Entscheidungsdatum
20.09.2021Norm
BFA-VG §9Spruch
I421 2244536-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. SLOWENIEN, vertreten durch die BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion XXXX (BFA-T) vom 23.06.2021, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.09.2021, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahin abgeändert, dass Spruchpunkt I. und II. zu lauten haben:
I. Gemäß § 67 FPG wird gegen den Beschwerdeführer ein für die Dauer von einem Jahr befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
II. Gemäß § 70 Abs 3 FPG wird dem Beschwerdeführer ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Schreiben vom 14.11.2019 wurde dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) ein Parteiengehör zum beabsichtigten Aufenthaltsverbot eingeräumt und wurde er eingeladen, binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens Stellung zu nehmen. Am 15.11.2019 wurde das Parteiengehör vom BF in der Justizanstalt XXXX übernommen.
2. Am 21.01.2020 langte die Stellungnahme des BF bei der belangten Behörde ein.
3. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX als Schöffengericht XXXX vom 27.05.2020, rechtskräftig seit 08.07.2020, wurde der BF wegen dem Verbrechen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB, dem Verbrechen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB und dem Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.
4. Dagegen erhob der BF Berufung wegen des Ausspruches über die Strafe und wurde dieser mit Urteil des Oberlandesgerichtes XXXX zu XXXX vom 08.07.2020, rechtskräftig sei 08.07.2020, Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 32 Monate herabgesetzt.
5. Am 21.01.2021 fand eine niederschriftliche Einvernahme des BF zur Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen vor der belangten Behörde statt.
6. Mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX zu XXXX vom 02.06.2021 wurde entschieden, den BF nach Verbüßung von zwei Dritteln der über ihn verhängten Freiheitsstrafe am 18.08.2021 bedingt zu entlassen. Die Probezeit wurde mit drei Jahren bestimmt und der Strafrest mit fünf Monaten festgesetzt. Mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom 16.06.2021 wurde der Spruch dahingehend berichtigt, als dass der angeführte Strafrest 10 Monate und 20 Tage beträgt.
7. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 23.06.2021, Zl. XXXX , wurde gegen den BF ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).
8. Dagegen richtet sich die fristgerecht, durch die Rechtsvertretung des BF eingebrachte, Beschwerde vom 19.07.2021, eingelangt beim BFA am selbigen Tag, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften und wurde unter anderem beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF seine Taten zutiefst bereue und er sich in Zukunft wohlverhalten wolle, er in Österreich ein schützenswertes Privatleben habe, ausgezeichnet Deutsch spreche und den größten Teil seines Aufenthaltes in Österreich einer geregelten Arbeit nachgegangen sei. Mit der Begleitung durch den Verein Neustadt sowie dem Therapieangebot der Suchthilfe XXXX werde der BF in seinen Zukunftsplänen unterstützt und gefördert, wodurch ihm die Resozialisierung erleichtert werde und werde für den BF durch den Verein „Die Brücke“ eine Übergangswohnung reserviert. Der Eingriff in die Rechte des BF sei nach Art 8 EMRK als unzulässig zu betrachten und hätte daher festgestellt werden müssen, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auf Dauer unzulässig bzw. die anzustellende Gefährdungsprognose auf keinen Fall die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes in der Dauer von fünf Jahren rechtfertige. Beantragt werde daher, das Bundesverwaltungsgericht möge, eine mündliche Verhandlung zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes durchführen, der vorliegenden Beschwerde stattgeben und das Aufenthaltsverbot ersatzlos beheben; in eventu, die Gültigkeitsdauer des ausgesprochenen Aufenthaltsverbotes entsprechend zu reduzieren; in eventu die angefochtene Entscheidung beheben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an die erste Instanz zurückverweisen. Mit der Beschwerde wurde eine Vollmacht vom 28.06.2021, eine Zahlungsbestätigung vom 01.07.2021, die Bestätigung des Vereins „Die Brücke“ vom 02.06.2021, die Bestätigung der Suchthilfe XXXX vom 06.07.2021 und eine Medikamentenübersicht vom 13.07.2021 vorgelegt.
9. Am 20.07.2021, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht Außenstelle XXXX am 23.07.2021, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Akt dem Bundesverwaltungsgericht Außenstelle XXXX vor.
10. Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.08.2021 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
11. Am 09.09.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht Außenstelle XXXX eine mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit des BF, seiner Rechtsvertreterin und einer Vertreterin der belangten Behörde statt. Im Rahmen der Verhandlung wurden Beilage ./A bis ./H und 1./ zum Akt genommen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der volljährige, ledige BF ist slowakischer Staatsangehöriger und somit EWR Bürger bzw. Unionsbürger im Sinne des § 2 Abs 4 Z 8 FPG. Seine Identität steht fest.
Der BF war erstmals von 06.11.2012 bis zum 26.04.2013 im Bundesgebiet melderechtlich erfasst. Seit 13.01.2015 ist er durchgehend im Bundesgebiet gemeldet.
Der BF wurde am 18.08.2021 bedingt aus der Haft entlassen. Nach seiner Haftentlassung wurde dem BF eine Übergangswohnung vom Verein „Die Brücke“ zur Verfügung gestellt, in welcher der BF seither wohnhaft ist.
Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Der BF besuchte in Slowenien acht Jahre die Grund- und Hauptschule und absolvierte dann die Lehre zum Fliesenleger.
Der BF hat bereits vom 11.07.2006 bis zum 31.12.2006 bei XXXX und vom 09.09.2009 bis zum 06.10.2009 sowie vom 25.02.2010 bis zum 04.03.2010 als Erntehelfer in Österreich gearbeitet. Weiters war er von 27.08.2012 bis zum 19.12.2012 bei XXXX tätig und von 24.02.2015 bis 16.03.2015 geringfügig bei XXXX beschäftigt. Sodann hat er von 23.03.2015 bis 18.12.2015 und von 25.01.2016 bis 20.07.2016 bei XXXX und von 05.09.2016 bis 19.01.2017 sowie von 13.03.2017 bis zu seiner Verhaftung bei XXXX gearbeitet. Nach seiner Haftentlassung hat er von 19.08.2021 bis zum 09.09.2021 Arbeitslosengeld bezogen. Sein Antrag auf Gewährung von Mindestsicherung wurde mit Bescheid des Stadtmagistrats XXXX abgewiesen. Seit 10.09.2021 ist er bei der XXXX beschäftigt. Der BF ist in Österreich beruflich verfestigt.
In Österreich lebt die Cousine des Vaters des BF, mit welchem er nicht in Kontakt steht, ansonsten hat er keine familiären Angehörigen. Der BF verfügt aber über einen Freundes- und Bekanntenkreis im Bundesgebiet.
Seine Familie, bestehend aus Mutter, Vater und Halbbruder, sowie seine Verwandten leben in Slowenien. Der BF hat guten Kontakt zu seiner Familie. Weiters hat der BF auch wenige Freunde in Slowenien, zu denen er aber wenig in Kontakt steht. Der BF spricht sehr gut Deutsch.
Der BF weist private, berufliche als auch soziale Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet auf. Über das übliche Maß hinausgehende berücksichtigungswürdige Anknüpfungspunkte des BF im Bundesgebiet konnten nicht festgestellt werden.
Der Strafregisterauszug weist folgende Verurteilung auf:
01) LG XXXX vom 27.05.2020 RK 08.07.2020
§§ 99 (1), 99 (2) 2. Fall StGB
§ 15 StGB § 84 (1) StGB
§ 105 (1) StGB
Datum der (letzten) Tat 07.11.2019
Freiheitsstrafe 32 Monate
zu LG XXXX RK 08.07.2020
Aus der Freiheitsstrafe entlassen am 18.08.2021, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Anordnung der Bewährungshilfe
LG XXXX vom 02.06.2021
Dabei wurde der BF mit Urteil des Landesgerichtes XXXX als Schöffengericht zu XXXX vom 27.05.2020, rechtskräftig seit 08.07.2020, für schuldig erkannt, er habe mit XXXX , XXXX am 07.11.2019 in XXXX und XXXX im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter XXXX
1. dadurch, dass sie ihn im Fahrzeug der XXXX von XXXX nach XXXX brachten, ihn dort mit Kabelbindern an Händen und Füßen und weiters an einen Maschendrahtzaun fesselten und, indem er dort zumindest eine Stunde ausharren musste, wobei sie in der Zeit die zu I.2. und I.3. beschriebenen strafbaren Handlungen begingen, die persönliche Freiheit entzogen, wobei sie die Freiheitsentziehung auf solche Weise begingen, dass sie XXXX besondere Qualen bereitete;
2. mit Gewalt zu folgenden Handlungen genötigt:
a) zum Mitfahren im Fahrzeug der XXXX , indem der BF den Genannten an der Kleidung und am linken Fuß erfasste und XXXX ihn am rechten Fuß erfasste, als dieser aus dem Fahrzeug aussteigen wollte, und sie ihn zurück ins Fahrzeug zogen,
b) zum Aussteigen aus dem Fahrzeug der XXXX und dazu, sich zu einem nahegelegenen Maschendrahtzaun zu begeben, indem der BF und XXXX ihn am Körper erfassten und zum Maschendrahtzaun zerrten;
3. eine schwere Körperverletzung zuzufügen versucht, indem sie, während er wie in Punkt I.1. beschrieben gefesselt war, mit einem Holzstock und Fäusten auf ihn einschlugen und ihn mit einem Elektroschocker attackierten, wodurch er eine Gehirnerschütterung, eine Rissquetschwunde im Bereich des Hinterkopfs, eine Thoraxprellung, Prellungen an beiden Händen sowie eine Zerrung beider Kniegelenke erlitt.
Hierdurch hat der BF das Verbrechen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 und 2, 2. Fall StGB, das Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB und das Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs. 1 StGB begangen und wurde dafür zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren verurteilt. Mildernd wurde bei der Strafzumessung die Unbescholtenheit, dass die schwere Körperverletzung beim Versuch geblieben ist und die Verminderung der Zurechnungsfähigkeit durch Drogenmissbrauch gewertet, erschwerend das Zusammentreffen von zwei Verbrechen und die Tatbegehung mit Komplizen. Mit Urteil des Oberlandesgerichtes XXXX zu XXXX vom 08.07.2020, rechtskräftig seit 08.07.2020, wurde der Berufung des BF wegen des Ausspruches über die Strafe gegen das Urteil des Landesgerichtes XXXX als Schöffengericht Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 32 Monate herabgesetzt. Dabei wurde ausgeführt, dass unter Berücksichtigung der ergänzten Strafzumessungsgründe, insbesondere des zusätzlichen Milderungsgrundes der geständigen Verantwortung, und der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung nach § 32 StGB eine Freiheitsstrafe von drei Jahren vor allem im Vergleich mit der über den mehrfach einschlägigen vorbestraften XXXX verhängten Strafe etwas hoch erscheint und daher auf 32 Monate herabzusetzen war.
Mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom 02.06.2021 zu XXXX wurde entschieden, dass der BF aus dem Vollzug der mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 27.05.2020, rechtskräftig seit 08.07.2020, zu XXXX verhängten Freiheitsstrafe von 32 Monaten gemäß § 46 Abs 1 StGB nach Verbüßung von zwei Dritteln der über ihn verhängten Freiheitsstrafe am 18.08.2021 bedingt entlassen wird. Die Probezeit wurde mit drei Jahren bestimmt. Gemäß §§ 50 Abs 1 und 3, 52 StGB wurde für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet und dem BF die Weisung gemäß § 51 StGB erteilt, die bereits begonnene Entwöhnungstherapie bei der Suchthilfe XXXX für die Dauer von einem Jahr fortzusetzen. Die bedingte Entlassung des BF, welcher erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßte und daher auch nie in den Genuss einer bedingten Entlassung gekommen ist, erfolgte gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG nach zwei Dritteln der Freiheitsstrafe mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und wurde die bedingte Entlassung auch vom Anstaltsleiter befürwortet. Im Hinblick auf das Alter des BF und den Umstand, dass er erstmalig eine Freiheitsstrafe verbüßt hat, ist davon auszugehen, dass er trotz der Schwere der Tat durch die bedingte Entlassung der Anordnung der Bewährungshilfe sowie einer Weisung nicht weniger als durch den weiteren Vollzug von den weiteren strafbaren Handlungen abgehalten werden kann. Mit der Begleitung durch den Verein Neustart sowie dem Therapieangebot der Suchthilfe XXXX wird der BF unterstützt und gefördert, wodurch ihm die Resozialisierung erleichtert wird.
Der BF war von 09.11.2019 bis zum 18.08.2021 in der Justizanstalt XXXX aufhältig und wurde am 18.08.2021 nach Verbüßung von zwei Dritteln bedingt aus der Haft entlassen. Während des Haftaufenthaltes absolvierte der BF acht Beratungs- und Betreuungstermine der Suchthilfe XXXX und hat im Zeitraum von September 2020 bis November 2020 an zwölf Aus- bzw. Fortbildungsmaßnahmen (Deutschkurse) der Justizanstalt XXXX teilgenommen. Weiters hat der BF in den letzten Monaten seiner Haft am Bauhof in der Justizanstalt gearbeitet und war dort vor allem für die Mülltrennung, aber auch als Maurer, Verputzer oder bei Gartenarbeiten eingeteilt. Der nächste Beratungs- und Betreuungstermin bei der Suchthilfe XXXX ist am 08.10.021 vereinbart.
2. Beweiswürdigung:
Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.
2.2. Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung des bekämpften Bescheides, in die Angaben des BF in seiner schriftlichen Stellungnahme und in der Einvernahme vor der belangten Behörde, in den Beschwerdeschriftsatz und in das Strafurteil des Landesgerichtes XXXX zu XXXX und des Oberlandesgerichtes XXXX zu XXXX . Insbesondere wurde auch der Beschluss zu XXXX über die bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe berücksichtigt. Ergänzend wurden Auszüge des Zentralen Melderegisters (ZMR), des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister (IZR), des Strafregisters, des Betreuungsinformationssystems und ein Sozialversicherungsdatenauszug eingeholt.
Darüber hinaus wurde eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt, in welcher der BF insbesondere zu seinen Lebensumständen in Österreich und in Slowenien einvernommen wurde und sich der erkennende Richter so ein eigenes Bild vom BF machen konnte.
2.3. Zur Person des Beschwerdeführers:
Zumal der BF bereits im Strafverfahren von der Strafverfolgungsbehörde identifiziert wurde, steht die Identität des BF unstrittig fest. Die Feststellungen zu seiner Identität, seinem Geburtsdatum und seiner Staatsangehörigkeit basieren auf den Angaben im Strafurteil, im Bescheid und in der Beschwerde.
Aus der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister gründen die Feststellungen über den Aufenthalt und der Wohnsitznahme des BF im Bundesgebiet und stimmen diese Angaben im Wesentlichen mit den Ausführungen des BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung überein, in welcher er zu Protokoll gab, dass er 2012 erstmals in Österreich seinen Hauptwohnsitz gegründet hätte und 2014 nach XXXX , nach XXXX , gekommen sei (Protokoll vom 09.09.2021, S 4). Zudem wurde eine Bestätigung des Vereins „Die Brücke“ vom 02.06.2021 (Beilage ./F) vorgelegt, aus welcher hervorgeht, dass dem BF eine Übergangswohnung reserviert wurde. Weiters ergibt sich aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister auch die Feststellung zum Familienstand „ledig“.
Die Feststellung, dass der BF gesund ist, konnte getroffen werden, zumal der BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung ausführte, an keinen chronischen Krankheiten oder anderen Leiden oder Gebrechen zu leiden (Protokoll vom 09.09.2021, S 3). Zudem wird sein Gesundheitszustand durch die Haftfähigkeit indiziert. Daraus lässt sich auf die Arbeitsfähigkeit des BF schließen, welche weiters im erwerbsfähigen Alter des BF begründet liegt und er selbst zu Protokoll gab, gerne wieder am Bau arbeiten zu wollen (Protokoll vom 09.09.2021, S 6).
Hinsichtlich seiner Schulbildung kann auf die Angaben des BF in der niederschriftlichen Einvernahme (Protokoll vom 21.01.2021, AS 59) und in der mündlichen Beschwerdeverhandlung verwiesen werden (Protokoll vom 09.09.2021, S 3).
Die Feststellungen zu seiner Erwerbtätigkeit und Arbeitslosigkeit in Österreich basieren auf dem Sozialversicherungsdatenauszug und den Angaben des BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung, in welcher er dazu vom erkennenden Richter einvernommen wurde. Dabei schilderte der BF glaubwürdig, welche Berufe er in Österreich bisher ausgeübt hat, wobei anzumerken gilt, dass der BF vom erkennenden Richter dazu befragt nicht in der Lage war, die jeweiligen Jahreszahlen wiederzugeben und er sich dabei am vorliegenden AJ-Web Auszug halten musste. Der Bezug von Arbeitslosengeld wurde überdies durch eine Bestätigung des AMS (Beilage ./D und ./E) und die Abweisung des Antrags auf Gewährung von Mindestsicherung durch den Bescheid vom 23.08.2021 (Beilage./H) belegt.
Glaubhaft erachtet der erkennende Richter, dass der BF gewillt ist in Österreich wieder einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, weil der BF dem erkennenden Richter bereits im Rahmen der Beschwerdeverhandlung Einsicht in den Whatsapp Verlauf seines Handys gab und sich daraus ergab, dass der BF am 13.09.2021 bei der XXXX zum Arbeiten anfangen könnte. Weiters erklärte der BF, dass er auch bei der Firma XXXX um einen Job nachgefragt hätte, diese aber keinen Platz für ihn hätte. Dass der BF nun seit 10.09.2021 bei der XXXX als Arbeiter angemeldet ist, ist im aktuellen Sozialversicherungsdatenauszug ersichtlich.
Die Feststellung zu seinen familiären Anknüpfungspunkten in Slowenien konnte aufgrund der übereinstimmenden Ausführungen des BF vor der belangten Behörde (Protokoll vom 21.01.2021, AS 57) und vor dem erkennenden Richter getroffen werden und gab er dort an, dass er in aufrechtem Kontakt zu ihnen stehe (Protokoll vom 09.09.2021, S 7). Übereinstimmend gab er zu in Österreich lebenden familiären Angehörigen an, dass nur die Cousine des Vaters in Österreich leben würde, er aber zu dieser keinen Kontakt habe (Protokoll vom 21.01.2021, AS 57; Protokoll vom 09.09.2021, S 7).
Dass der BF im Bundesgebiet über Freunde und Bekannte verfügt, war festzustellen, weil er dem erkennenden Richter Freunde namhaft machen konnte und ergibt sich dies aufgrund seines langjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet. Daran vermag auch der Umstand, dass er von seinen Freunden während der Haft nicht besucht wurde, nichts ändern. Diesbezüglich erschien dem erkennenden Richter die Erklärung des BF plausibel, dass viele eine Hemmschwelle hätten und er auch glaube, aufgrund der Corona-Pandemie nicht besucht worden zu sein (Protokoll vom 09.09.2021, S 7).
Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung konnte sich der erkennende Richter ein eigenes Bild von den Deutschkenntnissen des BF machen. Zumal die Verhandlung ohne Dolmetscher geführt werden konnte und der BF in der Lage war die auf Deutsch gestellten Fragen zu verstehen und in verständlicher deutscher Sprache zu beantworten, war die Feststellung seiner sehr guten Deutschkenntnisse zu treffen.
Aufgrund des mehr als fünfjährigen Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet und des Umstandes, dass er schon zuvor in Österreich aufhältig und erwerbstätig war, liegt eine Integration in beruflicher, sozialer als auch privater Hinsicht vor. Dennoch ist die soziale Integration wegen der strafgerichtlichen Verurteilung maßgeblich zu relativieren. Die diesbezüglichen Details seiner Verurteilung samt Milderungs- und Erschwernisgründe waren dem Urteil des Landesgerichtes XXXX zu XXXX und des Oberlandesgerichtes XXXX zu XXXX zu entnehmen. Die Begründungen und Details zu seiner bedingten Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der über ihn verhängten Freiheitsstrafe waren dem Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom 02.06.2021 zu XXXX zu entnehmen. Daraus ergab sich auch, dass der BF während seiner Haft an zwölf Aus- und Fortbildungsmaßnahmen teilnahm. Aus der Beilage ./B und ./C geht hervor, dass der BF während seines Aufenthaltes in der Justizanstalt XXXX Termine der Suchtberatung wahrgenommen hat und der nächste Termin für den 08.10.2021 vereinbart ist. Dass der BF in der Justizanstalt im Bauhof gearbeitet hatte, war seinen glaubwürdigen Angaben zu entnehmen und wird dies durch eine Bestätigung gemäß § 66a AlVG belegt (Beilage ./A).
Auch wurde amtswegig mit 2021 ein Strafregisterauszug zur Person des BF eingeholt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt A):
3.1. Zur Verhängung eines Aufenthaltsverbots (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
3.1.1 Rechtslage:
Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG idgF lautet:
§ 67 (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.
(3) […]
(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.
(Anm.: Abs 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)
Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG idgF lautet wie folgt:
§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(Anm.: Abs 4 aufgehoben durch Art 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)
Der mit "Bescheinigung des Daueraufenthalts von EWR-Bürgern" betitelte § 53a NAG lautet wie folgt:
§ 53a (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.
(2) Die Kontinuität des Aufenthalts im Bundesgebiet wird nicht unterbrochen von
1. Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr;
2. Abwesenheiten zur Erfüllung militärischer Pflichten oder
3. durch eine einmalige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Entbindung, schwerer Krankheit, eines Studiums, einer Berufsausbildung oder einer beruflichen Entsendung.
[…]
Der mit "Ausweisung" betitelte § 66 FPG lautet wie folgt:
§ 66 (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.
3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:
Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Abs. 4 Z 8 leg. cit. als EWR-Bürger jener Fremde, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWRAbkommen) ist. Der BF als slowenischer Staatsbürger ist sohin EWR-Bürger iSd § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.
Zwar ist der BF nunmehr seit 13.01.2015 durchgehend mit Hauptwohnsitz in Österreich melderechtlich erfasst, da selbiger jedoch vom 09.11.2019 bis zum 18.08.2021 seine im Zuge seiner Verurteilung verhängte zweiundzwanzig monatige Haftstrafe verbüßt hat, wurde die Kontinuität seines Aufenthaltes durch den Zeitraum der Verbüßung der Freiheitsstrafe jedenfalls unterbrochen (vgl VwGH 24.03.2015, Ro 2014/21/0079) und hat der BF kein Daueraufenthaltsrecht nach § 53a NAG erworben. Aus diesem Grund ist weder § 53a NAG noch in der Folge der Prüfungsmaßstab des § 66 Abs 1 letzter Satzteil FPG (vgl. VwGH 2014, 2013/21/0135; VwGH 2013, 2012/18/0228, VwGH 13.12.2012, 2012/21/0181), nämlich, dass sein Aufenthalt eine „schwerwiegende“ Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen muss, zur Anwendung zu bringen.
Entsprechend § 67 Abs 1 FPG ist damit die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist, wobei das persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Nach der Rechtsprechung ist bei der Erstellung von Gefährdungsprognosen das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und in Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dessen Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne Weiteres die erforderliche Gefährdungsprognose begründen können (VwGH 27.04.2020, Ra 2019/21/0367 mit Hinweis auf VwGH 12.11.2019, Ra 2019/21/0305). Dabei hat das VwG von Amts wegen – wenn auch unter Mitwirkung des Fremden – den maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln und festzustellen (VwGH 26.11.2020, Ra 2020/21/0104 mit Hinweis auf VwGH 19.1.2017, Ra 2016/08/0173; VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063, VwSlg. 18886 A).
Der BF weist eine strafgerichtliche Verurteilung in Österreich auf und wurde der BF dabei seitens des Landesgerichtes XXXX zu XXXX vom 27.05.2020, rechtskräftig seit 08.07.2020, wegen dem Verbrechen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB, dem Verbrechen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB und dem Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Freiheitsstrafe wurde in weiterer Folge durch das Urteil des Oberlandesgerichtes XXXX auf 32 Monate herabgesetzt.
Im Hinblick auf diese Verurteilung gilt besonders hervorzuheben, dass der BF zusammen mit seinen Mittätern den XXXX mit Kabelbindern an Händen und Füßen und weiters an einen Maschendrahtzaun fesselten und ihn dort zumindest eine Stunde ausharren ließen. Weiters nötigten sie den Genannten sowohl zum Mitfahren im Fahrzeug, indem der BF ihn an der Kleidung und am linken Fuß erfasste und einer seiner Mittäter ihn am rechten Fuß erfasste, als er aus dem Fahrzeug aussteigen wollte und sie ihn wieder zurück ins Fahrzeug zogen, als auch zum Aussteigen aus dem Fahrzeug und dazu sich zu seinem Maschendrahtzaun zu begeben. Darüber hinaus haben sie mit einem Holzstock und Fäusten auf ihn eingeschlagen und mit einem Elektroschocker attackiert, wodurch er eine Gehirnerschütterung, eine Rissquetschwunde im Bereich des Hinterkopfs, eine Thoraxprellung, Prellungen an beiden Händen sowie eine Zerrung beider Kniegelenke erlitt.
Auf der einen Seite ist zu berücksichtigen, dass der BF seine Tat unter Einfluss von Drogen begangen hat und bereits während seiner Haft aus eigener Initiative acht Beratungs- und Betreuungstermine der Suchthilfe XXXX absolviert hat und bereits ein weiterer Termin vereinbart ist. Auch gibt der BF in der Beschwerdeverhandlung zu Protokoll, dass er im Gefängnis auf Methadon umgestellt worden sei, er dies eigentlich nicht gewollt habe, er aber dann in Absprache mit seiner Ärztin jeden Monat 10mg reduziert habe und er Ende Februar 2021 auf Null gegangen sei.
Auf der anderen Seite darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass der BF bereits in jungen Jahren in Slowenien suchtmittelabhängig gewesen ist, sich dann Hilfe gesucht hat und schließlich in Kroatien ein Entzugsprogramm durchgeführt hat, er jedoch nach dem Tod seines Bruders wieder rückfällig geworden ist.
Dahingehend ist der belangten Behörde zuzustimmen, dass der BF durch sein Verhalten kein Interesse gezeigt hat, die österreichischen Gesetze zu respektieren und ein Grundinteresse der Gesellschaft beeinträchtigt hat. Diesbezüglich hält die Judikaturlinie des Verwaltungsgerichtshofes fest, dass ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen, insbesondere der Gewalt- und Eigentumskriminalität besteht (VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0474 mit Hinweis auf VwGH 22.05.2013, 2013/18/0041) und fallen Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit besonders ins Gewicht (vgl. VwGH 06.07.2020, Ra 2019/01/0426).
Im gegenständlichen Fall handelt es sich jedoch um die erste und einzige strafgerichtliche Verurteilung des BF im Bundesgebiet, der BF musste erstmals Haftübel verspüren musste und zeigte er sich geständig. Vor dem Hintergrund, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes überdies strafgerichtliche Milderungs- und Erschwerungsgründe im Rahmen einer Entscheidung bezüglich der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zu berücksichtigen sind (vgl. VwGH 12.11.2019, Ra 2019/21/0305), ist auch ins Kalkül zu ziehen, dass das Strafgericht in der rechtskräftigen Verurteilung des BF das Zusammentreffen von zwei Verbrechen und die Tatbegehung mit Komplizen erschwerend gewertet hatte und demgegenüber mildernd die Unbescholtenheit, dass die schwere Körperverletzung beim Versuch geblieben ist, die Verminderung der Zurechnungsfähigkeit durch Drogenmissbrauch sowie die geständige Verantwortung. In diesem Zusammenhang gilt auch hervorzuheben, dass das Landesgericht XXXX die bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe beschlossen hat und davon ausging, dass im Hinblick auf das Alter des BF und den Umstand, dass er erstmalig eine Freiheitsstrafe verbüßt, er trotz der Schwere der Tat durch die bedingte Entlassung der Anordnung der Bewährungshilfe sowie einer Weisung nicht weniger als durch den weiteren Vollzug von den weiteren strafbaren Handlungen abgehalten werden kann.
Ohnedies bleibt festzuhalten, dass ein Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat. Dieser Zeitraum ist nach den Grundsätzen der Judikatur umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden - etwa in Hinblick auf das der strafgerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegende Verhalten oder einen raschen Rückfall - manifestiert hat (vgl. VwGH 07.09.2020, Ra 2020/20/0184). Das gilt auch im Fall einer (erfolgreich) absolvierten Therapie (vgl. E 22. September 2011, 2009/18/0147; B 22. Mai 2014, Ro 2014/21/0007; B 15. September 2016, Ra 2016/21/0262).
Da der BF erst am 18.08.2021 bedingt aus der Haft entlassen wurde, ist gegenständlich noch keine längere Phase des Wohlverhaltens gegeben, welche nahelegen würde, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet fortan keine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit mehr darstellen würde.
Aufgrund der kurzen Zeit in Freiheit kann der belangten Behörde in ihrer Einschätzung, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet tatsächlich, gegenwärtig und erheblich gefährdet würde, nicht entgegengetreten werden. Der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG ist daher erfüllt.
Bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes kann jedoch ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens eines Fremden iSd Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob im vorliegenden Fall ein Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des BF gegeben ist.
Zugunsten des BF ist diesbezüglich zu berücksichtigen, dass er sehr gut Deutsch spricht und sich seit mehr als fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält. Hinsichtlich seiner beruflichen Integration bleibt neuerlich festzuhalten, dass er bereits im Jahr 2006, 2009, 2010 und 2012 jeweils ein paar Monate einer Beschäftigung in Österreich nachging und sich nach Haftentlassung sofort wieder um eine Arbeit bemüht hat und seit 10.09.2021 bei der XXXX arbeitet.
Der langjährige Aufenthalt im Inland und die soeben dargelegten Integrationsmomente werden allerdings durch die strafrechtliche Verurteilung des BF erheblich relativiert (vgl. VwGH 06.10.2020, Ra 2019/19/0332).
Neben den privaten Interessen ist bei der Einschätzung des persönlichen Interesses auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 05.10.2020, Ra 2020/19/0330 mit Hinweis auf VwGH 15.12.2015, Ra 2015/19/0247, mwN). Der Begriff des Familienlebens in Art 8 EMRK umfasst jedenfalls die Beziehung von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten und schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (vgl. EGMR 13. 6. 1979, Marckx, EuGRZ 1979). Familiäre Beziehungen unter Erwachsenen fallen dann unter den Schutz des Art 8 Abs. 1 MRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. VwGH 02.08.2016, Ra 2016/20/0152 mit Verweis auf VwGH 21.04.2011, 2011/01/0093).
Der BF verfügt über kein schützenswertes Familienleben in Österreich und wurde ein solches von ihm auch nicht behauptet. Zweifelsohne verfügt der BF schon seines langen Aufenthaltes im Inland geschuldet über einen Freundes- und Bekanntenkreis, wobei der Kontakt zu diesen bereits aufgrund des Haftaufenthaltes des BF unterbrochen war. Über das übliche Maß hinausgehende berücksichtigungswürdige Anknüpfungspunkte des BF im Bundesgebiet konnten nicht festgestellt werden.
Die privaten Interessen des BF am Verbleib im Bundesgebiet vermögen damit die öffentlichen Interessen an der Verhinderung von Gewalt- und Eigentumskriminalität bzw. auch an der Verhinderung von strafbaren Handlungen gegen die körperliche Unversehrtheit nicht überwiegen und ist angesichts des Fehlverhaltens des BF jedenfalls davon auszugehen, dass das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 9 BFA-VG zulässig ist, ist es doch zur Erreichung der in Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Der belangten Behörde ist damit im Ergebnis zuzustimmen, dass das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt.
Auch ist jedenfalls davon auszugehen, dass der BF bei einer Rückkehr nach Slowenien nicht auf unüberwindliche Probleme stoßen wird und es ihm gelingen wird, sich in die dortige Gesellschaft zu integrieren, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen und damit seinen Lebensunterhalt zu sichern, zumal er dort bereits erwerbstätig war und Berufserfahrung sammeln konnte. Außerdem spricht er muttersprachlich Slowenisch und lebt seine Familie, zu welcher er Kontakt pflegt, nach wie vor in Slowenien, weshalb er auf ein soziales Netzwerk und auf ihre Unterstützung zurückgreifen können wird.
Was die gewählte Dauer des Aufenthaltsverbotes betrifft, bewegt sich diese innerhalb des dem der belangten Behörde zur Verfügung stehenden Rahmens, welcher nach § 67 Abs. 2 FPG ein Aufenthaltsverbot für die Dauer bis zu höchstens 10 Jahren als zulässig erachtet. Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 67 Abs. 4 FPG auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auch auf die privaten und familiären Verhältnisse (vgl. VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0075).
Aus diesem Grund erweist sich, ohne sein kriminelles Verhalten verharmlosen zu wollen, die ausgesprochene Dauer des Aufenthaltsverbotes von fünf Jahren als unverhältnismäßig lange.
Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist insbesondere darauf Bedacht zu nehmen, dass der BF - anders als zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides - inzwischen aus der Haft entlassen wurde und auch wieder beschäftigt ist. Auch hat er weitere Beratungsgespräche wahrgenommen und ist in einer Übergangswohnung des Vereines „Die Brücke“ wohnhaft. Diese Aspekte tragen zur Stabilisierung der finanziellen und persönlichen Situation des BF bei, der in der Verhandlung den Eindruck erweckte, sich der Folgen eines Verstoßes gegen das Strafgesetzbuch in offener Probezeit vollkommen bewusst zu sein. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht den Umstand, dass der BF erst im August aus der Haft bedingt entlassen wurde und kein geraumer Zeitraum des Wohlverhaltens vorliegt. Jedoch hat der BF in der Beschwerdeverhandlung beim erkennenden Richter den Eindruck erweckt, dass die einmalige Verbüßung einer Freiheitsstrafe zu einem Bewusstseinswandel beim BF geführt hat und erachtet der erkennende Richter gegenständlich ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von einem Jahr als ausreichend, um der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit wirksam zu begegnen und ihn zu einem Umdenken hin zu einem rechtskonformen Verhalten zu veranlassen. Von einer gänzlichen Aufhebung des Aufenthaltsverbotes musste aufgrund der oben angegebenen Gründe abgesehen werden, vor allem, weil noch keine längere Phase des Wohlverhaltens nach seiner Haftentlassung vorliegt, welche nahelegen würde, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet fortan keine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit mehr darstellen würde.
3.2. Zur Erteilung eines Durchsetzungsaufschubes (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
Die belangte Behörde erteilte dem BF keinen Durchsetzungsaufschub und erkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab.
Mit Teilerkenntnis vom 12.08.2021 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Angesichts der Tatsache, dass der BF bereits am 18.08.2021 aus seiner Haft nach Verbüßung von zwei Dritteln seiner Freiheitsstrafe bedingt entlassen wurde, in einer Übergangswohnung wohnhaft ist und zwischenzeitig auch schon wieder eine Erwerbstätigkeit aufgenommen hat, ergeben sich im Entscheidungszeitpunkt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der weitere Aufenthalt des BF bis zum Ablauf der gesetzlich vorgesehenen Frist des Durchsetzungsaufschubes von einem Monat die öffentliche Ordnung und Sicherung gefährden würde und die sofortige Durchsetzbarkeit der Entscheidung im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich wäre.
Daher war der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und ein Durchsetzungsaufschub in der Dauer von einem Monat zu erteilen.
Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Angemessenheit Aufenthalt im Bundesgebiet Aufenthaltsverbot Durchsetzungsaufschub EU-Bürger EWR-Bürger Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Gewalttätigkeit Haft Haftstrafe Interessenabwägung Körperverletzung mündliche Verhandlung Nötigung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen schwere Straftat Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Unionsbürger Verbrechen Verhältnismäßigkeit WiederholungsgefahrEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:I421.2244536.1.01Im RIS seit
03.12.2021Zuletzt aktualisiert am
03.12.2021