitnehmer der D. d.o.o. seien, welche ihre Arbeitnehmer an die S. GmbH überlassen habe, die diese Arbeitnehmer ihrerseits der L. GmbH & Co KG überlassen habe („Subüberlassung“).

12       Rechtlich sei daher vor dem Hintergrund, dass bei einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung gemäß § 22 Abs. 2 LSD-BG der inländische Beschäftiger zur Bereithaltung der Lohnunterlagen verpflichtet sei, als entscheidungswesentliche Frage zu klären, wem im vorliegenden Fall der Subüberlassung diese Verpflichtung des Beschäftigers obliege: Gegenständlich sei nämlich die S. GmbH „(Erst-)Beschäftigerin“ und gleichzeitig „(Zwischen-)Überlasserin“, die L. GmbH & Co KG aber als „weitere Beschäftigerin“ anzusehen.

13       Das Verwaltungsgericht gelangte im angefochtenen Erkenntnis zur Rechtsansicht, dass die L. GmbH & Co KG nicht Beschäftiger und damit auch nicht Verpflichteter iSd. § 22 Abs. 2 LSD-BG sei.

14       Diese Ansicht begründete das Verwaltungsgericht zunächst mit einem Verweis auf das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 9. Juli 2008, 9 Ob A91/07h, der unter Bezugnahme auf die in der Literatur (Mazal, Zur Zulässigkeit von Subüberlassung, ecolex 2001, 256) geforderte Duplizität der Pflichten ausgeführt habe, dass sowohl der Überlasser als auch der Beschäftiger alle Arbeitgeberpflichten zu tragen hätten.

15       Unter Bezugnahme auf das genannte Urteil des OGH habe das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich in näher bezeichneten Entscheidungen betreffend eine Überlassungskette den Erstbeschäftiger als den nach den Bestimmungen des AVRAG zur Bereithaltung von Lohnunterlagen Verpflichteten angesehen.

16       Dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 2019, Ra 2018/11/0148, 0149, betreffend Verstöße gegen die Bereithaltungspflicht von (u.a.) Lohnunterlagen nach dem AVRAG sei eine vom Landesverwaltungsgericht Steiermark angenommene Subüberlassung zugrunde gelegen. Zwar sei es in diesem Beschluss nach dem wiedergegebenen Zulässigkeitsvorbringen der Revision um die Frage der Qualifikation des zu beurteilenden Vertragsverhältnisses als Arbeitskräfteüberlassung oder Werkvertrag gegangen, doch habe der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht, dass bei einer Subüberlassung der „Zwischenüberlasser bzw. Zwischenbeschäftiger die Pflichten des Überlassers bzw. Beschäftigers“ trage, „nicht beanstandet“, sodass diese Meinung auch im vorliegenden Revisionsfall „nicht als völlig abwegig“ anzusehen sei.

17       Demgegenüber habe sich die Revisionswerberin mit ihrer Rechtsansicht, dass der bloße Zwischenüberlasser nicht als Beschäftiger anzusehen sei, auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) berufen, wonach Beschäftiger nur derjenige sei, der die Arbeiter tatsächlich beschäftige (§ 3 Abs. 3 AÜG) und im Falle einer bloßen Zwischenüberlassung keine Beschäftigung iSd. § 2 Abs. 2 lit. e AuslBG vorliege, weil diese vielmehr den Einsatz von Arbeitskräften im Rahmen der Erfüllung eigener Aufgaben und damit ein Mindestmaß an organisatorischen Vorkehrungen voraussetze (VwGH 10.3.1999, 97/09/0209; 14.12.2012, 2010/09/0173).

18       Die letztgenannte Voraussetzung sei nach Ansicht des Verwaltungsgerichts fallbezogen bei der S. GmbH erfüllt, weil diese nicht als „bloße Zwischenüberlasserin“ fungiert habe, sondern sowohl im Baubereich als auch in der Arbeitskräfteüberlassung tätig gewesen sei und daher die Arbeitskräfte für betriebseigene Aufgaben eingesetzt habe.

19       Wenngleich die L. GmbH & Co KG als „weitere Beschäftigerin der von der S. GmbH. überlassenen Arbeitskräfte“ anzusehen sei, so sei nach Ansicht des Verwaltungsgerichts entscheidend, dass eine „grenzüberschreitende“ Arbeitskräfteüberlassung iSd. Bestimmungen des LSD-BG nur zwischen der (in Slowenien ansässigen) D. d.o.o. und der S. GmbH (mit Sitz in Österreich) stattgefunden habe, nicht aber im nachfolgenden Überlassungsschritt zwischen der S. GmbH und der (ebenfalls in Österreich ansässigen) L. GmbH & Co KG.

20       Daher seien den Mitbeteiligten (als strafrechtlich verantwortlichen Organen der L. GmbH & Co KG) die genannten Übertretungen des LSD-BG zu Unrecht zur Last gelegt worden.

21       Den Ausspruch über die Unzulässigkeit einer gegen dieses Erkenntnis erhobenen Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass dieses „auch nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht“.

22       Gegen diese Erkenntnisse richtet sich die in einem (gemeinsamen) Schriftsatz erhobene (Amts-)Revision der (gemäß Art. 133 Abs. 8 B-VG iVm. § 32 Abs. 1 Z 1 und § 28 LSD-BG revisionslegitimierten) Abgabenbehörde.

23       Die Mitbeteiligten haben eine Revisionsbeantwortung erstattet.

24       Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

25       Die Mitbeteiligten wenden in ihrer Revisionsbeantwortung gegen die Zulässigkeit der Revision ein, gegenständlich sei (ausgehend vom angelasteten Tatzeitpunkt und unter Berücksichtigung der Hemmung der Verjährungsfrist gemäß § 2 Abs. 1 Z 2 COVID-19-VwBG) Strafbarkeitsverjährung iSd. § 31 Abs. 2 VStG mit Ablauf des 13. August 2020 - somit zwischen der Erlassung der angefochtenen Erkenntnisse am 18. Juni 2020 und der Erhebung der gegenständlichen Revision - eingetreten.

26       Dem ist zu entgegnen, dass der Verwaltungsgerichtshof die Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Erkenntnisses in Bezug auf den Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Soweit der genannte Einwand der Revisionsbeantwortung jedoch auf den Wegfall des Rechtschutzinteresses der revisionswerbenden Partei abzielt, ist darauf hinzuweisen, dass sich die vorliegende Revision, wie vorhin erwähnt, auf Art. 133 Abs. 8 B-VG stützt, und daher der Wahrung der - objektiven - Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes dient (vgl. VwGH 28.1.2016, Ra 2015/07/0140).

27       Die Revision ist zulässig, weil sie zu Recht das Fehlen von hg. Rechtsprechung zur Frage geltend macht, wen im Fall der Subüberlassung von Arbeitskräften als Beschäftiger die Pflicht trifft, die Lohnunterlagen der Arbeitskräfte bereitzuhalten. Daran ändert der - pauschale - Hinweis in der Zulässigkeitsbegründung des angefochtenen Erkenntnisses auf die „bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes“, die das Verwaltungsgericht (wie im Übrigen auch die Revisionsbeantwortung) nicht zu zitieren vermochte, nichts.

28       Die Revision ist auch begründet.

29       In den Revisionsgründen wird zusammengefasst vorgebracht, die Subüberlassung sei weder im LSD-BG noch im AÜG mitbedacht und daher nach diesen Vorschriften weder erlaubt noch verboten. Das Verwaltungsgericht habe die gegenständliche Subüberlassung zu Unrecht als - zwei rechtlich eigenständige - Überlassungsvorgänge beurteilt, nämlich als zunächst grenzüberschreitende Überlassung (zwischen D. d.o.o. und der S. GmbH) und danach rein innerstaatliche Überlassung (zwischen der S. GmbH und der L. GmbH & Co KG), sodass die L. GmbH & Co KG nicht mehr von § 22 Abs. 2 LSD-BG („grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung“) erfasst sei. Dies widerspreche dem Schutzzweck der letztgenannten Norm, die sicherstellen solle, dass die Kontrolle von Lohnunterlagen am tatsächlichen Arbeitsort der Arbeitskräfte, also beim tatsächlichen Beschäftiger erfolge (auch nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz sei nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für das Vorliegen arbeitsrechtlicher Genehmigungen verantwortlich, wer die Arbeitsleistungen entsendeter Arbeitskräfte tatsächlich in Anspruch nehme). Die Kontrolle der rechtmäßigen Entlohnung von überlassenen Arbeitskräften könnte umgangen oder äußerst erschwert werden, wenn sie nicht dort stattfände, wo die Arbeitskräfte tatsächlich eingesetzt würden.

30       Die hier maßgebenden Bestimmungen des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes - LSD-BG, lauten auszugsweise:

„§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz gilt für

...

2.   die Beschäftigung von Arbeitskräften im Sinne des § 3 Abs. 4 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes (AÜG), BGBl. Nr. 196/1988,

...

(4) Soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, gilt dieses Bundesgesetz unbeschadet des auf das Arbeitsverhältnis sonst anzuwendenden Rechts auch für aus der Europäischen Union (EU), dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), der schweizerischen Eidgenossenschaft oder aus einem sonstigen Drittstaat zur Erbringung einer Arbeitsleistung nach Österreich entsandte Arbeitnehmer oder grenzüberschreitend überlassene Arbeitskräfte im Sinne des § 3 Abs. 4 AÜG. ...

...

Wahrer wirtschaftlicher Gehalt - Beurteilungsmaßstab

§ 2. (1) Für die Beurteilung, ob ein Arbeitsverhältnis, eine grenzüberschreitende Entsendung oder Überlassung im Sinne dieses Bundesgesetzes vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhalts maßgebend.

(2) Für die Beurteilung, ob eine Überlassung von Arbeitskräften vorliegt, sind insbesondere § 4 Abs. 2 AÜG oder vergleichbare österreichische Rechtsvorschriften maßgebend.

...

Anspruch auf Mindestentgelt

§ 3. ...

(3) Ein durch einen Arbeitgeber mit Sitz in einem EU-Mitgliedstaat, EWR-Staat oder einem Drittstaat nach Österreich zur Arbeitsleistung entsandter Arbeitnehmer hat unbeschadet des auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Rechts für die Dauer der Entsendung zwingend Anspruch auf zumindest jenes gesetzliche, durch Verordnung festgelegte oder kollektivvertragliche Entgelt (....), das am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgebern gebührt.

...

Regelungen für die grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung

§ 6. (1) Eine Arbeitskraft, die aus dem Ausland nach Österreich überlassen wird, hat unbeschadet des auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Rechts für die Dauer der Überlassung zwingend Anspruch auf

1.   Entgeltfortzahlung ......,

2.   Beachtung der für vergleichbare Arbeitnehmer gültigen Kündigungsfristen ... und

3.   Kündigungsentschädigung ...

(2) Die für gewerblich überlassene Arbeitskräfte in Österreich geltenden Kollektivverträge sind auch auf aus dem Ausland nach Österreich überlassene Arbeitskräfte anzuwenden.

(3) Das AÜG oder vergleichbare österreichische Rechtsvorschriften gelten auch für grenzüberschreitend überlassene Arbeitskräfte.

...

Bereithaltung von Lohnunterlagen

§ 22. (1) Arbeitgeber im Sinne der §§ ... haben während der Dauer der Beschäftigung (im Inland) oder des Zeitraums der Entsendung insgesamt (§ 19 Abs. 3 Z 6) den Arbeitsvertrag oder Dienstzettel ..., Lohnzettel, Lohnzahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege, Lohnaufzeichnungen, Arbeitszeitaufzeichnungen und Unterlagen betreffend die Lohneinstufung zur Überprüfung des dem entsandten Arbeitnehmer für die Dauer der Beschäftigung nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts in deutscher Sprache, ausgenommen den Arbeitsvertrag, am Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten oder diese den Abgabebehörden oder der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse unmittelbar vor Ort und im Zeitpunkt der Erhebung in elektronischer Form zugänglich zu machen, auch wenn die Beschäftigung des einzelnen Arbeitnehmers in Österreich früher geendet hat. ...

...

(2) Bei einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung trifft die Verpflichtung zur Bereithaltung der Lohnunterlagen nach Abs. 1 den inländischen Beschäftiger. Der Überlasser hat dem Beschäftiger die Lohnunterlagen nach Abs. 1 nachweislich bereitzustellen.

...

Nichtbereithalten der Lohnunterlagen

§ 28. Wer als

...

3.   Beschäftiger im Falle einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung entgegen § 22 Abs. 2 die Lohnunterlagen nicht bereithält

begeht eine Verwaltungsübertretung ....“

31       Das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz - AÜG, BGBl. Nr. 196/1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2017, lautet auszugsweise:

„§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz gilt für die Beschäftigung von Arbeitskräften, die zur Arbeitsleistung an Dritte überlassen werden.

...

(5) Dieses Bundesgesetz gilt unbeschadet des auf das Arbeitsverhältnis sonst anzuwendenden Rechts auch für aus der Europäischen Union (EU), dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) oder aus Drittstaaten überlassene Arbeitskräfte.

Zweck

§ 2. (1) Das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz bezweckt

1.   den Schutz der überlassenen Arbeitskräfte, insbesondere in arbeitsvertraglichen, arbeitnehmerschutz- und sozialversicherungsrechtlichen Angelegenheiten, und

2.   die Regelung der Arbeitskräfteüberlassung zur Vermeidung arbeitsmarktpolitisch nachteiliger Entwicklungen.

...

Begriffsbestimmungen

§ 3. (1) Überlassung von Arbeitskräften ist die Zurverfügungstellung von Arbeitskräften zur Arbeitsleistung an Dritte.

(2) Überlasser ist, wer Arbeitskräfte zur Arbeitsleistung an Dritte vertraglich verpflichtet.

(3) Beschäftiger ist, wer Arbeitskräfte eines Überlassers zur Arbeitsleistung für betriebseigene Aufgaben einsetzt.

(4) Arbeitskräfte sind Arbeitnehmer und arbeitnehmerähnliche Personen. Arbeitnehmerähnlich sind Personen, die, ohne in einem Arbeitsverhältnis zu stehen, im Auftrag und für Rechnung bestimmter Personen Arbeit leisten und wirtschaftlich unselbständig sind.

Beurteilungsmaßstab

§ 4. (1) Für die Beurteilung, ob eine Überlassung von Arbeitskräften vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend.

(2) Arbeitskräfteüberlassung liegt insbesondere auch vor, wenn ...

...

Grenzüberschreitende Überlassung

§ 16. ...

(3) Die Überlassung von Arbeitskräften vom Ausland nach Österreich ist nur zulässig, wenn ausnahmsweise eine Bewilligung gemäß Abs. 4 erteilt wurde.

...

Grenzüberschreitende Überlassung im Europäischen Wirtschaftsraum

§ 16a. Auf Überlassungen innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) ist § 16 nicht anzuwenden.

...“

32       Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass Arbeitgeber der im Straferkenntnis genannten Arbeitskräfte die in Slowenien ansässige D. d.o.o. ist, welche die Arbeitskräfte der (in Österreich ansässigen) S. GmbH. überlassen hat, die ihrerseits die in Rede stehenden Arbeitskräfte der (ebenfalls in Österreich ansässigen) L. GmbH & Co KG überlassen hat (sog. Subüberlassung).

33       Unstrittig ist weiters die Feststellung, die L. GmbH & Co KG habe die in Rede stehenden Arbeitskräfte in Österreich auf einer Baustelle beschäftigt, indem sie die Arbeitszeiten und die Arbeitseinteilung dieser Arbeitskräfte bestimmt, ihnen Arbeitsanweisungen erteilt und deren Stundenaufzeichnungen geführt habe, ohne aber die im Straferkenntnis aufgezählten Lohnunterlagen dieser Arbeitskräfte am Arbeitsort (Baustelle) bereitzuhalten.

34       Unbedenklich ist daher die dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde liegende Ansicht, dass - jedenfalls (auch) - die L. GmbH & Co KG als „Beschäftiger“ (§ 3 Abs. 3 AÜG iVm. § 6 Abs. 3 LSD-BG) der in Rede stehenden Arbeitskräfte anzusehen ist (vgl. auch VwGH 22.8.2017, Ra 2017/11/0068, mit Verweis auf das Urteil des EuGH vom 18. Juni 2015, C-586/13, Martin Meat, zu den für die Arbeitskräfteüberlassung und damit auch für den Beschäftiger entscheidenden Kriterien, wer den Arbeitskräften die genauen individuellen Weisungen für die Ausführung ihrer Tätigkeit erteilt bzw. deren Arbeitszeiten und Arbeitseinteilung vorgibt).

35       Ob gegenständlich, wie das Verwaltungsgericht meint, neben der L. GmbH & Co KG - überdies - auch die S. GmbH. als Beschäftiger (§ 3 Abs. 3 AÜG iVm. & 6 Abs. 3 LSD-BG) anzusehen ist (nach Meinung des Verwaltungsgerichts sei die S. GmbH. „Erstbeschäftiger“, weil sie die Arbeitskräfte für betriebseigene Aufgaben - insbesondere die Überlassung von Arbeitskräften - „eingesetzt“ iSd. § 3 Abs. 3 AÜG habe), kann im Hinblick auf den eingangs wiedergegebenen Tatvorwurf, der ausschließlich die verantwortlichen Organe der L. GmbH & Co KG betrifft, dahingestellt bleiben. Nur die Frage der Bestrafung der zuletzt genannten Organe ist Gegenstand des Revisionsfalles.

36       Festzuhalten ist vorweg, dass die angefochtenen Erkenntnisse nicht etwa (im Ergebnis) deshalb rechtmäßig sind, weil die verantwortlichen Organe des Überlassers der Arbeitskräfte (D. d.o.o.) wegen der unterlassenen „Bereitstellung“ der Lohnunterlagen an den Beschäftiger rechtskräftig bestraft wurden (vgl. VwGH 26.5.2020, Ro 2019/11/0001). Nach den Sachverhaltsannahmen betraf diese Bestrafung nämlich, wie die Revision zutreffend bemerkt, die (nicht näher präzisierte) „nicht ... vollständige Bereitstellung von Lohnunterlagen“, sodass nicht ohne weitere Feststellungen davon ausgegangen werden kann, es habe sich (nach Art und Umfang) um dieselben Lohnunterlagen, die in den Straferkenntnissen der Mitbeteiligten aufgelistet sind, gehandelt.

37       Als ausschlaggebend für das Ergebnis, die L. GmbH & Co KG habe (obwohl sie ebenfalls als Beschäftiger der in Rede stehenden Arbeitskräfte anzusehen sei) nicht die Bereithaltepflicht gemäß § 22 Abs. 2 erster Satz LSD-BG getroffen, erachtet das Verwaltungsgericht, dass nur der S. GmbH die Arbeitskräfte „grenzüberschreitend“ (weil von der in Slowenien ansässigen D. d.o.o.) überlassen worden seien. Das gemäß § 22 Abs. 2 erster Satz LSD-BG erforderliche Tatbestandselement der „grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung“ treffe also nur auf die S. GmbH, nicht aber auf die L. GmbH & Co KG (der die Arbeitskräfte von der in Österreich ansässigen S. GmbH überlassen worden seien) zu.

38       Diese Rechtsansicht vermag nicht zu überzeugen:

39       Zunächst ist festzuhalten, dass aus dem im angefochtenen Erkenntnis zitierten Urteil des Obersten Gerichtshofes, 9 Ob A91/07h, für die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts nichts zu gewinnen ist. Die vom Verwaltungsgericht angesprochene Passage dieses Urteils lautet wie folgt:

„Zu Begriff und Zulässigkeit der Subüberlassung:

Unter „Subüberlassung“ versteht man die Überlassung an einen „Beschäftiger“, der die Arbeitskraft nicht (direkt) in seinem eigenen Betrieb einsetzt, sondern an einen zweiten Beschäftiger weiterüberlässt, bei dem die Arbeitskraft tatsächlich ihre Arbeitsleistungen verrichtet.

...

Das AÜG kennt den Begriff der Subüberlassung nicht und trifft keine Aussagen über ihre Zulässigkeit.

In der Lehre wird dieses Phänomen unterschiedlich beurteilt:

...

Der Oberste Gerichtshof hält die Ausführungen Mazals, denen sich auch das Berufungsgericht angeschlossen hat, für zutreffend und legt sie seiner Entscheidung zugrunde: Die von Mazal geforderte Duplizität der Pflichten - sowohl der Überlasser als auch der Erstbeschäftiger tragen alle Arbeitgeberpflichten, der Erstbeschäftiger ist auch als Beschäftiger anzusehen - gewährleistet den notwendigen Schutz der überlassenen Arbeitskraft und auch die sonstigen vom Gesetzgeber verfolgten Regelungsziele des Arbeitskraftüberlassungs- und des Arbeitsmarktförderungsrechts.“

40       Diese Ausführungen zeigen, dass sie die bei einer Subüberlassung zuzuordnenden „Arbeitgeberpflichten“ im Kontext des Arbeitskraftüberlassungs- und des Arbeitsmarktförderungsrechts betreffen.

41       Auch das zitierte Urteil sieht den Erstbeschäftiger (neben seinen Pflichten als Arbeitgeber) „auch“ als „Beschäftiger“ an und schließt es somit keineswegs aus, im Rahmen einer Subüberlassung ebenso den Zweitbeschäftiger als „Beschäftiger“ zu qualifizieren (als solcher ist die L. GmbH & Co KG nach dem Gesagten - siehe oben Rz 33 - anzusehen).

42       Im vorliegenden Revisionsfall geht es aber nicht, wie im genannten Urteil des OGH, um die Zulässigkeit der Subüberlassung und um die Zuordnung von Arbeitgeberpflichten. Gegenständlich ist vielmehr vom Faktum auszugehen, dass die Arbeitskräfte an verschiedene Personen überlassen wurden und - vor dem Hintergrund dieses Sachverhalts - ausschließlich zu klären, wen im Rahmen dieser Überlassung die spezifische Pflicht des „Beschäftigers“ zur Bereithaltung von Lohnunterlagen iSd. § 22 Abs. 2 erster Satz LSD-BG traf.

43       Die Frage, wer im Falle einer Subüberlassung als Beschäftiger im Sinne der letztgenannten Bestimmung anzusehen ist, bestimmt sich somit primär nach den Vorschriften des LSD-BG und seinem Regelungsziel. Die „Subüberlassung“ von Arbeitskräften ist im LSD-BG nicht ausdrücklich geregelt.

44       Bei der gegenständlichen Subüberlassung handelte es sich nach den Feststellungen um ein (wenngleich kaskadenartiges) Zurverfügungstellen von Arbeitskräften, das zwischen drei (juristischen) Personen erfolgte und vom Begriff der Arbeitskräfteüberlassung gemäß § 3 AÜG erfasst ist. Dieses Verständnis ist daher gemäß § 6 Abs. 3 LSD-BG auch für den Tatbestand des § 22 Abs. 2 LSD-BG maßgebend, sodass es keiner erweiternden Auslegung des Begriffs „Arbeitskräfteüberlassung“ (die in Strafsachen grundsätzlich nicht in Betracht käme) bedarf.

45       Anders als das Verwaltungsgericht meint, hatte sich der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Beschluss Ra 2018/11/0148, 0149 nicht mit der Frage auseinanderzusetzen, wer bei einer Subüberlassung als Beschäftiger und damit als Verpflichteter zur Bereithaltung der Lohnunterlagen gemäß § 22 Abs. 2 erster Satz LSD-BG anzusehen ist (vgl. Rn 8 dieses Beschlusses, wonach der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe - in welchen die in Rede stehende Frage sichtlich nicht aufgeworfen wurde - zu überprüfen hat). Aus dem zitierten Beschluss ist somit für den vorliegenden Fall nichts zu gewinnen.

46       Gemäß § 22 Abs. 2 erster Satz LSD-BG trifft die Verpflichtung zur Bereithaltung der Lohnunterlagen nach Abs. 1 leg. cit. den inländischen Beschäftiger „bei einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung“.

47       Schon eine Wortinterpretation der in § 22 Abs. 2 erster Satz LSD-BG verwendeten Präposition „bei“ in Verbindung mit der Wortfolge „einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung“ zeigt, dass Normadressat dieser Bestimmung ein Beschäftiger von Arbeitskräften ist, die zuvor (aber nicht notwendigerweise an ihn) grenzüberschreitend überlassen wurden. § 22 Abs. 2 erster Satz LSD-BG verpflichtet nach seinem Wortlaut also nicht bloß den inländischen Beschäftiger „einer ihm grenzüberschreitend überlassenen Arbeitskraft“ (hätte der Gesetzgeber dies beabsichtigt, so hätte er diese oder eine entsprechende Formulierung gewählt).

48       Auch der Telos bzw. der Schutzzweck des § 22 Abs. 2 erster Satz LSD-BG spricht gegen das dieser Bestimmung vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte Verständnis:

49       Zu § 7d Abs. 2 AVRAG (bei welcher es sich um die inhaltsgleiche Vorgängerbestimmung des § 22 Abs. 2 erster Satz LSD-BG handelte; vgl. auch die Erläuterungen zur letztgenannten Bestimmung, 1111 BlgNR XXV.GP, 18) hat der Verwaltungsgerichtshof unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union ausgeführt, die Verpflichtung zur Bereithaltung der Lohnunterlagen am Arbeitsort (auf der Baustelle) stelle eine gerechtfertigte Einschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar, weil sie ein „im Allgemeininteresse liegendes zwingendes Ziel - nämlich den sozialen Schutz der Arbeitnehmer und die Kontrolle der Gewährleistung dieses Schutzes“ verfolge, und den Kontrollorganen erst ermögliche, am „Arbeits(Einsatz)ort die Erhebungen durchzuführen, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Entgeltbestimmungen zum Schutz der Arbeitnehmer/innen zu gewährleisten“ (VwGH 28.2.2017, Ra 2016/11/0164, Rn 23-26).

50       Da der Schutz des genannten, im Allgemeininteresse liegenden (zwingenden) Zieles somit erst durch die Kontrolle der Lohnunterlagen am Arbeitsort der überlassenen Arbeitskräfte ermöglicht wird, sind die Lohnunterlagen von jener Person bereit zu halten, welche die Arbeitskräfte tatsächlich zur Arbeitsleistung einsetzt (Beschäftiger iSd. § 3 Abs. 3 AÜG iVm. § 6 Abs. 3 LSD-BG). Die Gewährleistung dieses zwingenden Schutzes der Arbeitnehmer und die mit ihr verbundene Verpflichtung zur Bereithaltung von Unterlagen kann daher auch bei einer Subüberlassung nicht davon abhängen, ob der „grenzüberschreitende“ Überlassungsvorgang erst bei der Überlassung der Arbeitskräfte an jene Person, welche die Arbeitskräfte tatsächlich zur Arbeitsleistung einsetzt, erfolgte.

51       Zum selben Ergebnis gelangt man, wenn man die Beurteilung, ob gegenständlich die Tatbestandsvoraussetzung der „grenzüberschreitenden Überlassung“ erfüllt und die L. GmbH & Co KG inländischer Beschäftiger iSd. § 22 Abs. 2 erster Satz LSD-BG ist, gemäß § 2 Abs. 1 LSD-BG „nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt“ (Beschäftigung von Arbeitskräften eines ausländischen Arbeitgebers im Rahmen eines Unternehmens in Österreich) und nicht, wie vom Verwaltungsgericht angedacht, nach der äußeren Erscheinungsform des Sachverhalts (formale Zuordnung des grenzüberschreitenden Vorgangs innerhalb der Überlassungskette) vornimmt.

52       Zusammengefasst ergibt sich somit, dass die Tatbestandsvoraussetzung „bei einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung“ in § 22 Abs. 2 erster Satz LSD-BG zur Gewährleistung zwingender im Allgemeininteresse liegender (nicht zuletzt unionsrechtlicher) Ziele und deren Effektivität schon dann als erfüllt anzusehen ist, wenn die Arbeitskraft an irgendeiner Stelle der Überlassungskette „grenzüberschreitend“ überlassen wurde.

53       Fallbezogen wurden die in Rede stehenden Arbeitskräfte, die von der D. d.o.o. unstrittig „grenzüberschreitend“ von Slowenien nach Österreich überlassen wurden, im Zuge einer Überlassungskette der in Österreich ansässigen L. GmbH & Co KG überlassen, die diese Arbeitskräfte in Österreich beschäftigt hat.

54       Vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht, ausgehend von einem unzutreffenden Verständnis des § 22 Abs. 2 erster Satz LSD-BG, die Verpflichtung der L. GmbH & Co KG zur Bereithaltung der Lohnunterlagen zu Unrecht verneint und die gegen die Mitbeteiligten erlassenen Straferkenntnisse aufgehoben.

55       Die angefochtenen Erkenntnisse waren daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 11. November 2021

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020110182.L00

Im RIS seit

06.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

06.12.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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