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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1993 §18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 9. April 1996, Fr 4822/95, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 FrG ein bis 28. November 2005 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
In der Begründung ging die belangte Behörde nach zusammengefaßter Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens davon aus, daß der Beschwerdeführer am 23. März, 28. September und 12. Oktober 1993 jeweils gemäß § 64 Abs. 1 KFG und am 7. Februar, 20. Februar und 3. August 1992 jeweils gemäß § 14b/1/4 Fremdenpolizeigesetz rechtskräftig bestraft worden sei. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer noch in 19 weiteren Fällen wegen Verwaltungsübertretungen nach der StVO, dem KFG, Nö Naturschutzgesetz, Nö Polizeistrafgesetz, Paßgesetz und Sicherheitspolizeigesetz rechtskräftig bestraft worden. Durch die Verwaltungsübertretung gemäß § 64 Abs. 1 KFG (Lenken eines Kraftfahrzeuges auf Straßen mit öffentlichem Verkehr ohne die erforderliche Lenkerberechtigung) und die Bestrafungen nach dem Fremdenpolizeigesetz sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllt. Das Verhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit lasse den Schluß auf eine besonders sozialschädliche Neigung des Beschwerdeführers zur Mißachtung österreichischer Rechtsvorschriften, die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer im Interesse eines geordneten Zusammenlebens bestehen, zu. Das Aufenthaltsverbot sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten.
Der Beschwerdeführer halte sich seit vier Jahren gemeinsam mit seiner Gattin und zwei Kindern in Österreich auf. Er sei gemäß § 12 AufG i.V.m. § 1 der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina zum vorläufigen Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Aufgrund der Aufenthaltsdauer sei von keiner Integration des Beschwerdeführers auszugehen. In Anbetracht der Notwendigkeit eines geordneten Fremdenwesens sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes trotz der familiären Bindung zulässig. Im Rahmen der Interessenabwägung sei die belangte Behörde zur Ansicht gelangt, daß das Persönlichkeitsbild und die offenkundige Neigung des Beschwerdeführers zur Negierung österreichischer Rechtsvorschriften die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erfordere.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde werden die im angefochtenen Bescheid festgestellten rechtskräftigen Bestrafungen des Beschwerdeführers nicht bestritten und es wird gegen die - zutreffende - Annahme der belangten Behörde, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllt sei, nichts vorgebracht.
In der Beschwerde wird die Auffassung vertreten, daß die Verwaltungsübertretungen nicht gravierend gewesen seien und es weder einen Personen- noch einen Sachschaden gegeben habe. Die belangte Behörde hätte auch mit der Androhung der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes vorgehen können. Im übrigen gebe es Bosnier, die gerichtlich vorbestraft seien und dies auch mehrfach, die jedoch in Österreich geduldet werden.
Mit diesem Vorbringen kann der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigen. Nach Ausweis des Verwaltungsaktes scheinen in dem von der belangten Behörde herangezogenen Verwaltungsstrafregister
25 rechtskräftige Bestrafungen des Beschwerdeführers im Zeitraum 7. Februar 1992 bis 30. November 1995 (jeweils Datum der Rechtskraft) auf. Neben den oben erwähnten je drei Bestrafungen nach § 64 Abs. 1 KFG und § 14b Abs. 1 Z. 4 Fremdenpolizeigesetz liegt auch eine Bestrafung gemäß § 4 Abs. 1 lit. a und Abs. 5 StVO vor, welche ebenfalls als schwerwiegend anzusehen ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 8. September 1994, Zl. 94/18/0456). Dem Beschwerdeführer wurden am 17. Mai 1994 - trotz Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes - fremdenpolizeiliche Maßnahmen angedroht. Nach dieser Androhung wurde der Beschwerdeführer noch in 16 Fällen wegen Übertretungen nach der StVO, dem KFG, Sicherheitspolizeigesetz, Nö Polizeistrafgesetz und Nö Naturschutzgesetz rechtskräftig bestraft. Wenn die belangte Behörde angesichts dieses Fehlverhaltens des Beschwerdeführers die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme für gerechtfertigt gehalten und die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG für zulässig erachtet hat, so stößt diese Beurteilung auf keine Bedenken, handelt es sich doch bei den in Rede stehenden Verwaltungsübertretungen des Beschwerdeführers um Gefährdungen öffentlicher Interessen (der öffentlichen Ordnung und Sicherheit) von großem Gewicht. Die sich in der Vielzahl der zum Teil schwerwiegenden Verwaltungsübertretungen manifestierende Neigung des Beschwerdeführers, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, läßt das Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung und zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen (Art. 8 Abs. 2 MRK) notwendig erscheinen. Dies umso mehr, als selbst die Androhung dieser Maßnahme den Beschwerdeführer nicht zu einem rechtstreuen Verhalten veranlassen konnte.
Die Beschwerde macht geltend, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 20 Abs. 1 FrG wegen seines langen Aufenthaltes und seiner Familie und seiner Verwandten unzulässig sei.
Auch dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg. Im Rahmen der nach § 20 Abs. 1 FrG gebotenen Interessenabwägung wurde von der belangten Behörde zugunsten des Beschwerdeführers auf die Dauer seines Aufenthaltes sowie dem seiner Gattin und seiner zwei Kinder Bedacht genommen. Die Dauer dieses Aufenthaltes und der daraus abzuleitende Grad der Integration des Beschwerdeführers erreichen kein derartiges Ausmaß, das die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unzulässig erscheinen ließe. Wenn die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes schwerer wögen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie, so kann dies nicht als rechtswidrig erkannt werden. Die bedeutende Anzahl und das teils große Gewicht der Gesetzesverstöße des Beschwerdeführers konstituieren einen Grad an Gefährlichkeit für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, daß die für den Beschwerdeführer sprechenden Umstände von geringerem Gewicht sind als die mit dem Absehen von der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes verbundenen nachteiligen Folgen für die öffentlichen Interessen. Hiebei kommt dem Umstand, daß der Beschwerdeführer ungeachtet der Androhung fremdenpolizeilicher Maßnahmen zahlreiche weitere Verwaltungsübertretungen setzte, erhebliches Gewicht zu.
Dem Hinweis des Beschwerdeführers, daß bei einer Abschiebung nach Bosnien in Zeiten wie diesen mit Lebensgefahr gerechnet werden müsse, kommt im gegebenen Zusammenhang keine Relevanz zu, weil mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht ausgesprochen wird, in welches Land der Beschwerdeführer auszureisen hat oder abgeschoben wird.
Die Rüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe keine mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt und ihm das Parteiengehör nicht gewährt, ist schon deswegen nicht zielführend, weil die Beschwerde nicht aufzeigt, zu welchen Beweisergebnissen dem Beschwerdeführer Parteiengehör nicht gewährt wurde und was er gegebenenfalls, auch im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung, vorgebracht hätte.
Auch das Vorbringen in der Beschwerde, die belangte Behörde hätte "EU-Normen" anzuwenden gehabt, geht fehl, weil der Beschwerdeführer nicht Angehöriger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union ist.
Da somit der angefochtene Bescheid nicht mit der behaupteten Rechtswidrigkeit behaftet ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996210405.X00Im RIS seit
12.06.2001