Entscheidungsdatum
10.09.2021Norm
BFA-VG §9Spruch
I415 2232964-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Ungarn, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX vom 09.06.2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.09.2021 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Schreiben vom 07.02.2020 wurde das Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) über die Verhängung der Untersuchungshaft gegen den Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) wegen § 28a Abs 1 SMG verständigt.
2. Dem BF wurde mit Schreiben der belangten Behörde vom 10.02.2020 mitgeteilt, dass eine Beweisaufnahme hinsichtlich der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 FPG stattgefunden hat, in eventu Erlassung eines ordentlichen Schubhaftbescheides gemäß § 76 FPG, wobei ihm eine Stellungnahmefrist von 10 Tagen ab Zustellung eingeräumt wurde, welche der BF jedoch ungenutzt verstreichen ließ.
3. Mit Urteil des LG XXXX zu XXXX vom 04.06.2020, rechtskräftig 04.06.2020, wurde der BF wegen des Vergehens nach § 4 Abs 1 vierter Fall NPSG und § 4 Abs 1 zweiter Fall NPSG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten verurteilt, wobei die verhängte Freiheitstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
4. Am selben Tag wurde der BF vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Der BF brachte im Wesentlichen vor, es sei ihm nicht bewusst gewesen, dass der Verkauf von „GPL“ bzw. flüssiges Ecstasy, in Österreich strafbar sei. Er beziehe eine ungarische Pension, sei in seiner Heimat selbständig gewesen und er wolle sich in Österreich eine Kundenbasis aufbauen. Gegen eine Rückkehr nach Ungarn spreche, dass er die „Orbanisierung“ nicht möge.
5. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 09.06.2020, Zl. XXXX , wurde gegen den BF ein für die Dauer von einem Jahr befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.) und dem BF ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.).
6. Dagegen erhob der BF durch seine Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 07.07.2020, beim BFA eingelangt am 08.07.2020, vollumfänglich Beschwerde. In der Beschwerde wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF homosexuell sei und das homophobe Klima in Ungarn zunehme. Teile des Bescheides würden nicht auf den BF zutreffen, zumal der BF nicht nach dem SMG, sondern dem NPSG verurteilt worden sei, es sich um die erste – nicht abermalige – strafrechtliche Verurteilung des BF handle und sich das Strafmaß auf 5 – nicht 6 – Monate belaufe. Auch fehle in Hinblick auf § 67 Abs 1 FPG in der Beweiswürdigung eine Gesamtbetrachtung des Verhaltens und des Persönlichkeitsbildes des BF in Zusammenhang mit der zu treffenden Gefährdungsprognose. Bei Berücksichtigung desselben hätte die belangte Behörde feststellen können, dass sich aus dem persönlichen Verhalten des BF keine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr ableiten lasse und die Erlassung eines Aufenthaltsverbots somit nicht zulässig sei. Im Zuge der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG sei die Homosexualität des BF und die zunehmende Homophobie in Ungarn unberücksichtigt geblieben. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 NAG ändere auch die Nichtanzeige des Aufenthalts bzw. das Nichtvorliegen einer Anmeldebescheinigung nichts am unionsrechtlichen Aufenthaltsrecht, da der Anmeldebescheinigung nur deklarative Bedeutung zukomme. Der BF erfülle objektiv die materiellen Voraussetzungen für das Bestehen eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts. Beantragt werde daher die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Klärung des maßgeblichen Sachverhalts, den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben, in eventu die Dauer des Aufenthaltsverbots auf eine angemessene Dauer herabzusetzten, in eventu den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben und zur Verfahrensergänzung an die Behörde erster Instanz zur neuerlichen Durchführung eines Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides zurückzuverweisen.
7. Mit Schriftsatz vom 09.07.2020, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 13.07.2020, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor. Dabei wurde ausgeführt, der BF habe zu keinem Zeitpunkt angeführt, verheiratet zu sein oder Sorgepflichten zu haben, vielmehr im Gegenteil, dass er regelmäßig nach Ungarn zurückkehre, er zwar mit der dortigen Regierung nicht einverstanden sei, aber bereit sei, freiwillig das Bundesgebiet zu verlassen. Zumal der BF aufgrund eines Suchtmitteldeliktes verurteilt worden sei, erachte die belangte Behörde die Höhe des Aufenthaltsverbotes nicht als unangemessen.
8. Am 09.09.2021 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eine mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit des BF, seiner Rechtsvertretung und einer Dolmetscherin für die Sprache Ungarisch abgehalten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der am XXXX geborene, ledige und kinderlose BF ist ungarischer Staatsangehöriger und führt die im Spruch angeführte Identität (Name und Geburtsdatum). Der BF ist homosexuell.
Der genaue Einreisezeitpunkt des BF ins Bundesgebiet konnte nicht festgestellt werden. Jedenfalls ist der BF seit 05.03.2019 mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet melderechtlich erfasst, wobei er sich im Zeitraum vom 05.02.2020 bis zum 04.06.2020 in Untersuchungshaft in der Justizanstalt XXXX befunden hat. Tatsächlich war der BF im Zeitraum zwischen dem 05.03.2019 und 05.02.2020 immer nur 30 Tage im Bundesgebiet aufhältig.
Der Strafregisterauszug der Republik Österreich weist eine Verurteilung auf:
01) LG XXXX XXXX vom 04.06.2020 RK 04.06.2020
§ 4 (1) 4. Fall NPSG
§ 4 (1) 2. Fall NPSG
Datum der (letzten) Tat 05.02.2020
Freiheitsstrafe 5 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Der BF wurde mit Urteil des LG XXXX zu XXXX vom 04.06.2020, für schuldig befunden, im Zeitraum von Januar 2019 bis 05. Februar 2020 eine mit einer Verordnung gemäß § 3 NPSG definierten chemischen Substanzklasse umfasste, neue Psychoaktive Substanz, und zwar Liquid Exctasy GBL (chemische Struktur Butyro-1,4-Lacton) mit dem Vorsatz, dass sie von einem Dritten zur Erreichung einer psychoaktiven Wirkung am menschlichen Körper angewendet wird, mit dem Vorsatz, daraus einen Vorteil zu ziehen, A./ überlassen, und zwar a./ R. S. eine große Flasche zu einem Liter um EUR 350,--, eine große Flasche zu einem Liter um EUR 300,-- und sechs kleine Flaschen zu je 50 Milliliter um je EUR 20,--, b./ an zumindest vier weitere Personen zumindest je eine Flasche zu je 50 Milliliter um je EUR 20,--, B./ eingeführt, und zwar die in A./ genannte Mengen, indem er sie von Deutschland nach Österreich schmuggelte. Hierdurch hat der BF zu A./ das Vergehen nach § 4 Abs 1 vierter Fall NPSG und B./ das Vergehen nach § 4 Abs 1 zweiter Fall NPSG begangen, weswegen er zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten verurteilt wurde, welche unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Mildernd wurde der bisher ordentliche Lebenswandel sowie das umfassende Geständnis berücksichtigt, erschwerend hingehen das Zusammentreffen von zwei Vergehen sowie die mehrfache Tatbegehung.
Der BF leidet an keiner schweren bzw. lebensbedrohlichen Erkrankung. In Ungarn war er 20 Jahre lang im Gastgewerbe und 10 Jahre als selbständiger Masseur und Buchhalter tätig. Er bezieht seitens des ungarischen Staates eine Pension, darüber hinaus vermietet der BF Grundstücke und verfügt über Ersparnisse von ca. EUR 25.000,--, wobei ihm monatlich etwa EUR 1.200,-- zur Verfügung stehen. Der BF ging im Bundesgebiet zu keinem Zeitpunkt einer legalen Beschäftigung nach und weist keinen Sozialversicherungsschutz auf, jedoch in Ungarn.
Der BF verfügt im Bundesgebiet über keine familiären Anknüpfungspunkte und auch keine maßgeblichen privaten Beziehungen. In Ungarn leben keine Familienangehörigen des BF. Der BF spricht ein bisschen Deutsch. Sonstige integrative Momente (zB in beruflicher oder sozialer Hinsicht) liegen nicht vor.
2. Beweiswürdigung:
Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:
2.1. Zum Verfahrensgang
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.
2.2. Zum Sachverhalt:
Die Feststellungen basieren ebenfalls auf dem unbestrittenen Akteninhalt, den Angaben des BF vor der belangten Behörde, den Angaben in der Beschwerde sowie den Ausführungen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung und den Informationen aufgrund von Abfragen im Zentralen Melderegister, dem Strafregister sowie einem Sozialversicherungsdatenauszug.
Zumal der BF vor der belangten Behörde seine ungarische Identitätskarte vorlegen konnte, stehen Identität, Geburtsdatum und Staatsbürgerschaft des BF fest. Die Umstände zum Ledigsein und der Kinderlosigkeit des BF ergeben sich aus den diesbezüglichen Ausführungen des BF vor der belangten Behörde (Protokoll vom 04.06.2020, AS 69). Hinsichtlich der Homosexualität des BF gilt es, auf sein Beschwerdevorbringen zu verweisen (Beschwerde vom 07.07.2020, AS 107 ff), weiters brachte er auch in der mündlichen Verhandlung glaubhaft vor homosexuell zu sein.
Hinsichtlich des Einreisezeitpunktes im Bundesgebiet führte der BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung aus, er sei seit Sommer 2018 im Bundesgebiet aufhältig, zumal jedoch der BF selber den genauen Zeitpunkt seiner Einreise nicht näher präzisieren konnte und er erst seit März 2019 eine Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet aufweist, konnte der genaue Einreisezeitpunkt des BF nicht festgestellt werden. Aus einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister zur Person des BF geht seine melderechtliche Erfassung im Bundesgebiet, weiters sein Aufenthalt in der Justizanstalt XXXX hervor. Der Umstand, dass der BF im Zeitraum zwischen dem 05.03.2019 und 05.02.2020 immer nur 30 Tage im Bundesgebiet aufhältig gewesen war, ergibt sich aus den diesbezüglichen Ausführungen des BF vor der belangten Behörde (Protokoll vom 04.06.2020, AS 68 f).
Die strafrechtliche Verurteilung des BF ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich sowie der gekürzten Urteilsausfertigung des Landesgerichtes XXXX zu XXXX vom 04.06.2020, welches neben dem Sachverhalt auch die Milderungs- und Erschwernisgründe aufzeigt (AS 75 ff).
Dass der BF an keiner schweren bzw. lebensbedrohlichen Krankheit leidet, ergibt sich aus dessen eigenen Angaben vor der belangten Behörde, ebenso die Feststellungen zur Vermietung von Grundstücken, zu den Ersparnissen des BF und den monatlich zur Verfügung stehenden Geldmitteln (Protokoll vom 04.06.2020, AS 67 & 70). Zudem führte der BF in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage an gesund zu sein und keine Medikamente einzunehmen. Der Umstand, dass der BF in Ungarn 20 Jahre lang im Gastgewerbe und 10 Jahre als selbständiger Masseur und Buchhalter gearbeitet hat, ergibt sich ebenfalls aus den entsprechenden Ausführungen des BF vor dem BFA (Protokoll vom 04.06.2020, AS 70). Hinsichtlich des Umstandes, dass der BF im Bundesgebiet zu keinem Zeitpunkt einer legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, gilt es ebenso wie hinsichtlich des nicht bestehenden Sozialversicherungsschutzes auf den Sozialversicherungsdatenauszug zur Person des BF zu verweisen, welcher keine Eintragung aufweist. Weiters gab der BF in der Verhandlung an in Österreich als Masseur tätig zu sein, dies allerdings ohne selbst im Besitz einer Gewerbeberechtigung zu sein bzw. auch nicht in einem Anstellungsverhältnis. Vor der belangten Behörde gab der BF zu Protokoll, er verfüge in Ungarn über eine umfassende Kranken- und Unfallversicherung, weswegen die entsprechende Feststellung getroffen werden konnte (Protokoll vom 04.06.2020, AS 70).
Weiters brachte der BF gleichlautend vor der belangten Behörde und in der Beschwerdeverhandlung vor, dass in Österreich keine Familienangehörigen des BF leben und er solche auch nicht in Ungarn habe. Zwar führte der BF aus, in Österreich viele Freunde zu haben (Protokoll vom 04.06.2020, AS 70) und nannte in der Beschwerdeverhandlung auch zwei beim Namen, jedoch genügen diese Kontakte insbesondere in zeitlicher Hinsicht nicht, um die Schwelle eines schützenswerten Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK im Bundesgebiet zu erreichen, mögen sie auch objektiv vorhanden und für den BF subjektiv von Bedeutung sein. Der Umstand, dass der BF ein bisschen Deutsch spricht, ergibt sich aus den entsprechenden Ausführungen des BF vor der belangten Behörde (Protokoll vom 04.06.2020, AS 67) und beantwortete der BF auch im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht teilweise die Fragen auf Deutsch. Zumal der BF hinsichtlich seiner Integration im Bundesgebiet keine Urkunden vorgelegt bzw. auch kein dahingehendes Vorbringen erstattet hat, war die Feststellung zum Nichtvorliegen sonstiger integrativen Momente zu treffen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 2 Abs 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt. Gemäß § 2 Abs 4 Z 8 FPG gilt als EWR-Bürger ein Fremder, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist.
Aufgrund der ungarischen Staatsangehörigkeit ist der BF EWR-Bürger und folglich Fremder iSd. soeben angeführten Bestimmungen.
Zu Spruchteil A):
3.1. Zur Verhängung eines Aufenthaltsverbots (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
3.1.1 Rechtslage
Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG idgF lautet:
§ 67 (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.
(3) […]
(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.
(Anm.: Ab. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)
Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG idgF lautet wie folgt:
§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(Anm.: Abs 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)
Der mit "Bescheinigung des Daueraufenthalts von EWR-Bürgern" betitelte § 53a NAG lautet wie folgt:
§ 53a (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.
[…]
Der mit "Ausweisung" betitelte § 66 FPG lautet wie folgt:
§ 66 (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.
3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den vorliegenden Fall
Da der BF die Voraussetzung eines durchgehenden rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet seit mehr als 5 Jahren iSd. § 53a NAG nicht erfüllt, sondern dieser erst seit 05.03.2019 im Bundesgebiet melderechtlich erfasst ist, kommt für ihn der Prüfungsmaßstab des § 66 Abs 1 letzter Satzteil FPG (vgl. VwGH 22.01.2014, 2013/21/0135; VwGH 12.03.2013, 2012/18/0228, VwGH 13.12.2012, 2012/21/0181), nämlich, dass sein Aufenthalt eine „schwerwiegende“ Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt, nicht zur Anwendung. Die im Bundesgebiet aufhältige Zeit alleine würde selbst unter Berücksichtigung der Angaben des BF, im Sommer 2017 eingereist zu sein, nicht genügen, um die Voraussetzung der Fünfjahresgrenze zu erfüllen.
Nach der Rechtsprechung ist bei der Erstellung von Gefährdungsprognosen das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und in Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FrPolG 2005 zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dessen Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne Weiteres die erforderliche Gefährdungsprognose begründen können (vgl. VwGH 12.11.2019, Ra 2019/21/0305) (VwGH 27.04.2020, Ra 2019/21/0367).
Vorab ist festzuhalten, dass sich das Beschwerdevorbringen, wonach der BF nur einmal und nicht abermals strafrechtlich verurteilt wurde, als zutreffend gestaltet.
Jedoch setzte der BF bereits zu einem Zeitpunkt, zu dem er noch gar nicht melderechtlich im Bundesgebiet erfasst war, nämlich im Januar 2019, in Österreich ein strafrechtlich relevantes Verhalten in Zusammenhang mit Liquid Ecstasy GBL, einer nach der Verordnung gemäß § 3 NPSG definierten neue Psychoaktiven Substanz. Dadurch zeigt der BF ein Verhalten, welches darauf schließen lässt, dass er der österreichischen Rechtsordnung wenig Bedeutung beimisst und welches auf eine Bereitschaft der Negierung österreichischer Gesetze und gesellschaftlicher Regeln hinweist. Der Umstand, dass der BF sich während seines Aufenthalts im Bundesgebiet nicht um die Ausstellung einer Aufenthaltsberechtigung gekümmert hat, vermag diesen Eindruck noch zu verstärken, woran auch nicht zu ändern vermag, dass gegebenenfalls – wie in der Beschwerde ausgeführt – objektiv die Voraussetzungen zur Ausstellung einer Anmeldebescheinigung vorliegen würden.
Wenn in der Beschwerde weiters ausgeführt wird, der BF sei nicht wegen eines Vergehens gegen das SMG verurteilt worden, so ist dem zuzustimmen, zumal der BF wegen Vergehen nach dem Bundesgesetz über den Schutz vor Gesundheitsgefahren im Zusammenhang mit Neuen Psychoaktiven Substanzen (Neue-Psychoaktive-Substanzen-Gesetz, NPSG) verurteilt wurde. Ungeachtet dessen gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass die Wirkungen, welche durch die neuen Psychoaktive Substanzen hervorgerufen werden, derartige Parallelen zu den Wirkungen der dem SMG unterliegenden Substanzen aufweisen, dass die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs in Zusammenhang mit Suchtmitteldelinquenz wohl auch auf neue Psychoaktive Substanzen anwendbar ist (vgl. die gesetzliche Definition des Begriffs der psychoaktiven Wirkung gemäß § 1 Z 3 NPSG. Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist „psychoaktive Wirkung“ die mit Halluzinationen oder Störungen der motorischen Funktionen, des Denkens, des Verhaltens, der Wahrnehmung oder der Stimmung einher gehende Anregung oder Dämpfung des Zentralnervensystems).
Der BF wurde unbestritten vom Landesgericht XXXX wegen des Vergehens nach § 4 Abs 1 2. und 4. Fall NPSG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt. Dabei sticht nicht nur der Umstand, dass der Deliktzeitraum von Jänner 2019 bis Februar 2020 über ein Jahr andauerte, besonders hervor, sondern wollte der BF das Liquid Ecstasy GBL von Deutschland nach Österreich einführen und wusste er, dass die nachfolgend gewollte Überlassung bei den Abnehmern zu einer psychoaktiven Wirkung am menschlichen Körper führt.
Das NPSG beabsichtigt zum Schutz der Gesundheit potenzieller Konsumenten, gezielt den einschlägigen Markt zu beobachten und effizient angebotsseitig gegen das missbräuchliche, auf Profitinteressen basierende und die Gesundheitsrisiken der Konsumenten außer Acht lassende Vermarkten vorzugehen. Die Verbreitung der „Research Chemicals“ zu Konsumzwecken – und damit die mit dem Konsum verbundenen gesundheitlichen Risiken – sollen minimiert werden (vgl ErläutRV 1518 BlgNR 24. GP 4 f). Das NPSG soll schließlich die Grundlage liefern, dass die Verfügbarkeit „Neuer Psychoaktiver Substanzen“ für die Konsumenten soweit wie möglich reduziert, auf die Entschleunigung des Marktes hingewirkt und das Etablieren der Substanzen in den betreffenden Verkehrskreisen verhindert wird (vgl ErläutRV 1518 BlgNR 24. GP 5). Der Zusatz „neu“ bezeichnet, dass es sich um (synthetische) Substanzen handelt, die (noch) nicht im Wege des UN-Suchtgiftübereinkommens (Einzige Suchtgiftkonvention 1961) oder des UN-Übereinkommens von 1971 über psychotrope Stoffe der internationalen Drogenkontrolle unterstellt worden sind (vgl ErläutRV 1518 BlgNR 24. GP 8). Durch das NPSG wurde somit eine gesetzliche Basis geschaffen um dem Phänomen der „Neuen Psychoaktiven Substanzen“, welche nicht unter das AMG oder das SMG zu subsumieren waren, entgegen zu wirken (vgl Matzka/Zeder/Rüdisser, SMG3 § 1 NPSG (Stand 1.11.2017, rdb.at)). § 3 NPSG sieht vor, dass neben der Verbreitung zur missbräuchlichen Anwendung (Z1) auch die Substanzen nach dem Stand der Wissenschaft und Erfahrung für die Gesundheit der Konsumenten tatsächlich oder auch nur möglicherweise gefährlich sein („... Gefahr nicht ausgeschlossen werden kann...“) müssen (Z2) (vgl Schwaighofer in Höpfel/Ratz, WK2 NPSG Vorbemerkungen zu §§ 4, 5 (Stand 1.11.2012, rdb.at)). Die mögliche Gefahr soll deshalb genügen, weil es zu vielen Substanzen nur wenig oder gar keine wissenschaftlich gesicherten Informationen gibt (EBRV zum NPSG 9).
Mit dem NPSG wurde die Gefahr, insbesondere das gesundheitliche Risiko, durch „Neuen Psychoaktiven Substanzen“, welche in ihrer chemischen Zusammensetzung und deshalb auch in ihrer Wirkung anderen Suchtmitteln, die bereits vom SMG erfasst sind, sehr ähnlich und von ihrem Gefahrenpotential her den Suchtmitteln sogar zum Teil überlegen sind, minimiert und diese neuen Substanzen gleichermaßen illegalisiert (vgl Schwaighofer in Höpfel/Ratz, WK2 NPSG Vorbemerkungen zu §§ 4, 5 (Stand 1.11.2012, rdb.at)).
Demnach stellt die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, wonach Suchtmitteldelinquenz – auch nach gemeinschaftsrechtlichen Maßstäben – ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (VwGH 01.03.2018, Ra 2018/19/0014), zumal die Grundinteressen der Gesellschaft durch ein derartiges Verhalten gravierend beeinträchtigt werden, auch gegenständlich den Überprüfungsmaßstab einer „tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“ gemäß § 67 Abs 1 FPG dar. Diesbezüglich gilt es insbesondere auch zu berücksichtigen, dass sich der Zeitraum der mehrfachen Tatbegehung des BF auf über ein Jahr (Januar 2019 bis Februar 2020) erstreckte, wobei allerdings nicht verkannt wird, dass der BF bis dahin einen ordentlichen Lebenswandel geführt und auch ein umfassendes Geständnis abgelegt hat.
Wenn im Zuge des Beschwerdevorbringens ausgeführt wird, dass der BF seine strafrechtliche Verurteilung zutiefst bereue und ihm aufgrund seiner Untersuchungshaft und dem dort verspürten Haftübel bewusst sei, dass eine erneute Straftat zu einem Vollzug der Freiheitsstrafe führen würde, so gilt auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu verweisen, nach dem ein Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich erst - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - daran gemessen werden kann, ob und wie lange er sich in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. B 22. Mai 2014, Ra 2014/21/0014) (VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0276). Der BF musste zwar keine Haftstrafe verbüßen und wurde seine gesamte Haftstrafe bedingt verhängt, jedoch liegt der Zeitraum seiner Untersuchungshaft erst knapp eineinhalb Jahr zurück und befindet sich der BF aktuell in seiner Probezeit. Von einem Wegfall der Gefährdung kann daher gegenständlich noch nicht ausgegangen werden.
Dem BF kann folglich bei gesamtheitlicher Betrachtung keine positive Zukunftsprognose ausgestellt werden und erachtet der erkennende Richter im persönlichen Verhalten des BF eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
Nun gilt es, entsprechend § 9 Abs 1 BFA-VG eine Interessenabwägung hinsichtlich des Privat- und Familienlebens des BF im Bundesgebiet anhand der Kriterien des § 9 Abs 2 BFA-VG vorzunehmen.
Hinsichtlich seines Aufenthaltes im Bundesgebiet gilt es anzumerken, dass der BF erst seit März 2019 nachweislich im Bundesgebiet aufhältig ist und er seiner Verpflichtung, an der Klarstellung seiner aufenthaltsrechtlichen Position mitzuwirken (vgl. VwGH 09.08.2018, Ra 2018/22/0102) und damit seinen länger als drei Monate andauernden Aufenthalt im Bundesgebiet bei der Behörde anzuzeigen, nicht rechtzeitig binnen vier Monaten ab Einreise nachgekommen ist (vgl. § 53 Abs 1 NAG).
Der BF führt entsprechend der Beweiswürdigung unter Punkt II. 2.2 kein Familienleben in Österreich. Ein Eingriff in das Familienleben des BF scheidet somit aus.
Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.06.2005, Fall Sisojeva ua., Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.
Maßgebliche private Kontakte im Sinne des Art 8 EMRK konnten – entsprechend der Beweiswürdigung unter Punkt II 2.2. – keine festgestellt werden. Der BF spricht zwar ein bisschen Deutsch, jedoch liegen keine weiteren nennenswerten integrativen Momente vor. Demgegenüber verfügt der BF in seinem Herkunftsstaat Ungarn, in dem er aufgewachsen ist, den Großteil seines bisherigen Lebens verbracht hat und er dort 30 Jahre lang einer beruflichen Tätigkeit nachgegangen ist, über sprachliche und kulturelle Verbindungen, vermag er auch über keine familiären Anknüpfungspunkte zu verfügen.
Wenn nun in der Beschwerde ausgeführt wird, der BF sei homosexuell und herrsche in Ungarn ein homophobes Klima, so werden diesbezügliche Tendenzen vom erkennenden Richter nicht verkannt (vgl. auch https://www.ecoi.net/de/dokument/2038604.html: Der Parlamentspräsident und andere Personen des öffentlichen Lebens griffen Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche (LGBTI) immer häufiger durch homosexuellenfeindliche und diskriminierende Äußerungen an. Ab Juli 2019 wurden Personen, die an Veranstaltungen des Budapester Pride-Monats oder an von LGBTI-Organisationen durchgeführten Workshops teilnahmen oder bei der Organisation mithalfen, mehrfach von rechtsextremen Gruppen verbal und tätlich angegriffen. Nach Angaben von Nichtregierungsorganisationen und Medien unternahm die Polizei in einigen Fällen nicht genug, um die Betroffenen vor den Angriffen zu schützen.).
Eine pauschale und generelle Diskriminierung Homosexueller ist jedoch nicht erkennbar und ist gegenständlich auch für das Bundesverwaltungsgericht nicht evident, inwieweit der BF selbst konkret aufgrund seiner Homosexualität einer Diskriminierung bzw. Ausgrenzung in Ungarn ausgesetzt wäre. Der BF führte vor der belangten Behörde nur aus, er möge die „Orbanisierung“ nicht. Er ist jedoch immer wieder nach Ungarn gefahren, wo er auch bis zu seiner Ausreise nach Deutschland zuletzt als freiberuflicher Masseur gearbeitet hat (Protokoll vom 04.06.2020, AS 70 & 68). Weiters bejahte der BF die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise, ohne etwaige damit einhergehende Probleme anzuführen (Protokoll vom 04.06.2020, AS 70). Selbst im Beschwerdevorbringen, wo die Homosexualität des BF erstmals vorgebracht wurde, wurde kein substantiiertes Vorbringen erstattet, sondern vielmehr ausschließlich auf die allgemeine Situation Homosexueller in Ungarn verwiesen. Auch im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung thematisierte der BF, dass er homosexuell und Ungarn dafür nicht die richtige Umgebung sei. Es gebe unter Orban keine Demokratie mehr und keine Unabhängigkeit bei bestimmten Organen. Er habe zudem in Ungarn ein kleines Häuschen, aber sei dieses vermietet und könne er daher nicht zurückkehren.
Bei einer Betrachtung des Gesamtverhaltens des BF und der damit einhergehenden Gefährlichkeitsprognose sind gegenständlich die öffentlichen Interessen an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes jedenfalls höher zu gewichten als die gegenläufigen (geringen) privaten Interessen der BF am Verbleib im Bundesgebiet. Es ist folglich davon auszugehen, dass die Erlassung eines gegen den BF gerichteten Aufenthaltsverbotes gemäß § 9 BFA-VG zulässig ist, ist es doch zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele, insbesondere in Hinblick auf die Verhinderung von strafbaren Handlungen und dem Schutz der Gesundheit anderer erforderlich.
Die Voraussetzungen für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 Abs 1 iVm Abs 2 FPG liegen somit gegenständlich vor. Was die gewählte Dauer des Aufenthaltsverbotes betrifft, bewegt sich diese innerhalb des dem der belangten Behörde zur Verfügung stehenden Rahmens, welcher nach § 67 Abs 2 FPG ein Aufenthaltsverbot für die Dauer bis zu höchstens 10 Jahren als zulässig erachtet. Auch erscheint die Bemessung des Aufenthaltsverbotes mit einer Dauer von einem Jahr gegenständlich als geboten. Der BF wurde erstmalig in Österreich straffällig, zeigte sich geständig und wurde zu 5 Monaten Freiheitsstrafe, welche unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. In Anbetracht dessen, dass knapp ein Viertel des möglichen Strafrahmens von bis zu zwei Jahren (§ 4 Abs 1 NPSG) ausgeschöpft wurde, erscheint die gewählte Dauer des Aufenthaltsverbotes in Zusammenschau mit dem Persönlichkeitsbild des BF als notwendig, um den BF innerhalb dieser Zeit in seinem Herkunftsland zu einem über das Einsehen seines Fehlverhaltens hinausgehenden nachhaltigen positiven Gesinnungswandel bewegen zu können, damit der BF sich in Zukunft an alle verwaltungsrechtlichen Bestimmungen zu einem legalen Aufenthalt in Österreich hält. Danach wird (bei Wohlverhalten) nicht mehr von einer tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefahr vom BF auszugehen sein.
Im Ergebnis war daher die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zur Erteilung eines Durchsetzungsaufschubs (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
3.2.1. Rechtslage
Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
Da dem BF ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat seitens der belangten Behörde erteilt wurde, war die Beschwerde auch in diesem Umfang als unbegründet abzuweisen. Umstände – wie zum Beispiel ein schlechter Gesundheitszustand – welche zur Verlängerung des Durchsetzungsaufschubes geführt hätten, lagen nicht vor.
Zu Spruchteil B):
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die vorliegende Entscheidung basiert auf der oben in der rechtlichen Beurteilung angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs.
Schlagworte
Angemessenheit Aufenthalt im Bundesgebiet Aufenthaltsverbot Durchsetzungsaufschub EU-Bürger EWR-Bürger Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Interessenabwägung mündliche Verhandlung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung strafrechtliche Verurteilung Straftat Suchtmitteldelikt Unionsbürger Vergehen Verhältnismäßigkeit WiederholungsgefahrEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:I415.2232964.1.00Im RIS seit
03.12.2021Zuletzt aktualisiert am
03.12.2021