Index
24/01 Strafgesetzbuch;Norm
FrG 1993 §18 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über die Beschwerde des S in I, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 13. Dezember 1995, Zl. III 373/95, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (belangte Behörde) vom 13. Dezember 1995, mit welchem gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Bundesrepublik Jugoslawien, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 und den §§ 19, 20 und 21 des Fremdengesetzes (FrG) ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde.
Der angefochtene Bescheid wurde damit begründet, daß der Beschwerdeführer, der sich seit 1989 im Bundesgebiet aufhalte, offensichtlich nicht gewillt sei, die österreichischen Rechtsvorschriften in erforderlicher Weise zu achten und sein Verhalten den österreichischen Gesetzen anzupassen, woraus sich die berechtigte Folgerung ergebe, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit darstelle. Das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers umfasse das breite Spektrum der Strafbestimmungen, es reiche von vorsätzlicher und fahrlässiger Körperverletzung (§ 83 Abs. 1 StGB, § 88 Abs. 1 StGB, rechtskräftige Verurteilung durch das Bezirksgericht Innsbruck vom 6. April 1992 zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen und durch das Bezirksgericht Rattenberg vom 25. Jänner 1993 zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen) über Urkundenfälschung (§§ 224, 223 Abs. 2 StGB, rechtskräftige Verurteilung durch das Landesgericht Innsbruck vom 25. Jänner 1993 zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen), Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung und unbefugtem Gebrauch von Fahrzeugen (§§ 298 Abs. 1, 136 Abs. 1 StGB, rechtskräftige Verurteilung durch das Bezirksgericht Innsbruck im Jahre 1993 zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen) bis hin zu zahlreichen (36) Verwaltungsübertretungen, größtenteils StVO- und KFG-Delikten. Auf § 18 Abs. 2 Z. 1 und Z. 2 FrG stütze sich das verhängte Aufenthaltsverbot ohnehin nicht, auch nicht auf ein einzelnes strafbares Verhalten des Beschwerdeführers, sondern auf sein Gesamt-Fehlverhalten. Der Beschwerdeführer habe eine Neigung zu Straftaten, woran auch nichts zu ändern vermöge, daß unter seinen vielen Straftaten "keine einzige schwerwiegende" sei.
Diese Tatsachen rechtfertigten die Annahme, daß der (weitere) Aufenthalt des Beschwerdeführers gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde. Das breite Sprektum der vom Beschwerdeführer gesetzten Straftaten bewirke eine negative Zukunftsprognose. Das Aufenthaltsverbot stelle zwar einen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers dar, dieser Eingriff sei aber durch die zahlreichen Straftaten des Beschwerdeführers (sowohl strafrechtlich als auch verwaltungsstrafrechtlich) gerechtfertigt. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Sicherung der in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele sei gemäß § 19 FrG dringend geboten und daher gerechtfertigt. Trotz des Umstandes, daß die Familie des Beschwerdeführers integriert sei und der Beschwerdeführer, der seit Februar 1995 als Tischlergehilfe arbeite, mit seiner Familie (seiner Ehegattin und zwei minderjährigen Kindern) in einem gemeinsamen Haushalt lebe, sei das Gewicht der privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers nicht höher zu veranschlagen, als die Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes.
Die Möglichkeit einer - durch das Aufenthaltsverbot bewirkten - Trennung des Beschwerdeführers von seiner Familie müsse aufgrund der überwiegenden öffentlichen Interessen daran, daß sich der Beschwerdeführer nicht mehr im Bundesgebiet aufhalte, in Kauf genommen werden. Für die damit für seine Familie nachteiligen Folgen sei der Beschwerdeführer selbst verantwortlich. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei daher im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG zulässig.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens - unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift - vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Aufenthaltsverbot ausschließlich auf § 18 Abs. 1 FrG (gegebenenfalls unter Bedachtnahme auf die §§ 19 und 20 FrG) gestützt werden, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen der in § 18 Abs. 2 FrG angeführten Fälle aufweisen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die in § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertigen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. März 1996, Zl. 95/21/0380).
Der Beschwerdeführer bestreitet weder seine gerichtlichen Verurteilungen und verwaltungsgerichtlichen Bestrafungen. Er meint aber, daß in seinem Fall die Tatbestände weder des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG noch der Z. 2 dieser Bestimmung erfüllt seien und sich daraus die Unzulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes ergebe; eine "Zusammenziehung von etwa geringfügigen gerichtlichen Verurteilungen und nicht schwerwiegenden Verwaltungsübertretungen" dürfe nicht erfolgen. Damit ist der Beschwerdeführer nicht im Recht und auf die obgenannte Judikatur zu verweisen; die im § 18 Abs. 2 FrG normierten Tatbestände stellen nämlich keine taxative Aufzählung der Gründe für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes dar; dabei kommt es vielmehr stets auf die Gesamtbeurteilung der Frage, ob ein Fremder durch seinen Aufenthalt im Bundesgebiet angesichts seines Gesamtverhaltens die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet und auf die diesbezügliche Gefährlichkeitsprognose an. Wenn der Beschwerdeführer etwa meint, die von ihm zu verantwortende Körperverletzung habe sich (bloß) gegen seine Ehefrau gerichtet, sodaß "nach außen hin, also für den Staat und die in ihm lebenden Menschen, keine Gefährdung bestehe", so ist ihm zu entgegnen, daß auch im engsten Familienkreis begangene Straftaten eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit darstellen.
Soweit der Beschwerdeführer sein Wohlverhalten seit 1994 ins Treffen führt, ist zu bemerken, daß das Wohlverhalten des Beschwerdeführers seit knapp einem Jahr nach der letzten rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung zu kurz ist, um eine günstige Prognose zu rechtfertigen.
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Notsituation seiner Familie, die durch die Durchsetzung des Aufenthaltsverbotes bewirkt würde - sie würde der Sozialhilfe zur Last fallen -, für rechtswidrig und meint, die wirtschaftliche Situation in seinem Heimatland sei schlecht, er würde im Falle der Aufrechterhaltung des gegen ihn ausgesprochenen Aufenthaltsverbotes in Restjugoslawien, soferne er dort überhaupt Arbeit fände, jedenfalls seine Familie nicht mehr erhalten können. Seiner in Österreich integrierten Familie sei die Rückkehr in ihre ehemalige Heimat nicht zumutbar.
Hiezu ist zu bemerken, daß die belangte Behörde durchaus davon ausgegangen ist, daß im Falle des Beschwerdeführers ein gegen ihn erlassenes Aufenthaltsverbot einen schweren Eingriff in sein Privat- und Familienleben bewirke. Sie durfte im vorliegenden Fall aber - angesichts der vom Beschwerdeführer ausgehenden beträchtlichen Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit - zu Recht davon ausgehen, daß dieser Eingriff gemäß § 19 FrG zur Aufrechterhaltung der Ordnung auf dem Gebiete des Kraftfahrwesens sowie zur Hintanhaltung der Begehung weiterer gerichtlich strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer dringend geboten war, und daran auch die mögliche Situation des Beschwerdeführers in seinem Heimatstaat jedenfalls nichts ändert.
Der angefochtene Bescheid widerspricht auch nicht § 20 Abs. 1 FrG. Trotz der Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers und seiner Familie (sechs Jahre) kann im Lichte des § 20 Abs. 1 Z. 1 FrG nicht gesagt werden, daß die durch die Erlassung des angefochtenen Bescheides bewirkten Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie schwerer wögen als die - für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sprechenden - nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung.
Zur Geltungsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, daß nämlich ein Aufenthaltsverbot für jenen Zeitraum zu erlassen ist, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird (vgl. das Erkenntnis vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0474, mwN). Der angefochtene Bescheid enthält zwar diesbezüglich keine Begründung; dadurch wurde der Beschwerdeführer jedoch nicht in seinen Rechten verletzt, weil die mit fünf Jahren festgesetzte Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes angesichts des Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers nicht überhöht erscheint.
Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht, wurde kein konkreter relevanter Verfahrensmangel aufgezeigt und nicht dargelegt, durch welche Verfahrenshandlung die belangte Behörde zu einem für den Beschwerdeführer günstigen Ergebnis hätte kommen können.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996210020.X00Im RIS seit
20.11.2000