TE Vwgh Beschluss 2021/11/12 Ra 2020/16/0158

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Veröffentlicht am 12.11.2021
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E3R E02101000
E3R E02200000
E3R E02202000
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §212a
BAO §230 Abs6
EURallg
31992R2913 ZK 1992 Art244
32013R0952 ZK 2013 Art45 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und den Hofrat Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des damaligen Zollamts Linz Wels (nunmehr Zollamt Österreich), gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 5. August 2020, Zl. RV/5200040/2016, betreffend Pfändung einer Geldforderung (mitbeteiligte Partei: V GmbH in S, vertreten durch die Schrömbges + Partner Partnerschaftsgesellschaft Rechtsanwälte Steuerberater mbB in 20095 Hamburg, Ballindamm 13 [Deutschland]), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 8. März 2016 teilte das damalige Zollamt Linz Wels der mitbeteiligten Partei die buchmäßige Erfassung einer gemäß Art. 201 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 3 Zollkodex (ZK) iVm § 2 Abs. 1 ZollR-DG entstandenen Eingangsabgabenschuld mit und schrieb ihr gemäß § 108 Abs. 1 ZollR-DG eine Abgabenerhöhung zur Entrichtung vor.

2        Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei mit Schriftsatz vom 12. März 2016 Beschwerde und stellte einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gemäß Art. 244 ZK iVm § 212a Abs. 1 BAO.

3        Nach Ausstellung eines Rückstandsausweises pfändete das Zollamt mit Bescheid vom 4. April 2016 eine Geldforderung der mitbeteiligten Partei an die V AG gemäß § 65 Abs. 1 Abgabenexekutionsordnung (AbgEO). Dagegen erhob die mitbeteiligte Partei Beschwerde.

4        Mit Bescheid vom 27. April 2016 gab das Zollamt dem Antrag der mitbeteiligten Partei auf Aussetzung der Vollziehung gemäß Art. 244 ZK iVm § 212a Abs. 1 BAO statt und sprach aus, dass die Einhebung der festgesetzten Abgaben gemäß § 212a Abs. 5 BAO bis zur Erledigung des anhängigen Rechtsbehelfs oder des Widerrufs der Aussetzung aufgeschoben sei.

5        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde der mitbeteiligten Partei gegen den Pfändungsbescheid vom 4. April 2016 Folge und hob diesen gemäß § 279 BAO auf. Weiters sprach das Bundesfinanzgericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

6        Begründend führte das Bundesfinanzgericht aus, nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Jänner 2020, Ro 2019/16/0001, bewirke ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach Art. 244 ZK (oder Art. 45 Abs. 2 UZK) gemäß § 230 Abs. 6 BAO die Hemmung der Einbringung (§§ 229 bis 233 BAO). Da der im Zeitpunkt der Pfändung gemäß § 65 AbgEO unerledigte Antrag vom 12. März 2016 auf Aussetzung der Vollziehung die Hemmung der Einbringung der betroffenen Abgaben zur Folge habe, erweise sich die mit dem vor dem Bundesfinanzgericht angefochtenen Bescheid erfolgte Pfändung als rechtswidrig.

7        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision des Zollamts, in der zur Zulässigkeit vorgebracht wird, im vom Bundesfinanzgericht herangezogenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Jänner 2020, Ro 2019/16/0001, habe dieser nicht die im Revisionsfall maßgebliche Rechtsfrage zu lösen gehabt, ob ein unerledigter Aussetzungsantrag im Anwendungsbereich des Zollkodex eine Einbringungshemmung gemäß § 230 Abs. 6 BAO zur Folge habe. Vielmehr habe sich der Verwaltungsgerichtshof nur mit der Frage beschäftigen müssen, ob Einhebungsmaßnahmen, nämlich die Festsetzung von Säumniszinsen, bei unerledigten Aussetzungsanträgen zulässig seien. Es fehle daher eine explizite höchstgerichtliche Entscheidung zur Frage, ob im Bereich des Zollrechts Einbringungsmaßnahmen bei unerledigten Aussetzungsanträgen - also im Zeitraum zwischen der Antragstellung auf Aussetzung der Vollziehung und der Erledigung dieses Antrags - zulässig seien.

8        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer solchen Revision hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 30. Jänner 2020, Ro 2019/16/0001, ausgesprochen hat, sind in Vollziehung des Art. 244 ZK die nationalen Bestimmungen des § 212a BAO anzuwenden, soweit der Zollkodex nicht (wie etwa hinsichtlich der Voraussetzung des § 212a BAO für die Aussetzung der Einhebung) anderes bestimmt (vgl. schon VwGH 27.9.2012, 2010/16/0196, mwN).

11       Wurde ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO gestellt, dürfen gemäß § 230 Abs. 6 BAO Einbringungsmaßnahmen hinsichtlich der davon nach Maßgabe des § 212a Abs. 1, 2 lit. b und 3 letzter Satz BAO betroffenen Abgaben bis zu seiner Erledigung weder eingeleitet noch fortgesetzt werden.

12       Mangels anderslautender Regelung im Zollkodex bewirkt somit auch der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach Art. 244 ZK (nunmehr nach Art. 45 Abs. 2 UZK), wie der Antrag auf Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO, gemäß § 230 Abs. 6 BAO eine Hemmung der Einbringung (§§ 229 bis 233 BAO) (vgl. bereits VwGH 30.1.2020, Ro 2019/16/0001).

13       Die mit dem Antrag auf Aussetzung verbundene Wirkung der Hemmung der Einbringung nach § 230 Abs. 6 BAO besteht ab dem Zeitpunkt der Antragstellung (vgl. VwGH 27.2.2015, 2011/17/0103; 6.7.2006, 2003/15/0126).

14       Damit sind aber Einbringungsmaßnahmen, wie die Pfändung einer Forderung nach § 65 AbgEO, bereits ab dem Einlangen des Antrags auf Aussetzung nicht zulässig (vgl. nochmals VwGH 27.9.2012, 2010/16/0196).

15       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 12. November 2021

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020160158.L00

Im RIS seit

06.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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