Entscheidungsdatum
26.07.2021Norm
BFA-VG §18 Abs3Spruch
I412 2213218-4/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Wien (BFA-W) vom 18.06.2021, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer reiste erstmals im Jahr 2003 unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei er behauptete, Staatsangehöriger Kameruns zu sein. Sein Asylverfahren wurde mit Erkenntnis des damaligen Asylgerichtshofes vom 11.08.2010 in zweiter Instanz rechtskräftig negativ entschieden. Gleichzeitig wurde eine Ausweisung des Beschwerdeführers nach Kamerun ausgesprochen.
2. Der Beschwerdeführer kam seiner Verpflichtung zur Ausreise nicht nach.
3. Im Jahr 2016 ergab sich erstmals der Verdacht, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen Staatsangehörigen Nigerias handeln könne. Bei der LPD XXXX langte ein anonymer Hinweis ein, wonach sich der Beschwerdeführer mit einer falschen Identität in Österreich aufhalte und es sich bei ihm um einen nigerianischen Staatsangehörigen handle. Dem anonymen Hinweis war eine Kopie eines nigerianischen Reisepasses beigegeben.
4. Am 17.01.2019 stellte der Beschwerdeführer beim Magistrat der Stadt XXXX einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte, wobei er sich jener nigerianischen Identität bediente, die bereits der LPD XXXX im Jahr 2016 zur Kenntnis gebracht worden war. Dem Antrag legte er eine Kopie seines nigerianischen Reisepasses Nr. XXXX bei.
5. Während seines Aufenthaltes im Bundesgebietes wurde der Beschwerdeführer mehrfach straffällig. Aufgrund dessen teilte ihm das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA; belangte Behörde) mit Parteiengehör vom 19.02.2019 mit, dass es die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot beabsichtige.
Der Beschwerdeführer übermittelte am 23.04.2019 eine schriftliche Stellungnahme und ersuchte unter Berufung auf sein Privat- und Familienleben, von der Erlassung eines Einreiseverbotes abzusehen.
6. Mit Bescheid vom 05.05.2020 erteilte das BFA dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Kamerun zulässig sei. Dem Beschwerdeführer wurde eine zweiwöchige Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt. Außerdem wurde gegen ihn ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
7. Das Bundesverwaltungsgericht behob diesen Bescheid mit Beschluss vom 13.10.2020, Zl. I406 2213218-2/11E und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurück.
Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst aus, dass das BFA geeignete Ermittlungsschritte zur Feststellung der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers und damit verbunden die sich auf den Herkunftsstaat beziehenden Feststellungen unterlassen habe, obwohl bereits ab 2016 der begründete Verdacht bestanden habe, dass es sich beim Beschwerdeführer nicht um einen Staatsangehörigen Kameruns, sondern um einen Staatsangehörigen Nigerias handeln könnte und dem BFA eine Kopie seines nigerianischen Reisepasses vorgelegt worden sei.
8. Mit Bescheid vom 11.01.2021, Zl. 281784308 - 180317602, wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.), die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Nigeria festgestellt (Spruchpunkt III.), ihm keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.), einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.) und gegen ihn ein auf die Dauer von 6 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).
Zur Identität und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers traf das BFA auf Seite 5 des Bescheides die folgenden Feststellungen: „Sie sind laut Ihren Angaben Staatsbürger von Kamerun und Ihre Identität steht nicht fest. Sie behaupten XXXX zu heißen und am XXXX geboren zu sein. Sie stellten unter Ihrem alias Namen XXXX , geboren am XXXX einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels und legten dabei die Kopie eines nigerianischen Reisepasses, einen spanischen Aufenthaltstitel und die Kopie einer Heiratsurkunde mit einer spanischen Staatsbürgerin vor.“ Beweiswürdigend führte das BFA aus: „Da Sie bis dato keinen Reisepass vorgelegt haben steht Ihre Identität nicht fest. Sie legten zwar eine Kopie eines Reisepasses vor. Sie haben laut diesem Pass einen anderen Namen und haben behauptet, dass es sich hierbei um Ihren Bruder handelt.“
Zu den Gründen für die Erlassung des Einreiseverbotes wurden die sieben strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers aufgezählt (Bescheid Seiten 6 - 7) und in der rechtlichen Beurteilung textbausteinartig ausgeführt, dass das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich überwiege (Bescheid Seite 105).
9. Dagegen erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung fristgerecht am 08.02.2021 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften Beschwerde. Der angefochtene Bescheid greife unzulässig in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ein. Er habe sein Heimatland vor ca. 17 Jahren verlassen und sei seitdem nicht mehr dorthin zurückgekehrt. In Österreich habe er zwei Kinder und in Spanien lebe seine Ehefrau. Das BFA habe sein Familienleben in Österreich und Spanien nicht ausreichend ermittelt. Weiters gehe das BFA davon aus, dass seine restlichen Familienangehörigen im Kamerun oder in Nigeria leben, obwohl keine entsprechenden Ermittlungen angestellt worden seien. Die Feststellungen der belangten Behörde seien völlig unklar und in sich widersprüchlich, weshalb man von einem ordnungsgemäß geführten Verfahren in der ersten Instanz nicht sprechen könne. Bei der Verhängung des Einreiseverbotes habe das BFA keine Einzelfallprüfung vorgenommen und sei seiner Pflicht zur Durchführung eines grundrechtskonformen Abwägungsvorganges nicht nachgekommen. Die für den Beschwerdeführer sprechenden günstigeren Anhaltspunkte seien völlig willkürlich ignoriert worden und auch auf das Kindeswohl sei nicht ausreichend Bedacht genommen worden.
10. Das Bundesverwaltungsgericht behob diesen Bescheid mit Beschluss vom 09.03.2021, I406 2213218-3/3E, erneut und führte dabei aus, dem vorliegenden Verwaltungsakt könne nicht entnommen werden, dass die belangte Behörde angemessene Ermittlungsschritte zur Erhebung der vom Beschwerdeführer vorgebrachten familiären und sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich gesetzt hätte. Die belangte Behörde habe es unterlassen, nähere Fragen zu Beziehung des Beschwerdeführers zu seinen Kindern in Österreich und seiner Ehefrau in Spanien zu stellen. Im angefochtenen Bescheid seien lediglich die familiären Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers als gegeben angenommen worden. Eine Ermittlung der konkreten Ausgestaltung der vom Beschwerdeführer aufgezeigten Beziehungen im Bundesgebiet sei unterblieben. Auch habe es die belangte Behörde verabsäumt, sämtliche in der Strafregisterauskunft angeführten Urteile einzuholen und nachvollziehbar darzulegen, inwieweit die Art und Schwere der verübten Taten sich negativ auf das Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers auswirke. Eine gesamtheitliche nachvollziehbare Gefährdungsprognose unter Miteinbeziehung seiner privaten und familiären Interessen sei nicht erstellt und auch auf das Kindeswohl nicht Bedacht genommen worden.
11. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 14.06.2021 erließ die belangten Behörde ein auf § 67 Abs. 1 und 2 FPG gestütztes Aufenthaltsverbot, befristet für die Dauer von sechs Jahren (Spruchpunkt I.). Mit Spruchpunkt II. wurde gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt und einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
12. Mit rechtzeitiger und zulässiger Beschwerde vom 08.07.2021 brachte der Beschwerdeführer vor, ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG könne nur gegen begünstigte Drittstaatsangehörige erlassen werden. Im bekämpften Bescheid seine dazu keine Feststellungen getroffen worden und sei dies auch sonst nie von einer Behörde festgestellt worden. Der BF werde in dieser Beschwerde vorbringen, dass er nie mit einer spanischen Staatsbürgerin verheiratet gewesen sei, sondern dass dies sein ehemaliger Mitbewohner XXXX gewesen sei. Selbst wenn die belangte Behörde aufgrund des bisherigen Vorbringens des BF zu seiner Heirat mit einer Spanierin davon ausgehe, dass er durch die Heirat begünstigter Drittstaatsangehöriger geworden sei, hätte sie das Vorliegen der Voraussetzungen im Entscheidungszeitpunkt prüfen müssen. Zudem wäre zu prüfen gewesen, ob der BF durch den nicht bloß vorübergehenden Wegzug der Spanierin aus Österreich, sein Aufenthaltsrecht als Angehöriger verloren habe.
Im Weiteren wird vorgebracht, der Beschwerdeführer habe niemals einen Aufenthaltstitel unter dem Namen XXXX beantragt, dieser sei vielmehr ein ehemaliger Mitbewohner des BF, der mit einer spanischen Staatsbürgerin verheiratet sei und der einen Aufenthaltstitel beantragt habe. Der BF sei nicht mit einer Spanierin verheiratet, er habe das auch so nicht in seiner Befragung angegeben, bei der Beschwerdeverfassung sei dies falsch verstanden worden.
Vor dem Hintergrund der bisher so mangelhaft festgestellten Identität und den nunmehrigen Angaben des BF, dass XXXX eine gänzlich andere Person sei, die er zwar kenne, zu der er aber aktuell keinen Kontakt mehr habe und er niemals eine Spanierin geheiratet habe, wiege der Verfahrensfehler der Unterlassung einer Einvernahme umso schwerer. Die belangte Behörde habe zu keinem Zeitpunkt eine Einvernahme des BF durchgeführt. Aufgrund der Aktenlage sei davon auszugehen, dass das Bundesamt die letzte niederschriftliche Einvernahme mit dem BF nach seiner Asylantragstellung durchgeführt habe.
Die belangte Behörde habe erneut keine angemessenen Ermittlungsschritte zur Erhebung der familiären Anknüpfungspunkte des BF in Österreich gesetzt und weist die Beschwerde auf widersprüchliche bzw. aktenwidrige Feststellungen im bekämpften Bescheid hin. Der BF sehe seine beiden Kinder regelmäßig und pflege mit diesen ein gutes Verhältnis. Er sei sorgepflichtig und komme seinen Unterhaltspflichten nach, wann immer es seine finanzielle Situation erlaube. Seine Tochter sehe der Beschwerdeführer aufgrund der Distanz nach XXXX nur unregelmäßig persönlich, aber es bestehe ständiger Kontakt. Seinen Sohn hingegen sehe der BF mehrmals wöchentlich. Im Erkenntnis vom 09.03.2021 habe das BVwG festgestellt, dass die belangte Behörde es verabsäumt habe, sämtliche angeführten Urteile einzuholen und nachvollziehbar darzulegen, inwieweit die Art und Schwere der verübten Taten sich negativ auf das Persönlichkeitsbild auswirke. Dies sei erneut nicht passiert, die Urteile würden lediglich aufgelistet. Es sei keine gesamtheitliche, nachvollziehbare Gefährdungsprognose unter Einbeziehung der privaten und familiären Interessen des BF vorgenommen und auf das Kindeswohl nicht Bedacht genommen worden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der oben angeführte Verfahrensgang wird festgestellt.
Nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann, ob der Beschwerdeführer mit der spanischen Staatangehörigen XXXX , geb XXXX verheiratet ist.
Festgestellt wird, dass diese nicht in Österreich aufhältig ist.
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, in die bekämpften Bescheide und in die Beschwerdeschriftsätze.
Zudem wurden betreffend den Beschwerdeführer und die von der belangten als seine Gattin angenommene Person Abfragen aus dem Zentralen Melderegister eingeholt.
Richtig ist, dass der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor der belangten Behörde vom 10.06.2021 tatsächlich angab, er habe 2014 in Spanien geheiratet.
Festzuhalten ist im Weiteren, dass in der Beschwerde zur ersten von der belangten Behörde getroffenen Rückkehrentscheidung vom 28.05.2020 (AS 619) von der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers ausgeführt wird, dieser lebe seit zwei Jahren in einer „Partnerschaft“ mit der genannten Person. Der Beschwerde wurden Fotos beigelegt, die den Beschwerdeführer mit einer Frau zeigen, bei der es sich um seine Partnerin handeln solle.
In der zweiten Rückkehrentscheidung der belangten Behörde vom 11.01.2021 stellte diese wiederum fest (ASS 647) der Beschwerdeführer habe unter seinem Alias – Namen XXXX , geb. XXXX einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt und habe dabei die Kopie einer Heiratsurkunde mit einer spanischen Staatsbürgerin vorgelegt. Er behaupte aber laut Einvernahme vom 30.07.2020 (die dem Akt nicht zu entnehmen ist) ledig zu sein und die spanische Gattin nicht zu kennen. Laut Beschwerde (gemeint wohl die vom 28.05.2020) bestehe aber eine Partnerschaft. In der bekämpften Entscheidung der belangten Behörde vom 14.06.2021 traf die belangte Behörde die gleichen Feststellungen zur angeblichen Ehegattin des Beschwerdeführers und stellte zudem fest, dass die Gattin des Beschwerdeführers in Spanien lebe und die Ehe aufgrund der Geburt des zweiten Kindes des Beschwerdeführers zerrüttet sei. Beweiswürdigende Ausführungen zur Ehe des Beschwerdeführers traf die belangte Behörde nicht.
In der verfahrensgegenständlichen Beschwerde vom 08.07.2021 wird nunmehr, gänzlich abweichend zum Vorbringen des Beschwerdeführers in der Einvernahme vom 10.06.2021, vorgebracht, dass dieser nie mit einer spanischen Staatsbürgerin verheiratet gewesen sei, sondern sein ehemaliger Mitbewohner XXXX . Dabei ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt über eine gleiche Meldeadresse wie die genannte Person nigerianischer Staatsbürgerschaft innehatte.
Insgesamt können somit zur Frage, ob eine Ehe des Beschwerdeführers mit der genannten spanischen Staatsangehörigen besteht oder zu irgendeinem Zeitpunkt bestand, auf Grund der durchgehend widersprüchlichen Angaben dazu keine zweifelsfreien Feststellungen getroffen werden.
Unstrittig und durch Abfrage des erkennenden Gerichts belegt ist jedoch, dass die betreffende Person, bei der es sich um die Ehegattin des Beschwerdeführers handeln soll, nicht in Österreich gemeldet ist, und geht auch die belangte Behörde im bekämpften Bescheid (offenbar im Einklang mit den Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme) davon aus, dass sich diese in Spanien befindet.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Zum Aufenthaltsverbot:
§ 67 FPG lautet:
(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.
(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere
1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);
3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder
4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.
(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.
Die belangte Behörde hat, gestützt auf § 67 Abs. 1 und 2 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 6 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen und diesem gemäß § 70 Abs. 3 FPG keinen Durchsetzungsaufschub erteilt. Einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot erkannte die belangte Behörde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab.
Im gegenständlichen Beschwerdefall ist daher eingangs zu prüfen, ob es sich beim Beschwerdeführer, aufgrund einer von der belangten Behörde festgestellten Ehe mit einer spanischen Staatsangehörigen, welche ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat, um einen begünstigten Drittstaatsangehörigen im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG handelt.
Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer mit der besagten Person tatsächlich eine Ehe geschlossen hat, wobei der Vollständigkeit halber auszuführen ist, dass die belangte Behörde es unterlassen hat, dazu nähere Feststellungen und beweiswürdigende Ausführungen zu treffen. Es wurden zudem auch keine erkennbaren Ermittlungen dazu angestellt, in welcher Form die vermeintliche Ehegattin des Beschwerdeführers ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat, sondern lediglich die vagen Angaben des Beschwerdeführers (von dem angenommen wurde, dass er unter einer falschen Identität einen Antrag auf eine Aufenthaltskarte eingebracht hat) dazu übernommen, wonach diese in Österreich ein Jahr gearbeitet habe.
Unstrittig ist jedoch, dass die fragliche Person nicht mehr in Österreich gemeldet ist und geht auch die belangte Behörde im Einklang mit den Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme davon aus, dass diese wieder nach Spanien gezogen ist.
Mit dem Wegzug würde aber zugleich ein allenfalls bestehendes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht und damit auch das davon abgeleitete Aufenthaltsrecht für den Beschwerdeführer enden (vgl. VwGH 15.03.2018, Ro 2018/21/0002 und EuGH 30.06.2016, C-115/15).
Damit steht fest, dass es sich beim Beschwerdeführer nicht um einen begünstigten Drittstaatsangehörigen handeln kann und die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 FPG nicht in Betracht kommt.
Das mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides verhängte Aufenthaltsverbot erfolgte somit nicht zu Recht, was zugleich auch die Gegenstandslosigkeit der Aussprüche hinsichtlich der Nicht-Gewährung eines Durchsetzungsaufschubes (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides) und der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides) bedingt.
In Stattgabe der Beschwerde war der angefochtene Bescheid daher ersatzlos aufzuheben.
Abschließend ist für eine allenfalls zu erlassende Rückkehrentscheidung jedoch auszuführen, dass die belangte Behörde – wie bereits in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.03.2021, GZ I406 2213218-3/3E ausgeführt - genaue Ermittlungen anzustellen hat, wie sich das vom Beschwerdeführer behauptete Familienleben im Bundesgebiet gestaltet und eine Auseinandersetzung mit den Auswirkungen einer allfälligen Rückkehrentscheidung auf das Kindeswohl vorzunehmen sein wird.
Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. wiederum VwGH 15.4.2020, Ra 2019/14/0420, mwN).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Judikatur eine Trennung von Familienangehörigen, mit denen ein gemeinsames Familienleben im Herkunftsland nicht zumutbar ist, jedenfalls dann für gerechtfertigt erachtet, wenn dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme insgesamt ein sehr großes Gewicht beizumessen ist, wie dies insbesondere bei Straffälligkeit des Fremden oder bei einer von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regeln über den Familiennachzug der Fall ist. Insbesondere schwerwiegende kriminelle Handlungen, aus denen sich eine vom Fremden ausgehende Gefährdung ergibt, können die Erlassung einer Rückkehrentscheidung daher auch dann tragen, wenn diese zu einer Trennung von Familienangehörigen führt (VwGH 8.4.2020, Ra 2020/14/0108, mwN).
Wie in der Beschwerde zutreffend gerügt wird, hat sich die belangte Behörde erneut unterlassen, widerspruchsfreie beweiswürdigende Feststellungen zur Beziehung des Beschwerdeführers zu seinen Kindern zu treffen und eine Interessensabwägung auf Basis einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage vorzunehmen.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Aufenthalt im Bundesgebiet Aufenthaltsrecht Aufenthaltsverbot aufgehoben aufschiebende Wirkung begünstigte Drittstaatsangehörige Behebung der Entscheidung Kassation VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:I412.2213218.4.00Im RIS seit
03.12.2021Zuletzt aktualisiert am
03.12.2021