TE Lvwg Erkenntnis 2021/11/3 LVwG-2021/45/0163-1

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Veröffentlicht am 03.11.2021
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Entscheidungsdatum

03.11.2021

Index

40/01 Verwaltungsverfahre

Norm

VStG §45 Abs1 Z1
VStG §44a

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Vizepräsidenten Dr. Larcher über die Beschwerde des AA, vertreten durch RA BB, Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Z vom 13.11.2020, Zl ****, betreffend eine Übertretung nach dem Tiroler Jagdgesetz,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen wie folgt:

„Für die Reviere EJ CC (Hauptrevier) inkl. GJ DD und EJ EE, welche sich gemäß Anlage 2 der Rotwild-Tbc-Bekämpfungsplan-Verordnung, LGBI. Nr. 68/2011 idF LGBI. Nr. 26/2014, in der Überwachungszone befinden, wurden für das Jagdjahr 2018 folgende Abschusszahlen vorgeschrieben:

gesamt: 52 Stück Rotwild

davon 19 Stück Schmal- oder Alttiere und 33 Stück Rotwild der übrigen Klassen

Herrn AA, geboren am **.**.**** in X, wohnhaft in **** Y, Adresse 2, wird als zuständigem Jagdschutzorgan für die Reviere EJ CC (Hauptrevier) inkl. GJ DD und EJ EE zur Last gelegt, im Seuchenbekämpfungszeitraum vom 20.04.2018 bis zum 31.12.2018, 24:00 Uhr - Beginn der Jagdsaison mit 20.04.2018, festgelegt in der Abschussbesprechung am 17.04.2018 in **** W und der vorläufigen Mindestabschussanordnung vom 27.04.2018 (GZ: ***), amtliche Zustellung der detaillierten Mindestabschussanordnung für die Reviere EJ CC (Hauptrevier) inkl. GJ DD und EJ EE vom 01.06.2018, am 07.06.2018 (GZ: ***) - unter Anrechnung der im Zeitraum vom 20.04.2018 bis zum 07.06.2018 getätigten Abschüsse, in den Revieren EJ CC (Hauptrevier) inkl. GJ DD und EJ EE, die vom Amtstierarzt gemäß § 3 Abs. 1 Rotwild-Tbc-Bekämpfungsplan-Verordnung vorgeschriebenen Abschusszahlen nicht erfüllt zu haben, da an Stelle von 52 Stück Rotwild, davon 19 Stück Zuwachsträger (Schmal- oder Alttiere) sowie 33 Stück Rotwild der übrigen Klassen, lediglich 5 Stück Zuwachsträger (Schmal- oder Alttiere) und 7 Stück Rotwild der übrigen Klassen erlegt wurden und somit nach Ende des Seuchenbekämpfungszeitraumes noch 14 Stück Zuwachsträger (Schmal- oder Alttiere) und 26 Stück Rotwild der übrigen Klassen ausständig sind.

Gemäß § 64 Tierseuchengesetz, RGBl. Nr. 177/1909, in der Fassung BGBl. I Nr. 37/2018, (kurz: TSG), begeht, wer den sonstigen in diesem Bundesgesetz enthaltenen oder auf Grund desselben erlassenen Anordnungen oder dem unmittelbar anwendbaren Recht der EU auf dem Gebiet des Veterinärwesens zuwiderhandelt, eine Verwaltungsübertretung und wird, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, mit Geldstrafe bis zu 4.360 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen bestraft.

Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit zur Bekämpfung der Tuberkulose in Rotwildbeständen (Rotwild-Tbc-Verordnung), BGBl. II Nr. 181/2011, unterliegt dieser Verordnung Rotwild, das nicht in der in § 1 Abs. 1 TSG beschriebenen Weise gehalten wird (Wildtiere) und sich in einem gemäß § 2 Abs. 1 kundgemachten Seuchengebiet aufhält.

Gemäß § 1 Abs. 2 der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit zur Bekämpfung der Tuberkulose in Rotwildbeständen (Rotwild-Tbc-Verordnung), BGBl. II Nr. 181/2011, sind auf Rotwild gemäß Abs. 1 die §§ 2, 2b, 13, 14, 15, 16, 17, 19, 22 Abs. 2 und 3, 23, 24 Abs. 4, 25, 28, 30, 46, 59, 61 Abs. 1 lit. c, d undg TSG nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen anzuwenden. Dabei ist als Tierhalter jene Person, die zur Ausübung des Jagdschutzes berufen ist, als Eigentümer der Tiere und Tierbesitzer die bzw. der Jagdausübungsberechtigte oder - wenn es solche im jeweiligen Fall nicht gibt – die Grundeigentümerin bzw. der Grundeigentümer anzusehen. Als Gehöft gilt das Seuchengebiet.

Gemäß § 3 Abs. 1 der Rotwild-Tbc-Bekämpfungsplan-Verordnung, LGBI. Nr. 68/2011, in der Fassung LGBI. Nr. 26/2014, hat der Amtstierarzt in Ausübung unmittelbarer Befehlsgewalt sowohl für die Bekämpfungszone als auch für die Überwachungszone Abschüsse von Rotwild nach veterinärfachlichen Gesichtspunkten unter Berücksichtigung der epidemiologischen Gegebenheiten nach Alter, Geschlecht und Nutzung gegliedert sowie nach Maßgabe von der Behörde festgesetzter Abschusszeiten anzuordnen.

Gemäß § 2 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Z zur Bekämpfung der Tuberkulose beim Rotwild vom 26.04.2018, Zahl: ***, hat der Amtstierarzt in Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt sowohl für die Bekämpfungszone als auch für die Überwachungszone Abschüsse von Rotwild nach veterinärfachlichen Gesichtspunkten unter Berücksichtigung der epidemiologischen Gegebenheiten, nach Alter, Geschlecht und Nutzung gegliedert, anzuordnen. Für die Abschusserfüllung ist das für das jeweilige Revier zuständige Jagdschutzorgan verantwortlich, wobei der Jagdausübungsberechtigte dieses sowohl in materieller als auch personeller Hinsicht zu unterstützen hat.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 64 Tierseuchengesetz, RGBl. Nr. 177/1909 idF BGBl. I Nr. 37/2018 (kurz: TSG) iVm § 1 der Rotwild- Tbc - Verordnung, BGBl. II Nr. 181/2011 IVm § 3 Abs. 1 der Rotwild - Tbc - Bekämpfungsplan - Verordnung, LGBI. Nr. 68/2011 IdF LGBI. Nr. 26/2014 IVm § 2 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Z zur Bekämpfung der Tuberkulose beim Rotwild vom 26.04.2018, Zahl: ***;

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von Euro

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

Freiheitsstrafe von

gemäß

EUR 4.360,00

6 Wochen

 

§ 64 Tierseuchengesetz, RGBl. Nr. 177/1909, idF BGBl. 1 Nr. 37/2018;

Allfällige weitere Aussprüche (z.B. über die Anrechnung der Vorhaft, über den Verfall oder über privatrechtliche Ansprüche):

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

436,00 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, mindestens jedoch 10 Euro (ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100 Euro);

Euro als Ersatz der Barauslagen für

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

4.796,00 Euro“

Gegen dieses Straferkenntnis wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und kommt dieser Beschwerde bereits aus formalen Gründen Berechtigung zu.

II.      Sachverhaltsfeststellungen:

1.       Feststellungen zur Ausgangslage der Tbc-Ausbreitung beim Rotwildbestand im V-Tal:

Die Tuberkulose ist eine meist chronisch verlaufende, durch verschiedene Tuberkelbakterien (Mycobacterien) hervorgerufene, mit spezifischen Entzündungsvorgängen einhergehende Infektionskrankheit, an der alle Säugetiere und Vögel sowie der Mensch erkranken können. Die Tuberkulose zählt daher zu den Zoonosen, das sind Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden können (direkter Kontakt über Tröpfcheninfektion oder indirekter Kontakt über von erkrankten Tieren stammende Lebensmittel, insbesondere unbehandelte Milch). Der derzeit in Tirol bei Nutz- und Wildtieren vorgefundene Typ ist Mycobacterium caprae, der weltweit endemisch vorkommt und als äußerst ansteckend für sämtliche Hirscharten gilt, aber auch auf Nutztiere und Menschen übertragen werden kann.

Seit dem Jahre 1999 wurden sowohl beim Rotwild als auch bei Rindern im Bezirk Z – Region U laufend Fälle von Tuberkulose festgestellt. Als Erreger der Tuberkulose wurde in allen nachgewiesenen Fällen bei Rotwild und Rindern ein identischer Stamm des Bakteriums „Mycobacterium caprae“ identifiziert (nachgewiesen mittels sog. Spoligotypisierung).

In der Folge wurden umfangreiche Bekämpfungsmaßnahmen in den Rinderbeständen durchgeführt (flächendeckende Tbc-Untersuchung in allen Rinderbeständen der Bezirke Z, T, S und R im Winter 2008/2009; flächendeckende Tbc-Untersuchung in allen Rinderbeständen der Region U sowie der Rinder, die in diesem Gebiet gealpt worden sind, im Herbst 2009 und Herbst 2010). Nach drei Jahren intensiver Bekämpfungsmaßnahmen konnte die Rindertuberkulose insofern eingedämmt werden, dass im Rahmen der Untersuchungsaktion Herbst 2010 nur mehr in zwei Betrieben die Seuche festgestellt wurde. In mehreren Fällen konnte kein epidemiologischer Zusammenhang zu anderen Rinderbeständen hergestellt werden, was ganz klar für einen Eintrag aus der Rotwildpopulation spricht. Tatsache ist jedenfalls, dass das Kerngebiet der Feststellung von Tbc bei Rindern deckungsgleich mit dem Kerngebiet der festgestellten Tbc- Fälle beim Rotwild ist.

Zu dieser Thematik wurde weiters die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) beauftragt, eine Wildtierstudie mit dem Titel „Verbreitung der Tuberkulose beim Rotwild im V und Q-Tal“ in den Jahren 2008 – 2011 durchzuführen. Die bisher vorliegenden Ergebnisse haben aufgezeigt, dass im oberen V-Tal durchschnittlich 20 % des Rotwildbestandes mit „Mycobacterium caprae“ infiziert sind. Nach Einschätzung der AGES stellt der Rotwildbestand das Erregerreservoir für diese Erkrankung sowohl bei Nutz- als auch bei Wildtieren dar, wodurch ein erhebliches Infektionsrisiko ausgehend von erkrankten Rotwildstücken für gealpte Rinder und in der Folge auch für die Bevölkerung besteht. Laut Zwischenbericht und internen mündlichen Mitteilungen der AGES konnte im Hegering FF im Gemeindegebiet von P in den Revieren EJ GG, EJ JJ und GJ KK im Umkreis von zwei großen Winterfütterungen nördlich des O eine Prävalenz von über 40% Tbc-positives Rotwild als „hot spot“ detektiert werden. In den übrigen Revieren des Hegerings FF der Gemeinde P, sowie in den Revieren der Gemeinden N und W liegt die Prävalenz bei ca. 20% und sinkt weiter im Hegering LL auf unter 10% in den Revieren der Gemeinden M, DD und L. Weiter westlich bzw. im übrigen Bezirk Z konnte - mit Ausnahme eines Einzelfalles - M. caprae bisher nicht festgestellt werden.

Das Kerngebiet des Tbc-Seuchengeschehens stellen somit die in der Gemeinde P gelegenen Reviere im Hegering FF dar (EJ GG, EJ JJ und GJ KK). In den Revieren EJ GG und EJ JJ wird jeweils eine intensive Winterfütterung betrieben, an denen in den letzten Jahren jeweils insgesamt bis zu 400 Stück Rotwild gezählt worden sind. Die beiden Fütterungen liegen ca. 700 m Luftlinie voneinander entfernt.

Ein Großteil des Rotwildes, das an der im Revier EJ GG gelegenen Fütterung während der Wintermonate versorgt wird, zieht im Frühjahr nördlich des O in westliche Richtung in Nachbarreviere sowie in die in den Gemeinden K und J (G) gelegenen Almgebiete. Das Rotwild der im Revier EJ JJ gelegenen Fütterung wechselt in die südlich und östlich gelegenen Nachbarreviere. Nach der Brunftzeit sammelt sich das Rotwild wieder im Bereich dieser Fütterungen.

Zu hohe Bestandsdichten von 7 bis 9 Stück Rotwild pro 100 ha Sommereinstand und intensive Winterfütterung an großen Futterplätzen haben zur massiven Ausbreitung des Erregers in der Rotwildpopulation geführt. Durch diese hohe Konzentration von Wild auf engstem Raum haben auch Parasitosen und andere Erkrankungen entsprechend zugenommen und die Immunitätslage beim Wild höchstwahrscheinlich derart verschlechtert, dass der Tuberkuloseerreger die Abwehrbarriere des Körpers leichter überwinden kann. Es liegen zudem einschlägige Fachgutachten von MM „Maßnahmenkatalog zur Bekämpfung der bovinen Tuberkulose beim Rotwild“ sowie von NN vom OO-Institut der Universität in F „Grundlagen Rotwildmanagement Tirol“ vor. Diese wurden im Auftrag des Amtes der Tiroler Landesregierung erstellt. Aus beiden Gutachten geht hervor, dass die hohen Rotwildbestände ein sehr hohes Risiko für die Wildgesundheit darstellen und eine der Ursachen für das Auftreten und die Verbreitung der Infektion von Tuberkulose bei Rindern und Rotwild sind.

Zur Bekämpfung der Tuberkulose beim Rotwild werden im Gutachten von MM folgende Maßnahmen empfohlen:

•        Reduktion der Rotwilddichte

•        Verhinderung von Rotwildkonzentrationen zur Reduktion der Kontakte innerhalb der Rotwildpopulation im Zuge derer es zur Übertragung der Tuberkuloseinfektion kommen kann.

•        Verhinderung von Kontakten zwischen Rotwild und Nutztierbeständen, bei denen es zur Übertragung der Tuberkuloseinfektion kommen kann.

Die in den vergangenen Jahren gesetzten Maßnahmen nach dem Tiroler Jagdgesetz haben keine Reduktion der Tbc-Prävalenz in der Rotwildpopulation gebracht. Eine weitere Erhöhung des Jagddruckes bzw. das Auflassen der oben beschriebenen Fütterungen erscheint aus der Sicht der Tierseuchenbekämpfung auch deshalb nicht sinnvoll, weil dadurch eine Verteilung der infizierten Rotwildpopulation auf ein größeres Gebiet und damit eine Begünstigung der Ausbreitung der Tuberkulose zu befürchten ist.

Effiziente Bekämpfungsmaßnahmen sind auch deswegen dringend erforderlich, weil nur dadurch eine weitere Ausbreitung der Tuberkulose in der Rotwildpopulation und die Gefahr der Ansteckung der Rinderbestände und die damit verbundene Gefährdung der menschlichen Gesundheit (Zoonose) durch direkten und indirekten (Nahrungsmittel tierischer Herkunft, insbesondere Milch und Milchprodukte) Kontakt hintan gehalten werden kann. Darüber hinaus ist eine effektive Bekämpfung der Tuberkulose Voraussetzung für die Erhaltung der Wirtschaftlichkeit der Rinderhaltung in der betroffenen Region. Nur so kann dort die Ausübung der Landwirtschaft mit Nutztierhaltung und Bewirtschaftung der Almgebiete nachhaltig gesichert werden. Falls es nicht gelingt, die Tuberkulose erfolgreich einzudämmen, droht der Verlust der Anerkennung der Tbc-Freiheit für die Region Tirol und in weiterer Folge unter Umständen für das gesamte Bundesgebiet. Der Erhalt dieser Anerkennung ist eine Grundvoraussetzung für den innergemeinschaftlichen Handel von Rindern und vor allem auch für den wirtschaftlich bedeutenden Export von Rindern in Drittländer (Russland, Algerien, Türkei usw) mit den ausverhandelten Gesundheitszertifikaten. Der Verlust der Anerkennung wäre gleichbedeutend mit einem länger dauernden Exportstopp verbunden mit hohen finanziellen Verlusten für den Viehhandel.

Laut den Bestimmungen des Tierseuchengesetzes (TSG) hat der Bundesminister für Gesundheit soweit dies nach dem Stande der Wissenschaft zur Verhinderung von Tierseuchen erforderlich ist, durch Verordnung festzusetzen, auf welche Arten von Wild in freier Wildbahn und in welchem Umfang die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes anzuwenden sind. Da das Tiroler Jagdgesetz in Verbindung mit den Leitlinien des Tiroler Jägerverbandes als Grundlage für eine Seuchenbekämpfung ungeeignet erschien, weil sich Jagdethik und Verhaltenskodex der Tiroler Jägerschaft nicht mit den Zielen einer Seuchenbekämpfung vereinbaren lassen und auch die vorgegebenen Abschusspläne vielfach nicht erfüllt werden konnten und um eine gezielte Bekämpfung der Tuberkulose zu ermöglichen und den Erkenntnissen der Wildtierstudie der AGES und den Fachgutachten von NN und MM gerecht zu werden, machte der Bundesminister für Gesundheit von der Verordnungsermächtigung gemäß § 1 Abs. 5 TSG gebrauch, um eine effiziente Bekämpfung der Tuberkulose bei den betroffenen Wildtieren zu gewährleisten.

Das Ziel der Bekämpfungsmaßnahmen liegt darin, dass durch örtlich und zeitlich begrenzte Bekämpfungsmaßnahmen eine nachhaltige Reduktion der Rotwildpopulation herbeigeführt wird, die in der Folge durch jagdliche Maßnahmen fortgeführt bzw. erhalten werden soll. Damit soll der weiteren Ausbreitung der Tuberkulose in der Rotwildpopulation sowie der Gefahr der Ansteckung der Rinderbestände und der damit verbundenen Gefährdung der menschlichen Gesundheit (Zoonose) durch direkten und indirekten Kontakt begegnet und die Sicherheit des Lebensmittels „Wildfleisch“ gewährleistet werden.

2.       Feststellungen zum verfahrensrelevanten Sachverhalt:

Laut einer Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft Z (dokumentiert im Akt des Landesverwaltungsgerichtes Tirol zur Zl ***) ist der Beschuldigte seit 28.07.2011 vereidigter Jagdaufseher für die GJ DD, die GJ CC und die EJ EE.

Allerdings ist für dieselben Reviere seit 24.11.2005 (bis 11.06.2020) auch PP ebenfalls als Jagdschutzorgan bestellt.

Am 17.04.2018 fand im Gemeindehaus W eine Präsentation der Abschusszahlen für das Jagdjahr 2018 statt und wurde ausgehend von diesen Abschusszahlen am 27.04.2018 von der Bezirkshauptmannschaft Z zur Zl *** der Abschuss von Rotwild aller Klassen beginnend mit 20.04.2018 angeordnet. Diese vorläufige Mindestabschussanordnung erging an alle Jagdschutzorgane im TBC-Seuchengebiet im Hegering FF, Hegering LL (mit Ausnahme der Genossenschaftsjagd QQ) und vier Reviere im Hegering RR. Dies bedeutet sie wurde neben AA auch PP als Jagdschutzorgan für dieselben Jagdreviere zugestellt.

Nachfolgend erließ die Bezirkshauptmannschaft Z am 01.06.2018 eine Mindestabschussanordnung für die Reviere Eigenjagd CC, EJ DD und EJ EE. Diese Mindestabschussanordnung zur Zl *** erging nur mehr an den Beschuldigten.

III.     Beweiswürdigung:

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt steht unbestritten fest bzw ergibt sich dieser aus den in dem verwaltungsbehördlichen Akt vorgelegten einliegenden Urkunden bzw ergibt es sich soweit auch aus dem Beschwerdevorbringen des Beschuldigten.

IV.      Rechtliche Beurteilung:

Nach § 44a VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, unter anderem zu enthalten die als erwiesen angenommene Tat und die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist.

Die als erwiesen angenommene Tat ist der den Delikttatbestand erfüllende Sachverhalt. Der Beschuldigte hat ein subjektives Recht, dass ihm die als erwiesen angenommene Tat richtig und vollständig vorgehalten wird (VwGH 08.08.2008, 2008/09/0042). Die Umschreibung dieser Tat hat – bereits im Spruch und nicht erst in der Bescheidbegründung – so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist (VwGH 17.04.2012, 2010/04/0057), sie muss mithin die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens erforderlich sind, ermöglichen und sie darf keinen Zweifel daran bestehen lassen, wofür der Täter bestraft worden ist (VwGH 23.04.2008, 2005/03/0243). Andererseits dürfen bei der Angabe der als erwiesen angenommenen Tat auch keine Verhaltensweisen mitumfasst werden, die nicht der verletzten Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44a Z 2 VStG unterliegen (VwGH 24.04.2008 2007/07/0124).

Das angefochtene Straferkenntnis genügt diesen Vorgaben nicht: Tatsächlich wurden für das Jagdjahr 2018 für jene Jagdreviere in denen der Beschuldigte ein behördlich bestelltes Jagdschutzorgan ist, zwei verschiedene Abschussanordnungen erlassen. Am 27.4.2018 wurde ein klassenloser unbeschränkter Abschuss von Rotwild für alle drei Jagdreviere angeordnet. Mit Abschussanordnung vom 1.6.2018 wurde diese allgemeine Abschussanordnung nach Geschlecht, Klasse und Stückzahl weiter konkretisiert. Gleichzeitig wurde eine Anrechnung des bisherigen Abschusses ausgesprochen. Tatzeitraum ist vom 20.4.2018 bis zum 31.12.2018.

Im hier vorliegenden Sachverhalt ist jedoch beachtlich, dass für die drei Jagdreviere in denen der Beschuldigte behördlich bestelltes Jagdschutzorgan ist, noch eine weitere Person (PP) mit dieser Aufgabe betraut ist. Die allgemeine Abschussanordnung vom 27.4.2018 ist auch diesem Jagdschutzorgan zugestellt worden.

Durch die konkretisierte Abschussanordnung vom 1.6.2018 wurde zwar nur mehr der Beschuldigte verpflichtet, allerdings erfolgte eine Anrechnung der (Zwangs-)Abschüsse aus dem Zeitraum 27.4.2018 bis 31.5.2018. Somit ergibt es sich, dass der Beschuldigte in Ansehung des Tatzeitraumes vom 20.4.2018 bis zum 31.12.2018 auch für ein Unterlassen einer zweiten Person zumindest mitgestraft wird, denn im Zeitraum 27.4.2018 bis 31.5.2018 waren beide Jagdschutzorgane im gleichen Ausmaß zum Abschuss von Rotwild verpflichtet.

Das Beschwerdeargument, das sich aus der Tatanlastung nicht zweifelsfrei ergibt, für welches Verhalten der Beschuldigte bestraft werden soll, ist somit zutreffend. Damit würde der Beschuldigte in seinen Verteidigungsrechten verletzt und der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt und ist eine eindeutige Zuordnung der vorgeworfenen Tat zu einem bestimmten Straftatbestand nicht möglich.

Eine Korrektur bzw Sanierung des Bescheidspruches ist nur dann zulässig und geboten, wenn nach der Lage des Falles auch eine taugliche, den Eintritt einer Verfolgungsverjährung unterbrechende Verfolgungshandlung, welche sich auf alle der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente bezieht, gegeben ist. Innerhalb der gesetzlichen Verfolgungsverjährungsfrist hat die belangte Behörde jedoch keine taugliche Verfolgungshandlung gesetzt. Es erfolgte zwar eine fristwahrende Aufforderung zur Rechtfertigung, aber diese ist nahezu wortident mit dem Spruch des nunmehr angefochtenen Straferkenntnisses.

Dem erkennenden Gericht ist es daher verwehrt, hier eine Änderung des Bescheidspruches vorzunehmen. Schon aufgrund dieser Erwägungen war das angefochtene Straferkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes zu beheben und war spruchgemäß die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu verfügen.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 44 Abs 2 VwGVG konnte die Verhandlung entfallen, da im gegenständlichen Fall bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Larcher

(Vizepräsident)

Schlagworte

Tbc Rotwild

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.45.0163.1

Zuletzt aktualisiert am

03.12.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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