Norm
BDG 1979 §43 Abs2 iVm §91Schlagworte
Verwenden dienstl. Behelf für privaten ZweckText
Die Bundesdisziplinarbehörde hat am 15.11.2021 nach der am 15.11.2021 in Anwesenheit des Beamten, des Verteidigers, des Disziplinaranwaltes und der Schriftführerin durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Der Beamte wird vom Vorwurf, er habe
im Juli 2019 an seiner Dienststelle einen dienstlichen Suchtmittelvortest (Druglab) für private Zwecke, nämlich um ein bei der Tochter der damaligen Lebensgefährtin vorgefundenes weißes Pulver auf Suchtmittel zu testen, verwendet
er habe dadurch eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 i. V. m.
§ 91 BDG 1979 begangen,
gemäß § 126 Abs. 2 BDG 1979 i. V. m. § 118 Abs. 1, Z. 2, 2. Halbsatz BDG 1979 freigesprochen.
Dem Beamten werden gemäß § 117 Abs. 2 BDG 1979 keine Kosten für das Disziplinarverfahren auferlegt.
Begründung
Der Verdacht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, gründet sich auf die Disziplinaranzeige des N.N., GZ N.N. bzw. auf das Schreiben des N.N., GZ N.N.
Die Dienstbehörde hat mit Einlangen des Aktes Kenntnis vom Sachverhalt erlangt.
Inhalt der Disziplinaranzeige
Darstellung der schuldhaften Dienstpflichtverletzung
Der Beamte
1. hätte sich im Juli 2019 im Zuge des Vorfindens des „Säckchens mit Suchtgift“, wo er aufgrund des Naheverhältnisses zur Person, A.A. (Tochter seiner damaligen Lebensgefährtin), der Ausübung des Amtes enthalten müssen. Dies wurde einerseits zwar teilweise durch den Gang zur örtlich zuständigen Polizeiinspektion beachtet, jedoch durch die Durchführung des Suchtmittelvortests sowie die nicht durchgeführte Übergabe des Suchtmittelvortests (Beweismittel i. S. d. der freien Beweiswürdigung, welches z.B. beim Landesgericht N.N. anerkannt wird) bei der betreffenden Polizeiinspektion und der Verbringung bzw. Belassens dieses Tests auf der hiesigen Dienststelle in der eigenen Büroräumlichkeit unterlassen, gleichwohl er aufgrund des Naheverhältnisses zur betreffenden Person offensichtlich befangen war und Gefahr im Verzuge nicht vorlag. Es darf hier auf die Seite 3 und 4 der Zeugenvernehmung von B.B. sowie des E-Mails, 1. Absatz des C.C. sowie des E-Mails des Beamten an D.D. in Besonderen hingewiesen werden. Hier wurde von dem Angezeigten sowie den unmittelbar betroffenen Personen die Durchführung des Suchtmittelvortests angeführt. Darüber hinaus muss der Stellungnahme des Beamten und seinen Rechtsvertreter, - seine Ausführungen im Zuge der Stellungnahme zum „dienstlichen Tätigwerden“ – zwar unter den Gesichtspunkten des § 302 StGB wohlmöglich zugestanden werden, jedoch reichen die dienstlichen Verpflichtungen eines Polizeibeamten über die des Strafrechtes hinaus. Hier wird auch auf die Dienstanweisung der N.N. zur AZ: N.N. hingewiesen, welche die Verpflichtung zum dienstlichen Handeln im größeren Umfang darlegt. Mag zwar die Dienstanweisung nicht direkt für Beamte des N.N. gelten, sind jedoch das Vertrauen der Allgemeinheit und somit weitergehende Verpflichtung i. S. d. BDG für alle Exekutivbediensteten maßgeblich und daher bindend. Es besteht somit der Verdacht des Verstoßes gegen den § 43 Abs. 2 sowie § 47 BDG,
2. habe im Juli 2019, während seiner Dienstzeit, innerhalb seiner Dienststelle im N.N., einen dienstlichen Suchtmittelvortest (Druglab) verwendet. Das Datum ergeht aus den Angaben der B.B. während ihrer Zeugenvernehmung, Seite 3, unten und Seite 4, oben, wonach zwischen Auffindung des betreffenden Suchgiftsäckchens und dem Gang auf die Polizeiinspektion N.N. eine Woche verging sowie ca. zwei Tage danach das Ergebnis durch den Beamten mitgeteilt wurde. Hierzu wird auch auf den ESS-Zeitnachweis vom Juli 2019 verwiesen. Nach Bekanntwerden des positiven Testergebnisses, wurden seitens des Beamten weder Ermittlungshandlungen gesetzt, noch wurde der Vorfall durch diesen dokumentiert. Siehe hier auch die Ausführungen im Zuge eines Aktenvermerkes durch den Anzeigenleger zur Auffindung der betreffenden Gegenstände. Begründet wird eine dienstliche Vorgangsweise mit den Angaben des Angezeigten im Zuge des E-Mail an D.D., wo er angab, den Inhalt des Säckchens mit dem Reagenzglas zur Untersuchung mittels dienstlichen Druglab Vortests vorgenommen zu haben. Ebenso schließt die Zeugenvernehmung der B.B., Seite 3, unten, auf die dienstliche Durchführung des Vortests. Die ergänzende Stellungnahme der B.B. via den Rechtsvertreter, in Besonderen die Angaben zu Dienstzeiten und dienstlichen Tätigkeiten ihres damaligen Lebensgefährten, können ho. nicht nachvollzogen werden, da Exekutivbedienstete bei strafbaren Handlungen abseits der formellen Indienststellung i. S. d. des BDG tätig werden müssen. Hierzu wird auf die Ausführung unter Punkt 1 verwiesen. Überdies stellt sich auch die Frage, in welcher Form die damalige Lebensgefährtin über das genaue „Aufgabenfeld“ des Beamten Bescheid wissen kann, besonders, wenn dies der Beamte scheinbar selbst nicht weiß. Hierzu wird auf die Stellungnahme via seinen Rechtsvertreter verwiesen. Die nach u.a. Ansicht des Rechtsvertreters angeführte „private“ Tätigkeit der Testung durch den Beamten, wäre per se nicht mit dem § 43 BDG vereinbar, da es sich hierbei eindeutig um ein dienstliches Betriebsmittel (Suchtmittelvortest) handelt und dann auch andere rechtliche Fragestellungen auftauchen würden. Es besteht somit der Verdacht des Verstoßes gem. §§ 43 Abs. 1 und 43 Abs. 2 BDG,
3. hat im Zeitraum Sommer bis Herbst 2019 selbstständige private Ermittlungen in Form von Befragungen mit seiner damaligen Lebensgefährtin, Bürgermeisterin von N.N., im Gemeindeamt von N.N. durchgeführt, wobei den Befragten bekannt war, dass der Beamte Polizeibeamter ist. Hier besteht ebenso der Verdacht, dass er einerseits die Befangenheit sowie andererseits die Dokumentation nicht beachtet, aber auch das Vertrauen der Bevölkerung und somit der Allgemeinheit in polizeiliches Handeln durch eine Art „Selbstjustiz“ gefährdet hat. Hier wird u.a. auf die Zeugenvernehmung des E.E., Seite 3, Mitte, die Beschuldigtenvernehmung von E.E., Seite 4, die Zeugenvernehmung von F.F., Seite 3, 2. Absatz sowie der Zeugenvernehmung von F.F. hingewiesen, bei denen der Beamte als Polizeibeamter bekannt war. Weiter wird auf die Zeugenvernehmung von C.C. hingewiesen, wo angeführt ist, dass B.B. und der Beamte, Befragungen am Gemeindeamt durchführten. Es besteht somit der Verdacht nach §§ 43 Abs. 2 und 47 BDG,
4. habe im Juli 2019 im Rahmen des von ihm durchgeführten Suchtmittelvortests gegen die Amtsverschwiegenheit verstoßen, da er über das Ergebnis des Tests seine damalige Lebensgefährtin, B.B., informierte und somit sein aus den dienstlichen Handlungen erlangte Erkenntnis unbeteiligten Dritte und somit Privatpersonen zugänglich, in Speziellen seiner damaligen Lebensgefährtin, gemacht hat. Hinsichtlich der Weitergabe des Ergebnisses des vom Beamten durchgeführten Suchtmittelvortestes wird auf die Zeugenvernehmung von B.B., verwiesen, in der sie angab, dass der Beamte sie per Telefon über das Ergebnis informierte. Daher besteht der Verdacht nach §§ 43 Abs. 2 sowie 46 BDG,
5. „im Juli 2019 bis März 2020 im Zuge der Auffindung des „Säckchens mit Suchtgift“ sowie der Verbringung des Suchtmittels zur Testung auf die Dienststelle, Durchführung der Testung, Durchführung von Befragungen am örtlichen Gemeindeamt und Liegenlassens des Suchtmittelvortests mitsamt dem Reagenzglas am Schreibtisch des vom Beamten üblich benutzten Arbeitsplatzes und keinerlei schriftliche Dokumentation durchgeführt hat. Hierzu wird auf den vom Anzeigenleger gefertigten Aktenvermerk zur Auffindung und Weiterleitung des betr. Suchtmittelvortestes sowie des Reagenzglases sowie der Stellungnahmen des Beamten via seinen Rechtsvertreter verwiesen. Somit hätte der Beamte nicht nur am Tag der Testung sowie an einer Vielzahl andere „Diensttage“ das entsprechende Ergebnis wahrnehmen und dokumentieren können. Es besteht somit der Verdacht gegen § 10 der Richtlinienverordnung (RLV) sowie den § 43 Abs. 2 BDG verstoßen zu haben.“
Der Beamte steht daher im Verdacht, durch sein Verhalten gegen die Bestimmungen der §§ 43 Abs. 1 u. 2, 46, 47 BDG sowie § 10 RLV verstoßen und dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß § 91 BDG 1979 begangen zu haben. Eine Belehrung bzw. Ermahnung i. S. d. § 109 Abs. 2 BDG wird und wurde vom Anzeigenleger aufgrund der Schwere der Verfehlungen, allein schon durch den möglichen Verlust des Vertrauens der Allgemeinheit nicht in Betracht gezogen. Als exemplarisches Beispiel wird hier nochmals die Durchführung von Befragungen durch die Bürgermeisterin von N.N. gemeinsam mit dem Angezeigten im Gemeindeamt ohne jeglichen rechtlichen Auftrag genannt. Mag es aus menschlichen Gründen nachvollziehbar sein, hat dies in Österreich durch einen Beamten der Bundespolizei und hier speziell aufgrund der zentralen Stellung des N.N. in seiner Außenwirkung nicht zuträglichen Art keinen Platz. Überdies musste dem Beamten die Sensibilität in Hinblick auf seinen Verantwortungsbereich, der Bekämpfung der Suchtmittelkriminalität in seiner Gesamtheit und des hier vorliegenden Sachverhaltes bewusst sein. Wie schon angeführt, sind die Mitarbeiter*innen des N.N. für alle Begehungsformen, welche im SMG und dem NPSG abgebildet sind, zuständig, auch wenn aufgrund der Ressourcen Prioritäten gesetzt werden. Eine Einschränkung des Aufgabengebietes des N.N. auf gewisse Begehungsformen, würde den Sinn der Organisationseinheit in Frage stellen, welche sich für die bundesweiten operativen und vor allem strategischen Aufgaben/Zielsetzungen als Zentralstelle verantwortlich zeigt.
Beweismittel
Als Beweismittel darf der gesamte ELAK-Aktenvorgang übermittelt werden.
Angaben des Verdächtigen
Mit dem Beamten wurde am 18.05.2021 im N .N. im Beisein seiner Vertrauensperson (Rechtsanwalt) sowie eines weiteren anwesenden Beamten, G.G. eine Niederschrift durchgeführt. Vorangegangen war ein per Mail ergangene schriftlich Ladung vom 04.05.2021 an den Beamten.
Der Beamte entschlug sich im Zuge der schriftlichen Einvernahme bei allen Fragen zum Sachverhalt. Seiner Vertrauensperson wurde ebenso die Gelegenheit gegeben, ergänzende Fragen zu stellen. Hierbei wurde auf das laufenden strafrechtliche Verfahren Bezug genommen und auf die daher nicht erfolgten Angaben während der betr. Niederschrift. Hierzu darf auf die in der Beilage befindliche Niederschrift verwiesen werden.
Weitere Verfügungen
Wie bereits ausgeführt, wurde der Beamte aufgrund des bis dahin vorliegenden Sachverhalt zum Schutz des Beamten und des Ansehens des hiesigen Büro N.N. nach Rücksprache und Einverständnis des Angezeigten zur weiteren vorübergehenden Dienstleistung der N.N. zugewiesen. Überdies wurde der bundesweite PAD-Zugang, welcher zur Durchführung der Fachaufsicht bestand, entzogen. Der Beamte befand sich beim Bekanntwerden des Verdachts im Krankenstand. Dienstrechtliche Maßnahmen i. S. d. § 112 BDG waren aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes nicht erforderlich.
Mit Bescheid vom 07.07.2021 wurde gegen den Beamten hinsichtlich des Vorwurfs, das bei der Tochter der damaligen Lebensgefährtin vorgefundene Säckchen mit Suchtgift trotz Befangenheit und ohne Vorliegen von Gefahr im Verzug im Juli 2019 einem Suchtmitteltest unterzogen und dasselbe nicht zur betreffenden Polizeiinspektion gebracht zu haben sowie während des Dienstes an seiner Dienststelle im Juli 2019 einen dienstlichen Suchtmitteltest verwendet zu haben, ein Verfahren eingeleitet. Hinsichtlich der anderen in der Disziplinaranzeige angeführten Vorhalte wurde kein Verfahren eingeleitet.
Dem dagegen seitens des Beamten rechtzeitig erhobenen Rechtsmittel wurde mit Urteil des BVwG mit der Maßgabe Folge gegeben, dass der Spruch des Einleitungsbeschlusses - wie nun mehr im Spruch angeführt – modifiziert wurde, hingegen das Verfahren hinsichtlich des Vorwurfs, das Säckchen trotz Befangenheit einem Suchtmitteltest unterzogen und dieses dann nicht zur Polizeiinspektion gebracht zu haben sowie den Suchtmitteltest während der Dienstzeit durchgeführt zu haben, eingestellt wurde.
In weiterer Folge wurde für den 15.11.2021 eine Verhandlung anberaumt und in Anwesenheit des Beamten durchgeführt.
Der Senat hat dazu erwogen:
Rechtsvorschriften:
§ 43 Abs. 2 BDG zufolge hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
Dass der Beamte den Inhalt des im Zimmer der Tochter der damaligen Lebensgefährtin vorgefundenen Säckchens mittels eines dienstlich zur Verfügung stehenden Drogenvortestsets geprüft hat, wird vom Beamten außer Streit gestellt, wobei es unbeachtlich ist, ob das gegenständliche Testset dem N.N., wie von ihm angegeben wurde, stammt oder aus den Beständen des N.N.
Seine Behauptung, wonach es sich hierbei jedoch um ein bereits altes, der Vernichtung zuzuführendes Testset gehandelt hat, konnte objektiv nicht verifiziert werden, zumal das Ablaufdatum desselben nur auf der Verpackung ersichtlich ist, nicht jedoch am Vortest selbst.
Der Beamte selbst bestätigte, dass gegenständlicher Umstand für den Zeugen H.H.aus dem angeführten Grund nicht erkennbar gewesen ist. Der Senat schenkte allerdings den Angaben des Beamten diesbezüglich Glauben, zumal dieser auf den Senat einen glaubwürdigen Eindruck machte.
Die Ansicht der Verteidigung, wonach, nachdem ein abgelaufenes Set vom Beamten verwendet worden ist, kein betrieblich zugewiesenes Dienstmittel darstellt, vermag der Senat jedoch nicht zu teilen.
Den Angaben des Zeugen zufolge belaufen sich die Kosten für ein vom Beamten verwendetes Set auf cirka € 10,-. Wenn die Verteidigung darauf verweist, dass das Set aufgrund des überschrittenen Ablaufdatums keinen Wert mehr hatte, kann dem ebenso wenig nahegetreten werden, zumal das Set vom Beamten verwendet worden ist und ein Ergebnis angezeigt hatte, was im nachfolgenden Verfahren auch Verwendung fand. Mag der Wert daher nicht mehr so hoch wie der Einkaufspreis sein, hat das Betriebsmittel dennoch über einen gewissen, wenngleich geringfügigen Wert verfügt.
Wenn die Verteidigung ins Treffen führt, dass die Verfolgung von Eigentumsdelikten - wie auch der Zeuge H.H. einräumen musste - nicht Eingang in die Arbeitsplatzbeschreibung des Beamten gefunden hat, ist für den Beamten damit nichts gewonnen, zumal es auch Verhaltensweisen gibt, die unabhängig von der Stellung des Beamten eine „unsachliche“ Amtsführung befürchten lassen. Dabei handelt es sich um Verhaltensweisen, die mit der erforderlichen Einstellung eines Beamten zum Dienst keinesfalls vereinbar sind (allgemeiner Funktionsbezug), wozu nach Ansicht des Senates auch die Missachtung von Eigentumsverhältnissen gehört.
Allerdings – und wird diesbezüglich den Ausführungen der Disziplinaranwaltschaft gefolgt – hat der Beamte das Verhalten unter Umständen gesetzt, die einem Schuldausschließungsgrund nahekommen. Es darf zudem nicht außer Betracht bleiben, dass sein Vorgehen im Endeffekt auch dazu geführt hatte, dass ein gerichtlich strafbares Delikt aufgedeckt werden konnte.
Der Senat schloss sich daher der Ansicht der Disziplinaranwaltschaft an, dass das Vorgehen die Schwelle disziplinärer Erheblichkeit nicht überschreitet und war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zuletzt aktualisiert am
02.12.2021