Index
L69304 Wasserversorgung OberösterreichNorm
AVG §56Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler, Mag. Haunold, Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revisionen 1. des Ing. W Z und 2. der M Z, beide in K, beide vertreten durch DDr. Wolfgang Doppelbauer, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Rainerstraße 16, gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 30. April 2019, LVwG-152055/5/RK/MH, LVwG-152056/5/RK/MH, betreffend eine Angelegenheit nach dem Oö. Wasserversorgungsgesetz 2015 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Marktgemeinde Kremsmünster), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revisionen werden als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Die revisionswerbenden Parteien sind jeweils Hälfteeigentümer des Grundstücks Nr. 31/8, KG K., auf dem sich ein Gebäude (Objekt K. Nr. 10) befindet.
2 Mit Bescheiden vom 26. November 2018 trug der Bürgermeister der Marktgemeinde Kremsmünster den revisionswerbenden Parteien jeweils gemäß § 5 Abs. 5 Oberösterreichisches Wasserversorgungsgesetz 2015 (Oö. WVG 2015) auf, ihr Objekt K. Nr. 10, welches im Anschlusspflichtbereich der öffentlichen Wasserversorgungsanlage der Marktgemeinde Kremsmünster liege, an diese anzuschließen und die dazu erforderlichen Einrichtungen unter näher genannten Bedingungen und Auflagen herzustellen.
3 In ihren gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden brachten die revisionswerbenden Parteien vor, das auf ihrem Grundstück befindliche Wohnhaus (Objekt K. Nr. 10) werde durch die Wassergenossenschaft A tatsächlich versorgt. Es bestehe daher gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 Oö. WVG 2015 eine Ausnahme von der Anschlusspflicht.
4 Mit den angefochtenen Erkenntnissen wies das Verwaltungsgericht die Beschwerden der revisionswerbenden Parteien als unbegründet ab. Revisionen erklärte es für nicht zulässig.
5 Das Verwaltungsgericht stellte fest, der zu erwartende Wasserbedarf des Objektes der revisionswerbenden Parteien könne von der gemeindeeigenen Wasserversorgungsanlage voll befriedigt werden. Die kürzeste, in Luftlinie gemessene Entfernung zwischen dem auf den Erdboden projizierten, am weitesten Richtung Versorgungsleitung vorspringenden Teil des Objektes K. Nr. 10 (Messpunkt) und dem für den Anschluss in Betracht kommenden Strang der Versorgungsleitung der Gemeinde-Wasserversorgungsanlage betrage weniger als 50 Meter.
6 Die Satzung der Wassergenossenschaft A sei (erst) mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf vom 22. November 2018 genehmigt worden.
7 Die Anschlusspflicht nach § 5 Abs. 1 Oö. WVG 2015 trete, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen nach dieser Bestimmung erfüllt seien, ex lege ein. Hinsichtlich des Objektes der revisionswerbenden Parteien habe die Anschlusspflicht aufgrund der Erfüllung dieser Voraussetzungen bereits seit Inkrafttreten des Oö. WVG 2015 am 1. April 2015 bestanden. Auf diesen Zeitpunkt sei auch bei der Beurteilung abzustellen, ob die mit dem Oö. WVG 2015 erstmals eingeführte - ebenso ex lege eintretende - Ausnahme von der Anschlusspflicht gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 Oö. WVG 2015 greife. Die Ausnahme von der Anschlusspflicht nach § 6 Abs. 1 Z 2 Oö. WVG 2015 setze die Versorgung durch eine Wassergenossenschaft nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) voraus. Nicht ausreichend sei somit, dass ein Objekt bloß durch eine Gemeinschaftsanlage versorgt werde. Die Wassergenossenschaft A sei zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Oö. WVG 2015 noch nicht gegründet gewesen, sodass der Ausnahmetatbestand nicht erfüllt gewesen sei. Damit sei aber die Anschlusspflicht hinsichtlich des Objektes der revisionswerbenden Parteien zu bejahen.
8 Revisionen seien nicht zulässig, weil sich die Beurteilung der auftretenden Rechtsfragen auf den klaren gesetzlichen Wortlaut stützen könne, sodass trotz Fehlens von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliege.
9 Gegen diese Erkenntnisse erhoben die revisionswerbenden Parteien zunächst Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 3. Oktober 2019, E 2280/2019-5, deren Behandlung ablehnte und die Beschwerden dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
10 Daraufhin wurden die vorliegenden außerordentlichen Revisionen erhoben. Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof brachte der Bürgermeister der Marktgemeinde Kremsmünster ein als Revisionsbeantwortung bezeichnetes Schreiben ein, in dem er erklärte, den angefochtenen Erkenntnissen des Verwaltungsgerichts zuzustimmen.
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12 Die revisionswerbenden Parteien machen zur Zulässigkeit ihrer Revisionen zusammengefasst geltend, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 6 Abs. 1 Z 2 Oö. WVG 2015. Richtigerweise ergebe sich aus einer Interpretation der maßgeblichen Bestimmungen des Oö. WVG 2015, dass eine einmal entstandene Anschlusspflicht nach § 6 Abs. 1 Z 2 Oö. WVG 2015 wieder wegfalle, wenn ein Objekt in der Folge durch eine Wassergenossenschaft tatsächlich versorgt werde. Die Rechtslage sei jedenfalls nicht eindeutig.
13 Die Revisionen sind im Sinn der Ausführungen in den Revisionen zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 6 Abs. 1 Z 2 Oö. WVG 2015 nicht vorliegt. Die Revisionen sind aber nicht berechtigt.
14 Nach § 36 Abs. 1 WRG 1959 kann zur Wahrung der Interessen eines gemeinnützigen öffentlichen Wasserversorgungsunternehmens ein Anschlusszwang vorgesehen, ferner die Einschränkung der Errichtung eigener Wasserversorgungsanlagen oder deren Auflassung dann verfügt werden, wenn und insoweit die Weiterbenutzung bestehender Anlagen die Gesundheit gefährden oder die Errichtung neuer Anlagen den Bestand der öffentlichen Wasserleitung in wirtschaftlicher Beziehung bedrohen könnte. Die näheren Bestimmungen bleiben der Landesgesetzgebung überlassen.
15 Die §§ 3, 5 und 6 Oö. WVG 2015 lauten samt Überschriften auszugsweise:
„§ 3
Begriffsbestimmungen
Im Sinn dieses Landesgesetzes bedeutet:
1. (...)
2. Gemeinde-Wasserversorgungsanlage: gemeinnützige (Z 3) öffentliche (Z 5) Wasserversorgungsanlage, derer sich die Gemeinde zur Erfüllung der ihr obliegenden öffentlichen Aufgaben bedient, auch dann, wenn die Betreiberin bzw. der Betreiber dieser Anlage in direkte Rechtsbeziehung zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern tritt;
3. gemeinnützige Wasserversorgungsanlage: Wasserversorgungsanlage, deren Gebühren und Entgelte für die Benützung den Aufwand für die Erhaltung und den Betrieb der Anlage sowie für die Verzinsung und Tilgung der Errichtungskosten unter Berücksichtigung einer der Art der Anlage entsprechenden Lebensdauer das doppelte Jahreserfordernis nicht übersteigen;
4. (...)
5. öffentliche Wasserversorgungsanlage: Wasserversorgungsanlage, an deren Leitungsnetz der Anschluss innerhalb ihres Versorgungsbereichs und im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit allgemein offen steht;
6. Wassergenossenschaften: jene Genossenschaften, welche nach den Bestimmungen des 9. Abschnitts des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG. 1959), BGBl. Nr. 215/1959, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 54/2014, gegründet worden sind.
§ 5
Anschluss- und Bezugspflicht
(1) Für Objekte besteht Anschlusspflicht an eine Gemeinde-Wasserversorgungsanlage, wenn
1. der zu erwartende Wasserbedarf dieser Objekte von dieser öffentlichen Wasserversorgungsanlage voll befriedigt werden kann, und
2. die kürzeste, in Luftlinie gemessene Entfernung zwischen dem auf den Erdboden projizierten am weitesten Richtung Versorgungsleitung vorspringenden Teil des Objektes (Messpunkt) und dem für den Anschluss in Betracht kommenden Strang der Versorgungsleitung der Gemeinde-Wasserversorgungsanlage nicht mehr als 50 Meter beträgt.
(2) Die Anschlusspflicht hat die Wirkung, dass der Bedarf an Trink- und Nutzwasser in den Objekten ausschließlich aus der Gemeinde-Wasserversorgungsanlage gedeckt werden kann. Die Anschlusspflicht ist mit einer Bezugspflicht verbunden, sofern nicht gemäß § 7 eine Ausnahme davon gewährt werden kann.
(3) Die zum Anschluss erforderlichen Einrichtungen des anschlusspflichtigen Objektes sind bei Neubauten vor deren erstmaliger Benützung und bei bestehenden Objekten innerhalb von sechs Monaten nach Fertigstellung der öffentlichen Versorgungsleitung herzustellen. Die Veranlassung der Herstellung obliegt der Eigentümerin bzw. dem Eigentümer des anschlusspflichtigen Objektes, die bzw. der auch die Kosten für die Herstellung und die Instandhaltung dieser Einrichtungen zu tragen hat.
(4) (...)
(5) Kommt die Eigentümerin bzw. der Eigentümer eines Objektes ihrer bzw. seiner Verpflichtung nach Abs. 3 nicht nach, hat die Behörde mit Bescheid die Herstellung der für den Anschluss erforderlichen Einrichtungen binnen angemessener Frist vorzuschreiben. (...)
§ 6
Ausnahmen von der Anschlusspflicht
(1) Anschlusspflicht besteht nicht
1. (...)
2. wenn Objekte (bereits) durch eine Wassergenossenschaft tatsächlich versorgt werden.
(2) Die Gemeinde hat für Objekte mit zum Zeitpunkt des Entstehens der Anschlusspflicht bestehender eigener Wasserversorgungsanlage auf Antrag eine Ausnahme von der Anschlusspflicht zu gewähren, wenn
1. dies die Anschlussverpflichtete bzw. der Anschlussverpflichtete spätestens binnen vier Wochen nach Zustellung des Bescheids nach § 5 Abs. 5 beantragt,
2. bis 4. (...)
(3) und (4) (...)“
16 § 5 Abs. 1 Oö. WVG 2015 knüpft das Bestehen der Anschlusspflicht an eine Gemeinde-Wasserversorgungsanlage daran, dass der zu erwartende Wasserbedarf dieser Objekte von der öffentlichen Wasserversorgungsanlage voll befriedigt werden kann und sich eine Versorgungsleitung innerhalb des in der Bestimmung genannten Anschlussbereichs vom Objekt befindet. Die Anschlusspflicht entsteht bei Erfüllung der Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Oö. WVG 2015, ohne dass die Erlassung eines Bescheides erforderlich wäre. Lediglich im Fall, dass der Eigentümer des Objektes, hinsichtlich dessen eine Anschlusspflicht besteht, seiner Verpflichtung nicht fristgerecht nachkommt, ist ihm gemäß § 5 Abs. 5 Oö. WVG 2015 mit Bescheid die Herstellung der für den Anschluss erforderlichen Einrichtungen binnen angemessener Frist vorzuschreiben (vgl. AB 1372/2015 BlgLT 27. GP 9f; vgl. idS auch bereits VwGH 23.1.2020, Ra 2019/07/0093, mit näheren Ausführungen zum verwaltungspolizeilichen Charakter eines solchen Auftrages).
17 Nach den - teilweise disloziert im Zuge der rechtlichen Beurteilung getroffenen - Feststellungen des Verwaltungsgerichts waren beim Objekt der revisionswerbenden Parteien die Voraussetzungen der Anschlusspflicht nach § 5 Abs. 1 Oö. WVG 2015 im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Oö. WVG 2015 am 1. April 2015 gegeben. Soweit in den Revisionsgründen nunmehr vorgebracht wird, das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, eine (ausdrückliche) Feststellung zum Zeitpunkt zu treffen, zu dem eine für die Versorgung ausreichende Leistungsfähigkeit der Gemeinde-Wasserversorgungsanlage eingetreten sei, ist dem zu entgegnen, dass die Ausführungen des Verwaltungsgerichts keinen Zweifel daran lassen, dass der Wasserbedarf des Objektes der revisionswerbenden Partei von der Gemeinde-Wasserversorgungsanlage jedenfalls bereits zum 1. April 2015 voll befriedigt werden konnte. Dass die damals bereits errichtete Wasserversorgungsanlage der Gemeinde die erforderliche Leistungsfähigkeit erst zu einem späteren Zeitpunkt erlangt hätte, wurde im Verfahren des Verwaltungsgerichts im Übrigen nicht behauptet.
18 Es kann nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Oö. WVG 2015 nicht zweifelhaft sein, dass die in dieser Bestimmung genannten Ausnahmen von der Anschlusspflicht bei Erfüllung der Voraussetzungen ex lege bestehen. Im Gegensatz zum Ausnahmetatbestand nach § 6 Abs. 2 Oö. WVG 2015 für bestehende eigene Wasserversorgungsanlagen bedarf es somit keiner Gewährung durch einen Bescheid.
19 § 6 Abs. 1 Z 2 Oö. WVG 2015 stellt auf eine Versorgung durch eine Wassergenossenschaft ab. Als Wassergenossenschaft sind nach § 3 Z 6 Oö. WVG 2015 die nach den Bestimmungen des 9. Abschnitts des WRG 1959 gegründeten Genossenschaften anzusehen. Im vorliegenden Fall lag eine freiwillige Genossenschaft vor. Eine solche wird gemäß § 74 Abs. 1 lit. a WRG 1959 durch Anerkennung einer freien Vereinbarung der daran Beteiligten gebildet. Notwendige Voraussetzung für das Entstehen der Wassergenossenschaft ist daher ein Bescheid. Erst mit der Rechtskraft des Bescheides erlangt eine Wassergenossenschaft gemäß § 74 Abs. 2 WRG 1959 Rechtspersönlichkeit (vgl. VwGH 31.1.1984, 83/07/0062; OGH 27.7.1995, 1 Ob 1/95; Bumberger/Hinterwirth, WRG Wasserrechtsgesetz3 [2020], § 74 K 1).
20 Hinsichtlich der Wassergenossenschaft A ist der Anerkennungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf am 22. November 2018 ergangen. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, scheidet davor eine Erfüllung des Ausnahmetatbestandes nach § 6 Abs. 1 Z 2 Oö. WVG 2015 hinsichtlich des Objektes der revisionswerbenden Parteien mangels Vorliegens einer Wassergenossenschaft im Sinn von § 3 Z 6 Oö. WVG 2015 iVm. dem 9. Abschnitt des WRG 1959 aus. Da - wie dargestellt - die Voraussetzungen der Anschlusspflicht nach § 5 Abs. 1 Oö. WVG 2015 beim Objekt der revisionswerbenden Parteien bereits mit Inkrafttreten des Oö. WVG 2015 zum 1. April 2015 vorlagen, waren die revisionswerbenden Parteien somit - jedenfalls zunächst - verpflichtet, ihr Objekt an die Gemeinde-Wasserversorgungsanlage anzuschließen. Es ist daher, wie auch die Revisionen erkennen, zu untersuchen, ob nach § 6 Abs. 1 Z 2 Oö. WVG 2015 auch eine bereits entstandene Anschlusspflicht infolge einer erst später geschaffenen Versorgung durch eine Wassergenossenschaft wieder wegfallen kann.
21 Die Verwendung des Begriffes „(bereits)“ in § 6 Abs. 1 Z 2 Oö. WVG 2015 scheint im Sinn der Ausführungen des Verwaltungsgerichts nahezulegen, dass der Ausnahmetatbestand nur auf eine schon im Zeitpunkt des Entstehens der Anschlusspflicht nach § 5 Abs. 1 Oö. WVG 2015 bestehende Versorgung durch eine Wassergenossenschaft abstellt. Dagegen wird in den Revisionen argumentiert, daraus, dass das Wort „bereits“ vom Gesetzgeber in Klammern gesetzt worden sei, werde deutlich, dass nicht nur durch eine schon im Zeitpunkt des Entstehens der Anschlusspflicht bestehende, sondern alternativ auch durch eine erst später geschaffene Versorgung eines Objektes durch eine Wassergenossenschaft die Anschlusspflicht entfalle. Der Gesetzgeber habe insoweit beabsichtigt, eine Gleichstellung der Versorgung durch kommunale und genossenschaftliche Wasserversorgungseinrichtungen zu erreichen.
22 Dazu ist zunächst auf die Materialien (AB 1372/2015 BlgLT 27. GP 6) zu verweisen, wo zu § 3 Z 6 Oö. WVG 2015 auszugsweise ausgeführt wird:
„Wasserversorgungsanlagen, die von Wassergenossenschaften im Sinn des 9. Abschnitts des WRG. 1959 (Z 6) betrieben werden, sind ebenfalls als ‚öffentlich‘ im Sinn der Z 5 anzusehen, da ein ausdrücklich gewünschter Anschluss von der Versorgerseite her nicht verweigert werden kann, also Kontrahierungszwang besteht. Sie sind darüber hinaus auch ‚gemeinnützig‘ im Sinn der Z 3, sodass es gerechtfertigt ist, von einer Anschlusspflicht an eine Gemeinde-Wasserversorgungsanlage dann abzusehen, wenn ein Objekt bereits durch eine Wassergenossenschaft tatsächlich versorgt wird (vgl. § 6 Abs. 1 Z 2 und die Erläuternden Bemerkungen dazu). Anschlusspflicht an eine genossenschaftliche Wasserversorgungsanlage besteht aber nur dann, wenn auf Grund einschlägiger Vereinbarungen klargestellt ist, dass sich die Gemeinde dieser Anlage bedient und sie daher (auch) als Gemeinde-Wasserversorgungsanlage im Sinn der Z 2 zu qualifizieren ist.“
23 Zu § 6 Abs. 1 Z 2 Oö. WVG 2015 wird festgehalten (AB 1372/2015 BlgLT 27. GP 11f):
„Im Abs. 1 Z 2 ist eine neue Regelung zugunsten von Wassergenossenschaften (vgl. die Begriffsdefinition im § 3 Z 6) vorgesehen. Demgemäß besteht eine Anschlusspflicht nicht, wenn Objekte bereits durch eine Wassergenossenschaft tatsächlich versorgt werden. Diese Regelung entspricht der konsequenten Umsetzung der Landesstrategie ‚Zukunft Trinkwasser‘, welche insofern eine Gleichstellung von kommunalen und genossenschaftlichen Wasserversorgungsunternehmen vorsieht (vgl. dazu näher die Erläuternden Bemerkungen zu § 3 Z 6).“
24 Aus den Materialien wird deutlich, dass der Gesetzgeber mit § 6 Abs. 1 Z 2 Oö. WVG 2015 gegenüber der vorherigen Rechtslage nach dem Oö. WVG 1997, LGBl. Nr. 24/1997, eine Aufwertung der Versorgung von Objekten durch Wassergenossenschaften nach dem WRG 1959 erreichen wollte. Dem folgend muss eine Versorgung eines Objektes durch eine Wassergenossenschaft einer Versorgung durch eine Gemeinde-Wasserversorgungsanlage nicht weichen. Anders als beim Ausnahmetatbestand nach § 6 Abs. 2 Oö. WVG 2015 für zum Zeitpunkt des Entstehens der Anschlusspflicht bestehende eigene Wasserversorgungsanlagen ist nach § 6 Abs. 1 Z 2 Oö. WVG 2015 die Ausnahme vom Anschlusszwang insbesondere auch nicht davon abhängig, dass der Anschluss an die Gemeinde-Wasserversorgungsanlage mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden wäre (vgl. insoweit zum Ausnahmetatbestand nach § 6 Abs. 2 Oö. WVG 2015 VwGH 24.2.2020, Ra 2019/07/0119; 1.2.2021, Ra 2020/07/0079). Die Materialien sprechen in diesem Zusammenhang aber von Objekten, die „bereits durch eine Wassergenossenschaft tatsächlich versorgt werden“. Das legt nahe, dass nur eine schon bei Errichtung einer Gemeinde-Wasserversorgungsanlage und Entstehen des Anschlusszwanges vorhandene und nicht eine erst später hergestellte Versorgung durch eine Wassergenossenschaft gemeint war und dies durch den Begriff „(bereits)“ in § 6 Abs. 1 Z 2 Oö. WVG 2015 zum Ausdruck kommen sollte.
25 Für dieses Ergebnis spricht tendenziell auch der Zweck der Anschlusspflicht. In den Materialien zum Oö. WVG 2015 wird dazu darauf hingewiesen, dass der Anschlusszwang - wie bereits seit seiner Einführung im Jahr 1956 - im öffentlichen Interesse erforderlich sei, weil an die Stelle einer Unzahl kleiner, nicht geschützter oder nicht zu schützender, unkontrollierbarer und nicht einwandfreier Wasserversorgungsanlagen große gemeinsame Wasserversorgungsanlagen treten sollten, die infolge entsprechender Schutzmaßnahmen und sanitärer Überwachung die Gewähr dafür böten, dass die Bevölkerung mit dem erforderlichen einwandfreien Trink- und Nutzwasser versorgt werde. Dieses Ziel müsse auch gegen den Widerstand einzelner durchsetzbar sein (vgl. AB 1372/2015 BlgLT 27. GP 8; vgl. auch nochmals VwGH Ra 2019/07/0093).
26 Das Oö. WVG 2015 hält somit am angestrebten Grundmodell der Versorgung eines Gebietes durch eine „große gemeinsame“ Wasserversorgungsanlage fest. Aus den zitierten Materialien zu § 3 Z 6 Oö. WVG 2015 ist abzuleiten, dass der Gesetzgeber insoweit eine Versorgung auch ganzer Regionen durch Wassergenossenschaften der Versorgung durch Gemeinde-Wasserversorgungsanlagen als gleichwertig ansieht, weil auch Wassergenossenschaften öffentlich und gemeinnützig im Sinn von § 3 Z 3 und 5 Oö. WVG 2015 seien. Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber aber vor Augen gehabt hätte, dass Wassergenossenschaften hinsichtlich der Versorgung in Konkurrenz zu bereits bestehenden, für ein Gebiet errichteten Gemeinde-Wasserversorgungsanlagen treten sollen, sind den Materialien nicht zu entnehmen.
27 In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass Voraussetzung und Zweck der Normierung eines Anschlusszwanges durch den Landesgesetzgeber nach § 36 Abs. 1 WRG 1959 ist, dass dieser zur Wahrung der Interessen eines gemeinnützigen öffentlichen Wasserversorgungsunternehmens dient (vgl. VfGH 13.6.2014, B 324/2013, VfSlg. 19.869), wobei insbesondere die Errichtung neuer Anlagen eingeschränkt werden kann, wenn sie den Bestand der öffentlichen Wasserleitung in wirtschaftlicher Beziehung bedrohen könnte. Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu festgehalten, dass § 36 Abs. 1 WRG 1959 dagegen eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen des Eigentümers eines dem Anschlusszwang unterliegenden Objektes nicht vorsieht (vgl. VwGH 24.7.2014, Ro 2014/07/0061).
28 Da Wasserversorgungsanlagen bereits im Zuge ihrer Errichtung entsprechend dem jeweiligen Bedarf dimensioniert werden, liegt es auf der Hand, dass die Möglichkeit nachträglich durch die Errichtung eigener, auch genossenschaftlicher Wasserversorgungsanlagen einen bestehenden Anschlusszwang beseitigen zu können, den wirtschaftlichen Interessen bestehender gemeinnütziger öffentlicher Wasserversorgungsunternehmens zuwiderlaufen und potentiell auch die Möglichkeit, solche Wasserversorgungsunternehmen wirtschaftlich führen zu können, bedrohen könnte. Eine solche Gefahr geht von durch Wassergenossenschaften neu errichtete Anlagen nicht in geringerem Maß als von einer bloßen hauseigenen Wasserversorgung aus. Es liegt nahe, dass das Oö. WVG 2015 auch dieser Bedrohung der Interessen bestehender gemeinnütziger öffentlicher Wasserversorgungsunternehmen begegnen wollte.
29 Das Verwaltungsgericht ist somit zutreffend davon ausgegangen, dass die Anschlusspflicht hinsichtlich des Objektes der revisionswerbenden Parteien durch eine erst nach Entstehen der Anschlusspflicht errichtete Versorgung durch die Wassergenossenschaft A nicht beseitigt werden konnte.
30 Die Revisionen waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
31 Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte nach § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden. In den Revisionen wurden keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte (vgl. zur insoweit maßgeblichen Judikatur etwa VwGH 24.10.2019, Ro 2019/07/0002, mit weiteren Hinweisen).
Wien, am 21. Oktober 2021
Schlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive Bescheide Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019070125.L00Im RIS seit
03.12.2021Zuletzt aktualisiert am
06.12.2021