TE Vwgh Erkenntnis 2021/10/21 Ro 2019/07/0006

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Veröffentlicht am 21.10.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
81/01 Wasserrechtsgesetz

Norm

AVG §8
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwRallg
WRG 1959 §102 Abs1 lith
WRG 1959 §112 Abs2
WRG 1959 §12 Abs2
WRG 1959 §55 Abs2
WRG 1959 §55 Abs5

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. Bachler, Mag. Haunold, Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des Landeshauptmannes von Oberösterreich als wasserwirtschaftliches Planungsorgan in 4021 Linz, Kärntnerstraße 10-12, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 19. Februar 2019, Zl. LVwG-551357/16/Wg, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in einer Angelegenheit nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems; mitbeteiligte Partei: Dipl. Ing. T G in R, vertreten durch die Niederhuber & Partner Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Wilhelm-Spazier-Straße 2a), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Begründung

1        Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems (belangte Behörde) vom 3. Jänner 2012 wurde der mitbeteiligten Partei die wasserrechtliche Bewilligung für eine Wasserkraftanlage in Form eines Ausleitungskraftwerkes am T.-Fluss (öffentliches Wassergut) sowie zur Errichtung und zum Betrieb der dafür erforderlichen Anlagen (Krafthaus, Wehranlage, Druckleitung, Rampe/Fischwanderhilfe, Vertical-Slot-Pass) erteilt.

2        Einer dagegen erhobenen Berufung des Revisionswerbers (als wasserwirtschaftliches Planungsorgan) wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 8. Oktober 2012 stattgegeben und der Bewilligungsantrag abgewiesen. Nach Aufhebung dieses Berufungsbescheides mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 2014, B 79/2013-2, wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) die als Beschwerde zu wertende Berufung mit Beschluss vom 16. September 2014 als unzulässig zurück.

3        Der Ausführung der wasserrechtlich bewilligten Anlage stand zunächst die Nichterteilung der erforderlichen naturschutzrechtlichen Bewilligung entgegen.

4        Die belangte Behörde verlängerte mit Bescheid vom 14. November 2016 die ursprüngliche Baufertigstellungsfrist (31. Dezember 2016) bis zum 31. Dezember 2018.

5        In weiterer Folge reichte die mitbeteiligte Partei ein im Hinblick auf die naturschutzrechtlichen Anforderungen angepasstes bzw. geändertes Projekt ein, für das die Bezirkshauptmannschaft einen positiven naturschutzrechtlichen Bescheid vom 5. November 2018 erließ.

6        Die mitbeteiligte Partei, nach deren Ansicht die Abweichungen vom ursprünglichen Projekt im wasserrechtlichen Kollaudierungsverfahren nach § 121 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) als geringfügig nachträglich bewilligt werden könnten, beantragte mit E-Mail vom 23. August 2018 die neuerliche Erstreckung der wasserrechtlichen Bauvollendungsfrist, die von der belangten Behörde mit Bescheid vom 3. September 2018 gemäß §§ 98 und 112 Abs. 2 WRG 1959 bis zum 31. Dezember 2021 verlängert wurde.

7        Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber (als wasserwirtschaftliches Planungsorgan) Beschwerde, in der unter anderem ein Widerspruch zum Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan (NGP 2015) vorgebracht wurde.

8        Mit dem angefochtenen Beschluss wies das LVwG diese Beschwerde als unzulässig zurück. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ließ das LVwG zu.

9        Das LVwG hielt unter anderem fest, bei Erlassung des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides vom 3. Jänner 2012 habe der NGP 2009 gegolten. Der in der diesbezüglichen Tabelle für den maßgeblichen Bereich der T. ausgewiesene Zustand sei in der Natur nach wie vor vorhanden. In einer Anlage zum NGP 2015 sei eine Herabsetzung beim biologischen Zustand „Hydromorphologische Belastung“ von „1“ auf „2“ im maßgeblichen Bereich 401960045, Fluss-km 7 bis 13,50, auf Grundlage der rechtskräftigen wasserrechtlichen Bewilligung aus dem Jahr 2012 erfolgt. In der Natur sei jedoch noch der ursprünglich im NGP 2009 dokumentierte Zustand vorhanden, weil bei diesem Wasserkörper die wasserrechtliche Bewilligung bisher nicht konsumiert worden sei.

10       Der Revisionswerber und die mitbeteiligte Partei seien zudem unterschiedlicher Ansicht darüber, ob für das mit Bescheid vom 5. November 2018 naturschutzrechtlich bewilligte Projekt eine neue wasserrechtliche Bewilligung erforderlich sei.

11       Dazu stellte das LVwG im angefochtenen Beschluss fest, dass mit Bescheid vom 3. Jänner 2012 das Maß der Wasserbenutzung mit max. 4,8 m3/s festgesetzt worden sei. Die einzubauende Leistung sei mit max. 298 kW an der Turbinenwelle bei einem Jahresarbeitsvermögen i.M. 1900 MWh vorgegeben worden. Gegenüber dem damaligen Projekt sei im neuen naturschutzbehördlichen Verfahren die beantragte Ausbauwassermenge von 4.800 l/s auf 5.500 l/s erhöht worden. Die Restwasserdotation sei gleichgeblieben. Das ursprünglich als Flutmulde konzipierte, meist trocken liegende „Nebengerinne“ solle nun mit einer dauernd dotierten Niederwasserrinne als Umgehungsgerinne und Organismen-Aufstiegshilfe (statt ursprünglich einer Sohlrampe) fungieren.

12       Beweiswürdigend führte das LVwG unter anderem aus, die T. weise im hier maßgeblichen Bereich in der Natur, soweit hydromorphologische Belange betroffen seien, unbestritten - wie sich aus dem NGP 2009 ergebe - einen sehr guten Zustand auf. Im NGP 2015 sei die Zustandsbewertung insoweit auf „gut“ abgeändert worden, weil die Bewilligung vom 3. Jänner 2012 vorgelegen sei und sich mit der Errichtung des bewilligten Projekts der Zustand von „sehr gut“ auf „gut“ verschlechtern würde. Die mitbeteiligte Partei halte dem entgegen, es komme zu keiner Verschlechterung im Hinblick auf die rechtskräftig erteilte Bewilligung. Dies - so das LVwG weiter - ändere aber nichts daran, dass in der Natur - abweichend von der Ausweisung im NGP 2015 - nach wie vor ein „sehr guter“ Zustand vorhanden sei, weil die Anlage nicht errichtet worden sei. Die mitbeteiligte Partei habe mittlerweile eine neue naturschutzrechtliche Genehmigung eingeholt, gegen die der Umweltanwalt Beschwerde erhoben habe.

13       Vergleiche man die Bewilligung vom 3. Jänner 2012 mit dem neuen naturschutzrechtlichen Einreichprojekt, zeige sich (unter Verweis auf näher genannte fachliche Stellungnahmen), dass die Ausbauwassermenge erhöht und die Organismenwanderhilfe geändert ausgeführt werde.

14       In seinen rechtlichen Erwägungen hielt das LVwG fest, die Festsetzung der in § 112 WRG 1959 genannten Fristen berühre ausschließlich das Rechtsverhältnis zwischen der Behörde und dem Konsensträger, nicht jedoch die Rechtsstellung Dritter, auch wenn diesen im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren Parteistellung zukomme (Verweis auf VwGH 20.3.2014, 2013/07/0243).

15       Die Rechtsansicht des Revisionswerbers, wonach § 55 Abs. 5 WRG 1959 insbesondere vor dem unionsrechtlichen Hintergrund so verstanden werden müsse, dass gegenständlich eine Parteistellung des wasserwirtschaftlichen Planungsorgans begründet sei, sei zweifelsohne vertretbar. Da aber nach der zitierten Rechtsprechung nur der Konsensträger Partei sei, sei die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

16       Die ordentliche Revision wurde im angefochtenen Beschluss mit der Begründung zugelassen, dass sich im Falle der Errichtung des mit Bescheid vom 3. Jänner 2012 bewilligten Projekts der hydromorphologische Zustand der T. im maßgeblichen Bereich von „sehr gut“ auf „gut“ verschlechtern werde. Zur Rechtsansicht des Revisionswerbers, es bestehe in einem solchen Fall eine Rechtsmittellegitimation des wasserwirtschaftlichen Planungsorgans gemäß § 55 Abs. 5 in Verbindung mit § 102 Abs. 1 lit. h WRG 1959 auch im Fristverlängerungsverfahren nach § 112 Abs. 2 WRG 1959, sei keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorhanden.

17       Gegen diesen Beschluss des LVwG richtet sich die vorliegende Revision „wegen Rechtswidrigkeit“. Zur Begründung ihrer Zulässigkeit schloss sich die Revision den diesbezüglichen Ausführungen des LVwG an. Die Frage, ob dem wasserwirtschaftlichen Planungsorgan in einem Fristverlängerungsverfahren gemäß § 112 Abs. 2 WRG 1959 Parteistellung zukomme, wenn in diesem Verfahren wasserwirtschaftliche Interessen berührt würden und es dabei sogar um die Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben im Zusammenhang mit dem Verschlechterungsverbot der Wasserrahmenrichtlinie gehe, sei von grundsätzlicher Bedeutung.

18       Die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus (nunmehr: Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus) spricht sich in ihrer Revisionsbeantwortung mit näherer Begründung im Ergebnis für die Zuerkennung der Parteistellung des wasserwirtschaftlichen Planungsorgans aus.

19       Die mitbeteiligte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung die kostenpflichtige Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision.

20       Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

21       Die Revision ist aus dem im angefochtenen Beschluss und in der Revision genannten Grund zulässig. Sie erweist sich auch als begründet.

22       § 55 WRG 1959 in der Fassung BGBl. I Nr. 98/2013 lautet:

Wasserwirtschaftliche Planung einschließlich Hochwasserrisikomanagement

§ 55. (...)

(2) Dem Landeshauptmann als wasserwirtschaftlichem Planungsorgan obliegt

a)   die Zusammenfassung und Koordinierung aller wasserwirtschaftlichen Planungsfragen im Lande,

b)   die Überwachung der wasserwirtschaftlichen Entwicklung,

c)   die Sammlung der für die wasserwirtschaftliche Planung bedeutsamen Daten,

d)   die vorausschauende wasserwirtschaftliche Planung,

e)   die Schaffung von Grundlagen für die Festlegung von Schutz- und Schongebieten (§§ 34, 35, 37), für Verordnungen gemäß § 33 Abs. 2, für Sanierungsprogramme gemäß § 33d, für Beobachtungs- und voraussichtliche Maßnahmengebiete gemäß § 33f sowie für Regionalprogramme gemäß § 55g Abs. 1 Z 1,

f)   die Wahrnehmung wasserwirtschaftlicher Interessen gegenüber anderen Planungsträgern und Behörden,

g)   die Beurteilung von Vorhaben auf Vereinbarkeit mit wasserwirtschaftlichen Planungen und Zielen, insbesondere zur Wahrung der Interessen an der Trink- und Nutzwasserversorgung im Lande.

(...)

(5) Das wasserwirtschaftliche Planungsorgan ist in allen Verfahren nach diesem Bundesgesetz sowie nach dem Mineralrohstoffgesetz, dem Eisenbahnrecht, dem Schiffahrtsrecht, dem Gewerberecht, dem Rohrleitungsrecht, dem Forstrecht und dem Abfallrecht des Bundes, durch die wasserwirtschaftliche Interessen berührt werden, zu hören. Es hat Parteistellung sowie Beschwerdelegitimation an das Verwaltungsgericht in Wahrnehmung seiner Aufgaben zur Wahrung wasserwirtschaftlicher Interessen gemäß Abs. 2 lit. a bis g, insbesondere unter Bedachtnahme auf die in einem Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan oder einem Hochwasserrisikomanagementplan festgelegten Vorgaben (Maßnahmen) in allen behördlichen Verfahren nach diesem Bundesgesetz sowie in allen behördlichen Verfahren, in denen wasserrechtliche Bestimmungen mitangewendet werden; dies gilt nicht für Verfahren, in denen der Landeshauptmann als Behörde zur Entscheidung berufen ist. Im Rahmen seiner Parteistellung besteht für das wasserwirtschaftliche Planungsorgan auch die Möglichkeit gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.“

23       § 102 WRG 1959 in der Fassung BGBl. I Nr. 73/2018 lautet:

Parteien und Beteiligte.

§ 102. (1) Parteien sind:

(...)

h)   das wasserwirtschaftliche Planungsorgan in Wahrnehmung der in § 55 Abs. 2 lit. a bis g genannten Aufgaben, nach Maßgabe des § 55 Abs. 5.

(...)“

24       § 112 WRG 1959 in der Fassung BGBl. I Nr. 98/2013 lautet:

Fristen.

§ 112. (1) Zugleich mit der Bewilligung sind angemessene Fristen für die Bauvollendung der bewilligten Anlage kalendermäßig zu bestimmen; erforderlichenfalls können auch Teilfristen für wesentliche Anlagenteile festgesetzt und Fristen für den Baubeginn bestimmt werden. Fristverlängerungen, die durch das Beschwerdeverfahren vor den Verwaltungsgerichten notwendig werden, sind von Amts wegen vorzunehmen. Die Nichteinhaltung solcher Fristen hat bei Wasserbenutzungsanlagen das Erlöschen des Wasserbenutzungsrechtes (§ 27 Abs. 1 lit. f) zur Folge, sofern nicht die Wasserrechtsbehörde gemäß § 121 Abs. 1, letzter Satz, hievon absieht.

(2) Die Wasserrechtsbehörde kann aus triftigen Gründen diese Fristen verlängern, wenn vor ihrem Ablauf darum angesucht wird; die vorherige Anhörung der Parteien ist nicht erforderlich. Wird das Ansuchen rechtzeitig gestellt, dann ist der Ablauf der Frist bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde über den Verlängerungsantrag gehemmt. Wird gegen die Abweisung des Verlängerungsantrages das Verwaltungsgericht, der Verwaltungsgerichtshof oder der Verfassungsgerichtshof angerufen, wird der Ablauf der Frist bis zur Entscheidung dieser Gerichte verlängert. Wird ein Vorhaben während der Ausführung geändert, sind im hierüber ergehenden Bewilligungsbescheid die Baufristen soweit erforderlich neu zu bestimmen.

(...)“

25       Gegenständlich ist die Frage zu klären, ob dem Revisionswerber als wasserwirtschaftlichem Planungsorgan im Fristverlängerungsverfahren nach § 112 Abs. 2 WRG 1959 betreffend die Wasserkraftanlage der mitbeteiligten Partei Parteistellung und Beschwerdelegitimation an das Verwaltungsgericht zukommt. Dazu sind die zitierten Bestimmungen des § 55 Abs. 2 lit a bis g und Abs. 5 in Verbindung mit § 102 Abs. 1 lit. h WRG 1959 in den Blick zu nehmen.

26       Zunächst ist unbestritten, dass es sich um kein Verfahren handelt, in dem der Landeshauptmann als Behörde zur Entscheidung berufen war.

27       Gemäß § 55 Abs. 5 WRG 1959 hat das wasserwirtschaftliche Planungsorgan Parteistellung sowie Beschwerdelegitimation an das Verwaltungsgericht „in allen behördlichen Verfahren nach diesem Bundesgesetz“; dies jedoch eingeschränkt (soweit hier relevant) auf die „Wahrnehmung seiner Aufgaben zur Wahrung wasserwirtschaftlicher Interessen gemäß Abs. 2 lit. a bis g, insbesondere unter Bedachtnahme auf die in einem Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan (...) festgelegten Vorgaben (Maßnahmen)“.

28       Die Annahme, dem wasserwirtschaftlichen Planungsorgan komme in einem Fristverlängerungsverfahren nach § 112 Abs. 2 WRG 1959 keinesfalls Parteistellung zu, widerspricht bereits dem Wortlaut des § 55 Abs. 5 WRG 1959 („in allen behördlichen Verfahren nach diesem Bundesgesetz“).

29       Das LVwG und die mitbeteiligte Partei in ihrer Revisionsbeantwortung (auch zu ihrem Vorbringen, die Revision sei unzulässig) zitieren das hg. Erkenntnis vom 20. März 2014, 2013/07/0243. Darin hat der Verwaltungsgerichtshof unter anderem Folgendes ausgeführt:

„Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes berührt die Festsetzung der in § 112 WRG 1959 genannten Fristen ausschließlich das Rechtsverhältnis zwischen der Behörde und dem Konsensträger, nicht jedoch die Rechtsstellung Dritter, auch wenn diesen im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren Parteistellung zukommt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. Jänner 1992, 91/07/0012, vom 21. September 1995, 95/07/0166, und vom 20. Februar 1997, 96/07/0254).

Die Vorschreibung einer Baubeginns- oder Bauvollendungsfrist ist nämlich nicht etwa als Auflage zur erteilten Baubewilligung und damit auch nicht als eine Vorschreibung zu werten, an deren Zustandekommen oder an deren Abänderung anderen Parteien des wasserrechtlichen Verfahrens als dem Bewilligungswerber ein rechtliches Interesse zukommen könnte. Die Auferlegung oder auch Verlängerung dieser Fristen ist vielmehr nach § 112 Abs. 1 WRG 1959 zugleich mit der Bewilligung, dh als ein dem eigentlichen Bewilligungsverfahren nicht zuzurechnender Rechtsakt zu setzen, auf dessen Gestaltung mit Ausnahme des Bewilligungswerbers mangels einer dahin weisenden positiven Bestimmung des WRG 1959 niemandem ein rechtliches Interesse zusteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. September 1992, 92/07/0128; vgl. dazu auch Bumberger/Hinterwirth, WRG2, K 7 zu § 112). Darauf, ob den Beschwerdeführern im eigentlichen Bewilligungsverfahren Parteistellung zukam oder nicht, kommt es daher nicht an.“

30       Die in dieser Rechtsprechung (vgl. ebenso VwGH 25.4.2019, Ra 2018/07/0464) getroffenen Ausführungen bezogen sich jedoch auf die Frage, ob andere Personen als der Bewilligungswerber, die kraft subjektiver Rechte am Verfahren beteiligt sind, im Zusammenhang mit der Festlegung oder Verlängerung der Fristen nach § 112 WRG 1959 ein rechtliches Interesse geltend machen können. Dies wurde mit der dargelegten Begründung verneint.

31       Das wasserwirtschaftliche Planungsorgan ist nach dem WRG 1959 jedoch nicht Träger subjektiver Rechte, sondern als Amtspartei zur Wahrung bestimmter öffentlicher Interessen eingerichtet.

32       Eine Aussage, dass dem wasserwirtschaftlichen Planungsorgan in einem Verfahren wie dem vorliegenden, in dem es um die Verlängerung einer Frist gemäß § 112 Abs. 2 WRG 1959 geht, keine Parteistellung zukommt, ist der zitierten Judikatur - entgegen dem Vorbringen der mitbeteiligten Partei - nicht zu entnehmen.

33       Dies ergibt sich nicht zuletzt aus dem Verweis des Verwaltungsgerichtshofes im zitierten Erkenntnis auf das Fehlen einer „positiven Bestimmung des WRG 1959“, derzufolge jemandem ein rechtliches Interesse hinsichtlich der Auferlegung oder Verlängerung der Fristen nach § 112 Abs. 1 WRG 1959 zustünde. Dies trifft nämlich für die Träger subjektiver Rechte zu. Eine solche ausdrückliche Regelung existiert allerdings hinsichtlich des wasserwirtschaftlichen Planungsorgans mit § 102 Abs. 1 lit. h in Verbindung mit § 55 Abs. 2 lit. a bis g und Abs. 5 WRG 1959.

34       Dass der Verwaltungsgerichtshof in der zitierten Rechtsprechung die Frage der Parteistellung des wasserwirtschaftlichen Planungsorgans als Amtspartei nicht vor Augen hatte, zeigt sich auch darin, dass die im hg. Erkenntnis vom 20. März 2014, 2013/07/0243, verwiesene Vorjudikatur (VwGH 28.1.1992, 91/07/0012; 21.9.1995, 95/07/0166; 20.2.1997, 96/07/0254), bereits vor dem am 1. Oktober 1997 erfolgten Inkrafttreten der WRG-Novelle, BGBl. I Nr. 74/1997, mit dem in § 102 Abs. 1 lit. h WRG 1959 die Parteistellung des wasserwirtschaftlichen Planungsorgans eingerichtet wurde, ergangen war. Auch aus der erwähnten Vorjudikatur kann daher die Rechtsansicht, dem wasserwirtschaftlichen Planungsorgan komme im gegenständlichen Verfahren keine Parteistellung und keine Beschwerdelegitimation zu, nicht abgeleitet werden.

35       Im Gegensatz zu den Inhabern wasserrechtlich geschützter Rechte kommt dem wasserwirtschaftlichen Planungsorgan im Fristverlängerungsverfahren somit gemäß § 55 Abs. 5 (in Verbindung mit § 102 Abs. 1 lit. h) WRG 1959 Parteistellung zu, wenn durch die Fristverlängerung bestimmte wasserwirtschaftliche Interessen berührt werden (vgl. auch Bumberger/Hinterwirth, WRG3, K9 zu § 112 WRG 1959).

36       In diesem Zusammenhang nennt § 55 Abs. 5 WRG 1959 (soweit hier relevant) die Wahrung wasserwirtschaftlicher Interessen gemäß Abs. 2 lit. a bis g, insbesondere unter Bedachtnahme auf die in einem Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan festgelegten Vorgaben (Maßnahmen).

37       Hervorzuheben ist dabei vorliegend die in § 55 Abs. 2 WRG 1959 genannte „vorausschauende wasserwirtschaftliche Planung“ (lit. d) und „die Beurteilung von Vorhaben auf Vereinbarkeit mit wasserwirtschaftlichen Planungen und Zielen, insbesondere zur Wahrung der Interessen an der Trink- und Nutzwasserversorgung im Lande“ (lit. g).

38       Wasserwirtschaftliche Interessen im Sinn des § 55 Abs. 5 WRG 1959 werden von einem Vorhaben berührt, wenn nicht von vornherein auszuschließen ist, dass im Fall der Projektverwirklichung auf Gewässer in quantitativer oder qualitativer Hinsicht eingewirkt werden kann (in diesem Sinn auch Bumberger/Hinterwirth, WRG3, K13 zu § 55 WRG 1959, mit weiterem Literaturverweis).

39       In seiner Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 3. September 2018, mit dem die wasserrechtlichen Bauvollendungsfrist bis zum 31. Dezember 2021 verlängert wurde, hatte der Revisionswerber unter anderem einen Widerspruch zum NGP 2015, wobei er auch auf den NGP 2009 Bezug genommen hatte, und zur Judikatur des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) behauptet. Durch die Wasserkraftanlage der mitbeteiligten Partei würden die hydromorphologischen Qualitätskomponenten Wasserhaushalt, Durchgängigkeit und Morphologie von „sehr gut“ auf „gut“, somit um eine Zustandsklasse verschlechtert.

40       Auch in der vorliegenden Revision wird vorgebracht, die Errichtung und der Betrieb der Wasserkraftanlage der mitbeteiligten Partei an der T. führe im betroffenen Detailwasserkörper zur Verschlechterung der Qualitätskomponente „hydromorphologischer Zustand“ um eine Zustandsklasse von „sehr gut“ auf „gut“. Dies widerspreche dem Verschlechterungsverbot gemäß § 30a WRG 1959, der Judikatur des EuGH sowie den verbindlichen Vorgaben des NGP 2009 und des NGP 2015.

41       Es besteht kein Zweifel, dass das genannte Beschwerdevorbringen - inhaltlich betrachtet - ein solches zur Wahrung wasserwirtschaftlicher Interessen im Sinn des § 55 Abs. 5 WRG 1959 war.

42       Hinzu kommt, dass entsprechend den im angefochtenen Beschluss getroffenen Feststellungen des LVwG das mit Bescheid vom 5. November 2018 bewilligte naturschutzrechtliche Projekt im Vergleich zur wasserrechtlichen Bewilligung vom 3. Jänner 2012 näher genannte Abweichungen aufweist (Ausbauwassermenge; dauernd dotiertes Niederwassergerinne als Umgehungsgerinne und Organismen-Aufstiegshilfe anstelle des ursprünglich als Flutmulde konzipierten, meist trocken liegenden „Nebengerinnes“).

43       Soweit die mitbeteiligte Partei in ihrer Revisionsbeantwortung vorbringt, die - vermeintliche - Verschlechterung der hydromorphologischen Qualitätskomponente könne allein ihre Ursache im bereits rechtskräftigen wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid aus dem Jahr 2012 haben, aber nicht im Bescheid der belangten Behörde vom 3. September 2018, mit dem die Fertigstellungsfrist verlängert worden sei (weshalb gegen den Fristverlängerungsbescheid keine Rechtsmittelbefugnis des wasserwirtschaftlichen Planungsorganes bestehe), ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Demnach entspricht es bei der Entscheidung über eine Fristverlängerung nach § 112 Abs. 2 WRG 1959 grundsätzlich dem Sinn des Gesetzes, Umstände zu berücksichtigen, die zu einer Versagung einer neu beantragten wasserrechtlichen Bewilligung führen würden. Wäre eine Neuerteilung der wasserrechtlichen Bewilligung nicht möglich, wird die Fristverlängerung zu Recht versagt (VwGH 24.5.2016, Ra 2016/07/0036, mwN).

44       Es kann gegenständlich dahinstehen, ob eine Neuerteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für das Wasserkraftwerk der mitbeteiligten Partei (überdies unter Berücksichtigung der inzwischen aufgrund des naturschutzrechtlichen Verfahrens beabsichtigten Änderungen der Anlage) erteilt werden könnte oder zu versagen wäre. Entscheidend ist vielmehr, dass auf dem Boden der Feststellungen des LVwG mit dem - eine Verschlechterung der Zustandsklasse behauptenden und nach der zitierten Judikatur im gegenständlichen Fristverlängerungsverfahren nach § 112 Abs. 2 WRG 1959 auch relevanten - Vorbringen des Revisionswerbers jedenfalls wasserwirtschaftliche Interessen gemäß § 55 Abs. 5 WRG 1959 im dargestellten Sinn berührt wurden, deren Wahrung der Gesetzgeber dem wasserwirtschaftlichen Planungsorgan in allen behördlichen Verfahren nach dem WRG 1959 zur Aufgabe gemacht hat.

45       Die mit dem angefochtenen Beschluss des LVwG erfolgte Zurückweisung der Beschwerde des Revisionswerbers erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig.

46       Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 21. Oktober 2021

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Besondere Rechtsgebiete Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Parteibegriff - Parteienrechte Allgemein diverse Interessen Rechtspersönlichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RO2019070006.J00

Im RIS seit

03.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

06.12.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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