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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AVRAG 1993 §7i Abs5Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des J F in P (Deutschland), vertreten durch Dr. Andreas Pfeiffer, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Eberhard-Fugger-Straße 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 21. Februar 2019, Zl. 405-7/508/1/26-2019, betreffend Übertretungen des AVRAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Revisionswerber, in teilweiser Bestätigung und teilweiser Abänderung des Straferkenntnisses der belangten Behörde vom 6. November 2017, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung schuldig erkannt, er habe es zu verantworten, dass die von ihm als handelsrechtlichem Geschäftsführer vertretene, im Gütertransport tätige RS GmbH als Arbeitgeberin mit Sitz in S den Arbeitnehmer A in näher genannten Zeiträumen im Jahr 2015 als Kraftfahrer beschäftigt habe, ohne ihm den nach dem Kollektivvertrag „Güterbeförderung, Arbeiter“ zustehenden Grundlohn unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien geleistet zu haben. Dadurch habe der Revisionswerber gegen § 7i Abs. 5 des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG) verstoßen, weswegen über ihn eine Geldstrafe von € 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag und 10 Stunden) verhängt wurde. Gleichzeitig erklärte das Verwaltungsgericht gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision für nicht zulässig.
2 Begründend stellte das Verwaltungsgericht fest, die Tätigkeit des - im Jahr 2015 durchgehend bei der RS GmbH beschäftigten und als geringfügig Beschäftigter zur Sozialversicherung angemeldeten - Arbeitnehmers A habe darin bestanden, im Regelfall montags bis freitags jeweils abends einen Sattelauflieger von einer Spedition in Salzburg zu einer Spedition in Wels zu bringen und den beladenen Auflieger zurück nach Salzburg zu fahren. Den Auflieger habe er bei einer bestimmten Rampe der Spedition in Wels abgestellt und die Wartezeit bis zur Fertigstellung der Beladung für die Rückfahrt regelmäßig in der Nähe des Fahrzeugs oder im Aufenthaltsraum der Spedition verbracht, wo die Fahrer der abfahrbereiten LKW aufgerufen worden seien. Die Wartezeit habe im Regelfall etwa 30 Minuten betragen und sei im Fahrtenschreiber als „andere Arbeiten“ vermerkt gewesen (kürzeste Zeiteintragung 14 Minuten, längste Eintragung 1 Stunde 22 Minuten). Die Berechnung der Arbeitszeiten und des Entgelts sei anhand der Ausdrucke aus dem Tachographensystem erfolgt, wobei zu den Lenkzeiten jeweils drei Minuten Arbeitszeit für das Auf- und Absatteln addiert worden seien. Die übrige Zeit zwischen den Lenkzeiten sei nicht abgegolten worden, da es sich nach Ansicht des Beschuldigten (Revisionswerbers) um Freizeit gehandelt habe. Weiters legte das Verwaltungsgericht seinem Erkenntnis zugrunde, der Arbeitnehmer A habe nicht frei über die Wartezeit verfügen können, sondern sich für die Rückfahrt, deren Zeitpunkt im Vorhinein nicht bekannt gewesen sei, bereithalten müssen. Es habe sich daher bei den Wartezeiten zwischen den Lenkzeiten um Arbeitszeit iSd. Art. 3 lit. a Z 1 der Richtlinie 2002/15/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 zur Regelung der Arbeitszeit von Personen, die Fahrtätigkeiten im Bereich des Straßentransports ausüben, gehandelt. Daran vermöge weder die Vorgabe eines Zeitrahmens durch den Auftraggeber der Fahrten noch der Umstand etwas zu ändern, dass sich der Arbeitnehmer gelegentlich während der Wartezeit bei einer nahegelegenen Tankstelle Nahrungsmittel besorgt habe. Mangels Abgeltung dieser Wartezeiten liege eine - nicht bloß geringfügige - Unterentlohnung vor.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, unter Anschluss der Verfahrensakten vorgelegte außerordentliche Revision. Die belangte Behörde verzichtete auf die Erstattung einer Revisionsbeantwortung.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen (VwGH 27.4.2020, Ra 2019/11/0045, mwN). Dem Erfordernis einer (gesonderten) Zulässigkeitsbegründung wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. etwa die Beschlüsse VwGH 23.3.2017, Ra 2017/11/0014, und VwGH 1.9.2017, Ra 2017/11/0225, jeweils mwN).
5 Mit Schreiben vom 13. Juli 2021 beantragte der Revisionswerber, das gegenständliche Verfahren einzustellen, weil zwei Verfahren über Beschwerden der RS GmbH betreffend Versicherungspflichten wegen Verlusts der Rechtspersönlichkeit und damit der Parteistellung der RS GmbH eingestellt worden waren. Dieser Antrag geht schon deshalb ins Leere, weil die Löschung der RS GmbH aus dem Firmenbuch nichts an der Verantwortlichkeit des Revisionswerbers im gegen ihn geführten Verwaltungsstrafverfahren zu ändern vermag.
6 In der Revision wird zu deren Zulässigkeit vorgebracht, es liege „keine gesicherte Rechtsprechung“ zur Frage vor, „ob Wartezeiten, die dem LKW-Fahrer als Dienstnehmer zur freien Verfügung stehen, in die Arbeitszeit einzurechnen sind“.
7 Mit diesem Vorbringen entfernt sich der Revisionswerber vom festgestellten Sachverhalt, demzufolge der Arbeitnehmer A nicht frei über die Wartezeit verfügen konnte, sondern sich für die Rückfahrt bereithalten musste (vgl. zum Nichtvorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, wenn sich das Zulässigkeitsvorbringen vom festgestellten Sachverhalt entfernt, etwa VwGH 6.7.2021, Ra 2020/08/0018; 14.9.2021, Ra 2020/20/0405, jeweils mwN).
8 Zur Zulässigkeit wird weiters vorgebracht, „durch die Vernehmung eines Zeugen, der nicht von verschreibungspflichtigen Medikamenten unbeeinträchtigt war“, seien tragende Grundsätze des Verfahrensrechts nicht eingehalten worden. Die Behauptung, der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht befragte Zeuge sei damals durch Medikamente beeinträchtigt gewesen, wurde erstmals im Revisionsverfahren aufgestellt, obwohl zwischen der mündlichen Verhandlung und der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses mehr als sechs Monate lagen, in denen dieses Vorbringen hätte erstattet werden können. Es handelt sich somit um ein dem Neuerungsverbot des § 41 VwGG widersprechendes Vorbringen, mit dem das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht begründet werden kann (vgl. etwa VwGH 11.11.2019, Ra 2019/11/0050).
9 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 15. November 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019110052.L00Im RIS seit
06.12.2021Zuletzt aktualisiert am
20.12.2021