TE Bvwg Beschluss 2021/11/12 W252 2247431-1

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Veröffentlicht am 12.11.2021
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Entscheidungsdatum

12.11.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
DSG §1
VwGVG §8a Abs1

Spruch


W252 2247431-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag.a Elisabeth SCHMUT LL.M. als Einzelrichterin über den Antrag des XXXX , geb XXXX , XXXX Wien, auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur weiteren Führung des Verfahrens gegen den Teilbescheid der Datenschutzbehörde vom 13.09.2021, GZ XXXX :

A)

Dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird gemäß § 8a Abs 1 VwGVG stattgegeben und die Verfahrenshilfe in vollem Umfang bewilligt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Am 12.04.2021 brachte der Antragsteller eine Datenschutzbeschwerde bei der Datenschutzbehörde ein. Der Antragsteller brachte unter anderem vor, dass personenbezogene Daten zu ihm an einen Vertrauensanwalt in seinem Herkunftsland übermittelt worden seien, da die örtliche Polizei Nachschau bei seiner Familie gehalten habe. Mit Eingabe vom 14.06.2021 ergänzte der Antragsteller sein Vorbringen dahingehend, dass die im Laufe des Verfahrens vorgelegte Anfrage von der Antwort in gewissen Teilen abweiche, weshalb es zumindest Übersetzungsfehler geben müsse.

2. Mit Teilbescheid vom 13.09.2021 wies die Behörde die Beschwerde hinsichtlich der Verletzung im Recht auf Geheimhaltung ab. Im Wesentlichen begründete die Behörde ihre Entscheidung damit, dass im Schreiben an die Österreichische Botschaft keine personenbezogenen Daten des Antragstellers enthalten seien.

3. Der Antragsteller brachte folglich am 14.10.2021 einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe bei der Behörde ein. Er beantragte darin Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Beschwerde und zur Vertretung bei der Verhandlung im vollen Umfang, sowie die Beigebung eines Rechtsanwalts. Ebenso legte er ein Vermögensbekenntnis vom 14.10.2021 und eine Transaktionsliste seines Bankkontos bei.

4. Die Behörde legte den Antrag samt Verwaltungsakt mit Schreiben vom 15.10.2021 dem BVwG zur Entscheidung vor, wo er am 18.10.2021 einlangte.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den Verwaltungsakt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. beschriebene Verfahrensgang steht fest.

Der Antragsteller hat laut seinem Vermögensbekenntnis (OZ 1, S 439ff) ein Einkommen aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit in der Höhe von EUR 500,- einen derzeitigen Kontostand von ungefähr EUR 100,- und EUR 50,- Bargeld. Abgesehen von dem Reinigungsunternehmen seiner selbständigen Erwerbstätigkeit hat der Antragsteller keine nennenswerten Vermögenswerte. Dem stehen Ausgaben für die Untermiete eines Zimmers von monatlich EUR 150,- gegenüber, Unterhaltspflichten hat er nicht.

Die Muttersprache des Antragstellers ist Bengali.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen gründen auf dem unbedenklichen Verwaltungsakt, sowie insbesondere dem unbedenklichen Antrag auf Verfahrenshilfe und Vermögensverzeichnis.

Die Muttersprache des Antragstellers ergibt sich aus dem Verwaltungsakt (OZ 1, S 360). Es ist nachvollziehbar, dass für jemanden, dessen Muttersprache Bengali ist das Lesen, Erfassen und Verfassen von Schriftstücken auf Deutsch und Englisch – wie sie im Verwaltungsakt vorhanden sind – eine große Herausforderung und Hürde ist. Hinzu kommt, dass der Antragsteller aufgrund seines geringen Einkommens nicht in der Lage ist die Kosten der erforderlichen Rechtsvertretung und Rechtsverteidigung selbst zu tragen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da es sich beim Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe um keine Beschwerde handelt, besteht Einzelrichterzuständigkeit.

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu Spruchpunkt A)

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist zulässig.

3.1. Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 8a Abs 1 VwGVG ist, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. [...].

Gemäß Abs 2 dieser Bestimmung sind, soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung - ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.

Gemäß § 8a Abs 6 VwGVG hat die Behörde dem Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen, so hat es den Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Vertreter bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen der Partei zur Auswahl der Person des Vertreters im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen.

Gemäß § 8a Abs 7 VwGVG gilt, wenn die Partei innerhalb der Beschwerdefrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, so beginnt für sie die Beschwerdefrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid diesem zugestellt sind. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag abgewiesen, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei zu laufen. Entsprechendes gilt für die Fristen, die sich auf die sonstigen in Abs. 2 genannten Anträge beziehen.

3.2. Angewendet auf den Sachverhalt bedeutet das:

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist es nicht erforderlich, dass Verfahrenshilfe in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren ist. Vielmehr bedarf es einer Prüfung im Einzelfall. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Prüfungsbeschluss (VfGH 25.06.2015, G7/2015), der zur Aufhebung des § 40 VwGVG führte, die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte dahingehend zusammengefasst, dass der „Zugang zu einem Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein müsse“ ( XXXX ). In jenen Fällen, in denen es „unentbehrlich sei, dass der Partei eines Verfahrens ein unentgeltlicher Verfahrenshelfer beigestellt werde“, müsse ein solcher beigestellt werden.

Für diese Beurteilung sind verschiedene Kriterien maßgeblich. Das sind zum einen Kriterien, die sich auf die Person der Parteien beziehen, nämlich ihre Vermögensverhältnisse oder ihre Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden; zum anderen auch Kriterien, die in Zusammenhang mit der Rechtssache stehen, nämlich die Erfolgsaussichten, die Komplexität des Falles oder die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien (siehe ErläutRV 1255 BlgNR 25. GP 2).

Im konkreten Fall erfüllt der Antragsteller unstrittig die in § 8a Abs 1 VwGVG als Voraussetzung festgehaltenen persönlichen Kriterien der geringen Vermögensverhältnisse und der sprachlichen Probleme im Verkehr mit Behörden. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung ist auch nicht offenbar mutwillig oder aussichtslos.

Bei datenschutzrechtlichen Verfahren handelt es sich im Allgemeinen nicht immer um Verfahren komplexer Natur. Im vorliegenden Fall ergibt sich jedoch aus der besonderen, länderübergreifenden Sachlage in Zusammenschau mit den sprachlichen Barrieren des Antragstellers, dass er rechtsfreundlicher Hilfe bedarf. Über die Erfolgsaussichten der Beschwerde können derzeit naturgemäß keine Aussagen getätigt werden, jedoch erscheint diese jedenfalls nicht gänzlich aussichtslos.

Letztlich ist davon auszugehen, dass das gegenständliche Beschwerdeverfahren für den Antragsteller erhebliche Bedeutung hat, unter anderem da er sich um die Sicherheit seiner Familie sorgt (OZ 1, S 22). Im Rahmen einer Gesamtabwägung ist im konkreten Fall folglich von einem Überwiegen jener Umstände auszugehen, die die Gewährung der Verfahrenshilfe für geboten erscheinen lassen.

3.3. Dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist daher gemäß § 8a ABs 1 VwGVG stattzugeben. Es war spruchgemäß zu entscheiden.

3.4. Die Bestellung eines Rechtsanwaltes/einer Rechtsanwältin als Verfahrenshelfer/in erfolgt gesondert durch die Rechtsanwaltskammer.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Datenschutzverfahren Sprachkenntnisse Verfahrenshilfe Vermögensverhältnisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W252.2247431.1.00

Im RIS seit

03.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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