Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AVG §56Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache des G B, vertreten durch Mag. Veap Elmazi, LL.M., Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neustiftgasse 3/5, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 26. Februar 2020, VGW-151/058/15371/2019-17, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1.1. Der Revisionswerber, ein nordmazedonischer Staatsangehöriger, stellte am 25. März 2019 persönlich bei der belangten Behörde einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 lit. b Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zum Zweck der Familienzusammenführung mit seiner in Österreich rechtmäßig aufhältigen Ehefrau, einer nordmazedonischen Staatsangehörigen, mit der er ein am 27. März 2019 geborenes gemeinsames Kind hat.
1.2. Da die belangte Behörde über den Antrag nicht innerhalb von sechs Monaten entschied, erhob der Revisionswerber am 8. November 2019 eine Säumnisbeschwerde nach Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG. Die belangte Behörde holte den Bescheid nicht gemäß § 16 VwGVG nach, sondern legte die Beschwerde mit den Akten dem Verwaltungsgericht vor.
2.1. Dieses wies mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 26. Februar 2020 den Antrag des Revisionswerbers - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - gemäß § 11 Abs. 1 Z 5 NAG ab.
2.2. Das Verwaltungsgericht stellte - soweit hier von Bedeutung - fest, der Revisionswerber habe sich vom 22. März bis zum 8. Mai 2019 und vom 9. August bis zum 8. November 2019 in Österreich aufgehalten und hierdurch den visumfreien Aufenthalt um zwei Tage (am 7. und am 8. November 2019) überschritten. Nicht feststellbar sei, in welchen Zeiträumen er sich (bereits) vor der Antragstellung am 25. März 2019 im Bundesgebiet aufgehalten habe und ob er bei der Antragstellung die visumfreie Zeit überschritten habe.
2.3. Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht - soweit hier von Belang -, der Revisionswerber sei als nordmazedonischer Staatsangehöriger grundsätzlich für einen Zeitraum von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen zum visumfreien Aufenthalt berechtigt. Er habe auch den gegenständlichen Erstantrag (gemäß § 21 Abs. 2 Z 5 NAG) zulässiger Weise im Inland gestellt, jedoch in der Folge die Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthalts überschritten. Er habe daher den Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG verwirklicht. Die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels sei - aus näher dargelegten Gründen - auch nicht gemäß § 11 Abs. 3 NAG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten.
2.4. Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass die ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision, in der ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs in den nachfolgend näher erörterten Punkten behauptet wird.
4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art.133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
5.1. Der Revisionswerber macht in der Zulässigkeitsbegründung der Revision geltend, die Überschreitung des visumfreien Aufenthalts vom 9. August bis zum 6. November 2019 um zwei Tage (nämlich am 7. und am 8. November 2019) sei für den gegenständlichen Antrag irrelevant, weil die Überschreitung des erlaubten visumfreien Aufenthalts mit der zulässigen Inlandsantragstellung am 25. März 2019 nicht im Zusammenhang stehe. Das Verwaltungsgericht habe „die Frage des Zeitraums für eine Überschreitung der Dauer des erlaubten sichtvermerkfreien Aufenthalts in Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 NAG - denkunmöglich - falsch“ beurteilt.
5.2. Gemäß § 21 Abs. 2 Z 5 NAG sind Fremde, die zur visumfreien Einreise berechtigt sind, während ihres erlaubten visumfreien Aufenthalts zur Antragstellung im Inland berechtigt. Gemäß § 21 Abs. 6 NAG schafft eine Inlandsantragstellung (unter anderem) nach Abs. 2 Z 5 kein über den erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalt hinausgehendes Bleiberecht. Vielmehr ist nach Ablauf eines solchen erlaubten Aufenthalts gemäß § 21 Abs. 1 NAG die Entscheidung im Ausland abzuwarten.
Gemäß § 11 Abs. 1 Z 5 NAG darf einem Fremden ein Aufenthaltstitel nicht erteilt werden, wenn eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt.
5.3. Der Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG setzt einerseits einen sichtvermerkfreien (oder visumpflichtigen) Aufenthalt des Antragstellers und andererseits die Überschreitung der Dauer des so erlaubten Aufenthalts voraus.
Der Zweck der genannten Bestimmung liegt darin, zu verhindern, dass Fremde ihren Aufenthalt im Bundesgebiet durch das Stellen eines Antrags nach dem NAG über den sichtvermerkfreien Zeitraum hinaus ohne Vorliegen eines Aufenthaltstitels ausdehnen. Das Verfahren ist daher nach rechtmäßiger Antragstellung im Inland und nach Ablauf des sichtvermerkfreien Zeitraums im Ausland abzuwarten. Ein Zuwiderhandeln steht der Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels grundsätzlich entgegen, auch wenn zwischenzeitlich eine Ausreise erfolgt ist (vgl. VwGH 22.3.2018, Ra 2017/22/0177, Pkt. 7.; 28.5.2019, Ro 2016/22/0016, Pkt. 6.2.).
5.4. Vorliegend hielt sich der Revisionswerber unstrittig vom 9. August bis zum 8. November 2019 im Bundesgebiet auf, sodass er die Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthalts von 90 Tagen um zwei Tage überschritt. In Anbetracht dessen ist das Verwaltungsgericht zutreffend von der Verwirklichung des Versagungsgrunds des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG ausgegangen.
Dass die Überschreitung des erlaubten visumfreien Aufenthalts nicht unmittelbar jenen Aufenthalt (vom 22. März bis zum 8. Mai 2019) betraf, in den die zulässige Inlandsantragstellung fiel, sondern einen nachfolgenden (weiteren) Aufenthalt (vom 9. August bis zum 8. November 2019), steht dem nicht entgegen (vgl. VwGH 11.11.2020, Ra 2019/22/0126, Rn. 12 ff, wonach auch ein solcher Aufenthalt nach einer vorangehenden Inlandsantragstellung den Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG verwirklichen kann). Der Zusammenhang mit der zulässigen Inlandsantragstellung, auf den der Revisionswerber hinweist, erlischt nämlich erst mit Abschluss des so eingeleiteten Titelverfahrens (vgl. demgegenüber zu einem Fall der Auslandsantragstellung VwGH 24.2.2011, 2010/21/0460).
5.5. Auch aus den vom Revisionswerber zahlreich und weitläufig zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs lässt sich nichts Gegenteiliges ableiten.
6. In der - für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision maßgeblichen (vgl. VwGH 17.1.2019, Ra 2017/22/0115, Pkt. 4.3.) - gesonderten Zulässigkeitsbegründung werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
Die Revision war deshalb gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
7. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 11. November 2021
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020220089.L00Im RIS seit
03.12.2021Zuletzt aktualisiert am
04.01.2022