TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/13 W169 2173022-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.10.2021
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Entscheidungsdatum

13.10.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W169 2173022-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.09.2021, Zl. 831923709-210396443, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 68 AVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Erstes Asylverfahren:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte nach illegaler und schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 29.12.2013 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund an, dass er Sympathisant der Jamaat-e-Islami Partei sei. Im Jahr 2012 sei er immer wieder von Mitgliedern der Awami League wegen Schutzgelder erpresst worden. Diese Leute hätten dem Beschwerdeführer gesagt, dass er getötet werde, wenn er diese Schutzgelder nicht zahlen würde. Die Erpressungen seien nur wegen seiner Zugehörigkeit zur islamischen Partei getätigt worden. Am 04.02.2013 habe es eine große Protestkundgebung seiner Partei gegeben. An diesem Tag habe der Beschwerdeführer in sein Haus gehen wollen. In der Nähe seines Hauses sei ihm von Mitgliedern der Awami League gesagt worden, dass es besser wäre, wenn er zu dieser Kundgebung nicht gehen würde. Der Beschwerdeführer sei aber trotzdem hingegangen und habe sich nicht einschüchtern lassen. Als er am Abend nach Hause gekommen sei, sei er von Mitgliedern der Awami League angegriffen, geschlagen und schwer verletzt worden. Er habe eine große Schnittwunde am rechten Bein erlitten. Er sei zu einem Privatarzt, der ihn behandelt habe, und dann zu seinem Bruder gegangen, wo er 14 Tage lang im Bett gelegen sei. Während dieser Zeit seien Mitglieder der Awami League einige Male in sein Haus gekommen und hätten nach dem Beschwerdeführer gesucht. Sie hätten erklärt, wenn sie ihn finden würden, würden sie ihn töten. Der Beschwerdeführer habe der islamischen Partei mehrmals Geld für ihre Arbeit gegeben; er habe sich dies aufgrund seines guten Einkommens leisten können. Das hätten Mitglieder der Awami League erfahren. Insgesamt sei der Beschwerdeführer dreimal von der Awami League angezeigt worden. Er könne die erforderlichen Unterlagen bei Freunden anfordern. Bei einer Rückkehr in seine Heimat fürchte der Beschwerdeführer aufgrund seiner Zugehörigkeit zur islamischen Partei den Tod durch die Awami League. Es würden täglich Leute wegen der Zugehörigkeit zur islamischen Partei getötet werden.

1.2. Anlässlich seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 20.03.2014 wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen diese bereits getätigten Fluchtgründe.

1.3. In einer ergänzenden Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 10.08.2017 wurde dem Beschwerdeführer unter anderem die Möglichkeit eingeräumt, zu Erhebungsergebnissen vor Ort Stellung zu nehmen.

1.4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.09.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch nicht zuerkannt. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei. Schließlich wurde gemäß § 55 Abs.1 bis 3 FPG die Frist zur freiwilligen Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund kein Glaube geschenkt werde.

1.5. Die dagegen fristgerecht eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.09.2020, Zl. L512 2173022-1/14E, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.08.2020, als unbegründet abgewiesen.

Zum Fluchtgrund stellte das Bundesverwaltungsgericht Folgendes fest:

„Das Vorbringen des BF – sein Leben sei aufgrund von Verfolgungshandlung seitens Awami League Mitgliedern in Gefahr – wird aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens für unglaubwürdig erachtet. … Der BF konnte ein individuelles Verfolgungsschicksal nicht substantiiert und glaubhaft geltend machen. Der BF brachte vor dem BFA vor, er habe aufgrund von Problemen mit Mitgliedern der Awami League seine Heimat verlassen. Dieser Sachvortrag muss – wie die belangte Behörde darlegte – aufgrund von Unschlüssigkeiten, Widersprüchlichkeiten und der Zweifelhaftigkeit der Angaben des BF als unglaubwürdig bewertet werden.“

2. Gegenständliches Verfahrens:

2.1. Am 23.03.2021 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz.

Am selben Tag fand die Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Dabei gab der Beschwerdeführer an, dass er Österreich seit der negativen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht verlassen habe. Auf die Frage, warum er einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz stelle, gab der Beschwerdeführer an, dass er nach seiner negativen Entscheidung zurückkehren habe wollen, aber die bengalische Botschaft habe gesagt, für die Ausstellung eines Dokumentes brauche sie ein polizeiliches Leumundzeugnis. Seine Frau sei daraufhin in Bangladesch zur Polizei gegangen, welche ihr gesagt habe, sie würde sie kontaktieren. Am 20.03.2021 seien sieben Polizeibeamte und weitere zwei in Zivil zur Adresse seiner Frau gekommen und hätten eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Außerdem seien Fotos von ihm und andere Gegenstände sichergestellt worden. Als seine Frau gefragt habe, warum sie das machen würden, sei ihr mitgeteilt worden, dass gegen ihn eine Anzeige wegen Staatsverleugnung und eine Anzeige nach dem Digitalen Sicherheitsgesetz vorliege. Ihr Zeuge wäre „ XXXX “ vom Supreme Court. Am 21.03.2021 habe seine Frau erfahren, dass seine Grundstücke und sein Vermögen von der Behörde weggenommen worden seien. Im Falle einer Rückkehr befürchte er „die Todesstrafe“. Diese neuen Fluchtgründe seien ihm seit 20.03.2021 bekannt.

2.2. Am 07.06.2021 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich befragt. Dabei führte er aus, dass seine Muttersprache Bengali sei und er zudem etwas Hindi und Urdu spreche. Er könne heute Beweismittel vorlegen, die er sich aus seinem Heimatland habe schicken lassen. Er habe diese vor zwei Wochen erhalten. Dabei handle es sich um Grundstücksverträge und Vermögensbestätigungen in Kopie. Diese seien vom Staat wegen Staatsverleugnung sichergestellt worden. Die Originale seien im Heimatland und „werden ja nicht ausgefolgt“. Diese Unterlagen hätten ihm seine Frau und seine Familie per Mail geschickt.

Weiters führte der Beschwerdeführer Folgendes aus (VP nunmehriger Beschwerdeführer; LA: Leiter der Amtshandlung):

„(…)

LA.      Haben Sie Österreich seit Ihrer letzten negativen Entscheidung verlassen?

VP:      Nein, im September 2020 erhielt ich die negative Entscheidung und entschied dann ins Heimatland zurückzukehren. Ich habe Kontakt zu bengalischen Botschaft aufgenommen und die sagten mir, falls gegen jemanden ein Strafverfahren anhängig ist, kein Reisepass ausgestellt werden kann, denn ich müsste ja auch ein polizeiliches Leumundszeugnis vorlegen. Meine Ehefrau hat dann versucht von der Polizeistation Monohordi ein polizeiliches Leumundszeugnis einzuholen. Nachdem sie dort war wurde sie weggeschickt und sie meinten, dass sie mit ihr Kontakt aufnehmen würden. Einige Tage später sind am 20.03.2021 in meiner Unterkunft 7 uniformierte Polizeibeamte und 2 in Zivilgekleidete Polizeibeamte gekommen und haben eine Hausdurchsuchung gemacht. Die Polizeibeamten haben meiner Frau gesagt, dass gegen mich ein Strafverfahren wegen Staatsverleugnung anhängig ist und auch ein Strafverfahren nach dem Digitalen Sicherheitsgesetzt anhängig ist. Meine Frau hat mir das dann erzählt. Als meine Frau nach einem Nachweis verlangt haben sie gesagt, dass sie Informationen von „ XXXX “ von SupremeCourt erhielten. 21.03.2021 an einem Sonntag erfuhr meine Frau von Grundstücksregisteramt, dass mein Vermögen und meine Grundstücke vom Staat sichergestellt wurden. Derzeit können von meinen ganzen Landwirtschaftlichen Grundstücken keine Erträge mehr erzielt werden, da der Staat alles sichergestellt hat. Nachgefragt gebe ich an, dass alle Grundstücke sichergestellt wurden.

LA.      Wann sind Sie aus Ihrem Heimatland ausgereist?

VP:      03.03.2013.

LA:      Nennen Sie der Behörde Ihre Aufenthalte in Ihrem Heimatland.

VP:      Nach dem ich von AL Anhänger geschlagen wurde hielt ich mich eine Zeitlang in XXXX auf und dann bin ich mit Hilfe eines Freundes weitergekommen. Davor habe ich in XXXX , in XXXX . In XXXX war ich eine Zeitlang ca. 3 Monate aufhältig und mein Freund Sultan hat einen Schlepper namens Krishna organisiert über diesen ich ausgereist bin. Ich bin in XXXX lediglich 7 Tage in einem Krankenhaus aufhältig da ich ja geschlagen wurde. Ich habe in der Heimat, XXXX gelebt und seit 2007 einen Handel gehabt. Gelebt habe ich in XXXX , ich habe dort gelebt von Anfang an bis 03.03.2013. Am 05.02.2013 kam ich ins Spital für zwei Wochen, in XXXX , danach gab es wieder die Gefahr, dass ich geschlagen werde, nach dem Spitalsaufenthalt kam ich nach Hause und da man mich wieder angreifen wollte, bin ich zu meinem Freund Sultan gegangen. Sultan wollte mein Leben retten und gesagt, dass ich zu ihm gehen soll und er wird sich um eine Lösung bemühen. Sultan hat dann um eine Schlepper Organisationen getroffen, damit ich nach Indien ausreisen konnte.

LA.      Mit wem haben Sie in XXXX gelebt?

VP.      Mit meiner Frau und Kinder.

LA.      Was war das für eine Unterkunft?

VP.      Es war ein Ziegelhaus und es ist meins. Wir sind drei Brüder und haben drei separate Häuser. Meine Ehefrau und meine Kinder leben noch immer an derselben Adresse. Meine Frau und meine Kinder wurden oft von der Polizei belästigt und verlangen Geld und haben schon gedroht meinen Sohn verschwinden zu lassen. Das machen sie, weil ich ursprünglich zum Treffen in XXXX ging und weil ich für das Treffen auch Geld spendete und AL Anhänger wie XXXX und XXXX kommen nach Hause und verlangen Schutzgeld und drohten mit dem verschwinden lassen meines Sohnes.

LA.      Welche Familienmitglieder bzw. Verwandte leben im Heimatland?

VP:       Meine Eltern sind verstorben. Meine Brüder leben noch im Heimatland, neben meiner Frau, die Häuser von uns drei sind nebeneinander.

LA.      Wann war der letzte Kontakt zu einer Ihrer Familienmitglieder?

VP:       Kontakt habe ich schon aber sehr selten, alle 15 bis 20 Tagen, wenn es notwendig ist. Der letzte Kontakt weiß ich nicht, wir haben immer wieder Kontakt. Der letzte Kontakt war zu meiner Frau. Mit dem Bruder habe ich wenig Kontakt, nur wenn es notwendig ist. Ich habe telefonisch Kontakt. Ich habe die Beweismittel per Whatsapp erhalten.

LA:      Hat sich in letzter Zeit (rk. des Verfahrens) was geändert bezüglich Familie, Verwandtschaftsverhältnisse in Österreich?

VP:      Meine Frau hat sich aufgrund der gesamt Umstände und falls ich zurück komme ins Gefängnis müsste, keine Hoffnung in mir hat, wird sie mich verlassen und mich auch wegen Mitgift anzeigen. Mein Sohn wäre alleine. Sie hat mich noch nicht angezeigt, sie droht mir damit, da sie mir vorwirft, dass wegen mir der Staat die Grundstücke und das Vermögen weggenommen hat und selbst wenn ich zurückkehre ins Gefängnis müsste, wegen mir würde auch der Sohn in Gefahr sein, weswegen ihr außer dem nichts übrigbleibt.

LA.      Wie finanziert Ihre Frau ihren Lebensunterhalt?

VP.      Mein Schwiegervater finanziert sie zum Teil und teilweise schicke ich ihr etwas. Es ist ein sehr schwieriges Leben für sie. Nachgefragt gebe ich an, dass meine Brüder ihre eigenen Grundstücke haben, die sie bewirtschaften.

La.      Von wem haben Sie Ihre Grundstücke erhalten?

VP.      Ich habe teilweise durch mein eigenes Geld Grundstücke erlangt und teilweise Vermögen von meinem Vater vererbt. Ich war in einer recht guten Position.

LA.      Wie viele Grundstücke gab es allgemein von Ihrem Vater zum Erben?

VP.      Insgesamt 20 bis 21 Kani (Bigha). Die Brüder haben jeweils etwa 7 Bigha erhalten. Ich habe auch 7 Bigha erhalten. Das sind alles getrennte Grundstücke. Ich selbst habe ca. 15 Grundstücke.

LA.      Wie viele Grundstücke sind vom Staat beschlagnahmt worden?

VP.      Alle meine Grundstücke und meine Vermögen wurden sichergestellt. Die von meinen Brüdern aber nicht.

LA.      Warum ist Ihr Haus nicht sichergestellt worden?

VP.      Wenn sie das sicherstellen, kann meine Frau und mein Sohn nirgends leben deshalb.

LA:     Sind Ihre Flucht- bzw. Ausreisegründe aus dem Vorverfahren in Österreich weiterhin aufrecht?

VP:      Ja. Weil die Leute nach wie vorkommen und Schutzgeld verlangen. Ansonsten ist das Kind, am Schulweg in Gefahr.

LA:     Sie haben bereits eine Verfahrensanordnung gem. § 29 Abs. 3 Z 4 und 6 AsylG erhalten, womit Ihnen mitgeteilt wurde, dass beabsichtigt ist, Ihren Antrag auf internationalen Schutz gem. § 68 AVG zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben. Dieser Umstand wurde Ihnen bereits in der letzten Einvernahme vor dem Bundesamt am mitgeteilt, Sie haben nunmehr nochmals Gelegenheit zur geplanten Vorgangsweise des Bundesamtes Stellung zu nehmen. Was spricht gegen die aufenthaltsbeendende Maßnahme, über die bereits rechtkräftig abgesprochen worden ist?

LA:     Bezüglich Ihrer Fluchtgründe, hat sich was geändert? Hat sich seit Rechtskraft Ihres Erstverfahrens hinsichtlich Ihrer Flucht- bzw. Ausreisegründe etwas Neues ergeben?

VP:     Gegen mich wird eine Anzeige gegen die Hefazot- Islam angehängt und ich unter den unbekannten Täter angeführt. Das habe ich erst vor kurzem erfahren.

LA.      Können Sie eine Anklageschrift vorlegen?

VP.      Nein.

LA.      Können Sie die Anzeige betreffen der Staatsverleugnung vorlegen?

VP.      Nein.

LA.      Seit wann wissen Sie, dass Sie bei der Anzeige hinzugefügt werden?

VP.      Vor ein paar Tagen habe ich dies erfahren. Ich weiß nicht ob mein Name bereits hinzugefügt wurde. Dies hat mir mein Bruder erzählt, er hat mir dies per Telefon erzählt, vor etwa 10 bis 15 Tagen.

LA.      Was wird Ihnen betreffend der Anzeige Hefazot- Islam vorgeworfen?

VP.      Das kann ich nicht sagen, weil ich die Unterlagen nicht habe. Nachgefragt gebe ich an, dass ein Anwalt hat meinen Bruder gesagt, dass mein Name höchstwahrscheinlich hinzugefügt wird. Ich weiß nicht warum ich hinzugefügt werde.

LA.      Warum besteht nun eine Anzeige wegen Staatsverleugnung gegen Sie?

VP.      Ich denke, weil ich auf Facebook gegen die Regierung Einträge mache und für die Oppositionspartei schreibe. Deswegen glaube ich das. Nachgefragt gebe ich an, dass ich immer wieder auf Facebook Einträge mache. Ich mache das seit ca. einem Jahr, seit langem.

LA.      Haben Sie für die beiden Anzeigen gegen Sie Beweismittel, dass sie überhaupt angezeigt wurden?

VP.      Nein.

LA.      Sie haben vorhin angeführt aufgrund des Erhalts eines Reisepasses und der geplanten Ausreise ins Heimatland bei der bengalischen Botschaft Kontakt aufgenommen zu haben. Wie haben Sie Kontant zur Botschaft aufgenommen?

VP:      Ich war in Österreich bei der Botschaft von Bangladesch. Das war im September 2020. Ich habe diesbezüglich keine Bestätigung. Ich habe einen Mitarbeiter der Botschaft dort gesagt, dass ich einen Reisepass benötige und der hat mir gesagt, dass jeder der einen Reisepass möchte ein polizeiliches Leugnungszeugnis vorlegen muss. Nachgefragt gebe ich an, dass meine Frau anschließen bei der Polizeistation war um ein Leumundszeugnis zu erhalten aber dafür gibt es keinen Beleg.

LA.      Wer hat gegen Sie Anzeige erstattet?

VP:      Der Staat wegen Staatsverleugnung und bei der anderen Anzeige weiß ich es nicht, diese Informationen habe ich nicht erhalten. Der Anwalt hat nur zu meinem Bruder gesagt, dass das passieren wird. Der Anwalt ist aus der Ortschaft und hat meinem Bruder kontaktiert, aber mehr weiß ich nicht und ich weiß auch nicht warum ich überhaupt dort eingetragen werde. So viel wurde mir nicht erzählt.

LA.      Um wem handelt es sich bei Herrn „ XXXX “?

VP:      Meine Frau hat mich nichts darüber erzählen können, weil ihr nichts gesagt wurden. Ich kenne „ XXXX “ nicht.

LA:      Kennen Sie den Stand der Verfahren?

VP:      Nein.

LA.      Wann wurden die Grundstücke vom Staat sichergestellt?

VP.      Am 21.03.2021 erfuhr meine Familie, dass die Grundstücke sichergestellt wurden. Wir erhielten keine Dokumente der Sicherstellung. Vom Sub-Registra (Grundstücksregisteramt) hat ihr ein Beamter meiner Frau gesagt, der auch die Verträge schreibt. Ich habe diesbezüglich kein Schreiben, dass mir das Grundstück weggenommen wurde. Sie haben nur gesagt, dass die Grundstücke zu den Unterlagen die ich heute mitgenommen habe sichergestellt werden.

LA.      Wer hat vor der Sicherstellung die Grundstücke bewirtschaftet?

VP.      Diese Grundstücke waren verpachtet. Nachgefragt gebe ich an, dass ich jetzt keine Pachtgebühr mehr erhalte. Früher erhielt ich ein Teil der Beträge als Gegenleistung.

LA:      Was haben Sie bei einer Rückkehr in Ihr Heimatland zu befürchten?

VP.       Ich werde umgebracht. Nachgefragt gebe ich an, dass die AL Leute die schon von Anfang an hinter mir her sind. Sie drohen mir immer wieder, falls ich jetzt noch zurückkomme man mich umbringen lassen würde.

Anmerkung: Ihnen wird die Möglichkeit die allgemeinen Länderfeststellungen zu Ihrem Heimatland ausgefolgt zu bekommen. Möchten Sie diese erhalten?

VP:     Ja.

Anmerkung: AW erhält nach der EV die LFST.,

LA.     Haben Sie alles angeführt, was Sie sagen wollten?

VP.       Ich habe alles gesagt.

LA:     Haben Sie den Dolmetscher verstanden, konnten Sie der Einvernahme folgen und sich konzentrieren?

VP:      Ja.

LA:     Konnten Sie meinen Fragen folgen?

VP:     Ja.

Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.

LA:     Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen vorzubringen?

VP:     Nein.

LA:     Wurde alles vollständig und richtig protokolliert?

VP:     Ja.

(…)“

2.3. Am 07.06.2021 wurde dem Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl das aktuelle Länderinformationsblatt zu Bangladesch ausgefolgt und ihm die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen einer Frist von sieben Tagen eine Stellungnahme abzugeben.

2.4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Folgeantrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkte I. und II.)

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren keinen neuen entscheidungsrelevanten und glaubhaften Sachverhalt vorgebracht habe, der nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens entstanden sei. Da weder in der maßgeblichen Sachlage – und zwar weder im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen sei, noch in jenem, welcher von Amts wegen aufzugreifen sei – noch im Begehren und auch nicht in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten sei, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrags nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, sei der neuerliche Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen.

Zum Herkunftsstaat stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen Folgendes fest:

„1. COVID-19

Letzte Änderung: 08.06.2021

Der Regierung wird vorgeworfen, dass die Vorbereitung auf die Viruserkrankung im Inland inadäquat gewesen sind. COVID-19-Testungen waren zunächst nur in der Hauptstadt Dhaka möglich gewesen. Anfang April 2020 nahmen Diagnostikeinrichtungen am Rajshahi Medical College und am Cox's Bazar Medical College ihre Tätigkeiten auf und testen seitdem Bewohner ihrer jeweiligen Regionen auf eine Infektion mit COVID-19. Mit Ende März 2020 erließ die Regierung weitreichende Einschränkungen der Bewegungsfreiheit. Das Transportwesen, Einkaufsmöglichkeiten, behördliche Dienste und anderes wurden auf das nötigste reduziert. Von den erlassenen Kontakt- und Arbeitsbeschränkungen ist ein Großteil der bangladeschischen Bevölkerung betroffen. Viele stehen dadurch vor unmittelbar existenzbedrohenden finanziellen Risiken. Viele Großaufträge beispielsweise im Bereich der Textilindustrie wurden zurückgezogen. Diese Maßnahmen bedeuteten einen Wegfall der Einkommensgrundlage von 4,1 Millionen Textilarbeitern, die zu den Geringverdienern in Bangladesch zählen. Einige Textilfabriken stellten jedoch ihre Produktion teilweise auf die Herstellung von Atemschutzmasken und Schutzanzügen um. Lokale Initiativen von einkommensstärkeren Personen versuchen, die Grundversorgung von einkommensschwächeren Familien durch die Verteilung von Lebensmitteln in den jeweiligen Anwohnergebieten aufrecht zu erhalten. Auch die Regierung hat erste staatliche Entlastungsprogramme in die Wege geleitet. Darunter Programme zur finanziellen Unterstützung der in der Landwirtschaft Tätigen oder für Personen, die in extremer Armut leben (GIZ 11.2020; vgl. ÖB 9.2020). Im Zuge der COVID-Krise 2020 verloren nach Schätzungen der Bangladesh Economic Association etwa 36 Millionen Menschen während des Lockdowns ihre Arbeit, 25 Millionen rutschen zurück in die absolute Armut (ÖB 9.2020).

Die bangladeschische Regierung hat im April 2020 Hilfspakete mit einem Volumen in Höhe von 12 Milliarden USD beschlossen. Die Konjunkturmaßnahmen zielen unter anderem auf eine Stützung von für die Wirtschaft bedeutende Industriezweige wie die Textil- und Bekleidungsherstellung sowie den Agrar- und Nahrungsmittelsektor ab (GTAI 21.9.2020a). Der durch die Regierung verhängte umfassende Lockdown war de facto jedoch immer brüchig und wurde einmal mehr und einmal weniger eingehalten. Am 30.5.2020 wurde der Lockdown wieder aufgehoben, da eine weiter Fortsetzung wirtschaftlich nicht mehr vertretbar war (ÖB 9.2020).

Das ohnehin schwache Gesundheitssystem Bangladeschs ist mit der Pandemie völlig überlastet (ÖB 9.2020). Angesichts der historisch niedrigen Ausgaben für die öffentliche Gesundheitsversorgung im Land erwiesen sich die Einrichtungen als unzureichend, schlecht vorbereitet und schlecht ausgerüstet, um die Krise zu bewältigen (AI 7.4.2021). Die Versorgung von Covid-19-Patienten stößt an ihre Grenzen. Landesweit sind etwas mehr als knapp 1.000 Intensivbetten verfügbar. Davon sind 400 für die Behandlung von Patienten mit schweren Atemwegserkrankungen ausgerüstet. Während es in der Hauptstadt Dhaka 400 Intensivbetten gibt, stehen in 47 der insgesamt 64 Verwaltungsbezirke überhaupt keine zur Verfügung (GTAI 21.9.2020b).

Eine weitere Problemstellung für das Land stellen die zahlreichen Rückkehrer aus den Ländern des Nahen Ostens aufgrund des mit COVID verbundenen weltweiten Wirtschaftsabschwungs dar. Viele bringen so das Virus auf ihrem Heimweg mit ins Land. Da viele Migranten aus Bangladesch im Nahen Osten im Zuge der COVID-Krise ihre Arbeit verloren haben und ausgewiesen wurden, ist in den kommenden Jahren mit einem vermehrten Aufkommen von AsylwerberInnen aus Bangladesch in (West-)Europa zu rechnen (ÖB 9.2020).

COVID-19 erhöht Risiken im Zusammenhang mit geschlechtsspezifischer Gewalt und setzen Frauen und Kinder zusätzlichen Bedrohungen aus (iMMAP 3.2021).

Die Behörden gehen gegen Journalisten und Medien vor, die kritisch über die Reaktion der Regierung auf die COVID-19-Pandemie berichten (HRW 20.5.2021; vgl. AI 19.5.2021). Kritische Journalisten sehen sich systematischen Verleumdungsklagen ausgesetzt (ÖB 9.2020). Eine Überwachung von Personen, die "Gerüchte" über die Covid-19-Pandemie verbreiten könnten, wird verstärkt, die Medienzensur verschärft (HRW 20.5.2021).

Nachdem die Zahl der Neuinfektionen im April 2021 Tagen stark angestiegen, wurden die Anfang April 2021 eingeführten Abriegelungsmaßnahmen, die auch die Schließung von Geschäften beinhaltet, aufgrund der sich verschlechternden Situation weiter verschärft (BAMF 12.4.2021).

Das Außenministerium des Landes bestätigt Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Massenimpfprogrammes wegen einem Fehlen an den dafür notwendigen Impfstoff-Dosen. Bisher hat Bangladesch erst 7 Millionen Dosen (darüber hinaus schenkte Indien 3,2 Millionen Dosen separat) einer vertraglich mit Indien vereinbarten Menge von 30 Millionen Dosen des vom Serum Institute of India hergestellten Oxford AstraZeneca-Impfstoffs erhalten (AnAg 22.5.2021).

Um eine Übertragung von den als ansteckender eingestuften Varianten des COVID-19-Virus aus Indien zu verhindern, wurden Flüge abgesagt und Grenzen geschlossen (TG 5.5.2021).

Quellen:

?        AnAg – Anadolu Agency (22.5.2021): Bangladesh extends border lockdown with India, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/bangladesh-extends-border-lockdown-with-india/2251062, Zugriff 25.5.2021

?        AI – Amnesty International (19.5.2021): Bangladesh: Rozina Islam must not be punished for her journalistic work, Zugriff 19.5.2021https://www.ecoi.net/de/dokument/2051859.html, Zugriff 1.6.2021

?        AI – Amnesty International (7.4.2021): Bangladesh 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048635.html, Zugriff 18.5.2021

?        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (12.4.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/EN/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw15-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 17.5.2021

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2020a): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 17.5.2021

?        GTAI - Germany Trade and Invest (21.9.2020a): Covid-19: Maßnahmen der Regierung, https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/bangladesch/covid-19-mass-nahmen-der-regierung-260866, Zugriff 5.11.2020

?        GTAI - Germany Trade and Invest [Deutschland] (21.9.2020b): Covid-19: Gesundheitswesen in Bangladesch: https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/bangladesch/bangladeschs-wirtschaft-behauptet-sich-trotz-coronakrise-260868, Zugriff 5.11.2020

?        HRW – Human Rights Watch: Bangladesh (20.5.2021): Arrest of Journalist Investigating Corruption, https://www.ecoi.net/de/dokument/2052025.html, Zugriff 1.6.2021

?        iMMAP – Information Management and Mine Action Programs (Autor), veröffentlicht von ReliefWeb (3.2021): COVID-19 Situation Analysis , https://reliefweb.int/sites/reliefweb. int/files/resources/iMMAP_COVID-19_Bangladesh_Analysis%20Report_032021.pdf, Zugriff 17.5.2021ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf, Zugriff 28.5.2021

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf, Zugriff 28.5.2021

?        TG – The Guardian (5.5.2021): India’s neighbours close borders as Covid wave spreads across region, https://www.theguardian.com/world/2021/may/05/indias-neighbours-close-borders-as-covid-wave-spreads-across-region, Zugriff 25.5.2021

2. Politische Lage

Letzte Änderung: 08.06.2021

Bangladesch ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Die Unabhängigkeit und der Übergang zur Demokratie brachten ein Einparteiensystem, mehrere Militärputsche (1975 und 1982), zwei Übergangsregierungen, Ausnahmezustände und Machtkämpfe zwischen den beiden großen Parteien, der Bangladesh Nationalist Party (BNP) und der Awami-Liga (AL). Die beiden Parteien regieren Bangladesch seit 1991 abwechselnd (OMCT 7.2019).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch. Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 9.2020). Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300 direkt gewählten Abgeordneten (ÖB 9.2020) sowie zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 30.3.2021; vgl. GIZ 11.2019a). Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der BNP und der AL als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 9.2020).

Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien AL und BNP bestimmt (ÖB 9.2020; vgl. AA 21.6.2020, BS 29.4.2020). Klientelismus und Korruption sowie mafiöse Strukturen sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 21.6.2020). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit um die Führung des Landes konkurriert haben. Unterstützt werden die beiden Parteien von einem kleinen Kreis von Beratern (FH 3.3.2021). Wie in der Region üblich, geht es bei politischen Parteien weniger um Ideologie, als um einzelne Persönlichkeiten und deren Netzwerke, die im Falle eines Wahlsieges auch finanziell profitieren, in dem sie mit wichtigen Staatsposten versorgt werden (ÖB 9.2020).

Bei den Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die "Große Allianz" um die regierende AL einen überragenden Sieg (ÖB 9.2020) mit 96 Prozent der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitzen (Guardian 30.12.2018; vgl. DT 27.1.2019, DW 14.2.2019). Diese waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei das Wahlergebnis angefochten hatte und nun nicht mehr im Parlament vertreten ist. Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a). Die rivalisierenden Parteien AL und BNP dominieren die Politik und schränken die politischen Handlungsmöglichkeiten für diejenigen ein, die parteiinterne Strukturen oder Hierarchien in Frage stellen oder alternative Parteien oder politische Gruppierungen gründen wollen, Animositäten zwischen den Parteispitzen von AL und BNP die sich bis in die Kader der unteren Ebenen ziehen, haben zu andauernder politischer Gewalt beigetragen (FH 3.3.2021).

Da die Politik in Bangladesch generell extrem korrupt ist, sind die Grenzen zwischen begründeter Strafverfolgung und politisch motivierter Verfolgung fließend. Sicherheitskräfte sind in jüngster Vergangenheit sowohl bei Demonstrationen von Anhängern der beiden Großparteien, als auch bei islamistischen oder gewerkschaftlichen Protesten mit Brutalität vorgegangen. Im Zuge des Wahlkampfes Ende 2018 wurden gegen Anhänger und KandidatInnen der oppositionellen BNP durch die Sicherheitsbehörden falsche Anzeigen verfasst (ÖB 9.2020).

Mehrere Menschenrechtsgruppen haben seit Anfang 2018 einen dramatischen Anstieg von fingierten Klagen gegen Gegner der Regierungspartei festgestellt. Unter den Verhafteten befinden sich prominente Führer des Oppositionsbündnisses (FIDH 29.12.2018). Die BNP-Vorsitzende, Khaleda Zia, war von März 2018 bis März 2020 aufgrund von Korruptionsvorwürfen im Gefängnis (AA 21.6.2020; vgl. NAU 25.3.2020). Seit diese auf freiem Fuß ist, sind praktisch keine Aktivitäten der BNP mehr wahrnehmbar (ÖB 9.2020).

Nachdem die oppositionelle BNP nunmehr nicht existent ist und im politischen Prozess kaum bis gar keine Rolle mehr spielt, ist eine Verfolgung, bzw. Unterdrückung ihrer AnhängerInnen aus Sicht der Regierung offenbar nicht mehr nötig. Anzumerken ist, dass seit März 2020 das politische Geschehen vollständig von der COVID-Krise überlagert wird (ÖB 9.2020; vgl. HRW 13.1.2021).

Von einer staatlichen Überwachung der politischen Opposition ist auszugehen (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 9.11.2020

?        BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029402/country_report_2020_BGD.pdf, Zugriff 10.11.2020

?        DT – Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3 by-polls, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2019/01/27/voting-in-gaibandha-3-by-polls-underway, Zugriff 10.11.2020

?        DW – Deutsche Welle (14.2.2019): Bangladesh PM Sheikh Hasina hints at last term as prime minister, https://www.dw.com/en/bangladesh-pm-sheikh-hasina-hints-at-last-term-as-prime-minister/a-47513555, Zugriff 10.11.2020

?        FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048581.html, Zugriff 28.5.2021)

?        FIDH - International Federation for Human Rights (29.12.2018): Joint statement on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region /asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 10.11.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (11.2019a): Bangladesch – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 10.11.2020

?        OMCT – World Organisation Against Torture (7.2019): Cycle of Fear - Combating Impunity for Torture and Strengthening the Rule of Law in Bangladesh, https://www.omct. org/files/2019/07/25475/cycleoffear_bangladesh_report_omct.pdf, Zugriff 1.6.2021

?        HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043519.html, Zugriff 28.5.2021

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 11.11.2020

?        NAU – Schweizer Nachrichtenportal (25.3.2020): Bangladeschs Oppositionsführerin Zia aus Haft entlassen, https://www.nau.ch/politik/international/bangladeschs-oppositionsfuhrerin-zia-aus-haft-entlassen-65684195, Zugriff 10.11.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf, Zugriff 28.5.2021

?        USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048142.html, Zugriff 28.5.2021

3. Sicherheitslage

Letzte Änderung: 08.06.2021

Die Sicherheitslage in Bangladesch ist volatil und kann sich kurzfristig deutlich verschlechtern (EDA 27.5.201; vgl. DFAT 22.8.2019). Zwischen religiösen beziehungsweise ethnischen Gemeinschaften bestehen latente Spannungen, die sich teilweise ohne grosse Vorwarnung in lokalen, gewaltsamen Zusammenstössen entladen können (EDA 27.5.2021). Terroristische Anschläge islamistischer Extremistengruppen verfügen über ein Gefährdungspotential gegenüber dem Staat (DFAT 22.8.2019). 2017 kam es im Land zu mehreren Selbstmordattentaten (SATP 26.5.2021a). Der "Islamische Staat" ruft zu weiteren Attentaten auf (BMEIA 27.5.2021).

Die Regierungen Bangladeschs stehen vor der Herausforderung, mit extremistischen islamistischen Gruppen umzugehen, die Gewalt gegen eine Vielzahl von staatlichen und zivilen Zielen planen oder ausführen können. Von den Behörden wurde auf solche Angriffe stets robust reagiert. Wichtige militante Gruppen wurden verboten und Hunderte von Kämpfern verhaftet. Menschenrechtsgruppen berichten, dass Sicherheitsoperationen gegen militante Gruppen zu einer hohen Zahl von außergerichtlichen Tötungen führen (DFAT 22.8.2019).

Es wird davon ausgegangen, dass Operationen gegen terroristische Gruppen, zusammen mit der sich allmählich verbessernden Koordination der Regierung bei der Terrorismusbekämpfung, die Fähigkeiten militanter Gruppen verringert haben. Trotzdem kann das Risiko weiterer Anschläge nicht ausgeschlossen werden (DFAT 22.8.2019). Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). Das South Asia Terrorism Portal (SATP) verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2019 insgesamt 99 Vorfälle terrorismusrelevanter Gewalt im Land. Im Jahr 2020 wurden 88 solcher Vorfälle, bis zum 26.5.2021 wurden insgesamt 35 Vorfälle terroristischer Gewaltanwendungen registriert (SATP 28.5.2021b).

Bangladesch hat seine Ansprüche an den Seegrenzen zu Myanmar und Indien an den Internationalen Seegerichtshof herangetragen; der Besuch des indischen Premierministers Singh im September 2011 in Bangladesch führte zur Unterzeichnung eines Protokolls zum Landgrenzenabkommen zwischen Indien und Bangladesch von 1974, das die Beilegung langjähriger Grenzstreitigkeiten über nicht abgegrenzte Gebiete und den Austausch von territorialen Enklaven vorsah, aber nie umgesetzt wurde (CIA 4.5.2021). An der Grenze zu Indien kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzsicherungsorganen. Regelmäßig werden dabei Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren oder sich im Nahbereich der Grenze befinden (DT 22.12.2020).

Der inter-ethnische Konflikt in Myanmar wirkt sich auf Bangladesch aus. Er hat politische und soziale Spannungen, insbesondere aufgrund der Ankunft von rund einer Million Rohingya-Flüchtlingen seit August 2017 verstärkt (EDA 27.5.2021; vgl. CIA 4.5.2021). Die Rohingya werden von den Behörden Bangladeschs als zusätzlichen Sicherheitsbedrohung in Cox's Bazar mit möglichen Auswirkungen auf kommunale Gewalt, Menschenschmuggel, Drogen- und Menschenhandel und einhergehenden möglichen Radikalisierungen wahrgenommen (DFAT 22.8.2019). Durch die myanmarischen Grenzbehörden wurde eine 200 km langer Drahtsperranlage, der illegale Grenzübertritte und Spannungen durch die militärische Aufrüstung entlang der Grenze verhindern soll, errichtet (CIA 24.5.2021).

Potential für Bedrohungen mit Bezug auf die Sicherheitslage haben ebeno politisch motivierte Gewalt (insbesondere im Vorfeld von Wahlen) (DFAT 22.8.2019). Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere der Awami League (AL) und der Bangladesh Nationalist Party (BNP), ist für den größten Teil der Gewalt im Land verantwortlich. Die Animositäten zwischen den beiden Parteien sowie zwischen den Kadern der unteren Ebenen haben zu andauernder politischer Gewalt beigetragen (HRW 13.1.2021; vgl. ACLED 9.11.2018). Die regierende AL hat ihre politische Macht durch anhaltende Schikanen gegenüber der Opposition und den als mit ihr verbündet wahrgenommenen Personen sowie gegenüber kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft gefestigt (FH 3.3.2021). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018). Im Jahr 2020 wurden 73 Tote und 2.883 Verletzte aufgrund politischer Gewalt sowie 2.339 Verletzte bei innerparteilichen Zusammenstößen registriert. Gewaltsame politische Proteste und wahlbezogene Gewalt hielten auch 2020 an (HRW 13.1.2021; vgl. ODHIKAR 25.1.2021).

Von nichtstaatlichen Akteuren (insbesondere der Opposition, Islamisten, Studenten) geht in vielen Fällen nach wie vor Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene "Studentenorganisationen". Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 21.6.2020).

Es kommt zu Fällen krimineller Gewalt, sowie zu sporadische Zusammenstößen in den Chittagong Hill Tracts (CHT) zwischen indigenen Gruppen und bengalischen Siedlern wegen Landbesitz und -nutzung (DFAT 22.8.2019). Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden und sich in gewalttätige Auseinandersetzungen entladen (UKFCO 27.5.2021; vgl. AA 28.7.2020, AI 1.4.2021). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie etwa Racheakte oder Landraub, Grund für solche Vorfälle sind (AA 21.6.2020).

Die Schutzfähigkeit staatlicher Behörden ist grundsätzlich gering. Die Behörden sind in der Regel keine neutralen Akteure, sondern unterstützen die politischen Ziele der jeweiligen Machthaber (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (28.7.2020): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussen politik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 9.11.2020

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_ %28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 9.11.2020

?        ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangla desh/, Zugriff 5.11.2020

?        AI – Amnesty International (1.4.2021): Bangladesh authorities must conduct prompt, thorough, impartial, and independent investigations into the death of protesters and respect people’s right to peaceful assembly, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048271.html, Zugriff 27.4.2021

?        BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres [Österreich] (27.5.2021) (Unverändert gültig seit: 26.05.2021): Bangladesch (Volksrepublik Bangladesch) – Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangla desch/, Zugriff 27.5.2021

?        CIA – Central Intelligence Agency [USA] (24.5.2021): The World Factbook – Bangladesh, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/bangladesh/, Zugriff 28.5.2021

?        DT – DhakaTribune (22.12.2020): Bangladesh sees highest border deaths in 10 years, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/2020/12/22/bangladesh-sees-highest-border-deaths-in-10-years, Zugriff 25.5.2021

?        EDA - Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (27.05.2021) (publiziert am 14.08.2020): Bangladesch, Spezifische regionale Risiken, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/bangladesch/ reisehinweise-fuerbangladesch.html#par_textimage, Zugriff 27.5.2021

?        FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048581.html, Zugriff 19.5.2021

?        HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043519.html, Zugriff 28.5.2021

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?        ODHIKAR (25.1.2021): Annual Human Rights Report 2020, Bangla desh, https://www.fidh.org/IMG/pdf/annual-hr-report-2020_eng.pdf, Zugriff 28.5.2021

?        SATP – South Asia Terrorism Portal (26.5.2021a): Yearly Suicide Attacks, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/suicide-attacks/bangladesh, Zugriff 28.5.2021

?        SATP – South Asia Terrorism Portal (26.5.2021b): Data Sheet – Bangladesh, Yearly Sucide Attacks, Advance Search 2000 - 2021, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 28.5.2021

?        UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office [UK] (27.5.2021) (erstellt am: 24.5.2021): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, Political violence, Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 27.5.2021

4. Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 16.06.2021

Die Politisierung der Justiz und der Druck auf sie halten an (FH 3.3.2021). Seit die Awami-Liga (AL) im Jahr 2009 an die Macht kam, hat die von ihr geführte Regierung begonnen, erheblichen Einfluss auf die Justiz auszuüben (FIDH 25.1.2021). Vorwürfe des politischen Drucks auf Richter sind üblich, ebenso wie der Vorwurf, dass unqualifizierte AL-Loyalisten in Gerichtspositionen berufen werden (FH 3.3.2021). Wie die meisten Beobachter übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 8.2019). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom Dezember 2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 29.12.2018). Strafanzeigen gegen Mitglieder der Regierungspartei werden regelmäßig aus "politischer Rücksichtnahme" zurückgezogen (FH 3.3.2021).

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof (Supreme Court). Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen Common Law. Die erstinstanzlichen Gerichte bestehen aus "Magistrates", die der Exekutive zuzurechnen sind, sowie Session und District Judges, die der Judikative angehören. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem High Court, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem Appellate Court, dessen Entscheidungen alle übrigen Gerichte, einschließlich des High Court, binden. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 9.2020).

Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des Öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden. Dennoch wird diese Unabhängigkeit der Justiz durch Überlastung, überlange Verfahrensdauern, Korruption und politische Einflussnahme behindert (ÖB 9.2020). Die Einflussnahme der Regierungspartei auf Parlament und Justiz haben deren Unabhängigkeit inzwischen weitgehend beseitigt (AA 21.6.2020).

Auf Grundlage des "Public Safety Act", des „Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act”, “Women and Children Repression Prevention Act” sowie des "Special Powers Act" wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen – es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Speedy Trial Tribunals haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren mehrere Hundert Personen zu Tode verurteilt (ÖB 9.2020).

Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden (ÖB 9.2020). In ländlichen Gebieten kommt es zu Verurteilungen durch unbefugte Dorfälteste oder Geistliche nach traditionellem, islamischem "Scharia Recht". Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 9.2020). Nicht immer greifen die Behörden ein (AA 21.6.2020). Obwohl diese "Gerichte" eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftlichen Stellung von Frauen nicht unproblematisch (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_ %28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048581.html, Zugriff 19.5.2021

?        FIDH -International Federation for Human Rights (Autor), ODHIKAR (Autor) (25.1.2021): Annual Human Rights Report 2020 Bangladesh, https://www.fidh.org/IMG/pdf/annual-hr-report-2020_eng.pdf, Zugriff 19.5.2021

?        FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (29.12.2018): Joint statement on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region /asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 3.4.2020

?        ÖB - Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf, Zugriff 28.5.2021

5. Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 08.06.2021

Das Militär hat sich seit der Unabhängigkeit mehrfach in die Politik eingemischt (DFAT 22.8.2019) und ist für die Landesverteidigung zuständig, jedoch auch für einige Aufgaben im Bereich der inneren Sicherheit verantwortlich (USDOS 30.3.2021). Nach einem gescheiterten Putschversuch im Jahr 2012 hat die Awami League (AL) Berichten zufolge das Militär von Regierungskritikern, Anhängern der Oppositionsparteien und Offizieren mit engen Kontakten zum pakistanischen Militär gesäubert. Die Regierung hat Berichten zufolge auch die Gehälter erhöht, mehr hochrangige Positionen geschaffen, hochrangigen Offizieren wertvolles Land zugewiesen und dem Militär erlaubt, seine Kontrolle über die Chittagong Hill Tracts (CHT) und die dort lebenden indigene Bevölkerung zu konsolidieren (DFAT 22.8.2019). Die Streitkräfte sind gegenwärtig mit UN-Einsätzen sowie lukrativen Wirtschaftsverflechtungen ruhig gestellt (AA 21.6.2020). Das Militär untersteht dem Verteidigungsministerium (USDOS 30.3.2021).

Die Sicherheitskräfte, die die nationale Polizei, den Grenzschutz und Antiterroreinheiten wie das Rapid Action Battalion umfassen, halten die innere und die Grenzsicherheit aufrecht. Zivilen Behörden behielten eine effektive Kontrolle über die Sicherheitskräfte (USDOS 30.3.2021).

Die Polizei von Bangladesch ist die wichtigste Strafverfolgungsbehörde des Landes und spielt eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung im Land. Der Innenminister ist für das Ressort zuständig (DFAT 22.8.2019; vgl. USDOS 30.3.2021)

Das Wirken der Polizei ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ressourcen inklusive mangelhafter Infrastruktur, Mangel an Personal, Ausbildung und Arbeitsmaterialien, Ineffizienz und Korruption (AA 21.6.2020). Die Regierung unternimmt Schritte, um in der Polizei Professionalität, Disziplin, Ausbildung und Reaktionsfähigkeit zu verbessern und die Korruption zu verringern (ÖB 9.2020). Trotz dieser Bemühungen kommt es weiterhin zu Machtmissbrauch und unang

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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