TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/10 W279 2177076-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.05.2021
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Entscheidungsdatum

10.05.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W279 2177076-2/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter KOREN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX 2002, StA. Afghanistan, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs-und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU), Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.6.2020, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.3.2021 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkte I. bis VI. als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. wird gemäß §§ 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm 53 Abs. 1 und Abs. 3 Z 1 FPG, mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf drei Jahre herabgesetzt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Vorverfahren

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste im Juni 2015 illegal und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am 4.6.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Anlässlich seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF zu seinem Fluchtgrund befragt an, er sei afghanischer Staatsbürger, sei jedoch im Iran geboren und aufgewachsen. Er habe im Iran mit seiner Mutter und seinen beiden Schwestern gelebt und sein Vater habe diese vor ca. 4 Jahren verlassen. Er habe arbeiten müssen, um seine Familie zu ernähren. Daher habe er nicht zur Schule gehen können und sei aus diesen Gründen nach Österreich geflüchtet. Im Iran sei er von den Persern schlecht behandelt worden. Als er einmal von der Schule nachhause gegangen sei, sei er von Iranern aufgehalten worden. Dabei habe man von ihm Geld verlangt und er sei mit einer Glasscheibe an seiner rechten Hand verletzt worden.

1.3. Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA) am 31.5.2017 gab der BF an, er sei im Iran, in Ghazwin geboren und aufgewachsen. Seine Eltern würden aus der Provinz Maidan Wardak – Besud stammen. Seine Muttersprache sei Dari; darüber hinaus könne er auch Farsi und ein bisschen Deutsch und Englisch. Er gehöre der Volksgruppe der Hazara an und bekenne sich zur schiitischen Glaubensgemeinschaft des Islam. Im Iran habe er sechs Jahre eine Schule für illegale afghanische Flüchtlinge besucht. Nebenbei habe er bis zu seiner Ausreise als Hilfsarbeiter in der Tischlerei seines Onkels gearbeitet. In Afghanistan sei er noch nie gewesen. In Österreich lebe seine Cousine XXXX gemeinsam mit ihrem Ehemann. In Afghanistan habe er keine Familienangehörigen mehr. Seine Eltern seien aufgrund des Krieges aus Afghanistan geflüchtet. In diesem Krieg habe er vier Brüder und eine Schwester verloren. Aus dem Iran sei der BF geflüchtet, da er sich dort illegal aufgehalten habe und Angst gehabt habe, festgenommen und nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Da er illegal im Iran gelebt habe, habe er keine offizielle Schule besuchen können. Das Leben im Iran sei schwierig gewesen, da Afghanen schlecht behandelt würden. Er sei oft von Iranern geschlagen worden und sein Geld sei ihm abgenommen worden.

1.4. Mit Stellungnahme vom 7.6.2017 wurde ausgeführt, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan zunehmend verschlechtern würde und es in der Heimatprovinz des BF immer wieder zu Kampfhandlungen kommen würde. Zudem sei der minderjährige BF nie in Afghanistan gewesen und habe immer im Iran gelebt. Dem BF sei es außerdem nicht zumutbar, nach Afghanistan zurückzukehren, da sich dieser keine den Voraussetzungen des Art. 3 EMRK entsprechende Existenzgrundlage aufbauen könne.

1.5. Mit Stellungnahme vom 11.7.2017 führte die damalige Rechtsvertreterin des BF bezüglich des gegen den BF geführten Strafverfahren vor dem Landesgericht XXXX , wegen § 107 Abs. 1 und 2, 1. Fall StGB, aus, dass das Verfahren im Rahmen einer Diversion erledigt worden sei, der BF voll geständig gewesen sei und seine Fehler vor Gericht voll eingestanden habe. Zudem habe er versprochen, künftige Probleme nicht mehr auf diese Art zu lösen. Das Gericht habe dem BF aufgetragen, 40 Stunden an gemeinnütziger Arbeit zu leisten.

1.6. Mit Bescheid des BFA vom 6.10.2017, 1071705504-150602844 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 2.6.2015 hinsichtlich des Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen (Spruchpunkt I.) und dem BF gemäß § 8 Absatz 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) Die befristete Aufenthaltsberechtigung würde gemäß § 8 Absatz 4 AsylG bis zum 5.10.2018 erteilt.

1.7. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.5.2018, W192 2177076-1/3E, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

1.8. Am 6.8.2018 stellte der BF einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG.

1.9. Mit Bescheid des BFA vom 5.10.2018, 1071705504 – 150602844 wurde dem BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Absatz 4 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, bis zum 5.10.2020 erteilt.

2. Gegenständliches Verfahren:

2.1. Mit Aktenvermerk vom 4.3.2019 leitete das BFA ein Aberkennungsverfahren gegen den BF ein.

2.2. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme des BFA vom 19.3.2019 gab der BF zu seinen strafrechtlichen Verurteilungen im Wesentlichen an, er habe an diesem Tag mit seinen Freunden viel Alkohol getrunken und wisse nicht mehr so genau was passiert sei. Er sei mit seinen Freunden zuhause gewesen und wisse nur noch, dass Polizisten gekommen seien. Dann höre seine Erinnerung auf. Am nächsten Tag sei er dann bei der Polizei gewesen, die ihm gesagt habe, dass er Polizisten geschlagen habe. Wäre er normal gewesen, so hätte er sowas nicht gemacht. Hätte er die Polizisten nachher gesehen, so hätte er sich entschuldigt. Alkohol trinke er nur, wenn er fortgehe, ungefähr 1 bis 2 Mal im Monat. Auch habe er an diesem Abend „Gras“ geraucht. Zu dem Diebstahl befragt, gab der BF an, er habe das nicht geplant. Er sei in ein Geschäft gegangen und habe eine Kette gesehen, aber kein Geld bei sich gehabt. Dann habe er die Kette einfach genommen und sei damit herausgegangen. Geplant habe er nicht, dass er etwas stehle. Es sei eine Dummheit gewesen und er wisse nicht, warum er sowas gemacht habe. Er sei in Österreich alleine, er rauche ab und zu, um seinen Kopf zu beruhigen, denn er habe hier viel Stress und das helfe ihm dabei.

Zu seinem Leben in Österreich befragt, gab der BF an, er versuche eine Arbeit zu suchen und besuche einen AMS Kurs in der Produktionsschule. Danach treffe er sich mit Freunden und seiner Patin. Vom AMS bekomme er monatlich ungefähr EUR 376,--. Sein Freundeskreis bestehe aus Afghanen und Österreichern und er habe eine Freundin. Zwei Jahre sei er in die Neue Mittelschule Altmünster gegangen, habe den Hauptschulabschluss allerdings nicht gemacht. In Grieskirchen habe er ein paar Monate einen AMS Kurs besucht und diesen in XXXX fortgeführt. In Österreich lebe seine Cousine XXXX . Zu dieser habe er nur manchmal Kontakt, er sehe sie ungefähr einmal im Jahr. In Afghanistan habe er niemanden. Er habe einen Onkel in Afghanistan gehabt, der bereits lange verstorben sei. Eine Tante lebe in Kanada, ansonsten seien ein Onkel, zwei Tanten, seine Mutter und seine zwei Schwestern im Iran. Sein Vater sei bereits verstorben. Diese würden in Gasvin und Mashad leben. Zu seinen Rückkehrbefürchtungen befragt, führte der BF aus, er habe große Angst nach Afghanistan zurückzukehren, da er dort niemanden kenne und es kein sicheres Land sei. Die Taliban würden die Sicherheit der Menschen dort gefährden. Bezüglich seines Alkohol-und Drogenkonsums sei er bereit eine Therapie in Anspruch zu nehmen. Hierzu sei bereits mit dem Krisenzentrum im AKH Kontakt aufgenommen worden. Sein Verhalten tue ihm sehr leid.

2.3. Mit Stellungnahme vom 1.4.2019 wurde ausgeführt, dass die Sicherheitslage in Afghanistan weiterhin prekär sei, es keine Ausweichmöglichkeiten gäbe und sich Kinder nur schwer und nur im Familienverband „wieder“ in Afghanistan zurechtfänden.

2.4. Mit Eingabe vom 6.5.2019 wurde eine Stellungnahme der Verfahrenshilfe vom 4.6.2019 vorgelegt.

2.5. Mit Eingabe vom 22.5.2019 wurde eine Bestätigung der psychosozialen Beratung bei POINT – Beratungsstelle für Suchtfragen vom 29.4.2019 sowie ein Nachweis über die freiwillige Tätigkeit des BF vom 16.5.2019 vorgelegt.

2.6. Mit Schreiben vom 26.7.2019 stellte das BFA das Aberkennungsverfahren gegen den BF ein, da nach Ansicht des BFA die Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Abs. 2 AsylG 2005 nicht erfüllt seien.

2.7. Mit Aktenvermerk vom 3.1.2020 wurde seitens des BFA gegenständliches Aberkennungsverfahren gegen den BF eingeleitet.

2.8. Mit Schreiben vom 30.1.2020 verständigte das BFA den BF über die Einleitung des Aberkennungsverfahrens und gab ihm Gelegenheit innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens schriftlich Stellung zu nehmen.

2.9. In seiner Stellungnahme vom 16.2.2020 führte der BF aus, er sei Friseur-Lehrling und verdiene EUR 473,01. In psychologischer Betreuung aufgrund seines Drogen-und Alkoholkonsums befinde er sich nicht mehr, da er dies zurzeit nicht mehr brauche. Seine wichtigste Bezugsperson sei seine Patin XXXX . In seiner Freizeit treffe er sich mit seinen Freunden und unternehme auch viel mit dem Bekanntenkreis von seiner Patin. Er engagiere sich freiwillig beim Unabhängigen Landesfreiwilligenzentrum und helfe bei Veranstaltungen oder Messen mit. Deutsch spreche er auf B1 Niveau und habe auch die Prüfung bestanden. In Afghanistan habe er keine Angehörigen und auch keine bewusste Erinnerung an das Land, da er im Iran aufgewachsen sei. Er kenne die afghanische Kultur nicht und würde mit seinem Akzent sofort negativ auffallen. Er praktiziere den Islam nicht und könne sich nicht mit den Traditionen in seinem Herkunftsstaat identifizieren. Der Stellungnahme wurde eine Bestätigung aus dem Zentralen Melderegister über den Wohnsitz des BF, ein Mietvertrag, ein Lehrvertrag, ein Nachweis über die freiwillige Tätigkeit, eine Bestätigung über die psychosoziale Betreuung einer Beratungsstelle für Suchtfragen, ein ÖSD-Zertifikat über die bestandene Deutsch-Prüfung auf dem Niveau B1, ein ÖSD-Zeugnis zur Integrationsprüfung bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz A2 und zu Werte-und Orientierungswissen und Unterstützungsschreiben, beigelegt.

2.10. Mit gegenständlichem Bescheid des BFA vom 18.6.2020, XXXX wurde der dem BF mit Bescheid vom 6.10.2017, Zahl 1071705504-150602844 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Absatz 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I), die mit Bescheid vom 5.10.2018, Zahl 1071705504-150602844 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter dem BF gemäß § 9 Absatz 4 ASylG entzogen (Spruchpunkt II.) und ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 ASylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 5 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 4 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Ferner wurde unter Spruchpunkt VI. ausgesprochen, dass gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt. Unter Spruchpunkt VII. wurde gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF gegen den BF ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Im Wesentlichen begründete das BFA die Entscheidung damit, dass sich der BF nicht mehr in der gleichen vulnerablen Lage befinde, wie zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten. Der BF könne durch seine in Österreich gewonnene Schulbildung bzw. Berufserfahrung nunmehr selbstständig in Afghanistan für seinen Lebensunterhalt sorgen, ohne auf ein Sozialsystem oder ein soziales Auffangnetz angewiesen zu sein. Zum gegen den BF verhängten Einreiseverbot führte das BFA im Wesentlichen aus, dass der BF durch sein Fehlverhalten gezeigt habe, kein Interesse daran zu haben, die Gesetze Österreichs zu respektieren und von ihm eine hohe Gewaltbereitschaft ausginge. So sei die Erlassung des Einreiseverbots gerechtfertigt und notwendig, um die von ihn ausgehende schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern.

2.11. Der BF erhob gegen den oben genannten Bescheid fristgerecht gegenständliche Beschwerde, in der ausgeführt wurde, dass das BFA überhaupt nicht begründe, inwiefern sich die Lage geändert habe.

2.12. Mit Eingabe vom 27.8.2020 wurde eine ärztliche Meldung über die Berufskrankheit des BF und die Anamnese durch Dr. Rudolf Wolf zum Nachweis der gesundheitlichen Probleme des BF, vorgelegt.

2.13. Mit Eingabe vom 5.10.2002 wurde der Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005, vorgelegt.

2.14. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 22.3.2021 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari im Beisein der Rechtsvertreterin des BF eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Das BFA ist nicht erschienen.

Zu seinem Leben in Österreich befragt, gab der BF an, er habe vor dem Lockdown als Koch im Restaurant „L’Osteria“ gearbeitet und arbeite nunmehr als Lieferant. Dabei verdiene er ungefähr EUR 1.300,--, monatlich. Im November oder Dezember 2020 sei er kurzzeitig gekündigt worden und arbeite wieder seit 1.3.2021 dort. Davor habe er als Friseur-Lehrling gearbeitet. Aufgrund einer Allergie gegen Haarfarben könne er in diesem Beruf nicht mehr arbeiten. Bei einem Lieferservice habe er als Zusteller per Fahrrad gearbeitet. Zurzeit habe er noch einen Nebenjob als Verteiler bei der „Kronen Zeitung“, dabei verdiene er ungefähr EUR 390,--. Eine Lehre habe er nicht abgeschlossen; er habe vor, einen Beruf als Mechaniker oder Elektriker zu lernen. In Österreich sei er nur 2,5 Jahre in der Hauptschule gewesen, dann habe er im SOS Kinderdorf in der Nähe von XXXX gelebt und habe dort 2 Jahre die Schule besucht. Deutsch habe er auf dem Niveau B1 und A2 bestanden, ohne einen Deutschkurs zu besuchen.

Im Zusammenhang mit seinen strafrechtlichen Verurteilungen führte der BF aus, dass ihm alles sehr leidtue. Damals sei er minderjährig gewesen und in der Pubertät. Er habe nicht klar denken können. Er versuche sein Leben richtig aufzubauen.

Seine Familie lebe im Iran, in Ghazvin. Seine Mutter arbeite als Landwirtin und seine Schwester als Schneiderin. Sein Vater sei verstorben. Geboren seien sowohl seine Mutter als auch sein Vater in Maidan Wardak, Bezirk Behsud in Afghanistan. In Afghanistan habe er keine Verwandten mehr, sein Onkel, der dort gelebt habe, sei schon lange verstorben. In Afghanistan kenne er niemanden.

Der BF gehöre der Volksgruppe der Hazara an und bekenne sich zur schiitischen Glaubensgemeinschaft des Islam.

Er hab eine Wohnung, Arbeit und sei seit ca. 7 Monaten mit XXXX zusammen, doch wohne er nicht mit seiner Freundin gemeinsam.

Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung legte der BF folgende Schriftstücke vor: eine Stellungnahme vom 22.3.2021, Unterlagen zum Arbeitsverhältnis mit dem Restaurant „L’Osteria“, mehrere Unterstützungsschreiben, einen Lehrvertrag mit der Fa. Goll & Moosbauer OG, die Vorzeitige Auflösung/ Endigung des Lehrverhältnisses, ein Schreiben der AUVA bezüglich der Hauterkrankung des BF, ein Arbeitszeugnis der Fa. Goll & Moosbauer OG, Lohn-und Gehaltsabrechnungen von Oktober 2020, Jänner 2020, November und Dezember 2019.

2.15. Mit Schreiben vom 6.4.2021 übermittelte das BFA den Abtretungs-Bericht der Landespolizeidirektion Oberösterreich den BF betreffend wegen Verdacht auf § 27/2 SMG.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Auf Grundlage der Verwaltungsakte der belangten Behörde und der herangezogenen Hintergrundberichte zur aktuellen relevanten Lage in Afghanistan wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes Folgendes festgestellt:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der BF führt den im Spruch angeführten Namen und ist volljähriger Staatsangehöriger von Afghanistan. Seine Muttersprache ist Dari. Der BF ist der Volksgruppe der Hazara zugehörig, bekennt sich zur schiitischen Glaubensgemeinschaft des Islam, ist zum Entscheidungszeitpunkt nicht verheiratet und hat keine Kinder.

Der BF ist im Iran, in Ghazwin geboren und dort bei seinen Eltern aufgewachsen. Dort besuchte der BF eine afghanische Schule und arbeitete nebenbei in der Tischlerei seines Onkels. Der Vater des BF ist verstorben. Im Iran leben nach wie vor die Schwestern und die Mutter des BF. Die Mutter des BF bestreitet ihren Lebensunterhalt als Landwirtin. In Afghanistan leben keine Angehörigen des BF.

Der BF ist ein junger, gesunder, arbeits- und selbsterhaltungsfähiger Mann und leidet an keiner akuten oder lebensbedrohlichen psychischen oder physischen Erkrankung, welche ein Hindernis für die Rückführung nach Afghanistan darstellen würde.

Festgestellt wird, dass die aktuell vorherrschende Pandemie aufgrund des Corona-Virus SARS-CoV2 (COVID-19) kein Rückkehrhindernis für ganz Afghanistan darstellt. Der BF gehört mit Blick auf sein Alter und das Fehlen physischer (chronischer) Vorerkrankungen keiner spezifischen Risikogruppe betreffend COVID-19 an. Es besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine COVID-19-Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus erleiden würde.

1.2. Zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der BF befindet sich seit seiner Einreise durchgehend im österreichischen Bundesgebiet. Mit Bescheid des BFA vom 6.10.2017, 1071705504-150602844 wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten aufgrund seiner Minderjährigkeit, in Zusammenschau mit damaligen individuellen Verhältnissen zuerkannt.

Der BF befindet sich zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr in der gleichen vulnerablen Lage wie zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten. Mittlerweile ist der BF volljährig, erfahrener, selbstständig und hat Berufserfahrung gesammelt.

Der BF hat in Österreich eine Lehre als Friseur (Stylist) bei der Fa. Goll & Moosbauer OG begonnen, war von 18.11.2019 bis 19.2.2020 tätig, hat diese aber nicht abgeschlossen. Als geringfügig Beschäftigter hat der BF im Zeitraum von 6.11.2020 bis 30.11.2020 für die Fa. Delivery Friends GmbH als Arbeiter gearbeitet. Seit 1.3.2021 ist der BF als Arbeiter für die Fa. Alpin Gastronomie GmbH tätig. Ansonsten bestritt der BF seinen Lebensunterhalt zum weit überwiegenden Teil durch staatliche Unterstützungsleistungen. In Österreich besuchte der BF die Schule, brach diese aber ab.

Der BF hat für das ULF – Unabhängiges LandesFreiwilligenzentrum bei der Freiwilligenmesse „FEST.ENGAGIERT“ im Ausmaß von 4,5 Stunden am 10.5.2019 sich freiwillig engagiert.

Hinsichtlich seines Drogen-und Alkoholkonsums hat der BF am 29.3., 12.4, 29.4 und 3.6.2019 die psychosoziale Beratung POINT Beratungsstelle für Suchtfragen aufgesucht.

Der BF hat eine ÖSD-Prüfung auf dem Niveau B1 am 20.11.2018 mit der Note „befriedigend“, sowie die Integrationsprüfung bestehend aus den Inhalten zur Sprachkompetenz (auf dem Niveau A2) und zu Werte-und Orientierungswissen am 18.7.2018, bestanden.

Der BF verfügt in Österreich über eine Cousine, zu der er nur unregelmäßigen Kontakt pflegt. Ansonsten verfügt der BF in Österreich über keine Familienangehörigen. Der BF hat eine Freundin, mit der er nicht zusammenwohnt. Ein Abhängigkeitsverhältnis konnte zu keinen in Österreich lebenden Personen festgestellt werden.

Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichtes XXXX , XXXX vom 24.5.2019, rechtskräftig am 27.5.2019 wegen § 269 Abs. 1 StGB, §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 StGb zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Höhe von 5 Monaten unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt.

1.3. Zur Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan:

Nicht festgestellt werden kann, dass der BF in Afghanistan aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten bedroht wäre. Im Entscheidungszeitpunkt konnte keine aktuelle Gefährdung des BF in Afghanistan festgestellt werden.

Ebenfalls nicht festgestellt werden kann, dass der BF im Fall seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre. Der BF liefe dort nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Der BF spricht Dari auf muttersprachlichem Niveau, zudem spricht er zumindest grundlegend Farsi sowie Deutsch, Englisch und Persisch.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF alleine deshalb, weil er sich zuletzt in Europa und davor im Iran aufgehalten hat, als afghanischer Staatsangehöriger in Afghanistan einer asylrelevanten Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hätte.

Eine Rückkehr des BF in seine Heimatprovinz Maidan Wardak ist aufgrund der Sicherheitslage nicht möglich.

Dem volljährigen BF steht aber eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat zur Verfügung.

Der BF ist mit den kulturellen Gepflogenheiten und der Sprache seines Herkunftsstaates vertraut, wuchs innerhalb eines afghanischen Familienverbandes auf und wurde zum weitaus überwiegenden Teil seines Lebens innerhalb dessen sozialisiert.

Er ist innerhalb einer afghanischen Familie geboren und aufgewachsen und hat auch in Österreich einen afghanischen Freundeskreis.

1.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Länderspezifische Anmerkungen

COVID-19:

Das genaue Ausmaß der COVID-19-Krise in Afghanistan ist unbekannt. Die hier gesammelten Informationen sollen die Lage zu COVID-19 in Afghanistan zum Zeitpunkt der Berichtserstellung wiedergeben. Diese Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert.

Berichten zufolge, haben sich mehr als 30.000 Menschen in Afghanistan mit COVID-19 angesteckt (WP 25.5.2020; vgl. JHU 26.6.2020), mehr als 670 sind daran gestorben. Dem Gesundheitsministerium zufolge, liegen die tatsächlichen Zahlen viel höher; auch bestünde dem Ministerium zufolge die Möglichkeit, dass in den kommenden Monaten landesweit bis zu 26 Millionen Menschen mit dem Virus infiziert werden könnten, womit die Zahl der Todesopfer 100.000 übersteigen könnte. Die COVID-19 Testraten sind extrem niedrig in Afghanistan: weniger als 0,2% der Bevölkerung – rund 64.900 Menschen von geschätzten 37,6 Millionen Einwohnern – wurden bis jetzt auf COVID-19 getestet (WP 25.6.2020).

In vier der 34 Provinzen Afghanistans – Nangahar, Ghazni, Logar und Kunduz – hat sich unter den Sicherheitskräften COVID-19 ausgebreitet. In manchen Einheiten wird eine Infektionsrate von 60-90% vermutet. Dadurch steht weniger Personal bei Operationen und/oder zur Aufnahme des Dienstes auf Außenposten zur Verfügung (WP 25.6.2020).

In Afghanistan sind landesweit derzeit Mobilität, soziale und geschäftliche Aktivitäten sowie Regierungsdienste eingeschränkt. In den größeren Städten wie z.B. Kabul, Kandahar, Mazar-e Sharif, Jalalabad, Parwan usw. wird auf diese Maßnahmen stärker geachtet und dementsprechend kontrolliert. Verboten sind zudem auch Großveranstaltungen – Regierungsveranstaltungen, Hochzeitsfeiern, Sportveranstaltungen – bei denen mehr als zehn Personen zusammenkommen würden (RA KBL 19.6.2020). In der Öffentlichkeit ist die Bevölkerung verpflichtet einen Nasen-Mund-Schutz zu tragen (AJ 8.6.2020).

Wirksame Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung von COVID-19 scheinen derzeit auf keiner Ebene möglich zu sein: der afghanischen Regierung zufolge, lebt 52% der Bevölkerung in Armut, während 45% in Ernährungsunsicherheit lebt (AF 24.6.2020). Dem Lockdown folge zu leisten, "social distancing" zu betreiben und zuhause zu bleiben ist daher für viele keine Option, da viele Afghan/innen arbeiten müssen, um ihre Familien versorgen zu können (AJ 8.6.2020).

Gesellschaftliche Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19 Auswirkungen

In Kabul, hat sich aus der COVID-19-Krise heraus ein "Solidaritätsprogramm" entwickelt, welches später in anderen Provinzen repliziert wurde. Eine afghanische Tageszeitung rief Hausbesitzer dazu auf, jenen ihrer Mieter/innen, die Miete zu reduzieren oder zu erlassen, die aufgrund der Ausgangsbeschränkungen nicht arbeiten konnten. Viele Hausbesitzer folgten dem Aufruf (AF 24.6.2020).

Bei der Spendenaktion „Kocha Ba Kocha“ kamen junge Freiwillige zusammen, um auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zu reagieren, indem sie Spenden für bedürftige Familien sammelten und ihnen kostenlos Nahrungsmittel zur Verfügung stellten. In einem weiteren Fall startete eine Privatbank eine Spendenkampagne, durch die 10.000 Haushalte in Kabul und andere Provinzen monatlich mit Lebensmitteln versorgt wurden. Außerdem initiierte die afghanische Regierung das sogenannte „kostenlose Brot“-Programm; bei den bedürftigen Familien – ausgewählt durch Gemeindeälteste – rund einen Monat lang mit kostenlosem Brot versorgt werden (AF 24.6.2020). In dem mehrphasigen Projekt, erhält täglich jede Person innerhalb einer Familie zwei Stück des traditionellen Brots, von einer Bäckerei in der Nähe ihres Wohnortes (TN 15.6.2020). Die Regierung kündigte kürzlich an, das Programm um einen weiteren Monat zu verlängern (AF 24.6.2020; vgl. TN 15.6.2020). Beispielsweise beklagten sich bedürftige Familien in der Provinz Jawzjan über Korruption im Rahmen dieses Projektes (TN 20.5.2020).

Weitere Maßnahmen der afghanischen Regierung

Schulen und Universitäten sind nach aktuellem Stand bis September 2020 geschlossen (AJ 8.6.2020; vgl. RA KBL 19.6.2020). Über Fernlernprogramme, via Internet, Radio und Fernsehen soll der traditionelle Unterricht im Klassenzimmer vorerst weiterhin ersetzen werden (AJ 8.6.2020). Fernlehre funktioniert jedoch nur bei wenigen Studierenden. Zum einen können sich viele Familien weder Internet noch die dafür benötigten Geräte leisten und zum Anderem schränkt eine hohe Analphabetenzahl unter den Eltern in Afghanistan diese dabei ein, ihren Kindern beim Lernen behilflich sein zu können (HRW 18.6.2020).

Die großen Reisebeschränkungen wurden mittlerweile aufgehoben; die Bevölkerung kann nun in alle Provinzen reisen (RA KBL 19.6.2020). Afghanistan hat mit 24.6.2020 den internationalen Flugverkehr mit einem Turkish Airlines-Flug von Kabul nach Istanbul wiederaufgenommen; wobei der Flugplan aufgrund von Restriktionen auf vier Flüge pro Woche beschränkt wird (AnA 24.6.2020). Emirates, eine staatliche Fluglinie der Vereinigten Arabischen Emirate, hat mit 25.6.2020 Flüge zwischen Afghanistan und Dubai wiederaufgenommen (AnA 24.6.2020; vgl. GN 9.6.2020). Zwei afghanische Fluggesellschaften Ariana Airlines und der lokale private Betreiber Kam Air haben ebenso Flüge ins Ausland wiederaufgenommen (AnA 24.6.2020). Bei Reisen mit dem Flugzeug sind grundlegende COVID-19-Schutzmaßnahmen erforderlich (RA KBL 19.6.2020). Wird hingegen die Reise mit dem Auto angetreten, so sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich. Zwischen den Städten Afghanistans verkehren Busse. Grundlegende Schutzmaßnahmen nach COVID-19 werden von der Regierung zwar empfohlen – manchmal werden diese nicht vollständig umgesetzt (RA KBL 19.6.2020).

Seit 1.1.2020 beträgt die Anzahl zurückgekehrter Personen aus dem Iran und Pakistan: 339.742; 337.871 Personen aus dem Iran (247.082 spontane Rückkehrer/innen und 90.789 wurden abgeschoben) und 1.871 Personen aus Pakistan (1.805 spontane Rückkehrer/innen und 66 Personen wurden abgeschoben) (UNHCR 20.6.2020).

Situation in der Grenzregion und Rückkehr aus Pakistan

Die Grenze zu Pakistan war fast drei Monate lang aufgrund der COVID-19-Pandemie gesperrt. Mit 22.6.2020 erhielt Pakistan an drei Grenzübergängen erste Exporte aus Afghanistan: frisches Obst und Gemüse wurde über die Grenzübergänge Torkham, Chaman und Ghulam Khan nach Pakistan exportiert. Im Hinblick auf COVID-19 wurden Standardarbeitsanweisungen (SOPs – standard operating procedures) für den grenzüberschreitenden Handel angewandt (XI 23.6.2020). Der bilaterale Handel soll an sechs Tagen der Woche betrieben werden, während an Samstagen diese Grenzübergänge für Fußgänger reserviert sind (XI 23.6.2020; vgl. UNHCR 20.6.2020); in der Praxis wurde der Fußgängerverkehr jedoch häufiger zugelassen (UNHCR 20.6.2020).

Pakistanischen Behörden zufolge waren die zwei Grenzübergänge Torkham und Chaman auf Ansuchen Afghanistans und aus humanitären Gründen bereits früher für den Transithandel sowie Exporte nach Afghanistan geöffnet worden (XI 23.6.2020).

Situation in der Grenzregion und Rückkehr aus dem Iran

Die Anzahl aus dem Iran abgeschobener Afghanen ist im Vergleich zum Monat Mai stark gestiegen. Berichten zufolge haben die Lockerungen der Mobilitätsmaßnahmen dazu geführt, dass viele Afghanen mithilfe von Schmugglern in den Iran ausreisen. UNHCR zufolge, gaben Interviewpartner/innen an, kürzlich in den Iran eingereist zu sein, aber von der Polizei verhaftet und sofort nach Afghanistan abgeschoben worden zu sein (UNHCR 20.6.2020).

Quellen:

AF - Asia Foundation (24.6.2020): Afghanistan’s Covid-19 Bargain, https://asiafoundation.org/2020/06/24/afghanistans-covid-19-bargain/, Zugriff 26.6.2020

AJ - al-Jazeera (8.6.2020): Afghan schools, universities to remain closed until September, https://www.aljazeera.com/news/2020/06/afghan-schools-universities-remain-closed-september-200608062711582.html, Zugriff 26.6.2020

AnA – Andolu Agency (24.6.2020): Afghanistan resumes international flights amid COVID-19, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/afghanistan-resumes-international-flights-amid-covid-19/1888176, Zugriff 26.6.2020

GN – Gulf News (9.6.2020): COVID-19: Emirates to resume regular passenger flights to Kabul from June 25, https://gulfnews.com/uae/covid-19-emirates-to-resume-regular-passenger-flights-to-kabul-from-june-25-1.71950323, Zugriff 26.6.2020

HRW - Human Rights Watch (18.6.2020): School Closures Hurt Even More in Afghanistan, https://www.hrw.org/news/2020/06/18/school-closures-hurt-even-more-afghanistan, Zugriff 26.6.2020

JHU -John Hopkins Universität (26.6.2020): COVID-19 Dashboard by the Center for Systems Science and Engineering (CSSE) at Johns Hopkins University (JHU), https://coronavirus.jhu.edu/map.html, Zugriff 26.6.2020

RA KBL – Rechtsanwalt in Kabul (19.6.2020): Antwortschreiben per Mail, liegt bei der Staatendokumentation auf.

TN – Tolonews (15.6.2020): Govt Will Resume Bread Distribution: Palace, https://tolonews.com/afghanistan/govt-will-resume-bread-distribution-palace, Zugriff 29.6.2020

TN – Tolonews (15.6.2020): Poor Claim ‘Unjust’ Bread Distribution in Jawzjan, https://tolonews.com/afghanistan/poor-claim-%E2%80%98unjust%E2%80%99-bread-distribution-jawzjan, Zugriff 29.6.2020

UNHCR – (20.6.2020): Border Monitoring Update COVID-19 Response 14-20 June 2020, https://data2.unhcr.org/en/documents/download/77302, Zugriff 26.6.2020

WHO – World Health Organization (25.3.2020): Coronavirus disease 2019 (COVID-19) Situation Report –65, https://www.who.int/docs/default-source/coronaviruse/situation-reports/20200325-sitrep-65-covid-19.pdf?sfvrsn=2b74edd8_2, Zugriff 16.4.2020

WP - Washington Post (25.6.2020): Coronavirus sweeps through Afghanistan’s security forces, https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/afghanistan-coronavirus-security-forces-military/2020/06/24/0063c828-b4e2-11ea-9a1d-d3db1cbe07ce_story.html, Zugriff 26.6.2020

XI – Xinhua (23.6.2020): Pakistan receives 1st Afghan export since COVID-19 pandemic, http://www.xinhuanet.com/english/2020-06/23/c_139159139.htm, Zugriff 26.6.2020

Stand: 18.5.2020

Das genaue Ausmaß der COVID-19-Krise in Afghanistan ist unbekannt. Die hier gesammelten Informationen sollen die Lage zu COVID-19 in Afghanistan zum Zeitpunkt der Berichtserstellung wiedergeben. Diese Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert.

In 30 der 34 Provinzen Afghanistans wurden mittlerweile COVID-19-Fälle registriert (NYT 22.4.2020). Nachbarländer von Afghanistan, wie China, Iran und Pakistan, zählen zu jenen Ländern, die von COVID-19 besonders betroffen waren bzw. nach wie vor sind. Dennoch ist die Anzahl, der mit COVID-19 infizierten Personen relativ niedrig (AnA 21.4.2020). COVID-19 Verdachtsfälle können in Afghanistan aufgrund von Kapazitätsproblem bei Tests nicht überprüft werden – was von afghanischer Seite bestätigt wird (DW 22.4.2020; vgl. QA 16.4.2020; NYT 22.4.2020; ARZ KBL 7.5.2020). Auch wird die Dunkelziffer von afghanischen Beamten höher geschätzt (WP 20.4.2020). In Afghanistan können derzeit täglich 500 bis 700 Personen getestet werden. Diese Kapazitäten sollen in den kommenden Wochen auf 2.000 Personen täglich erhöht werden (WP 20.4.2020). Die Regierung bemüht sich noch weitere Testkits zu besorgen – was Angesicht der derzeitigen Nachfrage weltweit, eine Herausforderung ist (DW 22.4.2020).

Landesweit können – mit Hilfe der Vereinten Nationen – in acht Einrichtungen COVID-19-Testungen durchgeführt werden (WP 20.4.2020). Auch haben begrenzte Laborkapazitäten und -ausrüstung einige Einrichtungen dazu gezwungen Testungen vorübergehend einzustellen (WP 20.4.2020). Unter anderem können COVID-19-Verdachtsfälle in Einrichtungen folgender Provinzen überprüft werden: Kabul, Herat, Nangarhar (TN 30.3.2020) und Kandahar. COVID-19 Proben aus angrenzenden Provinzen wie Helmand, Uruzgan und Zabul werden ebenso an die Einrichtung in Kandahar übermittelt (TN 7.4.2020a).

Jahrzehntelange Konflikte in Afghanistan machen das Land anfällig für den Ausbruch von Krankheiten: nach wie vor ist Polio dort endemisch (als eines von drei Ländern weltweit) (WP 20.4.2020) außerdem ist das Gesundheitssystem fragil (AnA 21.4.2020; vgl. QA 16.4.2020; ARZ KBL 7.5.2020). Beispielsweise mangelt es an adäquaten Medikamenten für Patient/innen, die an COVID-19 erkrankt sind. Jedoch sind die wenigen Medikamente, die hierfür zur Verfügung stehen, kostenfrei (ARZ KBL 7.5.2020). Der landesweite Mangel an COVID-19-Testkits sowie an Isolations- und Behandlungseinrichtungen verdeutlichen diese Herausforderung (AnA 21.4.2020; vgl. ARZ KBL 7.5.2020). Landesweit stehen 10.400 Krankenhausbetten (BBC 9.4.2020) und 300 Beatmungsgeräte zur Verfügung (TN 8.4.2020; vgl. DW 22.4.2020; QA 16.4.2020). 300 weitere Beatmungsgeräte plant die afghanische Regierung zu besorgen. Weiters mangelt es an geschultem Personal, um diese medizinischen Geräte in Afghanistan zu bedienen und zu warten (DW 22.4.2020; vgl. ARZ KBL 7.5.2020). Engpässe bestehen bei den PPE (personal protective equipment), persönlichen Schutzausrüstungen für medizinisches Personal; außerdem wird mehr fachliches Personal benötigt, um Patient/innen auf den Intensivstationen zu betreuen (ARZ KBL 7.5.2020).

Aufgrund der Nähe zum Iran gilt die Stadt Herat als der COVID-19-Hotspot Afghanistans (DW 22.4.2020; vgl. NYT 22.4.2020); dort wurde nämlich die höchste Anzahl bestätigter COVID-19-Fälle registriert (TN 7.4.2020b; vgl. DW 22.4.2020). Auch hat sich dort die Anzahl positiver Fälle unter dem Gesundheitspersonal verstärkt. Mitarbeiter/innen des Gesundheitswesens berichten von fehlender Schutzausrüstung – die Provinzdirektion bestätigte dies und erklärtes mit langwierigen Beschaffungsprozessen (TN 7.4.2020b). Betten, Schutzausrüstungen, Beatmungsgeräte und Medikamente wurden bereits bestellt – jedoch ist unklar, wann die Krankenhäuser diese Dinge tatsächlich erhalten werden (NYT 22.4.2020). Die Provinz Herat verfügt über drei Gesundheitseinrichtungen für COVID-19-Patient/innen. Zwei davon wurden erst vor kurzem errichtet; diese sind für Patient/innen mit leichten Symptomen bzw. Verdachtsfällen des COVID-19 bestimmt. Patient/innen mit schweren Symptomen hingegen, werden in das Regionalkrankenhaus von Herat, welches einige Kilometer vom Zentrum der Provinz entfernt liegt, eingeliefert (TN 7.4.2020b). In Hokerat wird die Anzahl der Beatmungsgeräte auf nur 10 bis 12 Stück geschätzt (BBC 9.4.2020; vgl. TN 8.4.2020).

Beispiele für Maßnahmen der afghanischen Regierung

Eine Reihe afghanischer Städte wurde abgesperrt (WP 20.4.2020), wie z.B. Kabul, Herat und Kandahar (TG 1.4.2020a). Zusätzlich wurde der öffentliche und kommerzielle Verkehr zwischen den Provinzen gestoppt (WP 20.4.2020). Beispielsweise dürfen sich in der Stadt Kabul nur noch medizinisches Personal, Bäcker, Journalist/innen, (Nahrungsmittel)Verkäufer/innen und Beschäftigte im Telekommunikationsbereich bewegen. Der Kabuler Bürgermeister warnte vor "harten Maßnahmen" der Regierung, die ergriffen werden, sollten sich die Einwohner/innen in Kabul nicht an die Anordnungen halten, unnötige Bewegungen innerhalb der Stadt zu stoppen. Die Sicherheitskräfte sind beauftragt zu handeln, um die Beschränkung umzusetzen (TN 9.4.2020a).

Mehr als die Hälfte der afghanischen Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze (WP 22.4.2020): Aufgrund der Maßnahmen sorgen sich zehntausende Tagelöhner in Kabul und Herat um ihre Existenz. UNICEF zufolge, arbeiten allein in Kabul mindestens 60.000 Kinder, um das Familieneinkommen zu ersetzen (TG 1.4.2020). Offiziellen Schätzungen zufolge können z.B. in Herat-Stadt 150.000 Tagelöhner aufgrund des Lockdowns nicht arbeiten und haben somit kein Einkommen. Weil es in Herat an Ressourcen mangelt, um Hunderttausende zu ernähren, nimmt die Bevölkerung die Bedrohung durch das Virus nicht ernst. Zwar hat die Bevölkerung anfangs großzügig gespendet, aber auch diese Spenden werden weniger, nachdem die langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen auf Unternehmen sichtbar werden (NYT 22.4.2020).

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die International Organization for Migration (IOM) unterstützen das afghanische Ministerium für öffentliche Gesundheit (MOPH) (WHO MIT 10.5.2020; vgl. IOM 11.5.2020); die WHO übt eine beratende Funktion aus und unterstützt die afghanische Regierung in vier unterschiedlichen Bereichen während der COVID-19-Krise (WHO MIT 10.5.2020): 1. Koordination; 2. Kommunikation innerhalb der Gemeinschaften 3. Monitoring (durch eigens dafür eingerichtete Einheiten – speziell was die Situation von Rückkehrer/innen an den Grenzübergängen und deren weitere Bewegungen betrifft) und 4. Kontrollen an Einreisepunkten – an den 4 internationalen Flughäfen sowie 13 Grenzübergängen werden medizinische Kontroll- und Überwachungsaktivitäten durchgeführt (WHO MIT 10.5.2020; vgl. IOM 11.5.2020).

Taliban und COVID-19

Ein Talibansprecher verlautbarte, dass die Taliban den Konflikt pausieren könnten, um Gesundheitsbehörden zu erlauben, in einem von ihnen kontrollierten Gebiet zu arbeiten, wenn COVID-19 dort ausbrechen sollte (TN 2.4.2020; vgl. TD 2.4.2020). In der nördlichen Provinz Kunduz, hätten die Taliban eine Gesundheitskommision gegründet, die direkt in den Gemeinden das öffentliche Bewusstsein hinsichtlich des Virus stärkt. Auch sollen Quarantänezentren eingerichtet worden sein, in denen COVID-19-Verdachtsfälle untergebracht wurden. Die Taliban hätten sowohl Schutzhandschuhe, als auch Masken und Broschüren verteilt; auch würden sie jene, die aus anderen Gebieten kommen, auf COVID-19 testen (TD 2.4.2020). Auch in anderen Gebieten des Landes, wie in Baghlan, wird die Bevölkerung im Rahmen einer Informationsveranstaltung in der Moschee über COVID-19 informiert. Wie in der Provinz Kunduz, versorgen die Taliban die Menschen mit (Schutz)material, helfen Entwicklungshelfern dabei zu jenen zu gelangen, die in Taliban kontrollierten Gebieten leben und bieten sichere Wege zu Hilfsorganisationen, an (UD 13.3.2020).

Der Umgang der Taliban mit der jetzigen Ausnahmesituation wirft ein Schlaglicht auf den Modus Operandi der Truppe. Um sich die Afghanen in den von ihnen kontrollierten Gebieten gewogen zu halten, setzen die Taliban auf Volksnähe. Durch die Präsenz vor Ort machten die Islamisten das Manko wett, dass sie kein Geld hätten, um COVID-19 medizinisch viel entgegenzusetzen: Die Taliban können Prävention betreiben, behandeln können sie Erkrankte nicht (NZZ 7.4.2020).

Aktuelle Informationen zu Rückkehrprojekten

IOM Österreich unterstützt auch derzeit Rückkehrer/innen im Rahmen der freiwilligen Rückkehr. Aufgrund des stark reduzierten Flugbetriebs ist die Rückkehr seit April 2020 nur in sehr wenige Länder tatsächlich möglich. Neben der Reiseorganisation bietet IOM Österreich dabei, wie bekannt, Unterstützung bei der Ausreise am Flughafen Wien Schwechat an (IOM AUT 18.5.2020).

IOM Österreich bietet derzeit, aufgrund der COVID-19-Lage, folgende Aktivitäten an:

?        Qualitätssicherung in der Rückkehrberatung (Erarbeitung von Leitfäden und Trainings)

?        Unterstützung bei der freiwilligen Rückkehr und Reintegration im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten (Virtuelle Beratung, Austausch mit Rückkehrberatungseinrichtungen und Behörden, Monitoring der Reisemöglichkeiten) (IOM AUT 18.5.2020).

Das Projekt RESTART III – Unterstützung des österreichischen Rückkehrsystems und der Reintegration freiwilliger Rückkehrer/innen in Afghanistan“ wird bereits umgesetzt. Derzeit arbeiten die österreichischen IOM-Mitarbeiter/innen vorwiegend an der ersten Komponente (Unterstützung des österreichischen Rückkehrsystems) und erarbeiten Leitfäden und Trainingsinhalte. Die Unterstützung der freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan ist derzeit aufgrund fehlender Flugverbindungen nicht möglich. IOM beobachtet die Situation und steht diesbezüglich in engem Austausch mit den zuständigen Rückkehrberatungseinrichtungen und den österreichischen Behörden (IOM AUT 18.5.2020)

Mit Stand 18.5.2020, sind im laufenden Jahr bereits 19 Projektteilnehmer/innen nach Afghanistan zurückgekehrt. Mit ihnen, als auch mit potenziellen Projektteilnehmer/innen, welche sich noch in Österreich befinden, steht IOM Österreich in Kontakt und bietet Beratung/Information über virtuelle Kommunikationswege an (IOM AUT 18.5.2020).

Informationen von IOM Kabul zufolge, sind IOM-Rückkehrprojekte mit Stand 13.5.2020 auch weiterhin in Afghanistan operativ (IOM KBL 13.5.2020).

Quellen:

?        AnA – Andalous (21.4.2020): COVID-19 rips through fragile Afghan health system, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/covid-19-rips-through-fragile-afghan-health-system-/1812821, Zugriff 23.4.2020

?        ARZ KBL – Arzt in Kabul (7.5.2020): Antwortschreiben per E-Mail; liegt bei der Staatendokumentation auf.

?        BBC (9.4.2020): Coronavirus: The porous borders where the virus cannot be controlled, https://www.bbc.com/news/world-asia-52210479, Zugriff 9.4.2020

?        DW – Deutsche Welle (22.4.2020): Coronavirus: Tough times ahead as Afghanistan struggles to manage pandemic, https://www.dw.com/en/coronavirus-tough-times-ahead-as-afghanistan-struggles-to-manage-pandemic/a-53207173, Zugriff 23.4.2020

?        IOM AUT – International Organization for Migration in Austria (27.3.2020): Antwortschreiben per E-Mail.

?        IOM KBL – International Organization for Migration Kabul Chapter (13.5.2020): Antwortschreiben per E-Mail.

?        IOM – International Organization for Migration (11.5.2020): Return of Undocumented Afghans - Weekly Situation Report (03-09 May 2020), https://afghanistan.iom.int/sites/default/files/Reports/iom_afghanistan-return_of_undocumented_afghans-_situation_report_03-09_may_2020.pdf, Zugriff 13.5.2020

?        NYT – New York Times (22.4.2020): Afghanistan’s Next War, https://www.nytimes.com/interactive/2020/04/22/magazine/afghanistan-coronavirus.html?searchResultPosition=3, Zugriff 24.4.2020

?        NZZ – Neue Züricher Zeitung (7.4.2020): Die Taliban, dein Freund und Helfer, https://www.nzz.ch/international/afghanistan-die-taliban-betreiben-corona-praevention-ld.1550115, Zugriff 9.4.2020

?        TG – The Guardian (1.4.2020): 'No profit, no food': lockdown in Kabul prompts hunger fears, https://www.theguardian.com/global-development/2020/apr/01/no-profit-no-food-lockdown-in-kabul-prompts-hunger-fears, Zugriff 2.4.2020

?        TG – The Guardian (1.4.2020a): Afghanistan braces for coronavirus surge as migrants pour back from Iran, https://www.theguardian.com/global-development/2020/apr/01/afghanistan-braces-for-coronavirus-surge-as-migrants-pour-back-from-iran, Zugriff 2.4.2020

?        TN – Tolonews (9.4.2020): 40 New COVID-19 Cases in Afghanistan, Total 484, https://tolonews.com/health/40-new-covid-19-cases-afghanistan-total-484, Zugriff 9.4.2020

?        TN – Tolonews (9.4.2020a): Andarabi: All Kabul Roads Will be Blocked, https://tolonews.com/afghanistan/andarabi-all-kabul-roads-will-be-blocked, Zugriff 9.4.2020

?        TN – Tolonews (8.4.2020): Only '300' Ventilators in Afghanistan to Treat COVID-19: MoPH, https://tolonews.com/index.php/afghanistan/only-300-ventilators-afghanistan-treat-covid-19-moph, Zugriff 9.4.2020

?        TN – Tolonews (8.4.2020a): Kabul Clinic Shut Down After Doctor Dies from COVID-19, https://tolonews.com/index.php/health/amiri-medical-complex%E2%80%99s-activities-suspended-health-ministry, Zugriff 9.4.2020

?        TN – Tolonews (7.4.2020): Number of COVID-19 Cases in Afghanistan: 367, https://tolonews.com/health/number-covid-19-cases-afghanistan-367, Zugriff 8.4.2020

?        TN – Tolonews (7.4.2020a): Coronavirus Testing Lab Opens in Kandahar: Officials, https://tolonews.com/health/coronavirus-testing-lab-opens-kandahar-officials, Zugriff 8.4.2020

?        TN – Tolonews (7.4.2020b): 41 Health Workers Test Positive for Coronavirus in Herat, https://tolonews.com/afghanistan/41-health-workers-test-positive-coronavirus-herat, Zugriff 8.4.2020

?        UD – Undark (2.4.2020): With Taliban Help, Afghanistan Girds for a Virus, https://undark.org/2020/04/02/afghanistan-covid-19/, Zugriff 8.4.2020

?        WHO MIT – Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Mazar-e Sharif (10.5.2020): Antwortschreiben per E-Mail; liegt bei der Staatendokumentation auf.

?        WP – Washington Post (20.4.2020): More than a dozen staff members in Afghanistan’s presidential palace test positive for coronavirus, https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/afghanistan-coronavirus-presidential-palace/2020/04/20/5836a856-8308-11ea-81a3-9690c9881111_story.html, Zugriff 24.4.2020

Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Politische Ereignisse: Friedensgespräche. Loya Jirga, Ergebnisse Parlamentswahl Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung. Anm.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban. Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer „inklusiven“ zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi. die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments. Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete. die Taliban hätten kein Interesse daran. Teil der aktuellen Regierung zu sein. und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde. (Tolonews 31.5.2019a).

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die „große Ratsversammlung“ (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel. einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an. betonte aber dennoch. dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen. um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil. was wahrscheinlich u.a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen. das für Mitte April 2019 in Katar geplant war. zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Taliban

beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingung geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Heise 16.5.2019).

Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quelle zufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere „wichtige Dinge" noch behandelt werden (Heise 16.5.2019).

Am 14.5.2019 hat die unabhängige Wahlkommission (Independent Electoral Commission, IEC) die Wahlergebnisse der Provinz Kabul für das afghanische Unterhaus (Wolesi Jirga) veröffentlicht (AAN 17.5.2019; vgl. IEC 14.5.2019, IEC 15.5.2019). Somit wurde nach fast sieben Monaten (die Parlamentswahlen fanden am 20.10.2018 und 21.10.2018 statt) die Stimmenauszählung für 33 der 34 Provinzen vervollständigt. In der Provinz Ghazni soll die Wahl zusammen mit den Präsidentschafts- und Provinzialratswahlen am 28.9.2019 stattfinden. In seiner Ansprache zur Angelobung der Parlamentsmitglieder der Provinzen Kabul und Paktya am 15.5.2019 bezeichnete Ghani die siebenmonatige Wahl als „Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen, die IEC und die Electoral Complaints Commission (ECC), als „ineffizient" (AAN 17.5.2019).

Zivile-Opfer, UNAMA-Bericht

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (1.1.2019 - 31.3.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (UNAMA 24.4.2019).

Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der

Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde (UNAMA 24.4.2019). Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (UNAMA 24.4.2019).

Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt, Anm.), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 24.4.2019).

Anschläge in Kabul-Stadt

Ende Mai 2019 fanden in Kabul-Stadt einige Anschläge und gezielte Tötungen in kurzen Abständen zu einander statt: Am 26.5.2019 wurde ein leitender Mitarbeiter einer NGO in Kart-e Naw (PD5, Police District 5) durch unbekannte bewaffnete Männer erschossen (Tolonews 27.5.2019a). Am 27.5.2019 wurden nach der Explosion einer Magnetbombe, die gegen einen Bus von Mitarbeitern des Ministeriums für Hadsch und religiöse Angelegenheiten gerichtet war, zehn Menschen verletzt. Die Explosion fand in Parwana-e Do (PD2) statt. Zum Vorfall hat sich keine Gruppierung bekannt (Tolonews 27.5.2019b).

Des Weiteren wurden im Laufe der letzten zwei Maiwochen vier Kontrollpunkte der afghanischen Sicherheitskräfte durch unbekannte bewaffnete Männer angegriffen (Tolonews 31.5.2019b).

Am 30.5.2019 wurden in Folge eines Selbstmordangriffes nahe der Militärakademie Marshal Fahim im Stadtteil Char Rahi Qambar (PD5) sechs Personen getötet und 16 Personen, darunter vier Zivilisten, verletzt. Die Explosion erfolgte, während die Kadetten die Universität verließen (1 TV NEWS 30.5.2019). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zu dem Anschlag (AJ 30.5.2019).

Am 31.5.2019 wurden sechs Personen, darunter vier Zivilisten, getötet und fünf Personen, darunter vier Mitglieder der US-Sicherheitskräfte, verletzt, nachdem ein mit Sprengstoff beladenes Auto in Qala-e Wazir (PD9) detonierte. Quellen zufolge war das ursprüngliche Ziel des Angriffs ein Konvoi ausländischer Sicherheitskräfte (Tolonews 31.5.2019c).

Am 2.6.2019 kam nach der Detonation von mehreren Bomben eine Person ums Leben und 17 weitere wurden verletzt. Die Angriffe fanden im Westen der Stadt statt, und einer davon wurde von einer Klebebombe, die an einem Bus befestigt war, verursacht. Einer Quelle zufolge transportierte der Bus Studenten der Kabul Polytechnic University (TW 2.6.2019). Der IS bekannte sich zu den Anschlägen und beanspruchte den Tod von „mehr als 30 Schiiten und Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte“ für sich. Die Operation erfolgte in zwei Phasen: Zuerst wurde ein Bus, der 25 Schiiten transportierte, angegriffen, und darauf folgend detonierten zwei weitere Bomben, als sich „Sicherheitselemente“ um den Bus herum versammelten. Vertreter des IS haben u.a. in Afghanistan bewusst und wiederholt schiitische Zivilisten ins Visier genommen und sie als „Polytheisten“ bezeichnet. (LWJ 2.6.2019).

Am 3.6.2019 kamen nach einer Explosion auf der Darul Aman Road in der Nähe der American University of Afghanistan fünf Menschen ums Leben und zehn weitere wurden verletzt. Der Anschlag richtete sich gegen einen Bus mit Mitarbeitern der Independent Administrative Reform and Civil Service Commission (Tolonews 3.6.2019)

US-Angaben zufolge ist die Zahl der IS-Anhänger in Afghanistan auf ca. 5.000 gestiegen, fünfmal so viel wie vor einem Jahr. Gemäß einer Quelle profitiert die Gruppierung vom „zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan und von aus Syrien geflohenen Kämpfern“. Des Weiteren schließen sich enttäuschte Mitglieder der Taliban sowie junge Menschen ohne Zukunftsperspektive dem IS an, der in Kabul, Nangarhar und Kunar über Zellen verfügt (BAMF 3.6.2019). US-Angaben zufolge ist es „sehr wahrscheinlich“, dass kleinere IS-Zellen auch in Teilen Afghanistans operieren, die unter der Kontrolle der Regierung oder der Taliban stehen (VOA 21.5.2019). Eine russische Quelle berichtet wiederum, dass ca. 5.000 IS-Kämpfer entlang der Nordgrenze tätig sind und die Nachbarländer bedrohen. Der Quelle zufolge handelt es sich dabei um Staatsbürger der ehemaligen sowjetischen Republiken, die mit dem IS in Syrien gekämpft haben (Newsweek 21.5.2019).

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (20.5.2019): Briefing Notes, Afghanistan, per E-Mail

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (6.5.2019): Briefing Notes, Afghanistan, per E-Mail

-        BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation (13.2.2019): Kabul Police Districts Map, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf

-        Heise (16.5.2019): Afghanistan: Wie viel Macht hat der Präsident?,

https://www.heise.de/tp/features/Afghanistan-Wie-viel-Macht-hat-der-Praesident-

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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