TE Vwgh Beschluss 2021/11/4 Ra 2021/13/0100

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Veröffentlicht am 04.11.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §299
BAO §303 Abs1 litb
BAO §93 Abs3 lita
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der S in P, vertreten durch die Eckhardt Wirtschaftsprüfung und SteuerberatungsgmbH in 7033 Pöttsching, Hauptstraße 58, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 26. Mai 2021, Zl. RV/7103530/2019, betreffend u.a. Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 2016 und 2017 sowie Einkommensteuer 2016 und 2017, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheiden vom 10. August 2018 hob das Finanzamt die Einkommensteuerbescheide 2016 und 2017 vom 2. August 2018 gemäß § 299 BAO auf. Dagegen erhob die Revisionswerberin Beschwerden. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 22. November 2018 gab das Finanzamt den Beschwerden statt, weil die Aufhebungsbescheide keine Begründung enthalten hatten.

2        Nach einem Vorhaltsverfahren hob das Finanzamt am 25. April 2019 die Einkommensteuerbescheide 2016 und 2017 vom 2. August 2018 erneut gemäß § 299 BAO auf und erließ neue Einkommensteuerbescheide. Begründend wurde ausgeführt, dass der Spruch der Bescheide vom 2. August 2018 rechtswidrig sei. Es sei ein Sanierungsgewinn nicht berücksichtigt worden. Die Aufhebung sei aus Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen erfolgt; im vorliegenden Fall überwiege das Interesse an der Rechtsrichtigkeit das Interesse auf Rechtsbeständigkeit. Die steuerlichen Auswirkungen könnten auch nicht als geringfügig angesehen werden.

3        Die Revisionswerberin erhob fristgerecht Beschwerden, in denen sie vorbrachte, die „Wiederaufnahme“ gemäß § 299 BAO für die Einkommensteuerbescheide 2016 und 2017 habe keine Begründungsausführungen enthalten und sei somit mit einem wesentlichen Mangel behaftet gewesen und dieser sei auch nicht sanierbar. Da, wie schon in der Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes, der Hinweis auf die Nichtsanierbarkeit enthalten sei und außerdem ein neuer Tatsachenkomplex nicht vorliege, sei eine weitere „Wiederaufnahme“ für die Einkommensteuer 2016 und 2017 nicht mehr möglich.

4        Nach abweisenden Beschwerdevorentscheidungen stellte die Revisionswerberin Vorlageanträge.

5        Das Bundesfinanzgericht wies mit dem angefochtenen Erkenntnis die Beschwerden gegen die Aufhebungsbescheide als unbegründet ab, gab den Beschwerden gegen die Sachbescheide teilweise Folge und änderte die Bescheide ab.

6        In der rechtlichen Beurteilung führte das Bundesfinanzgericht - soweit für das vorliegende Revisionsverfahren relevant - aus, dass die Voraussetzungen für eine Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO vorlägen, weil sich der Spruch der aufgehobenen Einkommensteuerbescheide als rechtswidrig erwiesen habe. Zweck der Bestimmung über die Aufhebungen gemäß § 299 BAO sei es, dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit vor allem im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung Rechnung zu tragen und diesem Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit zu geben. Bei Abwägung aller in Betracht kommender Gesichtspunkte würde ein Absehen von den beschwerdegegenständlichen Abgaben diesem Prinzip nicht Rechnung tragen. Die positive Ermessensübung stehe daher im Einklang mit der im gegebenen Zusammenhang maßgeblichen gesetzlichen Bestimmung.

7        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, bei der Anfechtung eines Wiederaufnahmebescheides habe die Rechtsmittelbehörde zu prüfen, ob die von der Abgabenbehörde angenommenen Wiederaufnahmegründe die Wiederaufnahme rechtfertigen würden. Dies gelte nach der Rechtsprechung auch für Rechtsmittel gegen Aufhebungsbescheide gemäß § 299 BAO. Die Grundsätze des § 303 BAO seien auch auf § 299 BAO anzuwenden, so dass der Tatsachenkomplex bzw. die Sache im ersten Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO offenzulegen sei. Wenn das Bundesfinanzgericht ausführe, eine Aufhebung nach § 299 BAO könne auch mehrfach hintereinander erfolgen, könne dies nur bedeuten, dass jedes Mal ein neuer Tatsachenkomplex bzw. eine neue Sache vorliegen müsse. Zusätzlich sei noch Aktenwidrigkeit einzuwenden, weil die Vertreterin des Finanzamtes bei der Tagsatzung anwesend gewesen sei, wo auch der Zahlungsplan mit einer Quote von 5% angenommen worden sei. Das Finanzamt habe daher bei Erstellung der Bescheide für die Jahre 2016 und 2017 über einen möglichen Sanierungsgewinn Bescheid gewusst.

8        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11       Gemäß § 299 BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.

12       Die Begründung des Aufhebungsbescheides hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 299 BAO darzulegen und die Gründe für die Ermessensübung darzustellen (vgl. VwGH 26.4.2012, 2009/15/0119).

13       Die Revision scheint anzunehmen, dass das Fehlen einer Begründung im ersten Aufhebungsbescheid vom 10. August 2018 zur Folge habe, dass keine Aufhebung dieses Bescheides nach § 299 BAO mehr erfolgen dürfe. Diese Ansicht entbehrt jeder Grundlage.

14       Bei einer Bescheidaufhebung von Amts wegen legt die Abgabenbehörde im Zusammenhang mit der Erlassung des Aufhebungsbescheides fest, aus welchen Gründen sie den Bescheid als inhaltlich rechtswidrig ansieht; damit ist die Sache dieses Verfahrens bestimmt (vgl. VwGH 28.10.2014, 2012/13/0116, mwN).

15       Da der erste Aufhebungsbescheid nach den unstrittigen Feststellungen des Bundesfinanzgerichts begründungslos ergangen war, stand dessen Aufhebung einem weiteren Verfahren nach § 299 BAO nicht entgegen.

16       Für eine Aufhebung nach § 299 BAO ist nur entscheidend, dass sich der Spruch des Bescheides als nicht richtig erweist. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ist es hiefür - anders als für eine Wiederaufnahme nach § 303 Abs. 1 lit. b BAO - nicht von Bedeutung, wann der Sachverhalt, der zur Unrichtigkeit des aufzuhebenden Bescheides führt, „hervorgekommen" ist. Der in der Revision gerügte Umstand, Vertretern des Finanzamts sei bereits im Jahr 2014 (also vor Erlassung der ursprünglichen Bescheide im August 2018) der Zahlungsplan und der Sanierungsgewinn der Revisionswerberin bekannt gewesen, kann daher einer Aufhebung nach § 299 BAO gleichfalls nicht entgegenstehen.

17       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 4. November 2021

Schlagworte

Ermessen VwRallg8

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021130100.L00

Im RIS seit

03.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

06.12.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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