TE Lvwg Erkenntnis 2021/11/8 LVwG-2021/23/1312-5

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Veröffentlicht am 08.11.2021
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Entscheidungsdatum

08.11.2021

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §45 Abs1 Z1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Vizepräsidenten Dr. Larcher über die Beschwerde von Herrn AA, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 14.04.2021, Zl ***, betreffend Übertretung nach der VO LGBl Nr 35/2020,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer spruchgemäß Folgendes zur Last gelegt:

„Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:

Tatzeit:  29.12.2020 um 14.49 Uhr

Tatort:  **** Y, Adresse 2 (Gasthaus „CC“)

Sie haben als Gewerbeinhaber des reglementierten Gewerbes „Gastgewerbe in der Betriebsart Gasthof“, welche eine Betriebsstätte der Betriebsart des Gastgewerbes darstellt, nicht dafür Sorge getragen, dass die Betriebsstätte zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen des Gastgewerbes nicht betreten bzw. befahren wird und auch keine Abholung von Speisen und Getränken zwischen 06.00 und 19.00 Uhr durchgeführt bzw. ermöglicht wurde, obwohl das Betreten und Befahren von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten des Gastgewerbes zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen des Gastgewerbes gemäß 2. COVID-19- Notmaßnahmenverordnung, 2. COVID-19-NotMV, BGBl. II Nr. 598/2020 in der Zeit vom 26.12.2020 bis 04.01.2021 untersagt war und gemäß Verordnung über zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 in Schigebieten ist Tirol vom 22.12.2020 die Abholung von Speisen und Getränken bei solchen Betriebsstätten des Gastgewerbes in Schigebieten unzulässig ist, die durch Gäste nicht mit Kraftfahrzeugen über Straßen erreicht werden können, deren Benutzung durch die Allgemeinheit vom Willen des Grundeigentümers oder Straßenerhalters unabhängig ist.

Es wurde festgestellt, dass sich am 29.12.2020 um 14:49 Uhr mehrere Personen im näheren Umfeld des Gastgewerbebetriebes ihre an der Theke geholten Speisen und Getränke konsumierten.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§§ 8; Abs. 3, 3 Äbs. 1 COVID-19-MG BGBl. I Nr. 12/2020, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2020 iVm § 7 Abs. 1

2. COVID-19-NotMV BGBl II Nr. 598/2020iVm § der 142. Verordnung des Landeshauptmannes vom 22.12.2020 über zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 in Schigebieten in Tirol“

Aus diesem Grund wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs 3 COVID-19-Maßnahmengesetz eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 3.000,00 verhängt. Außerdem wurde er zur Bezahlung eines Beitrages zu den Kosten des Verfahrens vor der belangten Behörde verpflichtet.

Dagegen richtet sich das fristgerecht erhobene Rechtsmittel.

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 23. September, V 7/2021-7, hat dieser festgestellt, dass die Verordnung des Landeshauptmannes vom 22.12.2020 über zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 in Schigebieten in Tirol gesetzeswidrig war, sowie dass die als gesetzeswidrig festgestellten Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind.

II.      Erwägungen:

Einleitend ist zu berücksichtigen, dass das in § 1 Abs 2 VStG normierte „Günstigkeitsprinzip“ im vorliegenden Fall nicht anzuwenden ist: Zwar sieht § 1 Abs 2 VStG vor, dass sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht richtet, es sei denn, dass das zur Zeit der Entscheidung geltende Recht in seiner Gesamtauswirkung für den Täter günstiger wäre. Dieses Günstigkeitsprinzip gilt allerdings nicht für „Zeitgesetze“: Dabei handelt es sich um Gesetze, die von vorn herein nur für einen bestimmten Zeitraum gegolten haben und der Wegfall der Regelung somit nicht auf einem geänderten Unwerturteil des Normgebers basiert (vgl dazu etwa generell VwGH 22.07.2019, Ra 2019/02/0107).

Dem Beschwerdeführer wird im vorliegenden Fall eine Übertretung der Verordnung des Landeshauptmannes vom 22.12.2020 über zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 in Schigebieten in Tirol zur Last gelegt. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 6.10.2021, V 7/2020, festgestellt, dass diese Bestimmung gesetzwidrig war sowie dass diese Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist. Aus diesem Grund war das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

Vor diesem Hintergrund konnte gemäß § 44 Abs 2 VwGVG von der Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

III.     Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Larcher

(Vizepräsident)

Schlagworte

Covid-19-Maßnahmengesetz
Aufhebung Verordnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.23.1312.5

Zuletzt aktualisiert am

03.12.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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