TE Vwgh Erkenntnis 1996/11/13 96/21/0184

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Veröffentlicht am 13.11.1996
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1 Z1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
KFG 1967 §64 Abs1;
StGB §223 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über die Beschwerde des S in K, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 16. Jänner 1996, Zl. III 429-1/95, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 16. Jänner 1996 erließ die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (die belangte Behörde) gegen den Beschwerdeführer gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 und §§ 19, 20 und 21 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei vom Bezirksgericht Kitzbühel mit rechtskräftigem Urteil vom 5. Jänner 1994 wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB mit einer (unbedingten) Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je S 150,-- belegt worden, weil er im Sommer oder Herbst 1992 in St. Johann i.T. und anderen Orten einen total gefälschten Führerschein, sohin eine falsche Urkunde, im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, nämlich zum Beweis seiner - behördlichen - Lenkerberechtigung, gebraucht habe. Durch diesen rechtskräftigen Schuldspruch des Gerichtes und durch die Erfahrung des täglichen Lebens sei erwiesen, daß der Beschwerdeführer ohne die erforderliche gültige behördliche Lenkerberechtigung im Sommer oder Herbst 1992, nicht bloß einmal, im Bundesgebiet im öffentlichen Straßenverkehr einen Pkw gelenkt habe (vgl. § 64 Abs. 1 KFG, "eine schwerwiegende Verwaltungsübertretung" im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG). Infolge des schweren Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers im Bundesgebiet komme seine deutlich negative Einstellung gegenüber den österreichischen Rechtsvorschriften zum Ausdruck, wodurch der Eindruck entstehe, daß er offensichtlich nicht gewillt sei, die österreichischen Rechtsvorschriften in erforderlicher Weise zu achten und sein Verhalten den österreichischen Gesetzen anzupassen. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet stelle eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit dar.

Wenn auch ein relevanter Eingriff in sein Privat- oder Familienleben im Sinne des § 19 FrG vorliege, sei das Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung und zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen (Art. 8 Abs. 2 MRK) notwendig.

Der Beschwerdeführer sei seit ca. sieben Jahren im Bundesgebiet aufhältig, besitze eine Aufenthaltsbewilligung seit 1990 und lebe mit seiner Ehegattin und zwei Kindern in einem gemeinsamen Haushalt. Der Beschwerdeführer und seine Gattin würden im selben Betrieb in K als Hilfsarbeiter im Gastgewerbe arbeiten. Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet wögen jedoch - im Hinblick auf seine Neigung zu Straftaten - höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, weshalb die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG zulässig sei. § 20 Abs. 2 FrG komme schon aufgrund des Zeitfaktors des § 10 Abs. 1 Z. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz (1985) nicht zum Tragen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und verzichtete auf eine Gegenschrift.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zutreffend zeigt der Beschwerdeführer eine dem angefochtenen Bescheid anhaftende Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Die belangte Behörde zitierte die gerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers und führte aus, daß dieser "nicht bloß einmal" im Bundesgebiet im öffentlichen Straßenverkehr ohne die erforderliche gültige Lenkerberechtigung einen Pkw gelenkt und somit eine schwerwiegende Verwaltungsübertretung im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG begangen habe. Sie legt nicht nachvollziehbar dar, wie oft der Beschwerdeführer tatsächlich ohne Lenkerberechtigung im öffentlichen Straßenverkehr einen Pkw gelenkt habe und warum dies "nicht bloß einmal" geschehen sei; eine mehrmalige derartige Übertretung des § 64 Abs. 1 KFG läßt sich auch nicht aus dem zitierten Urteil ableiten, wonach der Beschwerdeführer "im Sommer oder Herbst 1992 in St. Johann i.T. und anderen Orten einen total gefälschten Führerschein ... gebraucht" habe. Auch der im angefochtenen Bescheid enthaltene Hinweis auf die Beweiswürdigung der erstinstanzlichen Behörde - welche die geforderte Feststellung ebenfalls nicht getroffen hat - vermag die erforderliche Feststellung nicht zu ersetzen. Dieser dem angefochtenen Bescheid anhaftende Mangel ist wesentlich, weil die bisherige Begründung zur Beurteilung, ob der Beschwerdeführer durch seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde (§ 18 Abs. 1 Z. 1 FrG), nicht ausreicht.

Die belangte Behörde erkannte richtig, daß ein Aufenthaltsverbot auch ausschließlich auf § 18 Abs. 1 FrG gestützt werden könne, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen der in § 18 Abs. 2 leg. cit. angeführten Fälle aufweisen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die in § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigen. Das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers muß aber einem der in § 18 Abs. 2 leg. cit. angeführten Fälle gleichzuhalten sein (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 22. November 1995, Zl. 95/21/0019, mwN.). Die festgestellte Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen erfüllt keineswegs den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG. Gemäß § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG liegt eine bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 unter anderem vor, wenn der Fremde im Inland mehr als einmal wegen einer schwerwiegenden Verwaltungsübertretung rechtskräftig bestraft worden ist. Ein Verstoß gegen § 64 Abs. 1 KFG stellt zwar eine schwerwiegende Verwaltungsübertretung dar, vorliegend fehlt (derzeit) für eine Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG jedoch sowohl die rechtskräftige Bestrafung als auch eine "mehr als einmalige" Übertretung. Es können zwar mehrmalige Übertretungen des § 64 Abs. 1 KFG auch ohne verwaltungsbehördliche Bestrafung im Zusammenhalt mit einer - die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG nicht erfüllenden - Verurteilung wegen Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB unter Berücksichtigung des Gesamtfehlverhaltens des Fremden die im § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG umschriebene Annahme als gerechtfertigt erscheinen lassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. März 1996, Zl. 95/21/0380); im vorliegenden Fall fehlen jedoch nachvollziehbare Feststellungen, ob der Beschwerdeführer das aus § 64 Abs. 1 KFG abzuleitende Fehlverhalten tatsächlich nicht nur einmal gesetzt hat. Eine bloß einmalige derartige Verfehlung kann dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG ebensowenig gleichgehalten werden wie die rechtskräftige Verurteilung zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen demjenigen des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG.

2. Mangels ausreichender und begründeter Feststellungen über das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß ein Aufwand für eine Verhandlung - von der gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden konnte - nicht angefallen ist und zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung die Vorlage weiterer Urkunden zusätzlich zum angefochtenen Bescheid nicht erforderlich war. Im übrigen ist die Umsatzsteuer im pauschalierten Aufwandersatz bereits enthalten.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996210184.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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