TE Lvwg Erkenntnis 2021/11/5 LVwG-2021/40/1596-5

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Veröffentlicht am 05.11.2021
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Entscheidungsdatum

05.11.2021

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §26

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Mag. Piccolroaz über die Beschwerde des AA, vertreten durch BB, Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Z vom 28.04.2021, Zl ***, betreffend eine Angelegenheit nach der GewO 1994, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht erkannt:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben und der Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend abgeändert, dass er wie folgt zu lauten hat: „Gemäß § 26 Abs 1 GewO 1994 wird AA die Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung wegen der gerichtlichen Verurteilung für die Ausübung des Gewerbes „Handelsgewerbe mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe“ erteilt.

2.       Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang und Sachverhalt:

Mit Eingabe vom 09.02.2021 meldete der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde das Gewerbe „Handel mit Waren aller Art“ im Standort Adresse 2, **** Z an und beantragte gleichzeitig die Erteilung der Nachsicht vom Gewerbeausschluss wegen gerichtlicher Verurteilungen im Verfahren *** des LG Z.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 28.04.2021, Zl *** wurde die Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung wegen der gerichtlichen Verurteilung verweigert. Begründend wurde dazu im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass der Antragsteller mit Urteil des Landesgerichtes Z *** vom 18.12.2017, rechtskräftig mit 17.05.2018 gemäß §§ 83 Abs 1, 84 Abs 5 Z 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten und einer Geldstrafe von 240 (gemeint wohl 180!) Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden sei. Die Tilgung der angeführten Straftat sei noch nicht eingetreten. Bei Ausübung des Gewerbes könne die Begehung einer gleichen oder ähnlichen Straftat nicht ausgeschlossen werden. Aufgrund der mit der selbständig unternehmerischen Tätigkeit verbundenen Kontakte mit Geschäftspartnern, Kunden und weiteren im geschäftlichen Zusammenhang stehenden Personen könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Nachsichtswerber wiederum gleiche oder ähnliche Delikte, welche den Gewerbeausschluss darstellten begehe. Der Beschwerdeführer habe der Behörde das Urteil übermittelt, woraus die Brutalität der Tathandlung herauszulesen sei. Auf dem Antragsformular zur Erteilung der Nachsicht sei das Ansuchen unter anderem damit begründet worden, dass es sich bei der Tat um eine schlichte Streitigkeit gehandelt habe, in die AA hineingezogen worden sei und bei der ihn nur eine geringe Schuld getroffen habe. Dem widerspreche die Verurteilung, aus welchem neben der viermonatigen Freiheitsstrafe und Geldstrafe von 180 Tagessätzen hervorgehe, dass der Beschwerdeführer in verabredeter Verbindung zu dritt und mit einer ein Meter langen Holzstange bewaffnet auf das Opfer gewartet habe und sich damit abgefunden habe, dieses schwer am Körper zu verletzen. Erst nach Eintreffen der Polizei, mehr als fünf Minuten später habe der Beschwerdeführer und die beiden anderen Angeklagten vom Opfer abgelassen. Besonders durch den Einsatz der ein Meter langen Holzstange hätten auch schlimmere Verletzungen eintreten können. Beim Antrag selbst werde zwar beschrieben, dass die Strafe akzeptiert worden sei und eine Tilgung bevorstehe, jedoch sei daraus keine Reue zu erkennen. Ganz im Gegenteil. Die Straftat werde heruntergespielt, indem nur von einer Streitigkeit die Rede sei, in die der Beschwerdeführer hineingezogen worden sei und ihn dabei nur eine geringe Schuld treffe. Dies lasse keine positive Prognose zur Persönlichkeit des Beschwerdeführers zu.

In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde bringt der Beschwerdeführer im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass er sein gesamtes Leben lang unbescholten gewesen sei bis auf die zitierte Verurteilung. Es habe sich tatsächlich um einen Familienstreit gehandelt und habe die Behörde hier auch die kulturellen Umstände des Falles zu berücksichtigen. Der Verletzte sei der Schwiegersohn seiner Schwester, der einen Familienstreit gegen den Sohn des Beschwerdeführers provoziert habe. Der Beschwerdeführer arbeite seit über 30 Jahren bei der Tiroler Firma CC und sei dort als gutmütig und verlässlich bekannt. Der Beschwerdeführer bereue sein Vorgehen im höchsten Maße und habe er sich bereits mehrmals beim Verletzten entschuldigt und versöhnt. Eine Tilgung sei gemäß § 6 Abs 3 und 4 Tilgungsgesetz nach drei Jahren eingetreten und habe die tatsächliche Löschung nur mehr deklarativen Charakter. Das Urteil gegen den Beschwerdeführer sei am 17.05.2018 rechtskräftig geworden. Es wäre lebensfremd zu glauben, dass bei der Ausübung eines einfachen Handelsgewerbes die Gefahr bestünde, dass sich ein solcher, einmaliger Ausrutscher wiederhole. Die Antragstellung sei ganze drei Jahre nach der Verurteilung und habe sich der Beschwerdeführer in dieser Zeit nicht das Geringste zu Schulden kommen lassen.

II.      Beweiswürdigung:

Der vorhin festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem verwaltungsbehördlichen Akt sowie aufgrund der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 04.10.2021 vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol, in welcher der Beschwerdeführer persönlich einvernommen wurde.

III.     Rechtslage:

Die verfahrensgegenständlichen relevanten Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), BGBl 194/1994, zuletzt geändert durch BGBl I Nr 65/2020 lauten:

„§ 13.

(1) Natürliche Personen sind von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie

1. von einem Gericht verurteilt worden sind

a) wegen betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (§ 153d StGB), organisierter Schwarzarbeit (§ 153e StGB), betrügerischer Krida, Schädigung fremder Gläubiger, Begünstigung eines Gläubigers oder grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§§ 156 bis 159 StGB) oder

b) wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen und

2. die Verurteilung nicht getilgt ist.

Von der Ausübung eines Gastgewerbes sind natürliche Personen ausgeschlossen, wenn gegen sie eine nicht getilgte gerichtliche Verurteilung wegen Übertretung der §§ 28 bis 31a des Suchtmittelgesetzes, BGBl. I Nr. 112/1997, in der jeweils geltenden Fassung, vorliegt. Bei Geldstrafen, die nicht in Tagessätzen bemessen sind, ist die Ersatzfreiheitsstrafe maßgebend. Bei Verhängung einer Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe sind Freiheitsstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe zusammenzuzählen. Dabei ist ein Monat dreißig Tagen gleichzuhalten. Die Bestimmungen dieses Absatzes gelten auch, wenn mit den angeführten Ausschlussgründen vergleichbare Tatbestände im Ausland verwirklicht wurden.

[…]

§ 26.

5. Nachsicht von den Voraussetzungen für die Ausübung von Gewerben

(1) Die Behörde hat im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 die Nachsicht von diesem Ausschluß zu erteilen, wenn nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes nicht zu befürchten ist.

[…]“

IV.      Erwägungen:

Gemäß § 26 Abs 1 GewO 1994 hat die Behörde im Fall des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs 1 oder Abs 2 GewO 1994 die Nachsicht von diesem Ausschluss zu erteilen, wenn nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes nicht zu befürchten ist. Demnach hat also die Behörde bei der Prüfung der Frage, ob die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist, sowohl auf die Eigenart der strafbaren Handlung als auch auf das Persönlichkeitsbild des Verurteilten Bedacht zu nehmen.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, mit Urteil des Landesgerichtes Z vom 18.12.2017, Zl *** wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 1 und 84 Abs 5 Z 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten und zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen verurteilt worden zu sein, wobei die verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Damit hat der Beschwerdeführer den Gewerbeausschuss aufgrund des § 13 Abs 1 Z 1 lit b GewO 1994 verwirklicht.

Der Beschwerdeführer steht in diesem Zusammenhang auf dem Standpunkt, dass die Strafe bereits getilgt wäre. Dazu ist jedoch festzuhalten, dass gemäß § 3 Abs 1 Z 2 Tilgungsgesetz eine Frist von fünf Jahren ab Rechtskraft des Urteils (das ist der 17.05.2018) vorgesehen ist. Die Verurteilung ist sohin noch nicht getilgt.

Betrachtet man nun den in § 84 StGB vorgesehenen Strafrahmen von sechs Monaten bis fünf Jahre für das vom Beschwerdeführer verwirklichte Delikt und vergleicht dies mit dem Urteil, so fällt auf, dass die verhängte Freiheitsstrafe lediglich vier Monate beträgt, diese bedingt nachgesehen wurde und neben der Freiheitstrafe eine unbedingte Geldstrafe in der Höhe von lediglich 180 Tagessätzen verhängt wurde, während die Strafen bei den beiden mitangeklagten Tätern höher ausgefallen sind. Es ist daher grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen, dass das Strafgericht die Beteiligung des Beschwerdeführers an der damaligen Tat anders eingestuft hat als die Taten der beiden Mitbeteiligten, indem eine geringere Freiheits- und Geldstrafe verhängt wurde als dies der gesetzliche Strafrahmen vorsieht. Dass die Tat im familiären Umfeld begangen wurde steht fest, hat jedoch für die weiters anzustellende Zukunftsprognose nur einen untergeordneten Stellenwert, kann eine derartige Tat, nämlich eine schwere Körperverletzung auch Fremden, Kunden oder Geschäftspartnern gegenüber begangen werden.

In Bezug auf das weiters zu prüfende Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers konnte sich das erkennende Gericht einen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung verschaffen. Von einem impulsiven oder gewaltbereiten Menschen kann gegenständlich nicht gesprochen werden. Dass es sich um eine einmalige Tat gehandelt hat steht aufgrund der Aktenlage fest. Betrachtet man weiters die Tatzeit (31.03.2017) und den seither vergangenen Zeitraum so fällt auf, dass sich der Beschwerdeführer in diesem Zeitraum nichts mehr zu Schulden kommen hat lassen. Auch der Verwaltungsstrafregisterauszug des Beschwerdeführers weist lediglich eine Vormerkung gemäß § 20 Abs 2 StVO auf. Der Beschwerdeführer ist nach seinen eigenen Angaben seit 27 Jahren bei derselben Firma als LKW-Fahrer angestellt. Es ist somit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in stabilen finanziellen und sozialen Verhältnissen lebt. Gerade im Zusammenhang auch mit seiner beruflichen Tätigkeit als LKW-Fahrer fällt lediglich die eine verwaltungsstrafrechtliche Vormerkung besonders ins Auge und ist gerade in diesem Zusammenhang davon auszugehen, dass es sich beim Beschwerdeführer grundsätzlich um einen rechtstreuen Menschen handelt.

In Anbetracht der Eigenart der vom Beschwerdeführer verwirklichten strafbaren Handlung und des grundsätzlich positiven Persönlichkeitsbildes scheint es im gegenständlichen Fall vertretbar, die Nachsicht vom Gewerbeausschluss gemäß § 26 Abs 1 GewO 1994 zu erteilen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Piccolroaz

(Richter)

Schlagworte

Gewerbeausschluss;
Nachsicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.40.1596.5

Zuletzt aktualisiert am

02.12.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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