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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1993 §18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über die Beschwerde des D in V, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 20. Dezember 1995, Zl. Fr 4396/95, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 FrG ein bis 30. September 2000 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Die belangte Behörde ging davon aus, daß der Beschwerdeführer im Oktober 1988 in das Bundesgebiet sichtvermerksfrei eingereist sei. Am 8. März 1989 habe er eine österreichische Staatsangehörige geheiratet. Zum Zeitpunkt der Eheschließung habe er sich bereits über den sichtvermerksfreien Zeitraum von drei Monaten hinaus im Bundesgebiet aufgehalten. Aufgrund der Ehe mit der österreichischen Staatsangehörigen sei ihm ein Befreiungsschein ausgestellt worden und habe der Beschwerdeführer nach Aufnahme einer Beschäftigung um Erteilung eines Sichtvermerkes angesucht. Die Ehe des Beschwerdeführers sei am 2. Mai 1990 vom Bezirksgericht Döbling geschieden worden. Im Scheidungsurteil sei ausgeführt worden, daß der Beschwerdeführer bereits im April 1989 seine Gattin grundlos und ohne Erbringung von Unterhaltsleistungen verlassen habe. Die geschiedene Gattin des Beschwerdeführers habe bei ihrer Einvernahme am 10. April 1995 angegeben, daß die Ehe nicht über Vermittlung und auch nicht gegen Bezahlung zustandegekommen sei. Es habe sich um eine Liebesheirat gehandelt. Die Ehe hätte nur ca. sechs Monate funktioniert und habe der Beschwerdeführer sie ohne Grund verlassen. Trotz dieser Aussage der geschiedenen Gattin des Beschwerdeführers - die im übrigen widersprüchlich zum Scheidungsurteil sei - komme die Behörde zum Ergebnis, daß der Beschwerdeführer die Ehe nur eingegangen sei, um in den Besitz eines Befreiungsscheines und einer Aufenthaltsberechtigung zu gelangen.
Der Beschwerdeführer sei von der Bezirkshauptmannschaft Baden zweimal wegen Übertretung nach § 5 Abs. 2 StVO rechtskräftig bestraft worden. Diese Übertretung sei als eine schwerwiegende Verwaltungsübertretung im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG anzusehen. Es sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 erfüllt und die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt.
Der Beschwerdeführer gehe in Österreich einer Beschäftigung nach. Seine Aufenthaltsbewilligung sei am 30. April 1995 abgelaufen. Durch die rechtskräftigen Bestrafungen werde dokumentiert, daß der Beschwerdeführer die österreichische Rechtsordnung mehrmals gröblichst mißachtet habe. Weder aus dem Akteninhalt noch aus der Berufung (gegen den erstinstanzlichen Bescheid) seien nähere Bindungen zu im Inland aufhältigen Personen ersichtlich. Bei der Festsetzung der Aufenthaltsverbotsdauer sei das der Erlassung zugrundeliegende Verhalten zu berücksichtigen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde hat - wie die Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens im angefochtenen Bescheid zeigt - nicht nur die zwei rechtskräftigen Bestrafungen nach § 5 Abs. 2 StVO ihrem Bescheid zugrundegelegt, sondern auch die übrigen im genannten Teil des Bescheides aufgezählten, nämlich wegen des Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 lit. a und Abs. 5 StVO (Rechtskraft 13. Oktober 1993) sowie drei weitere Bestrafungen nach der StVO und zwei rechtskräftige Bestrafungen nach dem KFG, wobei die Bestrafungen zwischen 12. Februar 1992 und 28. Dezember 1994 (Datum der Rechtskraft) erfolgten.
In der Beschwerde wird dazu ausgeführt, daß im Verwaltungsverfahren die aufgezählten Verwaltungsstrafen zugegeben worden seien, jedoch darauf hinzuweisen sei, daß es sich dabei um lediglich geringfügige Verwaltungsübertretungen handle. Bei der Beurteilung des Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers wäre es unerläßlich gewesen, zu prüfen, welches tatsächliche Fehlverhalten den einzelnen Verwaltungsübertretungen zugrundeliege. Die Behörde habe nicht gewürdigt, daß der Beschwerdeführer sämtliche über ihn verhängten Verwaltungsstrafen ordnungsgemäß bezahlt habe sowie daß die als erheblich gewertete Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b i.V.m. § 5 Abs. 2 StVO bereits länger als ein Jahr zurückliege. Die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen würden die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes nicht rechtfertigen.
Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es sich bei den dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verstößen gegen § 5 StVO sowie gegen § 4 Abs. 5 StVO um schwerwiegende Verwaltungsübertretungen im Sinn des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG handelt, die zu den gröbsten Verstößen gegen die StVO zählen und damit eine Gefährdung öffentlicher Interessen von großem Gewicht darstellen, die die in § 18 Abs. 1 FrG genannte Annahme rechtfertigen (betreffend die Übertretung des § 5 StVO vgl. etwa das Erkenntnis vom 4. Mai 1994, Zl. 94/18/0217; betreffend die Übertretung des § 4 Abs. 5 StVO vgl. etwa das Erkenntnis vom 27. September 1995, Zl. 95/21/0135). Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers sprechen die Bezahlung der verhängten Strafen und der Umstand, daß die letzte als erheblich gewertete Verwaltungsübertretung bereits länger als ein Jahr seit Bescheiderlassung zurückliegt, nicht gegen die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme. Einerseits ist der genannte Zeitraum viel zu kurz, um eine positive Prognose anstellen zu können und andererseits ist seit diesem Zeitpunkt aufgrund der neuerlichen Bestrafung wegen Übertretung der StVO nicht von einem Wohlverhalten des Beschwerdeführers auszugehen. Dazu kommt, daß wiederholte Bestrafungen auch wegen schwerwiegender Verstöße den Beschwerdeführer nicht davon abhalten konnten, weitere schwerwiegende verpönte Verhaltensweisen zu setzen.
Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, daß mit Rücksicht auf sein Privat- und Familienleben die Verhängung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele nicht dringend geboten sei.
Auch mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Davon, daß mit dem Aufenthaltsverbot ein im Sinne des § 19 FrG relevanter Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers verbunden sei, ist die belangte Behörde ohnehin ausgegangen. Anhaltspunkte für einen Eingriff in ein Familienleben des Beschwerdeführers bestehen hingegen nach den dem angefochtenen Bescheid zu entnehmenden Feststellungen nicht und werden solche auch in der Beschwerde nicht aufgezeigt. Die belangte Behörde kam im Grunde des § 19 FrG zutreffend zu dem Ergebnis, daß die Verhängung des Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer zulässig ist, stößt es doch auf keine Bedenken, die Beendigung seines Aufenthaltes im Bundesgebiet angesichts der sich in der Vielzahl der von ihm begangenen - wie dargetan - schwerwiegenden Verwaltungsübertretungen manifestierenden Neigung, die österreichische Rechtsordnung zu mißachten, als zum Schutz der öffentlichen Ordnung und zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen, somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen, dringend geboten zu erachten (vgl. auch hiezu die bereits zitierten Erkenntnisse vom 4. Mai 1994, Zl. 94/18/0217, und vom 27. September 1995, Zl. 95/21/0135).
Bei der Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG hat die belangte Behörde berücksichtigt, daß sich der Beschwerdeführer seit Oktober 1988 im Bundesgebiet aufhalte und beschäftigt sei. Dazu hat sie weiters festgehalten, daß weder aus dem Akteninhalt, noch aus der Berufung (gegen den erstinstanzlichen Bescheid) nähere Bindungen des Beschwerdeführers zu im Inland aufhältigen Personen ersichtlich seien.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen letztere Feststellung mit der Behauptung, die belangte Behörde habe rechtsirrigerweise seine ausdrücklich beantragte Einvernahme nicht durchgeführt. Hätte sie ihn einvernommen, hätte er das Ausmaß seiner sozialen Integration und auch seine Bindung an in Österreich lebende Personen dartun können. Hiebei hätte er aufzeigen können, daß er seit mehreren Jahren in Lebensgemeinschaft mit einer in Österreich legal aufhältigen bosnischen Staatsbürgerin lebe und sich sein gesamter Freundeskreis in Österreich befinde.
Der Beschwerdeführer ist darauf hinzuweisen, daß ihm von der Behörde erster Instanz die Möglichkeit zur Stellungnahme gegen die beabsichtigte Erlassung des Aufenthaltsverbotes eingeräumt wurde und er auch in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid die Möglichkeit gehabt hat, die für ihn sprechenden und bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Momente darzustellen. Dies hat er aber, wie die belangte Behörde aufzeigt, nicht getan. Die behauptete beantragte Einvernahme wurde - wie auch in der Beschwerde ausgeführt - zum Faktum Scheinehe angeführt. Da der Beschwerdeführer die nunmehr behauptete Tatsache der Lebensgemeinschaft und des Freundeskreises erstmals in der Beschwerde vorbringt, kann darauf im Grunde des § 41 VwGG nicht eingegangen werden.
Wenn die belangte Behörde die hier maßgebenden, nach ständiger Rechtsprechung (vgl. die bereits zitierten Erkenntnisse) hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen für gewichtiger erachtete als die gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers, kann ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.
Konnte die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot rechtens auf § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG wegen der rechtskräftigen Bestrafungen des Beschwerdeführers erlassen, erübrigt sich ein Eingehen auf den weiteren zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogenen Grund der mißbräuchlichen Eingehung einer Ehe.
Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996210080.X00Im RIS seit
12.06.2001