TE Bvwg Beschluss 2021/11/4 W224 2247727-1

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Veröffentlicht am 04.11.2021
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Entscheidungsdatum

04.11.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
B-VG Art14 Abs7a
SchPflG 1985 §1 Abs1
SchPflG 1985 §11
SchPflG 1985 §2
SchPflG 1985 §3
SchPflG 1985 §5 Abs1
StGG Art17
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch


W224 2247727-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Martina WEINHANDL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX als Erziehungsberechtigte des mj. XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Steiermark vom 29.09.2021, Zl. VIIIHa18/546-2021:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Bildungsdirektion für Steiermark zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin ist Erziehungsberechtigte ihres am XXXX geborenen Sohnes. Der Sohn der Beschwerdeführerin ist seit dem Schuljahr 2014/2015 in Österreich schulpflichtig.

2. Am 01.09.2021 richtete die Beschwerdeführerin eine Eingabe an die Bildungsdirektion für Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), wonach sie ihren Sohn im Schuljahr 2021/2022 zum häuslichen Unterricht abmeldet.

3. Die belangte Behörde teilte der Beschwerdeführerin am 10.09.2021 mit, sie möge ein beigefügtes Formblatt ausfüllen und retournieren, weil eine „pädagogische Grobprüfung“ ihrer Anzeige durch den zuständigen Schulqualitätsmanager nicht durchgeführt werden könne.

Die Beschwerdeführer retournierte das beigelegte Formblatt nicht.

4. Mit Bescheid vom 29.09.2021, Zl. VIIIHa18/546-2021, untersagte die belangte Behörde die Teilnahme des Sohnes der Beschwerdeführerin am häuslichen Unterricht (Spruchpunkt 1.). Weiters führte die belangte Behörde aus, dass der Sohn der Beschwerdeführerin im Schuljahr 2021/2022 seine Schulpflicht in einer öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu erfüllen habe (Spruchpunkt 2.). Die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde wurde ausgeschlossen (Spruchpunkt 3.).

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass grundsätzlich davon ausgegangen werde, dass der häusliche Unterricht dem schulischen Unterricht gleichwertig sei. Da die belangte Behörde jedoch verpflichtet sei, eine „Grobprüfung“ des angezeigten Unterrichts vorzunehmen, um festzustellen, ob die Gleichwertigkeit auch im konkreten Einzelfall gegeben sei, sei die Anzeige dem zuständigen Schulqualitätsmanager vorgelegt worden. Dieser habe keine Grobprüfung machen können, weil das Formblatt nicht ausgefüllt und retourniert worden sei. Die belangte Behörde führte weiter aus: „Im gegenständlichen Fall wird festgestellt, dass eine Grobprüfung durch die zuständige Schulqualitätsmanagerin nicht durchgeführt werden konnte, da keinerlei Daten, Angaben oder Hinweise seitens der Erziehungsberechtigten, trotz Mitwirkungspflicht am Verfahren, zur Verfügung gestellt wurden, die allenfalls darauf hätten schließen lassen, dass die Gleichwertigkeit des häuslichen Unterrichts mit jenem in einer öffentlichen Schule mit großer Wahrscheinlichkeit gegeben wäre. Der zuständigen Schulbehörde ist es, mangels Einschätzung durch das zuständige Schulqualitätsmanagement, nicht möglich, eine auf den maßgeblichen Sachverhalt bezogene Entscheidung zu treffen, sodass spruchgemäß zu entscheiden war.“

5. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und führte dabei im Wesentlichen aus, es gebe keine Rechtsgrundlage, nach welcher ein Formblatt in Bezug auf die Anzeige des häuslichen Unterrichts relevant sei. Es seien im Bescheid keine Gründe angeführt, aus denen die Annahme abzuleiten wäre, dass die Gleichwertigkeit des häuslichen Unterrichts nicht gegeben wäre. Im Übrigen bedürfe die Teilnahme an häuslichem Unterricht gemäß Art. 17 StGG keiner Bewilligung.

6. Die belangte Behörde übermittelte mit Schreiben vom 20.10.2021, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 28.10.2021, die Beschwerde samt dem dazugehörigen Verwaltungsakt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

XXXX , geb. XXXX , ist der minderjährige Sohn von XXXX .

XXXX ist im Schuljahr 2021/2022 schulpflichtig in Österreich.

Am 01.09.2021 zeigte die Beschwerdeführerin der Bildungsdirektion für Steiermark mit einem formlosen Schreiben die Teilnahme ihres Sohnes XXXX an häuslichem Unterricht im Schuljahr 2021/2022 an.

XXXX hat im Schuljahr 2020/2021 die 7. Schulstufe am BG/BRG/BORG Kapfenberg (konkret 3. Klasse AHS) erfolgreich abgeschlossen und ist zum Aufsteigen in die 8. Schulstufe berechtigt.

Die Bildungsdirektion für Steiermark führte keine Gleichwertigkeitsprüfung durch.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem verwaltungsbehördlichen Verfahren und der Beschwerde. Der Sachverhalt ist aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen. Der verfahrensmaßgebliche Sachverhalt konnte auf Grund der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei und vollständig festgestellt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

1. Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Diese Vorgangsweise setzt voraus, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Mit Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063, hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung not-wendiger Ermittlungen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG insbesondere dann in Betracht kommen wird, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinne einer „Delegierung“ der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang [Hrsg], Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, S. 127 und S. 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang [Hrsg], Die Schaffung einer Verwaltungsgerichts-barkeit erster Instanz, 2008, S. 65 und S. 73 f.; siehe auch VwGH 06.07.2016, Ra 2015/01/0123; 25.01.2017, Ra 2016/12/0109, jeweils m.w.H. sowie VwGH 08.08.2018, Ra 2017/10/0097).

Art. 17 StGG garantiert die Freiheit des häuslichen Unterrichts auf jedem theoretischen Wissensgebiet ohne jede Beschränkung (vgl. VfSlg. 4579/1963 und 4990/1965). Die Garantie des Art. 17 Abs. 3 StGG ist im Zusammenhang mit Art. 17 Abs. 2 StGG zu sehen. Es ist dem Gesetzgeber verwehrt, die Erteilung häuslichen Unterrichts irgendwelchen Beschränkungen - wie beispielsweise der Festlegung des Erfordernisses einer fachlichen Befähigung für die Erteilung eines solchen Unterrichts - zu unterwerfen (VfSlg. 2670/1954; VwGH 29.1.2009, 2008/10/0332). Die Regelungen des Schulpflichtgesetzes beziehen sich daher ausschließlich auf die Frage, ob ein Kind durch die Teilnahme am häuslichen Unterricht bereits seine Schulpflicht erfüllt, oder ob es dazu des Besuches einer allgemeinen Pflichtschule bedarf (vgl. VwGH 29.01.2009, 2008/10/0332 mwN).

Gemäß Art. 14 Abs. 7a B-VG beträgt die Schulpflicht zumindest neun Jahre und es besteht auch Berufsschulpflicht.

Gemäß § 1 Abs. 1 SchPflG besteht für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, allgemeine Schulpflicht nach Maßgabe dieses Abschnittes.

Gemäß § 2 SchPflG beginnt die allgemeine Schulpflicht mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September.

Gemäß § 3 SchPflG dauert die allgemeine Schulpflicht neun Jahre.

Gemäß § 5 Abs. 1 SchPflG ist die allgemeine Schulpflicht durch den Besuch von allgemein bildenden Pflichtschulen sowie von mittleren oder höheren Schulen zu erfüllen.

Gemäß § 11 Abs. 1 SchPflG kann die allgemeine Schulpflicht auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.

Gemäß § 11 Abs. 2 SchPflG kann die allgemeine Schulpflicht ferner durch die Teilnahme am häuslichen Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. haben die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht der Bildungsdirektion jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen. Die Bildungsdirektion kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die im Abs. 1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist oder wenn gemäß Abs. 2a eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen ist.

Gemäß § 11 Abs. 4 SchPflG ist der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes jährlich vor Schulschluss durch eine Prüfung an einer im § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so hat die Bildungsdirektion anzuordnen, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat.

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 20.311/2019) verstößt § 11 SchPflG nicht gegen Art. 17 Abs. 3 StGG, weil die Freiheit des häuslichen Unterrichts nicht die in Art. 14 Abs. 7a B-VG verankerte Schulpflicht beschränkt und daher entsprechenden Regelungen, die der Sicherung des Ausbildungserfolges von schulpflichtigen Schülern dienen, nicht entgegengehalten werden kann. Art. 17 Abs. 3 StGG garantiert also nicht die Möglichkeit, die Schulpflicht durch häuslichen Unterricht zu erfüllen (vgl. VfSlg. 20.311/2019).

Die Beschwerdeführerin hat die Anzeige des häuslichen Unterrichts formlos am 01.09.2021 bei der belangten Behörde eingebracht. Ein Anbringen (vgl. § 13 AVG) ist nach den hierfür in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 26.09.2019, Ra 2018/10/0201, mwN) entwickelten Grundsätzen auszulegen. Danach kommt es bei der Ermittlung von Rechtsqualität und Inhalt eines Anbringens nicht auf die Bezeichnung durch den Einschreiter bzw. auf „zufällige Verbalformen“ an, sondern auf den Inhalt der Eingabe, also auf das daraus erkenn- und erschließbare Ziel (Begehren) des Einschreiters. Parteienerklärungen sind im Verfahren ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, wobei entscheidend ist, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszwecks und der Aktenlage objektiv verstanden werden muss (vgl. etwa die Nachweise bei Hengstschläger/Leeb, AVG2 Rz 38 zu § 13).

Das Anbringen der Beschwerdeführerin vom 01.09.2021 war nach seinem objektiven Erklärungswert darauf gerichtet, ihren Sohn zum häuslichen Unterricht im Schuljahr 2021/2022 abzumelden. Sollte die belangte Behörde davon ausgehen, dass die Abmeldung zum häuslichen Unterricht mittels eines vorformulierten Formulars bzw. Formblatts zu erfolgen habe, so verkennt die belangte Behörde das Wesen der Freiheit des häuslichen Unterrichts.

Es ist aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich zulässig, bestimmte nähere Informationen im Hinblick darauf einzuholen, ob die Gleichwertigkeit des häuslichen Unterrichts gegeben ist, denn das Kriterium der Gleichwertigkeit ist letztlich auch gemäß § 11 Abs. 3 SchPflG jenes Kriterium, welches zur Untersagung der Teilnahme am häuslichen Unterricht führen kann.

Die Untersagung der Teilnahme am häuslichen Unterricht im Sinne des § 11 Abs. 3 SchPflG ist eine Ermessensentscheidung (vgl. VwGH 25.2.1971, 2062/70). Als Ermessensentscheidung unterliegt sie nur insofern der Kontrolle durch das Verwaltungsgericht, als dieses zu prüfen hat, ob die belangte Behörde von dem ihr zustehenden Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat (vgl. Art. 130 Abs. 3 B-VG). Die Verwaltungsbehörde ist verpflichtet, in der Begründung ihrer Entscheidung die für die Ermessensübung maßgebenden Überlegungen und Umstände insoweit offen zu legen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und für die Nachprüfung der Ermessensentscheidung auf ihre Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes durch das Verwaltungsgericht erforderlich ist (VwGH 24.1.2014, 2013/09/0133; 5.3.2014, 2013/05/0041; 29.4.2015, Ra 2015/05/0021).

Das Gesetz räumt der Behörde die Befugnis ein, die Teilnahme an häuslichem Unterricht zu untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die in § 11 Abs. 2 SchPflG geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes im Vergleich zu dem in einer öffentlichen Schule nicht gegeben ist.

Mit Wahrscheinlichkeit ist eine Tatsache als gegeben anzunehmen, wenn gewichtigere Gründe für ihr Vorhandensein sprechen als dagegen. Von großer Wahrscheinlichkeit kann daher nur dann gesprochen werden, wenn die Gründe, die dafür sprechen, gegenüber den andern, die dagegen anzuführen sind, weitaus überwiegen (vgl. VwGH 25.4.1974, 0016/74; vgl. darüber hinaus auch VwGH 25.2.1971, 2062/70).

Wie bereits der Wortlaut des § 11 Abs. 3 SchPflG deutlich macht, ist der einzige Grund, aus welchem die Anzeige der Teilnahme am häuslichen Unterricht nicht zur Kenntnis genommen wird, sondern die Teilnahme an einem solchen Unterricht untersagt wird, die mit großer Wahrscheinlichkeit nicht vorliegende Gleichwertigkeit des Unterrichts (vgl. VwGH 26.09.2019, Ra 2018/10/0201).

Der angefochtene Bescheid ist aus folgenden Gründen mangelhaft:

Wie oben ausgeführt kann von großer Wahrscheinlichkeit i.S.d. § 11 Abs. 3 SchPflG nur dann gesprochen werden, wenn die Gründe, die dafür sprechen, gegenüber den andern, die dagegen anzuführen sind, weitaus überwiegen. Eine solche Abwägung der Gründe, die für oder gegen eine Teilnahme am häuslichen Unterricht sprechen, nahm die Bildungsdirektion für Steiermark jedoch überhaupt nicht vor.

Die belangte Behörde hat keine entscheidungsrelevanten Feststellungen getroffen und somit willkürlich die Teilnahme des Kindes am häuslichen Unterricht im Schuljahr 2021/2022 untersagt. Wörtlich führt die Behörde sogar aus: „Der zuständigen Schulbehörde ist es, mangels Einschätzung durch das zuständige Schulqualitätsmanagement, nicht möglich, eine auf den maßgeblichen Sachverhalt bezogene Entscheidung zu treffen, sodass spruchgemäß zu entscheiden war.“

Der Bescheid entspricht dabei auch nicht den sich aus § 58 Abs. 2 AVG und § 60 AVG ergebenden Erfordernissen, in der Begründung in eindeutiger, einer nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise aufzuzeigen, von welchen konkreten Sachverhaltsannahmen die Behörde bei ihrem Bescheid ausgegangen ist und worauf sich die getroffene Tatsachenfeststellung im Einzelnen stützt (vgl. VwGH 02.04.1998, 96/10/0093). Aus dem Bescheid der belangten Behörde geht jedoch nicht hervor, aus welchen Gründen sie der Ansicht ist, dass der Unterricht mit großer Wahrscheinlichkeit nicht gleichwertig sein sollte. Die belangte Behörde rekurriert im angefochtenen Bescheid lediglich darauf, dass die Beschwerdeführerin das Formblatt nicht ausgefüllt und retourniert habe und so eine „pädagogische Grobprüfung“ nicht vorgenommen werden hätte können. Letztlich führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aus, es sei ihr nicht möglich gewesen, eine „auf den maßgeblichen Sachverhalt bezogene Entscheidung zu treffen“. Die belangte Behörde führt im gesamten Bescheid keinerlei Gründe oder Argumente an, aus denen sie zu dem Schluss gelangt wäre, dass mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die geforderte Gleichwertigkeit des häuslichen Unterrichts nicht gegeben ist.

Der Sachverhalt ist somit in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig geblieben. Es kann auch nicht gesagt werden, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind daher im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Folglich ist das Verfahren zur neuerlichen Entscheidung an die Bildungsdirektion für Steiermark zurückzuverweisen.

Der Bescheid war daher nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Bildungsdirektion für Steiermark zurückzuverweisen.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde ein gesetzmäßiges Ermittlungsverfahren (zB durch Einvernahme der Erziehungsberechtigten) durchzuführen haben und iSd § 11 Abs. 3 SchPflG festzustellen haben, ob mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, ob der häusliche Unterricht in der geplanten Form, die gesetzlich geforderte Gleichwertigkeit aufweist. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, dass die Gleichwertigkeit des häuslichen Unterrichtes im Vergleich zu dem in einer öffentlichen Schule nicht gegeben ist, wenn gewichtigere Gründe gegen die Gleichwertigkeit sprechen als für die Gleichwertigkeit. Ist mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass der häusliche Unterricht dem an einer im § 5 Schulpflichtgesetz 1962 genannten Schule nicht gleichwertig ist, dann steht es im freien Ermessen der belangten Behörde, die Teilnahme am häuslichen Unterricht zu untersagen (siehe VwGH vom 25.02.1971, 2062/70).

2. Ein gesonderter Abspruch über die aufschiebende Wirkung erübrigt sich angesichts der erfolgten Sachentscheidung. Abgesehen davon stellte die Beschwerdeführerin keinen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

3. Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, weil eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (vgl. etwa Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 24 VwGVG Anm. 13 mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie VfGH 18.06.2012, B 155/12; EGMR Tusnovics v. Austria, 07.03.2017, 24.719/12). Außerdem ist das Schulrecht nicht von Art. 6 EMRK und auch nicht von Art. 47 GRC erfasst (siehe VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 27.03.2019, Ra 2019/10/0017, m.w.N.).

Einen Antrag auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung stellte die Beschwerdeführerin nicht, die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung von Amts wegen ist nicht erforderlich.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig (vgl. dazu auch OGH 22.3.1992, 5 Ob 105/90; vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

Die Aufhebung und Zurückverweisung des angefochtenen Bescheides stützt sich auf die im Beschluss zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. insbesondere VwGH 26.09.2019, Ra 2018/10/0201, mwN).

Schlagworte

Begründungspflicht Ermittlungspflicht Gleichwertigkeit häuslicher Unterricht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W224.2247727.1.00

Im RIS seit

03.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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