TE Vwgh Erkenntnis 1996/11/13 95/21/0735

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Veröffentlicht am 13.11.1996
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

ABGB §140;
AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. April 1995, Zl. 300.482/4-III/11/95, betreffend Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. April 1995, mit welchem der am 4. November 1994 gestellte Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsbürgers der Bundesrepublik Jugoslawien, gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) und § 10 Abs. 1 Z. 2 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen wurde. Dieser Bescheid wurde damit begründet, daß der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers nicht für die Dauer der Bewilligung gesichert sei. Der Beschwerdeführer habe zwar angegeben, von seinen Eltern monatlich S 7.000,-- sowie Kost und Unterhalt zu bekommen, er sei jedoch zur Zeit arbeitslos und ohne die Vorlage von Verpflichtungserklärungen reiche die von ihm geltend gemachte Unterhaltspflicht seiner Eltern alleine nicht aus, weil die Obsorge der Eltern für ihr Kind mit Eintritt der Volljährigkeit erlösche. Dazu komme noch, daß der Beschwerdeführer über keinen Krankenversicherungsschutz verfüge und allfällige Kosten nur durch Dritte bestritten werden könnten. Die öffentlichen Interessen überwögen daher die privaten Interessen des Beschwerdeführers.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte - ohne eine Gegenschrift zu erstatten - die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil die Ansicht der belangten Behörde, daß die Unterhaltspflicht der Eltern nach dem ABGB mit dem Eintritt der Volljährigkeit erlösche, unrichtig sei. Vielmehr sei der Unterhaltsanspruch nach dem bürgerlichen Recht gemäß § 140 ABGB zeitlich nicht begrenzt, sondern richte sich nach der Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes. Der Beschwerdeführer habe während seiner Lehre eine Lehrlingsentschädigung von S 4.000,-- erhalten; dadurch habe sich grundsätzlich die Unterhaltspflicht der Eltern bloß gemindert; nach dem Abbruch der Lehre sei sie wieder in voller Höhe aufgelebt. Im übrigen habe sich die belangte Behörde mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, im Monat tatsächlich S 7.000,-- zu erhalten, nicht auseinandergesetzt. Die Vorhaltung, daß er über keinen Krankenversicherungsschutz verfüge, sei für den Beschwerdeführer vollkommen überraschend, weil weder die Behörde erster Instanz, noch die belangte Behörde dem Beschwerdeführer ein derartiges Ergebnis ihrer Beweisaufnahme mitgeteilt habe. Wäre dies der Fall gewesen, so hätte der Beschwerdeführer noch während des Verwaltungsverfahrens das Bestehen eines Krankenversicherungsschutzes nachweisen können. Der Beschwerdeführer halte sich seit seiner Geburt in Österreich auf und sei hier sozial völlig integriert; er habe zu seiner "alten Heimat" überhaupt keine Beziehung mehr.

Die Beschwerde ist berechtigt. Die belangte Behörde hat nämlich weder ausreichend begründet, weshalb sie den Lebensunterhalt des Beschwerdeführers, der bereits in seiner Berufung angegeben hat, von seinen Eltern, deren gemeinsames, durch die Vorlage von Bestätigungen weitgehend nachgewiesenes Einkommen er mit S 30.000,-- netto monatlich bezifferte, erhalten zu werden sowie im Besitz eines Befreiungsscheines und auf Arbeitssuche zu sein, nicht als gesichert gewertet hat. Der Beschwerdeführer weist im übrigen zu Recht darauf hin, daß die Unterhaltspflicht der Eltern durch den Eintritt der Volljährigkeit nicht jedenfalls erlischt (vgl. Pichler in Rummel I, 2. Auflage, § 140, RZ 12). Insoferne hat die belangte Behörde das Tatbestandsmerkmal des gesicherten Lebensunterhalts gemäß § 5 Abs. 1 AufG rechtsirrtümlich ausgelegt.

Soweit die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid darauf gründet, der Beschwerdeführer verfüge über keinen ausreichenden Krankenversicherungsschutz, hat sie es entgegen § 45 Abs. 3 AVG unterlassen, dem Beschwerdeführer Gelegenheit zu geben, von dieser Feststellung Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Zur verläßlichen Feststellung, ob dieser Sachverhalt zutrifft, wäre es im Hinblick auf die gegenteilige Behauptung im Antrag erforderlich gewesen, durch Gewährung des Parteiengehörs in diesem wesentlichen Punkt Klarheit zu schaffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. September 1995, Zl. 94/18/1137, sowie (zur Mitwirkungspflicht des Antragstellers im Verfahren nach dem AufG) vom 26. März 1996, Zl. 95/19/0286). Insoferne muß ihr daher ein Verfahrensmangel vorgeworfen werden.

Schließlich und vor allem hat es die belangte Behörde jedoch in Verkennung der Rechtslage unterlassen, auf das bereits in der Berufung geltend gemachte Vorbringen des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen, daß er sich seit seiner Geburt in österreich aufhalte und hier sozial völlig integriert sei. Bei Anwendung der in § 5 Abs. 1 AufG besonders hervorgehobenen Versagungstatbestände der für die Dauer der Bewilligung nicht gesicherten ortsüblichen Unterkunft oder des nicht gesicherten Lebensunterhaltes - wie auch des Fehlens eines nicht alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutzes - ist die Behörde nämlich in Fällen, in denen durch die Versagung der Bewilligung in das durch Art. 8 MRK gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens eingegriffen würde, verhalten, die Notwendigkeit der Versagung der Bewilligung aus den in Art. 8 Abs. 2 MRK umschriebenen öffentlichen Interessen zu prüfen und dabei auch auf die privaten und familiären Interessen des Bewilligungswerbers Bedacht zu nehmen (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. März 1995, B 2259/94, sowie des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1994, Zl. 93/18/0551, und vom 28. September 1995, Zl. 95/18/0331). Eine derartige Bedachtnahme hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall aber versäumt und den angefochtenen Bescheid dadurch mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995210735.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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