TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/8 I403 2246007-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.09.2021
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Entscheidungsdatum

08.09.2021

Norm

BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §66 Abs1
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §67 Abs4
FPG §70 Abs3
NAG §53a
StGB §105 Abs1
StGB §83 Abs1
StGB §84
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I403 2246007-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX , StA. Bulgarien, vertreten durch RA Dr. Wolfgang WEBER, Wollzeile 12/1/27, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.08.2021, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bulgarien, ist seit dem 27.11.2015 durchgehend im Bundesgebiet hauptgemeldet.

Am 28.01.2016 wurde ihm seitens des Amtes der XXXX Landesregierung eine Anmeldebescheinigung für den Aufenthaltszweck "Arbeitnehmer" ausgestellt.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 18.01.2018, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen versuchter Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB sowie wegen Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten, bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

Am 13.12.2018 stellte der Beschwerdeführer beim Amt der XXXX Landesregierung, unter einem anderen Nachnamen, neuerlich einen Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung, nunmehr für den Aufenthaltszweck "Privat", welchen er jedoch in weiterer Folge wieder zurückzog.

Mit Schreiben des Amtes der XXXX Landesregierung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) vom 01.03.2019 wurde mitgeteilt, dass aufgrund einer in Vorlage gebrachten Bezugsbestätigung des AMS, einem umfassenden Krankenversicherungsschutz und einer Bescheinigung, wonach seine Ehefrau unselbständig erwerbstätig sei, zwar grundsätzlich die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht des Beschwerdeführers vorliegen würden, dieser jedoch rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt worden sei, sodass das BFA gemäß § 55 Abs. 3 NAG mit einer möglichen Aufenthaltsbeendigung aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit befasst werde.

Am 24.10.2019 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich vor der belangten Behörde einvernommen. Hierbei gab er an, in Österreich tatsächlich zwei unterschiedliche Nachnamen im Rechtsverkehr verwendet zu haben, wobei es sich bei einem davon um den Mädchennamen seiner Mutter gehandelt habe. Er halte sich durchgehend seit 2015 auf Grundlage einer Anmeldebescheinigung in Österreich auf. Er lebe hier mit seiner Familie, wobei er sei seit ca. zweieinhalb Jahren verheiratet sei und mit seiner jetzigen Ehefrau ein drei Monate altes Kind habe. Überdies habe er noch drei weitere Kinder mit seiner „ersten Frau“, welche allesamt in Wien leben würden. Er arbeite „derzeit 2 Stunden bei Uber“, sei „beim AMS gemeldet“ und mache einen Deutsch-Kurs. Aktuell beziehe er Notstandshilfe.

Via E-Mail vom 04.11.2019 teilte die belangte Behörde dem Amt der XXXX Landesregierung mit, dass keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegen den Beschwerdeführer beabsichtigt seien.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 04.08.2020, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen versuchter schwerer Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs. 4 StGB sowie wegen versuchter Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwanzig Monaten, davon vierzehn Monate bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt. Zugleich wurde die bedingte Strafnachsicht aus seine ersten Verurteilung widerrufen.

Mit Schreiben des Amtes der XXXX Landesregierung an die belangte Behörde vom 23.04.2021 wurde mitgeteilt, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers am 09.11.2018 einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte gestellt hatte, wobei im Zuge des betreffenden Verfahrens festgestellt worden sei, dass der Beschwerdeführer zwischenzeitlich ein weiteres Mal rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt worden sei. Aufgrund dessen werde das BFA gemäß § 55 Abs. 3 NAG neuerlich mit einer möglichen Aufenthaltsbeendigung aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit befasst.

Mit Schriftsatz der belangten Behörde vom 09.06.2021 ("Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme") wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht, dass beabsichtigt werde, gegen ihn ein Aufenthaltsverbot zu erlassen und ihm die Möglichkeit eingeräumt, hierzu sowie zu einem umfassenden Fragenkatalog bezüglich seiner persönlichen und familiären Verhältnisse innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieser Verständigung schriftlich Stellung zu beziehen.

Mit Schriftsatz vom 23.06.2021 brachte der Beschwerdeführer eine schriftliche Stellungnahme bei der belangten Behörde ein. Darin führte er aus, tatsächlich zweifach vorbestraft zu sein. Er sei etwa im März 2015 nach Österreich eingereist, um hier zu arbeiten und sein weiteres Leben zu verbringen. Er verfüge über eine Anmeldebescheinigung. In Bulgarien habe er die Grund- und Mittelschule besucht „und auch die Matura abgeschlossen“. In Österreich würden drei minderjährige Kinder des Beschwerdeführers aus einer früheren Beziehung, geboren 2006, 2012 und 2016 leben. Im August 2017 habe der Beschwerdeführer eine serbische Staatsangehörige geheiratet, wobei aus dieser Ehe eine im August 2019 geborene Tochter entstamme. Der Beschwerdeführer lebe mit seiner Ehefrau und der gemeinsamen Tochter in einem Haushalt und arbeite als Pizzakoch, wo er monatlich rund 1.840 Euro netto ins Verdienen bringe. Für seine drei Kinder aus der früheren Beziehung bezahle er je 100 Euro monatlich. Aufgrund seiner Integration und der geschilderten Umstände werde ersucht, von „fremdenrechtlichen Maßnahmen“ gegen den Beschwerdeführer abzusehen. Dem Schriftsatz angeschlossen waren Meldezettel des Beschwerdeführers sowie seiner Ehefrau und der gemeinsamen Tochter; Geburtsurkunden seiner drei weiteren Kinder (Kopien einer beglaubigten Übersetzung aus dem Bulgarischen); die Heiratsurkunde des Beschwerdeführers; sein Dienstvertrag mit einem Gastronomiebetrieb; ein Gehaltszettel vom Mai 2021, welcher einen Netto-Bezug von 1.836,80 Euro ausweist; sowie ein handschriftliches Schreiben der Ex-Frau des Beschwerdeführers, in welchem diese bestätigt, dass ihr dieser monatlich 100 Euro für jedes der drei gemeinsamen Kinder an Alimenten bezahle.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 04.08.2021 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein für die Dauer von sechs Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde ihm ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.).

Gegen den gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 31.08.2021 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben und beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid aufheben; in eventu die Dauer des Aufenthaltsverbotes herabsetzen. Inhaltlich wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer auch mit seinen drei Kindern aus einer früheren Beziehung intensiven Kontakt habe. Er sehe diese sehr häufig, hole sie ab und verbringe viel Zeit mit ihnen. Auch komme der Beschwerdeführer seinen Unterhaltsverpflichtungen pünktlich nach. Mit seiner jetzigen Frau lebe der Beschwerdeführer „seit Jahren“ zusammen und hätten sie eine gemeinsame zweijährige Tochter. Der Beschwerdeführer gehe – ebenso wie seine Frau – einer Beschäftigung nach und spreche gut Deutsch. Er sei in Österreich „vollkommen integriert“ und werde er auch eine Aggressionstherapie beginnen, sodass die Gründe für ein Aufenthaltsverbot „tatsächlich nicht vorliegen“ würden.

Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 02.09.2021 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Bulgarien. Er ist gesund und erwerbsfähig. Seine Identität steht fest.

Er hat in Bulgarien die Grund- und Mittelschule besucht und die Hochschulreife erworben.

Seit dem 27.11.2015 ist der Beschwerdeführer durchgehend im Bundesgebiet hauptgemeldet. Am 28.01.2016 wurde ihm seitens des Amtes der XXXX Landesregierung eine Anmeldebescheinigung für den Aufenthaltszweck "Arbeitnehmer" ausgestellt.

Am 09.08.2017 heiratete der Beschwerdeführer in Serbien die serbische Staatsangehörige N.V. (IFA-Zl. XXXX ), welche sich auf Grundlage einer seitens des Amtes der XXXX Landesregierung ausgestellten Aufenthaltskarte "Angehörige eines EWR-Bürgers" rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die gemeinsame, im August 2019 geborene Tochter (IFA-Zl. XXXX ) ist bulgarische Staatsangehörige und hält sich auf Grundlage einer ihr seitens des Amtes der XXXX Landesregierung ausgestellten Anmeldebescheinigung für den Aufenthaltszweck "Familienangehörige" rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Der Beschwerdeführer und N.V. sind seit 24.08.2017 durchgehend in einem gemeinsamen Haushalt gemeldet, die gemeinsame Tochter mit ihnen seit ihrer Geburt.

Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer in Österreich noch drei weitere minderjährige Kinder aus einer vorangegangenen Beziehung, einen im Oktober 2006 geborenen Sohn (IFA-Zl. XXXX ), eine im Dezember 2012 geborene Tochter (IFA-Zl. XXXX ) sowie eine im November 2016 geborene Tochter (IFA-Zl. XXXX ), allesamt bulgarische Staatsangehörige, welche sich auf Grundlage von seitens des Amtes der XXXX Landesregierung ausgestellten Anmeldebescheinigungen für den Aufenthaltszweck "Familienangehörige" rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Diese leben im gemeinsamen Haushalt mit der ehemaligen Lebensgefährtin des Beschwerdeführers, der bulgarischen Staatsangehörigen V.Y. (IFA-Zl. XXXX ), welche sich auf Grundlage einer seitens des Amtes der XXXX Landesregierung ausgestellten Anmeldebescheinigung für den Aufenthaltszweck "sonstige Angehörige" rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Der Beschwerdeführer bezahlt an V.Y. einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 100 Euro für jedes der drei gemeinsamen Kinder.

Der Beschwerdeführer geht in Österreich seit 28.07.2021 laufend einer angemeldeten Erwerbstätigkeit als Arbeiter in einem Gastronomiebetrieb nach. Zuvor ging er bereits von 02.06.2015 bis 15.06.2015, von 02.07.2015 bis 24.07.2015, von 14.08.2015 bis 18.02.2016, von 19.04.2016 bis 25.08.2017, sowie von 01.03.2021 bis 27.07.2021 angemeldeten Erwerbstätigkeiten als Arbeiter und von 22.11.2017 bis 13.02.2018, von 08.01.2018 bis 09.02.2018, von 11.01.2018 bis 09.03.2018, von 16.03.2018 bis 26.03.2018, von 09.04.2018 bis 28.05.2018, von 08.08.2019 bis 13.08.2019, von 10.10.2019 bis 18.10.2019, von 14.11.2019 bis 03.01.2020, von 16.01.2020 bis 13.03.2020, von 02.06.2020 bis 16.10.2020, sowie von 19.10.2020 bis 31.12.2020 angemeldeten Erwerbstätigkeiten als geringfügig beschäftiger Arbeiter nach. Überdies bezog er vereinzelt Krankengeld und Arbeitslosengeld sowie gehäuft Notstandshilfe.

Der Beschwerdeführer wurde in Österreich zweimal rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt:

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 18.01.2018, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB sowie wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten, bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass er ein männliches Opfer durch gefährliche Drohungen zur Zahlung vermeintlich offener Mietschulden in Höhe von insgesamt 800 Euro zu nötigen versucht hatte, indem er diesem gegenüber im Sommer 2017 sinngemäß äußerte, es zu schlagen, bis es ein Invalide sei, im Herbst 2017 in mehreren Angriffen dem Opfer gegenüber telefonisch sinngemäß geäußert hatte, es solange zu „ficken“, bis es tot sei, und im Oktober 2017 das Opfer schließlich mit einem Fahrzeug im Straßenverkehr schnitt und so zum Anhalten zwang, ehe er diesem gegenüber in weiterer Folge sinngemäß äußerte, wenn er in drei Tagen nicht das Geld bekomme, werde er dem Opfer Arme und Beine brechen und es zum Invaliden machen. Überdies hatte der Beschwerdeführer ein anderes männliches Opfer im Juni 2017 vorsätzlich am Körper verletzt, indem er diesem mit der Faust ins Gesicht schlug, wodurch dieses eine Schwellung am linken Jochbein sowie eine Rötung des linken Auges erlitt. Als mildernd wurde seitens des Strafgerichts im Rahmen der Strafbemessung das umfassende reumütige Geständnis sowie die bisherige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers gewertet, erschwerend hingegen das Zusammentreffen zweier Vergehen.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 04.08.2020, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der versuchten schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs. 4 StGB sowie wegen des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwanzig Monaten, davon vierzehn Monate bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt. Zugleich wurde die bedingte Strafnachsicht aus seiner ersten Verurteilung widerrufen. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer im Dezember 2018 versucht hatte, einem männlichen Opfer, welches in einer freien Parklücke stand, eine Körperverletzung zuzufügen, indem er mit seinem PKW rückwärts auf dieses zufuhr, bis er mit dem laut schreienden und durch Schläge auf das Fahrzeugheck auf sich aufmerksam machenden Opfer kollidierte, sodass dieses an der Heckscheibe entlang nach unten rutschte, nach hinten kippte und unter dem Fahrzeug zum Liegen kam, wobei es beim Versuch blieb, da das Opfer lediglich leichte Verletzungen, nämlich Prellungen im Bereich der rechten Hüfte, eine Prellung mit Abschürfungen im Bereich des rechten Knies, sowie eine Prellung im Bereich des rechten Handgelenks erlitt. Durch die betreffende Tathandlung hatte der Beschwerdeführer überdies versucht, das Opfer zum Verlassen der Parklücke zu nötigen. Als mildernd wurde seitens des Strafgerichts im Rahmen der Strafbemessung der Umstand gewertet, dass es teilweise beim Versuch geblieben war, erschwerend hingegen die einschlägige Vorverurteilung des Beschwerdeführers, sein rascher Rückfall innerhalb offener Probezeit, sowie das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen. Seine Freiheitsstrafe verbüßte der Beschwerdeführer im Rahmen eines elektronisch überwachten Hausarrests.

2. Beweiswürdigung:

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

Auskünfte aus dem Strafregister, dem zentralen Melderegister, dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister sowie dem Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund seines vor den österreichischen Behörden im Original in Vorlage gebrachten – sowie im zentralen Melderegister und im Informationsverbund zentrales Fremdenregister vermerkten – bulgarischen Personalausweises Nr. XXXX fest.

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinen Familienverhältnissen, seinem Gesundheitszustand und seiner Erwerbsfähigkeit ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren und aus dem Umstand, dass den insoweit im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen in der Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Die durchgehende Hauptmeldung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit 27.11.2015 ergibt sich aus einer Abfrage im zentralen Melderegister, ebenso wie sein gemeinsamer Wohnsitz mit seiner nunmehrigen Ehefrau N.V. seit 24.08.2017 und der gemeinsamen Tochter ab deren Geburt wie auch der gemeinsame Wohnsitz seiner drei Kinder aus einer vorangegangenen Beziehung mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin V.Y.

Dass dem Beschwerdeführer am 28.01.2016 seitens des Amtes der XXXX Landesregierung eine Anmeldebescheinigung für den Aufenthaltszweck "Arbeitnehmer" ausgestellt wurde, ergibt sich aus einer sich im Akt befindlichen Kopie selbiger, in Zusammenschau mit einer Abfrage im Informationsverbund zentrales Fremdenregister, aus welcher sich überdies die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit sowie zum Aufenthaltsrecht seiner Ehefrau und der gemeinsamen Tochter, als auch zur Staatsangehörigkeit sowie zum Aufenthaltsrecht seiner ehemaligen Lebensgefährtin und den drei gemeinsamen Kindern ergeben (die jeweiligen Staatsangehörigkeiten ergeben sich zudem ergänzend aus einer Abfrage im zentralen Melderegister).

Die Eheschließung des Beschwerdeführers mit der serbischen Staatsangehörigen N.V. am 09.08.2017 in Serbien ergibt sich aus einer in Vorlage gebrachten Heiratsurkunde, ausgestellt durch eine serbische Behörde an jenem Tag.

Dass der Beschwerdeführer seiner ehemaligen Lebensgefährtin V.Y. einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 100 Euro für jedes der drei gemeinsamen Kinder bezahlt, ergibt sich aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben im Verfahren, überdies aus einem in Vorlage gebrachten und sich im Akt befindlichen handschriftlichen Schreiben von V.Y.

Die Feststellungen zu den Zeiten der angemeldeten Erwerbstätigkeiten des Beschwerdeführers in Österreich als Arbeiter sowie geringfügig beschäftigter Arbeiter, als auch zu den Zeiten seines Bezugs von Krankengeld, Arbeitslosengeld sowie Notstandshilfe ergeben sich aus einer Abfrage im Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger.

Die beiden rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergeben sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich. Die Feststellungen bezüglich den diesen strafgerichtlichen Verurteilungen zugrundeliegenden strafbaren Handlungen sowie den Erwägungen der Strafgerichte im Rahmen der Strafbemessung ergeben sich aus den sich im Akt befindlichen Urteilsausfertigungen des Landesgerichts XXXX zu den Zl.en XXXX sowie XXXX .

Dass der Beschwerdeführer seine Freiheitsstrafe im Rahmen eines elektronisch überwachten Hausarrests verbüßte, ergibt sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt in Zusammenschau mit einer Abfrage im zentralen Melderegister, in welchem der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt mit einem Haupt- oder Nebenwohnsitz in einer Justizanstalt oder in einem Polizeianhaltezentrum aufscheint.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zum Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Rechtslage:

Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG idgF BGBl. I Nr. 54/2021 lautet:

„(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I. Nr. 87/2012).“

Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu vorzunehmen, bei der das Gesamtverhalten des Betroffenen in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091, mwN).

§ 67 FPG setzt Art. 28 der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG; vgl. § 2 Abs. 4 Z 18 FPG) um. Diese mit "Schutz vor Ausweisung" betitelte Bestimmung lautet:

„(1) Bevor der Aufnahmemitgliedstaat eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt, berücksichtigt er insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen im Hoheitsgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Aufnahmemitgliedstaat und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat.

(2) Der Aufnahmemitgliedstaat darf gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, die das Recht auf Daueraufenthalt in seinem Hoheitsgebiet genießen, eine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügen.

(3) Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie

a) ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder

b) minderjährig sind, es sei denn, die Ausweisung ist zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.“

Nach dem 24. Erwägungsgrund der Freizügigkeitsrichtlinie soll der Schutz vor Ausweisung in dem Maße zunehmen, wie Unionsbürger und ihre Familienangehörigen in den Aufnahmemitgliedstaat stärker integriert sind.

Bei Unionsbürgern, die nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Daueraufenthaltsrecht im Sinne des § 53a NAG und Art. 16 Freizügigkeitsrichtlinie erworben haben, ist nicht nur bei der Ausweisung, sondern auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes der in Art. 28 Abs. 2 Freizügigkeitsrichtlinie und § 66 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG vorgesehene Maßstab - der im abgestuften System der Gefährdungsprognosen zwischen jenen nach dem ersten und dem fünften Satz des § 67 Abs. 1 FPG angesiedelt ist - heranzuziehen (vgl. VwGH 18.01.2021, Ra 2020/21/0511, mwN). Ein Aufenthaltsverbot gegen Personen, denen das Recht auf Daueraufenthalt zukommt, setzt demnach voraus, dass ihr Aufenthalt eine "schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit" darstellt.

Die zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit werden nach Art. 28 Abs. 3 der Freizügigkeitsrichtlinie „von den Mitgliedstaaten festgelegt“. Den Mitgliedstaaten steht es frei, Straftaten wie die in Art. 83 Abs. 1 AEUV angeführten (also Terrorismus, Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern, illegaler Drogenhandel, illegaler Waffenhandel, Geldwäsche, Korruption, Fälschung von Zahlungsmitteln, Computerkriminalität und organisierte Kriminalität) als besonders schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses anzusehen, die geeignet sind, die Ruhe und die physische Sicherheit der Bevölkerung unmittelbar zu bedrohen, und die damit unter den Begriff der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit fallen können, mit denen gemäß Art. 28 Abs. 3 der Freizügigkeitsrichtlinie eine Ausweisungsverfügung gerechtfertigt werden kann, sofern die Art und Weise der Begehung solcher Straftaten besonders schwerwiegende Merkmale aufweist (vgl. EuGH 22.05.2012, C-348/09).

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den vorliegenden Fall:

Mangels eines zehnjährigen kontinuierlichen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ist der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG im vorliegenden Beschwerdefall nicht maßgeblich.

Da dem Beschwerdeführer jedoch am 28.01.2016 seitens des Amtes der XXXX Landesregierung eine Anmeldebescheinigung für den Aufenthaltszweck "Arbeitnehmer" gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 NAG ausgestellt wurde und er somit durch seinen mehr als fünfjährigen, ununterbrochenen und rechtmäßigen Aufenthalt gemäß § 53a Abs. 1 NAG ex lege - unabhängig von einer behördlichen Dokumentation, welcher in diesem Zusammenhang bloß deklaratorische Wirkung zukommt - das Recht auf Daueraufenthalt erworben hat (vgl. VwGH 08.07.2020, Ra 2019/22/0169, mwN), gelangt gegenständlich der in § 66 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG vorgesehene Gefährdungsmaßstab zur Anwendung. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer wäre sohin nur dann zulässig, wenn sein Aufenthalt eine "schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit" darstellt.

Die belangte Behörde stützte das gegenständliche Aufenthaltsverbot im Wesentlichen auf das strafrechtswidrige Fehlverhalten des Beschwerdeführers, welches seinen beiden rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen in Österreich zugrunde lag.

So wurde er zunächst mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 18.01.2018 wegen des Vergehens der versuchten Nötigung sowie wegen des Vergehens der Körperverletzung rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten, bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt, wobei dieser Verurteilung zugrunde lag, dass er ein männliches Opfer durch gefährliche Drohungen zur Zahlung vermeintlich offener Mietschulden in Höhe von insgesamt 800 Euro zu nötigen versucht hatte, indem er diesem gegenüber im Sommer 2017 sinngemäß äußerte, es zu schlagen, bis es ein Invalide sei, im Herbst 2017 in mehreren Angriffen dem Opfer gegenüber telefonisch sinngemäß geäußert hatte, es solange zu „ficken“, bis es tot sei, und im Oktober 2017 das Opfer schließlich mit einem Fahrzeug im Straßenverkehr schnitt und so zum Anhalten zwang, ehe er diesem gegenüber in weiterer Folge sinngemäß äußerte, wenn er in drei Tagen nicht das Geld bekomme, werde er dem Opfer Arme und Beine brechen und es zum Invaliden machen. Überdies hatte der Beschwerdeführer ein anderes männliches Opfer im Juni 2017 vorsätzlich am Körper verletzt, indem er diesem mit der Faust ins Gesicht schlug, wodurch dieses eine Schwellung am linken Jochbein sowie eine Rötung des linken Auges erlitt.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 04.08.2020 wurde der Beschwerdeführer überdies wegen des Verbrechens der versuchten schweren Körperverletzung sowie wegen des Vergehens der versuchten Nötigung rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwanzig Monaten, davon vierzehn Monate bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt. Zugleich wurde die bedingte Strafnachsicht aus seine ersten Verurteilung widerrufen. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer im Dezember 2018 versucht hatte, einem männlichen Opfer, welches in einer freien Parklücke stand, eine Körperverletzung zuzufügen, indem er mit seinem PKW rückwärts auf dieses zufuhr bis er mit dem laut schreienden und durch Schläge auf das Fahrzeugheck auf sich aufmerksam machenden Opfer kollidierte, sodass dieses an der Heckscheibe entlang nach unten rutschte, nach hinten kippte und unter dem Fahrzeug zum Liegen kam, wobei es beim Versuch blieb, da das Opfer lediglich leichte Verletzungen, nämlich Prellungen im Bereich der rechten Hüfte, eine Prellung mit Abschürfungen im Bereich des rechten Knies, sowie eine Prellung im Bereich des rechten Handgelenks erlitt. Durch die betreffende Tathandlung hatte der Beschwerdeführer überdies versucht, das Opfer zum Verlassen der Parklücke zu nötigen.

Vor dem Hintergrund, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes überdies strafgerichtliche Milderungs- und Erschwerungsgründe im Rahmen einer Entscheidung bezüglich der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zu berücksichtigen sind (vgl. VwGH 12.11.2019, Ra 2019/21/0305), ist zudem ins Kalkül zu ziehen, dass im Rahmen der ersten Verurteilung des Beschwerdeführers als mildernd sein umfassendes reumütiges Geständnis sowie seine bisherige Unbescholtenheit berücksichtigt wurde, erschwerend hingegen das Zusammentreffen zweier Vergehen. Im Rahmen seiner zweiten Verurteilung wurde der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben war, als mildernd gewertet, erschwerend hingegen die einschlägige Vorverurteilung des Beschwerdeführers, sein rascher Rückfall innerhalb offener Probezeit, sowie das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen. Seine Freiheitsstrafe verbüßte der Beschwerdeführer zur Gänze im Rahmen eines elektronisch überwachten Hausarrests.

Sofern im angefochtenen Bescheid darüber hinaus darauf hingewiesen wird, dass der Beschwerdeführer, neben seinen beiden rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen, fünf weitere Eintragungen in Bezug auf sechs strafrechtliche Delikte im kriminalpolizeilichen Aktenindex aufweist, wobei sich auch ein betreffender Speicherauszug im Akt findet, ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach betont hat, dass ein bloßer Hinweis in der Bescheidbegründung auf im Verwaltungsakt nicht näher nachvollziehbare kriminalpolizeiliche Ermittlungen eine dem Bescheid zu Grunde liegende entsprechende Feststellung (hier: eine vom Beschwerdeführer ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit) nicht zu tragen vermag (vgl. VwGH 07.04.2011, 2009/22/0130, mwN).

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt im Hinblick auf die strafrechtswidrige Delinquenz des Beschwerdeführers nicht, dass der Verwaltungsgerichtshof ebenso in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertritt, dass ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen im Bereich der Gewaltkriminalität besteht (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0474, mwN). Vor dem Hintergrund, dass die Bestimmung des Art. 28 Abs. 2 der Freizügigkeitsrichtlinie jedoch offenkundig den Zweck verfolgt, dass ein Unionsbürger nur noch unter erschwerten Bedingungen in seinem Recht auf Freizügigkeit eingeschränkt werden darf, wenn er in einem Mitgliedstaat das Recht zum Daueraufenthalt erlangt hat (vgl. VwGH 12.03.2013, 2012/18/0228), erachtet das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen einer Gesamtschau die Erfüllung des Gefährdungsmaßstabs des § 66 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG ("schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit") im Falle des Beschwerdeführers allerdings noch nicht als gegeben.

So geht etwa der EuGH davon aus, dass die Bekämpfung von mit bandenmäßigem Handel mit Betäubungsmitteln verbundener Kriminalität, wobei der Betroffene in dem zugrundeliegenden Sachverhalt von einem Strafgericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt wurde, unter den Begriff "schwerwiegende Gründe der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit" im Sinne des Art. 28 Abs. 2 der Freizügigkeitsrichtlinie fällt (vgl. EuGH (Große Kammer) 23.11.2010, C- 145/09, Panagiotis Tsakouridis); dieser Gefährdungsmaßstab entspricht jenem des § 66 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG. Unter Bezugnahme auf diese Entscheidung des EuGH hat der Verwaltungsgerichtshof in einem Fall kürzlich festgehalten, dass eine erstmalige strafgerichtliche Verurteilung eines Fremden aufgrund eines Suchtgiftdeliktes zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten, wobei dieser anderen vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge überlassen hatte, indem er über einen Zeitraum von etwa einem halben Jahr insgesamt 2.500 Gramm Cannabiskraut verkauft und überdies noch Cannabiskraut und Kokain über einen längeren, nicht mehr festzustellenden Zeitraum in wiederholten Angriffen erworben und besessen hatte, auch in Verbindung mit einer verwaltungsrechtlichen Bestrafung nach dem FSG wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne gültige Lenkberechtigung, nicht ohne weiteres die Annahme einer den Maßstab des § 66 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG erfüllenden Gefährdung rechtfertigt (vgl. VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0127). Dies erscheint insoweit bemerkenswert, da der Verwaltungsgerichtshof ebenso in ständiger Rechtsprechung betont, dass gerade Suchtgiftdelinquenz ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (vgl. etwa VwGH 01.04.2019, Ra 2018/19/0643; 01.03.2018, Ra 2018/19/0014, mwN). Ansonsten hatte der Verwaltungsgerichtshof etwa jüngst festgehalten, dass das Bundesverwaltungsgericht die Erfüllung des Gefährdungsmaßstabs des § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FPG im Falle eines wegen des Verbrechens des Raubes zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilten Revisionswerbers, welcher als Beitragstäter an einem Raub mitgewirkt hatte, im Zuge dessen zwei maskierte Mittäter u.a. in die Wohnung einer älteren Frau eindrangen, diese und ihre Mitbewohnerin fesselten und knebelten, der älteren Frau mehrmals mit einem harten Gegenstand gegen den Kopf bzw. das Gesicht schlugen, wobei diese ein großflächiges Hämatom im Bereich des linken Auges sowie eine Beule am Hinterkopf und mehrere Schürfwunden erlitt, und von ihr Geld und Schmuck forderten, in „nicht unvertretbarer Weise bejaht“ habe (vgl. VwGH 18.01.2021, Ra 2020/21/0511). Auch im Falle eines Revisionswerbers, welcher wegen des als Bestimmungstäter begangenen Verbrechens des Suchtgifthandels (Einfuhr von Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge, als auch das Überlassen von Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von fünf Jahren rechtskräftig verurteilt wurde, wobei dieser einen Mittäter durch entsprechende Bestellungen zur Einfuhr von zumindest 3.400 Gramm Kokain und 1.000 Gramm Speed von Slowenien nach Österreich veranlasst hatte und anschließend über einen Zeitraum von über einem Jahr verschiedenen Personen (insgesamt) rund 2.844 Gramm Kokain und 400 Gramm Kokain und 1.000 Gramm Speed gewinnbringend verkauft hatte, sah der Verwaltungsgerichtshof den Gefährdungsmaßstabs des § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FPG kürzlich als erfüllt an (vgl. VwGH 22.12.2020, Ra 2020/21/0452).

Zusammengefasst bleibt für den gegenständlichen Fall des Beschwerdeführers somit festzuhalten, dass in dem seinen beiden strafgerichtlichen Verurteilungen zugrunde liegenden Fehlverhalten – wobei nach Ansicht des Strafgerichts in seiner ersten Verurteilung mit einer zur Gänze bedingt nachgesehenen und in seiner zweiten Verurteilung mit einer zum weit überwiegenden Teil bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe das Auslangen gefunden werden konnte und der Beschwerdeführer den unbedingten Teil seiner Freiheitsstrafe im Rahmen eines elektronisch überwachten Hausarrests verbüßte - ohne den Unwert seiner Verhaltensweisen relativieren zu wollen, kein derart hoher Störwert erkannt werden kann, dass sich daraus im Lichte der vorzitierten Judikatur bereits eine "schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit" im Sinne des § 66 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG ergeben würde. Vor dem Hintergrund, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme für die Beurteilung einer vom Fremden ausgehenden Gefährdung unterschiedliche (regelmäßig in Abhängigkeit vom Aufenthaltsstatus des Fremden und mitunter auch strengere) Maßstäbe vorgesehen sind (vgl. etwa § 52 Abs. 5 FPG: "gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit"; § 66 Abs. 1 FPG: "eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit"; § 67 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG: "auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist", "Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt"; § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG: "öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet"), hat der Verwaltungsgerichtshof überdies betont, dass die in § 53 Abs. 3 FPG im Hinblick auf die Verhängung eines Einreiseverbotes gegen einen Drittstaatsangehörigen demonstrativ aufgezählten, qualifizierten Verhaltensweisen, welche insbesondere die Annahme rechtfertigen würden, dass sein Aufenthalt eine "schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit" im Sinne dieser Gesetzesbestimmung darstellt, nicht (automatisch) auch auf die Erfüllung des Gefährdungsmaßstabs des § 66 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG schließen ließen, wenngleich beide Bestimmungen wortident von "schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit" sprechen. So wurde seitens des Verwaltungsgerichtshofes ausdrücklich festgehalten, dass die Erfüllung des Tatbestands des § 53 Abs. 3 Z 1 FPG, welcher als Grund für die Erlassung eines Einreiseverbotes (u.a.) auf eine rechtskräftige, strafgerichtliche Verurteilung eines Fremden zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten abstellt, für sich genommen nicht zugleich die Annahme einer "schwerwiegenden Gefahr" im Sinne des letzten Halbsatzes des § 66 Abs. 1 FPG rechtfertigt (vgl. VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0049), sodass daraus nur geschlossen werden kann, dass der Gefährdungsmaßstab des § 66 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG – obwohl in beiden gesetzlichen Bestimmungen wörtlich gleichlautend von "schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit" gesprochen wird – höher als jener des § 53 Abs. 3 FPG anzusetzen sein wird.

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände vermag der in Österreich daueraufenthaltsberechtigte Beschwerdeführer aufgrund seines persönlichen Verhaltens den - vor dem Hintergrund der höchstgerichtlichen Judikatur und der Rechtsprechung des EuGH durchaus hoch anzusetzenden – Gefährdungsmaßstab einer "schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit" im Sinne des § 66 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG somit noch nicht zu erfüllen.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es die belangte Behörde auch verabsäumte, Feststellungen zu treffen, welche Auswirkungen die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes auf die vier Kinder des Beschwerdeführers, die rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig sind, haben würde. Aufgrund der fehlenden Feststellungen zum Kindeswohl war im angefochtenen Bescheid auch der Aspekt des Art 8 EMRK nur unzureichend geprüft worden.

Die Ausweisung des Beschwerdeführers mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides erfolgte daher nicht zu Recht, was auch die Gegenstandslosigkeit des dem Beschwerdeführer mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gewährten Durchsetzungsaufschubes bedingt.

In Stattgabe der Beschwerde war der angefochtene Bescheid daher ersatzlos aufzuheben.

Sollte der Beschwerdeführer in Zukunft noch einmal straffällig werden, wird die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn neuerlich zu prüfen sein.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung kann nach Abs. 2 entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (Z 1) oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (Z 2). Diese Bestimmung ist auch in den vom Anwendungsbereich des BFA-VG erfassten Verfahren anwendbar, weil § 21 Abs. 7 BFA-VG nur hinsichtlich von § 24 Abs. 4 VwGVG eine Spezialregelung trifft, im Übrigen aber die Anwendung von § 24 Abs. 1 bis 3 und 5 VwGVG unberührt lässt (vgl. VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017; VwSlg. 18.966 A/2014).

Da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Angemessenheit Aufenthalt im Bundesgebiet Aufenthaltsverbot Aufenthaltsverbot aufgehoben Behebung der Entscheidung ersatzlose Behebung Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Gewalttätigkeit Interessenabwägung Kassation Körperverletzung Nötigung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen schwere Straftat Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung strafrechtliche Verurteilung Straftat Vergehen Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I403.2246007.1.00

Im RIS seit

03.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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