Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AVG §71 Abs1 Z1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie den Hofrat Dr. Grünstäudl und die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision der Mag. B K in W, vertreten durch Dr. Florian Stangl als bestellter Verfahrenshelfer, dieser vertreten durch Mag. Iris Augendoppler Rechtsanwältin in 1030 Wien, Apostelgasse 36/10, gegen 1.) das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 2. Oktober 2019, Zl. VGW-041/025/4084/2019-16, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie 2.) den Beschluss vom selben Tag, Zl. VGW-041/025/4084/2019-16, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde i.A. LSD-BG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - in Bestätigung des Bescheids der belangten Behörde vom 8. Februar 2019 - einen Antrag der Revisionswerberin vom 28. Jänner 2019 auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist ab und mit unter einem ergangenem Beschluss ihre Beschwerde gegen ein Straferkenntnis der belangten Behörde vom 7. August 2018 wegen Übertretungen des LSD-BG als verspätet zurück. Eine ordentliche Revision wurde jeweils gemäß § 25a VwGG für nicht zulässig erklärt.
2 Das Verwaltungsgericht legte seinem Erkenntnis zugrunde, das Straferkenntnis vom 7. August 2018 sei durch Hinterlegung in der Postfiliale W zugestellt worden. Aus dem ordnungsgemäß ausgefüllten Rückschein ergebe sich, dass der Zusteller die Verständigung über die Hinterlegung nach einem Zustellversuch am 10. August 2018 in die Abgabeneinrichtung eingelegt habe, wobei der Beginn der Abholfrist mit 13. August 2018 festgelegt worden sei. Das Hausbrieffach sei nur alle paar Tage und nicht täglich, manchmal von der Revisionswerberin, manchmal von ihrem damaligen Lebensgefährten S, geleert worden. Wenn S die Post entnommen habe, habe er sie in der Wohnung abgelegt. Weder sei das Straferkenntnis behoben noch innerhalb der Beschwerdefrist ein Rechtsmittel erhoben worden.
3 Unter Hinweis auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes führte das Verwaltungsgericht in seiner rechtlichen Würdigung aus, die Revisionswerberin habe selbst vorgebracht, dass das Hausbrieffach nur „alle paar Tage“ und nicht täglich geleert worden sei. Auch die „entsprechende Sorgfalt“ liege nicht vor, da die Revisionswerberin nicht vorgebracht habe, dass sie die in der Wohnung abgelegte Post auf Verständigungen von der Hinterlegung überprüft habe. Selbst wenn S die Post und insbesondere die Hinterlegungsanzeigen irgendwo in der Wohnung „verstreut“ abgelegt, aber keineswegs „versteckt“ habe, hätte dies der Revisionswerberin auffallen können und müssen. Somit sei von einem über einen minderen Grad des Versehens hinausgehenden Verschulden auszugehen, zumal die Revisionswerberin nach Auflösung der von ihr nach außen vertretenen Gesellschaft damit hätte rechnen müssen, dass ihr behördliche Schriftstücke an die Privatadresse zugestellt werden.
4 Die Zurückweisung der Beschwerde wurde damit begründet, dass die Beschwerde erst am 28. Jänner 2019 eingebracht wurde, obwohl die Zustellung des Straferkenntnisses bereits im August 2018 erfolgt war.
5 Gegen Erkenntnis und Zurückweisungsbeschluss richtet sich die vorliegende, unter Anschluss der Verfahrensakten vorgelegte außerordentliche Revision, zu der die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet hat, die Revision kostenpflichtig abzuweisen.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. etwa VwGH 29.1.2018, Ra 2018/11/0013, mwN).
9 In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das Vorbringen der Revisionswerberin decke sich mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme, welches eindeutig ergeben habe, dass S einen äußerst sorglosen Umgang mit behördlichen Schriftstücken gepflegt und diese einfach in der Wohnung verstreut habe. Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes könne keinesfalls automatisch davon ausgegangen werden, dass im Unterbleiben von Vorkehrungen durch die Revisionswerberin eine auffallende, die Wiedereinsetzung hindernde Sorglosigkeit gelegen wäre. Das Verwaltungsgericht habe es zudem unterlassen sich damit auseinanderzusetzen, ob der Revisionswerberin ein etwaig sorgloses Verhalten des S zum Zeitpunkt der Hinterlegung bekannt gewesen sei bzw. bekannt hätte sein müssen.
10 Wer einen Wiedereinsetzungsantrag auf das Verschulden einer Hilfsperson stützt, hat nach der hg. Judikatur schon im Wiedereinsetzungsantrag durch ein substantiiertes Vorbringen darzulegen, aus welchen Gründen ihn selbst kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden trifft (vgl. VwGH 27.8.2020, Ra 2020/21/0310). Die Revisionswerberin hat weder im Wiedereinsetzungsantrag noch in der Revision konkret geltend gemacht, welche Überwachungstätigkeiten sie gesetzt habe, die es rechtfertigen würden, von einem minderen Grad des Versehens auszugehen.
11 Die Beurteilung, ob ein im Sinn des § 71 Abs. 1 Z 1 AVG bzw. des § 33 Abs. 1 VwGVG unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne grobes Verschulden zur Versäumnis geführt hat, also die Qualifikation des Verschuldensgrades, unterliegt - als Ergebnis einer alle maßgeblichen Umstände des Einzelfalls berücksichtigenden Abwägung - grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. VwGH 8.3.2018, Ra 2017/11/0289, mwN).
12 Eine derartige Fehlbeurteilung wird nach dem Gesagten von der Revision nicht aufgezeigt. Sofern die Revision weiters vorbringt, das Verwaltungsgericht habe nicht „sämtliche“ Feststellungen zu den Zustellungsmodalitäten getroffen, macht sie zwar einen Feststellungsmangel geltend, zeigt aber nicht auf, welche für den Verfahrensausgang relevante Sachverhaltsfeststellung das Verwaltungsgericht unterlassen hätte.
13 Da die Revision nicht darlegt, dass ihre Behandlung von der Beantwortung einer Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängt, war sie - zur Gänze - zurückzuweisen.
14 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff. VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 11. November 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019110197.L00Im RIS seit
03.12.2021Zuletzt aktualisiert am
20.12.2021