TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/18 W174 2009907-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.05.2021
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Entscheidungsdatum

18.05.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §6 Abs1 Z3
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z5
FPG §55

Spruch


W174 2009907-2/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Viktoria MUGLI-MASCHEK, als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.12.2017, Zl. 831815505 - 160347833, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Spruchpunkte IV. und VII. zu lauten haben:

IV. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 4 Asylgesetz 2005 (AsylG) in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 3 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG), erlassen.

VII. Gemäß § 53 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 3 Ziffer 5 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG), wird gegen Sie ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1. Der damals minderjährige Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 10.12.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 11.12.2013 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er sei afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Bayat, moslemisch-schiitischen Glaubens, seine Muttersprache sei Dari. In Afghanistan habe er in der Provinz Ghazni, im Distrikt Qarabagh, gewohnt und dort die Grundschule besucht. Zuletzt sei er Hilfsarbeiter gewesen.

Afghanistan habe er vor ca. eineinhalb Jahren (Mitte 2012) verlassen, weil eines Nachts viele Taliban ins Haus gekommen wären und seine Mutter hätten mitnehmen wollen, worauf sich der Beschwerdeführer deswegen zur Wehr gesetzt habe. Dabei sei er an der Hand, am Fuß und auch am Rücken verletzt worden. Sein Vater sei zu dieser Zeit nicht im Haus gewesen. Da er mit den Taliban gekämpft habe, habe er seine Heimat verlassen müssen. Im Fall der Rückkehr befürchte er, von den Taliban umgebracht zu werden.

3. Am 8.5.2014 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt oder belangte Behörde) in Anwesenheit seiner vom damaligen gesetzlichen Vertreter bevollmächtigten Vertreterin niederschriftlich einvernommen und erklärte im Wesentlichen, die Angaben zu seinen Fluchtgründen in der Erstbefragung entsprächen der Wahrheit und seien gleichgeblieben, er habe sie bei der Polizei aber nur kurz schildern können.

Der Beschwerdeführer habe bis zu seinem 14. oder 15. Lebensjahr mit seiner Familie in Afghanistan gelebt, im Heimatdorf die Schule besucht und sei dann in den Iran gereist. Neben seinen Eltern gebe es noch mehrere Verwandte in Afghanistan, er hätte jedoch keinen Kontakt und kenne deren Wohnort nicht. Mit seiner Familie in Ghazni hätten sie im gemeinsamen Haushalt gelebt, ihre finanzielle Lage sei sehr schlecht gewesen.

Zu seinem Fluchtgrund brachte er vor, dass in seinem Heimatdorf die Taliban sehr aktiv seien. Diese wären immer wieder gekommen und hätten von den Dorfbewohnern finanzielle Unterstützung verlangt, man habe das tägliche Brot mit den Taliban teilen müssen, entweder freiwillig oder unter Druck. Eines Tages habe sein Vater die ganze Situation sattgehabt, heftig mit den Taliban gestritten und sei von ihnen schwer geschlagen worden. Der Beschwerdeführer habe versucht, seinem Vater zu helfen und sei ebenfalls schwer geschlagen worden. Beide wären verletzt gewesen. Die anderen Dorfbewohner hätten dem Beschwerdeführer und seiner Familie geholfen und nur deshalb wären sie am Leben geblieben. Der Vater des Beschwerdeführers habe gemeint, dass er Afghanistan verlassen solle und die Taliban sie nicht mehr in Ruhe lassen würden. Der Beschwerdeführer sei ein junger Mann und die Taliban würden ihm gegenüber keine Gnade zeigen und ihn umbringen, daher solle er sehr schnell gehen.

Im Iran sei der Beschwerdeführer dann operiert worden und anschließend habe er beim Freund seines Vaters gewohnt. Als sein Vater ihn weggeschickt habe, hätte er ihm gesagt, dass er und seine Familie auch nicht in diesem Dorf bleiben würden. Er hätte gemeint, dass auch die restliche Familie in Gefahr sei. Diese hätte Afghanistan ebenfalls verlassen wollen, aber nicht gewusst, wohin. Als der Beschwerdeführer sich ein wenig besser gefühlt habe, habe er zu arbeiten begonnen. Sein Aufenthalt im Iran sei illegal gewesen und er habe illegal gearbeitet. Mehr als sechs Monate hätte er nicht im Iran bleiben können, es sei nur eine Frage der Zeit gewesen, bis die Polizei ihn gefasst und nach Afghanistan abgeschoben hätte.

Der Beschwerdeführer habe sich niemals politisch betätigt und gehöre keiner politischen Organisation oder Partei an, es habe niemals eine konkrete Verfolgung wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit gegeben. Zur Frage, ob er jemals Probleme wegen seiner Religionszugehörigkeit gehabt habe, brachte er vor, dass die Taliban Paschtu sprechen würden und wenn man nicht Paschtu könne und nicht mit den Taliban kommunizieren könne, habe man dort ein Problem, dies gelte aber für alle. Er sei gläubiger Moslem schiitischer Glaubensrichtung, habe niemals Probleme mit den afghanischen Behörden gehabt, auch sonst nicht mit privaten Personen, Personengruppen, Banden und kriminellen Organisationen. Andere Schwierigkeiten habe es nicht gegeben.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 10.6.2014, Zl. 831815505 + 1766621, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 10.6.2015 erteilt (Spruchpunkt III.).

Die Zuerkennung des subsidiären Schutzes begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass sie zwar dem Vorbringen des Beschwerdeführers bezüglich der mangelnden Kontaktaufnahmemöglichkeiten zu seiner Familie im Grundsatz keinen Glauben schenke, zumal dies angeblich nur wegen der fehlenden Telefonnummer nicht mehr möglich wäre, ihm jedoch – in einer bei einem Jugendlichen großzügiger auszulegenden Art – derzeit mit den dem Bundesamt zur Verfügung stehenden Mitteln und Quellen nicht mit Sicherheit nachgewiesen könne, dass der Kontakt zu seinen Verwandten tatsächlich abgebrochen sei und nicht wiederhergestellt werden könne, weshalb im Zweifel von einer zumindest momentan fehlenden Kontaktaufnahmemöglichkeit und somit fehlendem familiären Netzwerk im Fall der Rückkehr ausgegangen werde. Aus diesem Grund würde dem Beschwerdeführer insbesondere wegen seines jungen Alters die reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung drohen und es bestehe – zumindest derzeit – ein Rückkehrhindernis gemäß Art. 3 EMRK. Hervorgehoben wurde allerdings ausdrücklich, dass dem Beschwerdeführer ausschließlich aufgrund des Umstandes, dass seine Angehörigen nicht auszumitteln gewesen seien und ihm nicht habe widerlegt werden können, dass tatsächlich der Kontakt des jugendlichen Beschwerdeführers zu seiner Familie abgerissen wäre, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht für die Dauer eines Jahres zu gewähren sei. Im Zuge des Verlängerungsverfahrens nach entsprechendem Antrag müsse dann die aktuell bestehende Lage geprüft und hierauf neu entschieden werden.

5. In Erledigung der gegen Spruchpunkt I. erhobenen Beschwerde wurde dem Beschwerdeführer mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.10.2014, GZ W117 2009907-1/2E, gem. § 3 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs 5 leg. cit. AsylG wurde festgestellt, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass ganz allgemein im Zusammenhang mit den Angaben des Beschwerdeführers anzuführen sei, dass dessen jugendliches Alter seitens der belangten Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung nicht ausreichend genug ins Kalkül gezogen worden sei. Übereinstimmend mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergebe sich aus den Länderfeststellungen, dass die Taliban in dessen Heimatprovinz Zivilisten töteten und Dorfbewohner zwängen, ihren Kämpfern Essen zu geben. Die im Verfahrensgang angeführten Sachverhaltsfeststellungen der Verwaltungsbehörde zur Situation in Afghanistan hätten auch zwischenzeitig keine Änderung zum Positiven erfahren.

6. In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer mehrfach von inländischen Gerichten rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt:

Zunächst durch das LG Salzburg, 067 HV 30/2015g am 24.4.2015, rechtskräftig am 28.4.2015 wegen § 15 StGB § 269 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten bedingt und mit einer Probezeit von 3 Jahren (Jugendstraftat).

Darauf folgte eine Verurteilung durch das BG Salzburg, 028 U 254/2014b vom 4.11.2015, rechtskräftig am 10.11.2015 wegen §§ 15, 127, 125, 83 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten bedingt und mit einer Probezeit von 3 Jahren sowie eine Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 StGB unter Bedachtnahme auf LG SALZBURG 067 HV 30/2015g, rechtskräftig am 28.4.2015 [Junge(r) Erwachsene(r)].

Eine dritte Verurteilung erfolgte durch das LG Salzburg, 030 HV 90/2015h am 10.12.2015, rechtskräftig am 10.12.2015 wegen § 28a (1) 5. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten bedingt sowie einer Probezeit von 3 Jahren und Anordnung der Bewährungshilfe, ebenfalls als junge(r) Erwachsene(r).

7. Mit Schreiben vom 10.5.2016 wurde der Beschwerdeführer daraufhin durch die belangte Behörde über die Einleitung eines Asylaberkennungsverfahrens in Kenntnis gesetzt.

In seiner am 4.7.2016 im Stande der Strafhaft eingebrachten Stellungnahme führte der Beschwerdeführer hierzu aus, dass ihm der Asylstatus sehr wichtig sei und er sich auch für seine Gesetzesverstöße entschuldige. Auf der Flucht nach Österreich wäre er von seiner Familie getrennt worden, die kleine Schwester hätte er in Österreich wiedergetroffen, aufgrund seiner Gefängnisaufenthalte könne er nicht für sie da sein. Die Unterbringung in einem Jugendheim würde sie an den Rand der Verzweiflung bringen. Deswegen ersuche er um eine letzte Chance und bitte darum, ihm den Asylstatus nicht zu entziehen.

8. Am 1.12.2016 folgte eine weitere (vierte) Verurteilung durch das LG Salzburg, 30 HV 12/16i – 825, wegen § 87 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahre, gleichfalls als junge(r) Erwachsene(r).

Am 13.2.2017 wurde die Behörde davon in Kenntnis gesetzt, dass der Beschwerdeführer einem marokkanischen Asylwerber eine zerbrochene Glasflasche in den Hals gerammt und diesen dadurch schwer verletzt habe.

Er wurde wegen dieser Tat am 5.7.2017 nach § 87 Abs. 1 StGB wegen absichtlich schwerer Körperverletzung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 6 Jahren, als Junge(r) Erwachsene(r), verurteilt. Dieses Urteil, Zl. 30 HV 5/17m, erwuchs mit 29.11.2017 nach erfolgloser Berufung in Rechtskraft.

9. Mit dem gegenständlichen im Spruch genannten Bescheid wurde dem Beschwerdeführer der mit Erkenntnis vom 24.10.2014 unter der Zahl W117 2009907-1/2E gemäß § 3 AsylG 2005 zuerkannte Status eines Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt und festgestellt, dass ihm die Eigenschaft eines Asylberechtigten kraft Gesetzes nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.). Laut Spruchpunkt II. ist ihm nach Aberkennung des Status des Asylberechtigten internationaler Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat gem. § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG nicht zu gewähren. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan derzeit zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung und beginnt mit der Entlassung aus der Strafhaft, so ferne der Bescheid zu diesem Zeitpunkt bereits in Rechtskraft erwachsen ist (Spruchpunkt VI.). Schließlich wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z „1“ ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

10. Dagegen wurde Beschwerde in vollem Umfang erhoben und im Wesentlichen vorgebracht, dass der Beschwerdeführer afghanischer Staatsbürger, Angehöriger der Volksgruppe der Sayed (Untergruppe der Hazara) sowie schiitisch-muslimischen Glaubens sei. Die Behörde hätte es unterlassen, zu ermitteln, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet eine Lebensgefährtin habe, mit der er bereits in einer gemeinsamen Wohnung gelebt hätte. Die beiden hätten zudem vor, nach Entlassung des Beschwerdeführers aus der Justizanstalt zu heiraten und eine Familie zu gründen. Der Beschwerdeführer werde regelmäßig von seiner Lebensgefährtin in der Justizanstalt besucht und sie würde ihn auch bei seiner Resozialisierung unterstützen. Zudem sei der Beschwerdeführer in der Justizanstalt als Koch tätig und plane nach seiner Entlassung eine Lehre in diesem Bereich. Überdies pflege er zu seiner Schwester Briefkontakt.

11. Im Rahmen ihrer Beschwerdevorlage nahm die belangte Behörde dazu dahingehend Stellung, dass der Beschwerdeführer von der Lebensgemeinschaft und den Hochzeitsplänen in seiner Stellungnahme kein Wort erwähnt, sondern nur seine Schwester angeführt habe. Die in der Beschwerde namentlich genannte Freundin des Beschwerdeführers sei auch bei der brutalen Schlägerei dabei gewesen, bei der ein Mensch den Tod gefunden habe. Dabei habe sie nicht versucht, dem Beschwerdeführer das Vorhaben auszureden, sondern vorgeschlagen, die Wertsachen der afghanischen Gruppe zu verwahren, damit sie bei der Schlägerei nicht verloren gingen. Sie sei bereits am 4.4.2016 vom Landesgericht Salzburg wegen falscher Beweisaussage und der versuchten Begünstigung verurteilt worden, weil sie dem Beschwerdeführer ein falsches Alibi habe verschaffen wollen (30 HV 23/16g-14). Die Qualität ihrer Zeugenaussage wäre in diesem Fall zumindest nicht von vorneherein als unbedenklich zu qualifizieren. Dem Akt sei zwar zu entnehmen, dass sie die Freundin des Beschwerdeführers gewesen sei, ob sie tatsächlich immer noch eine Beziehung führten sei deshalb nicht überprüft worden, weil der Beschwerdeführer sie nicht in seiner Stellungnahme erwähnt habe. In einer Gesamtbetrachtung sei die Behörde jedoch der Ansicht, dass auch eine vor Antritt der Haftstrafe bestehende Lebensgemeinschaft in diesem Fall im Ergebnis nicht relevant wäre. Zudem sei für die erkennende Behörde nicht nachvollziehbar, wie eine im Zuge einer Einvernahme durchgeführte individuelle Gefährlichkeitsprognose die mehrfachen Verurteilungen wegen absichtlich schwerer Körperverletzung abschwächen könnte. Dass der Beschwerdeführer einem anderen Menschen auch nach Erstattung der Stellungnahme und Entschuldigung für seine Straftaten eine Glasscherbe brutal in den Hals ramme, sei für das Bundesamt ein weiterer klarer Beweis für seine Gefährlichkeit. Dieses manifeste Gefährlichkeitspotenzial könne auch durch die Arbeit in der Gefängnisküche oder eine geplante Hochzeit nicht relativiert werden. Die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers sei in mehrere Gerichtsverfahren festgestellt worden und manifestiere sich in den entsprechend bemessenden Haftstrafen. Festgestellt worden sei auch, dass der Beschwerdeführer mehrmals wegen besonders schwerer Verbrechen verurteilt worden sei.

Bei der Beurteilung der subjektiven Zumutbarkeit einer Rückkehr nach Afghanistan sei insbesondere berücksichtigt worden, dass sich der Beschwerdeführer, wie sich aus den Urteilsausfertigungen ergebe, überwiegend mit afghanischen Personen umgebe und sich auch der afghanischen Gemeinschaft zugehörig fühle. Dieser Umstand manifestiere sich insbesondere darin, dass dabei in gemeinsamer, verabredeter Form gegen eine Gruppe einer anderen Nationalität vorgegangen worden sei. Im Hinblick auf die Brutalität, mit welcher der Beschwerdeführer seine Verbrechen begangen habe, verlören auch die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet entsprechend an Gewicht. Hinzu komme, dass er immer nur generelle Behauptungen in den Raum stelle, warum ihm eine Ansiedlung in Afghanistan nicht zumutbar wäre. Konkrete Gründe oder Nachweise habe er nicht vorgebracht. Abschließend werde noch einmal ausdrücklich auf die Gefährlichkeit und Brutalität der Taten des Beschwerdeführers hingewiesen, welche den (strafgerichtlichen) Urteilsausfertigungen zweifelsfrei zu entnehmen seien. Dass die Verantwortung an den Straftaten allein beim Beschwerdeführer liege, lasse sich aus dem Strafmaß der Verurteilungen entnehmen.

12. Mit Rechtsmittelentscheidung des Oberlandesgerichts Linz vom 17.4.2018 zur Zahl 30 HV 12/16i – 825 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen das Urteil vom 1.12.2016 unter der ON 931 nicht Folge gegeben, auch diese Verurteilung erwuchs damit in Rechtskraft.

13. Mit Schriftsatz vom 19.4.2021 wurde dem Beschwerdeführer durch das Bundesverwaltungsgericht die aktuelle Länderinformation der Staatendokumentation vom 1.4.2021 übermittelt und ihm die Möglichkeit eingeräumt, binnen 14 Tagen ab Zustellung dieses Schreibens eine schriftliche Stellungnahme einzubringen. Weiters wurde die Gelegenheit eingeräumt bekanntzugeben, ob sich an seiner persönlichen Situation in Österreich bzw. seinem Gesundheitszustand seit der Antragstellung gravierende Veränderungen ergeben hätten und allfällige damit im Zusammenhang stehende Beweismittel vorzulegen.

14. Am 29.4.2021 langte beim Bundesverwaltungsgericht die schriftliche Äußerung des Beschwerdeführers hierzu ein. Darin führte er im Wesentlichen aus, er sei im Jahr 2013 nach Österreich gekommen und 2015 inhaftiert worden. In dieser Zeit habe er für zwei Monate einen A1 Deutschkurs besucht und in der Haft dann die Chance auf einen neuen Deutschkurs genutzt, um sich auf sein Leben nach der Haft vorzubereiten. Mittlerweile spreche er gut Deutsch und verstehe auch alles.

Weiters habe er in der Haft viel über „sein Delikt“ nachgedacht und dazu auch ein Anti-Gewalt-Training in der Justizanstalt absolviert. Da er „sein Delikt“ unter Drogeneinfluss begangen habe, habe er auch die Drogengruppe in der Justizanstalt absolviert und wolle, wenn möglich, nach seiner Haft auch eine ambulante Drogenberatung beginnen. Diesbezüglich habe er schon mit der zuständigen Koordinatorin gesprochen. Auch nach seiner Haft wolle er wieder in Salzburg leben und seine 15-jährige Schwester zu sich holen, welche momentan in einer WG wohne. Für seine Arbeit nach der Haft habe er schon den Erste-Hilfe-Kurs, den Staplerschein und den Kurs „Erfolgreiche Lagerwirtschaft“ absolviert.

II.     Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Der mittlerweile volljährige Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Bayat/Hazara an. Er ist schiitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Dari. Er ist ledig und kinderlos.

Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Ghazni, im Distrikt Qarabagh, geboren, wuchs dort mit seinen Eltern und den Geschwistern im familieneigenen Haus auf und besuchte im Heimatort die Schule.

Mitte 2012 (somit entsprechend dem gerichtsmedizinischen Gutachten vom 17.2.2014 im Alter von ca. 15 Jahren) reiste der Beschwerdeführer in den Iran, wo er sich seinen Unterhalt bis zur Weiterreise selbst verdiente.

Der Beschwerdeführer ist nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, er ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut. Auch im Bundesgebiet umgab er sich bis zu seiner Inhaftierung mit afghanischen Landsleuten.

Der Beschwerdeführer ist gesund, anpassungsfähig und arbeitsfähig.

In der Justizanstalt war der Beschwerdeführer als Koch tätig und absolvierte für seine Arbeit nach der Haft den Erste-Hilfe-Kurs, den Staplerschein und den Kurs „Erfolgreiche Lagerwirtschaft“.

Der Beschwerdeführer befindet sich nach wie vor in Strafhaft, bereits seit 2015 lebt er regelmäßig im Strafvollzug.

Der Beschwerdeführer besuchte vor der Strafhaft einen A1 Deutschkurs und einen Deutschkurs in der Justizanstalt.

Eine 15-jährige Schwester lebt im Bundesgebiet in einer Wohngemeinschaft, ein Familienleben im hier relevanten Sinne besteht – schon wegen der fortdauernden Strafhaft des Beschwerdeführers seit 2015 – nicht, ebenso hat der Beschwerdeführer laut eigenen Angaben in seiner Stellungnahme vom April 2021 derzeit keine weiteren Angehörigen oder engen Beziehungen in Österreich.

Kontakte oder Freundschaften zu Österreichern brachte der Beschwerdeführer ebenso wenig vor, wie ehrenamtliche Tätigkeiten oder Mitgliedschaften in Vereinen.

1.2. Zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten:

Der Beschwerdeführer wurde mehrfach von inländischen Gerichten rechtskräftig verurteilt:

1.) LG Salzburg, 067 HV 30/2015g vom 24.4.2015, rechtskräftig am 28.4.2015 wegen §§ 15, 269 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten bedingt und einer Probezeit von 3 Jahren. Es handelte sich um eine Jugendstraftat;

2.) BG Salzburg, 028 U 254/2014b vom 4.11.2015, rechtskräftig am 10.11.2015 wegen §§ 15, 127, 125 StGB, 83 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten bedingt, die Probezeit wurde mit 3 Jahren festgesetzt, es handelte sich um eine Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 StGB unter Bedachtnahme auf die erste Verurteilung des LG SALZBURG, 067 HV 30/2015g, rechtskräftig am 28.04.2015. Diesmal handelte der Beschwerdeführer als „Junge(r) Erwachsene(r)“;

3.) LG Salzburg, 030 HV 90/2015h, rechtskräftig am 10.12.2015 wegen § 28a Abs. 1 5. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten bedingt, verbunden wieder mit einer Probezeit von 3 Jahren und der Anordnung der Bewährungshilfe für den Beschwerdeführer als „Junge(r) Erwachsene(r)“;

4.) LG Salzburg, 30 HV 12/16i vom 1.12.2016, rechtskräftig am 17.4.2018 wegen § 87 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren [Junge(r) Erwachsene(r)] und

5.) LG Salzburg. 30 HV 5/2017m vom 5.7.2027, rechtskräftig am 29.11.2017 wegen § 87 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren, ebenfalls als „Junge(r) Erwachsene(r)“.

Wegen dieses wiederholten strafbaren Verhaltens und der wiederholten Begehung schwerer Verbrechen bedeutet der Beschwerdeführer trotz der zu berücksichtigenden Teilnahme an einer Drogengruppe und einem Anti-Gewalt-Trainings in der Justizanstalt, für die er jedoch – wie der Vollständigkeit anzumerken ist – im Gegensatz zum Vorbringen in der Stellungnahme keine Belege vorlegte, eine Gefahr für die Gemeinschaft.

Er stellt somit dauerhaft eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich dar.

Die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen den Interessen des Beschwerdeführers am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat. Mittlerweile steht dem Beschwerdeführer eine interne fluchtalternative in Herat oder Mazar-Sharif zur Verfügung (vgl. dazu ausführlich Punkt II.1.3. und II.2.3.).

1.3.    Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem Beschwerdeführer könnte bei einer Rückkehr in die ursprüngliche Herkunftsprovinz Ghazni aufgrund der dort herrschenden allgemeinen schlechten Sicherheitslage ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Der Beschwerdeführer ist mittlerweile volljährig, anpassungsfähig und kann einer regelmäßigen Arbeit nachgehen.

Der Beschwerdeführer kann auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Der Beschwerdeführer wuchs mindestens bis zum Alter von ca. 15 Jahren mit seiner Familie in Afghanistan auf und besuchte im Heimatdorf die Schule. Nach seiner Ausreise in den Iran erwirtschaftete er sich bis zur Weiterreise selbstständig sein Einkommen, arbeitete im Bundesgebiet in der Haft als Koch und absolvierte für seine Arbeit nach der Haft u.a. den Staplerschein und den Kurs „Erfolgreiche Lagerwirtschaft“. Zudem gab der Beschwerdeführer selbst an, einer regelmäßigen Arbeit nachgehen zu können.

Wenn auch das Bundesverwaltungsgericht nicht verkennt, dass der Beschwerdeführer noch jung die Heimat verließ, so verbrachte er doch die prägenden Jahre dort, umgab sich bis zu seiner Inhaftierung auch im Bundesgebiet vorwiegend mit Landsleuten und war auch in schwierigen Situationen – wie im Iran, wo er fremd und zudem illegal aufhältig war – in der Lage, sich sein Einkommen selbst zu erwirtschaften. Somit kann er insgesamt auch trotz der zurzeit durch die Corona-Pandemie erschwerten wirtschaftlichen Lage bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer alternativen Ansiedelung in einer der Städte Herat bzw. Mazar-e Sharif grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und in Herat bzw. Mazar-e Sharif einer Arbeit nachgehen und sich selber erhalten.

Es ist dem Beschwerdeführer auch möglich, nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Herat/Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

Der Vollständigkeit halber wird festgehalten, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer ursprünglich – vor der Zuerkennung des Asylstatus durch das Bundesverwaltungsgericht – den Status des subsidiär Schutzberechtigten nur deshalb zuerkannte, weil er damals noch minderjährig war und die Behauptung nicht widerlegt werden konnte, dass der damals Jugendliche nicht in Kontakt mit seiner Familie gestanden sei.

1.4.    Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Stand 01.04.2021, die EASO Country Guidance: Afghanistan vom Juni 2019 (EASO) und die UNHCR-Richtlienien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Schutzsuchender vom 30.8.2018 (siehe Anlagen) stellen einen integrierten Bestandteil dieses Erkenntnisses dar und werden als Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat herangezogen.

1.5. Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus:

Zur allgemeinen Situation betreffend COVID-19 ist auszuführen, COVID-19 ist eine durch das

Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet.

Die Wahrscheinlichkeit von schweren Erkrankungen und Todesfällen steigt bei Personen über 65 Jahren und bei Personen mit definierten Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf- Erkrankungen, chronischen Atemwegserkrankungen, geschwächtem Immunstatus, Krebs und Fettleibigkeit deutlich an. Diese Risikogruppen sind bis heute für die Mehrheit der schweren Erkrankungen und Todesfälle verantwortlich. Nach der Infektion gibt es aktuell (noch) keine spezifische Behandlung für COVID-19, jedoch kann eine frühzeitige unterstützende Therapie, sofern die Gesundheitsfürsorge dazu in der Lage ist, die Ergebnisse verbessern. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Krankheitsverlauf des COVID-19, sofern es durch das Coronavirus ausgelöst wurde, für die Allgemeinbevölkerung als mild bis moderat, für ältere Menschen mit definierten Risikofaktoren jedoch als gravierend bis tödlich eingeschätzt wird (s. www.who.int/health topics/coronavirus).

Im Hinblick auf die derzeit bestehende Pandemie, aufgrund des Corona-Virus, wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht unter die Risikogruppe der Personen über 65 Jahren und der Personen mit Vorerkrankungen fällt. Ein bei einer Überstellung des Beschwerdeführers nach Afghanistan vorliegendes „real risk“ einer Verletzung des Art. 2 oder 3 EMRK ist hierzu nicht erkennbar.

2.       Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in die Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichts, die Urteilsausfertigungen der Strafgerichte und in das Österreichische Strafregister sowie das Zentrale Melderegister.

2.1.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf, seinem Aufwachsen sowie seiner familiären Situation in Afghanistan und seiner Berufserfahrung gründen sich auf seine diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln. Die Feststellungen zum Alter des Beschwerdeführers bei seiner Ausreise ergeben sich in diesem Zusammenhang aus dem rechtsmedizinischen Gutachten zur Altersfeststellung.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers und auf dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist.

2.2.    Zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten:

Die fünf rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers entsprechen dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich sowie in die entsprechenden vorliegenden Strafurteile.

Der belangten Behörde ist in ihrer Gefährdungsprognose beizustimmen, da der Beschwerdeführer u.a. mehrfach wegen absichtlich schwerer Körperverletzung – somit wegen besonders schwerer Verbrechen - verurteilt wurde und in seinen Stellungnahmen lediglich oberflächlich erklärte, dass er seine Tat bereue. Zudem sprach er in seinem Parteiengehör vom 29.4.2021 in diesem Zusammenhang nur von einem Delikt, versuchte seine wiederholte schwere Straffälligkeit somit kleinzureden, was – trotz der vorgebrachten Teilnahme an einem Anti-Gewalt-Training in der Strafhaft – ebenfalls gegen wirkliche Reue oder Empathie mit den Opfern spricht, zumal der Beschwerdeführer in diesem Schreiben lediglich oberflächlich behauptete, er hätte viel über sein Delikt (Einzahl!) nachgedacht und wolle sich mit seinem Problem auseinandersetzen. Überdies ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer auch nach Erstattung der ersten Stellungnahme und Entschuldigung für seine Straftaten einem anderen Menschen eine Glasscherbe in den Hals rammte, weshalb seinen ohnehin oberflächlichen Entschuldigungen und Ankündigungen, sich zu bessern, kein Glauben geschenkt werden kann.

Wie die belangte Behörde in ihrer Bescheidbegründung zu Recht ausführte, trat der Beschwerdeführer während seiner gesamten Aufenthaltsdauer regelmäßig wegen verschiedener Strafrechtsdelikte in Erscheinung. Auch unter dem Gesichtspunkt, dass er bereits 11 Mal kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten war, erkannte das Bundesamt zu Recht sein Gefährdungspotential. Besonders erschwerend kommt in seinem Fall die Art der letzten Gewalttat zum Tragen. Der Beschwerdeführer attackierte einen anderen Asylwerber gemeinsam mit seinen Komplizen und nachdem ein Komplize dem Opfer bereits eine Glasflasche mit voller Wucht auf den Kopf geschlagen hatte, die dabei zerbrochen war, hob der Beschwerdeführer eine Scherbe auf und rammte sie in den Hals des Opfers. Mit einer solchen Handlung ist üblicherweise akute Lebensgefahr des Opfers verbunden.

Insgesamt ist der Beschwerdeführer, der bereits im Alter von 18 Jahren erstmals strafrechtlich verurteilt wurde, in weiterer Folge immer schwerwiegendere Straftaten beging und damit die andauernde Missachtung der österreichischen Rechtsordnung unter Beweis stellte, somit eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich. Aufgrund der – auch in den Strafurteilen gewürdigten – wiederholten schweren Verbrechen, der Art von deren Durchführung und der nach wie vor fehlenden echten Reue und Empathie mit den Opfern des Beschwerdeführers ist davon auszugehen, dass diese Gefahr dauerhaft sein wird.

Da dem Beschwerdeführer nunmehr eine interne Fluchtalternative zur Verfügung steht, überwiegen die öffentlichen Interessen an seiner Aufenthaltsbeendigung seine persönlichen Interessen am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat.

2.3.    Zur Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

2.3.1. Die Feststellungen zu den Folgen einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine ursprüngliche Herkunftsprovinz ergeben sich aus den oben angeführten Länderberichten.

Die Feststellungen zum Aufwachsen des Beschwerdeführers in der Heimat, seiner heimatlichen Schulbildung, zu seiner weiteren Ausbildung sowie seinen Berufserfahrungen basieren auf seinen diesbezüglich glaubwürdigen Angaben.

Die Feststellungen zur Rückkehrhilfe ergeben sich aus den Länderberichten.

Die Feststellungen zur Anpassungsfähigkeit und Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers beruhen darauf, dass er schon als Jugendlicher im Iran sein Auskommen selbst erwirtschaften konnte, mittlerweile in der Justizanstalt als Koch tätig war und für seine Arbeit nach der Haft u.a. den Staplerschein und den Kurs „Erfolgreiche Lagerwirtschaft“ absolvierte. Es sind im Verfahren keine Umstände hervorgekommen, die gegen eine grundsätzliche Anpassungsfähigkeit und gegen eine Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers sprechen.

2.3.2. Die Feststellungen zu den Folgen einer Ansiedlung des Beschwerdeführers in den Städten Herat bzw. Mazar-e Sharif, ergeben sich - unter Berücksichtigung der von UNHCR und EASO aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan - aus den oben angeführten Länderberichten und aus den Angaben des Beschwerdeführers. Die Feststellung zur Prognose, dass sich der Beschwerdeführer in den Städten Herat und Mazar-e Sharif eine Existenz aufbauen kann, ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Aus den Länderinformationen ergibt sich, dass diese Städte als relativ sicher gelten, unter der Kontrolle der Regierung stehen und auch sicher erreichbar sind. Die Versorgung der Bevölkerung in diesen Städten ist grundlegend gesichert.

Der Beschwerdeführer ist mit der afghanischen Kultur und den afghanischen Gepflogenheiten sozialisiert und verbrachte dort den größeren Teil seines Lebens (mindestens) bis zum Alter von ca. 15 Jahren und besuchte in der Heimat die Schule. Er kann sich daher in den Städten Herat und Mazar-e Sharif zurechtfinden. Der Beschwerdeführer hat bereits als Jugendlicher (nicht im Kindesalter) im Iran gearbeitet und sich so seinen Unterhalt auch auf der Flucht selbst verdient. Der Beschwerdeführer ist im erwerbsfähigen Alter, gesund, volljährig, alleinstehend, anpassungsfähig und arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer hat keine Sorgepflichten. Er kann auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher auf Grund dieser Umstände auch unter Berücksichtigung der zurzeit herrschenden, coronabedingt erschwerten, wirtschaftlichen Bedingungen davon aus, dass sich der Beschwerdeführer nach anfänglichen Schwierigkeiten in Herat bzw. Mazar-e Sharif niederlassen und sich dort eine Existenz ohne unbillige Härte aufbauen kann (vgl. VwGH 21.10.2020, Ra 2020/19/0349-6).

2.4.    Zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Länderberichte. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln. Die den Feststellungen zugrundeliegenden Länderberichte sind in Bezug auf die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan aktuell. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich durch Einsichtnahme in die jeweils verfügbaren Quellen (u.a. laufende Aktualisierung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation) davon versichert, dass zwischen dem Stichtag der herangezogenen Berichte und dem Entscheidungszeitpunkt keine wesentliche Veränderung der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan eingetreten ist. Die in der Beschwerde zitierten Länderberichte sind durch die aktuellen, in den Feststellungen zitierten Länderinformationen überholt.

3.       Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und verfahrensrechtliche Grundlagen:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, liegt gegenständlich die Zuständigkeit der nach der geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichts zuständigen Einzelrichterin vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte ist mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts durch das Verwaltungsgerichtsverfahrens (VwGVG) geregelt. Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG idgF bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zweck des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG idgF sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß §§ 16 Abs 6 und 18 Abs 7 BFA-VG idgF sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

3.2. Zu Spruchpunkt A)

3.2.1.  Zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1.1. §§ 6 und 7 AsylG 2005 (AsylG) lauten auszugsweise:

„3. Abschnitt

Ausschluss von der Zuerkennung und Aberkennung des Status des Asylberechtigten

Ausschluss von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten

§ 6. (1) Ein Fremder ist von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn […]

3. aus stichhaltigen Gründen angenommen werden kann, dass der Fremde eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, oder

4. er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

(2) Wenn ein Ausschlussgrund nach Abs. 1 vorliegt, kann der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden. § 8 gilt.

Aberkennung des Status des Asylberechtigten

§ 7. (1) Der Status des Asylberechtigten ist einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt;

2. einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder

3. der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.

[…]

(4) Die Aberkennung nach Abs. 1 Z 1 und 2 ist mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt.“

Für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG müssen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Herkunftsstaat verbracht werden darf. Er muss erstens ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür zweitens rechtskräftig verurteilt worden und drittens gemeingefährlich sein und schließlich müssen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung seine Interessen am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen (vgl VwGH 26.02.2019, Ra 2018/18/0493).

Unter den Begriff des "besonders schweren Verbrechens" iSd § 6 Abs 1 Z 4 AsylG fallen nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen. Dabei handelt es sich um eine demonstrative und daher keineswegs abschließende Aufzählung von Delikten in Zusammenhang mit Art 33 Abs 2 GFK (vgl VwGH 18.10.2018, Ra 2017/ 19 /0109; 29.08.2019, Ra 2018/ 19 /0522; 18.11.2019, Ra 2019/18/0418).

Auch im Fall einer Vielzahl einschlägiger rechtskräftiger Verurteilungen und insofern verhängter, beträchtlicher und überwiegend unbedingter Freiheitsstrafen, können verwirklichte Delikte in einer Gesamtbetrachtung als "besonders schweres Verbrechen" qualifiziert werden (vgl. VwGH 23.9.2009, 2006/01/0626; 18.10.2018, Ra 2017/19/0109).

Die Beurteilung, ob der Fremde eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt (hier: § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005), erfordert im jeweiligen Einzelfall eine Gefährdungsprognose, wie sie in ähnlicher Weise auch in anderen asyl- und fremdenrechtlichen Vorschriften zugrunde gelegt ist (vgl. §§ 9 Abs. 2 Z 2 und 57 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005; §§ 53 und 66 Abs. 1 FrPolG 2005). Bei dieser Einzelfallprüfung ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und in Hinblick auf welche Umstände die Annahme gerechtfertigt ist, der Fremde stelle eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich dar (vgl. VwGH 30.8.2017, Ra 2017/18/0155, Rn. 18, sowie VwGH 23.1.2018, Ra 2017/18/0246, Rn. 26, jeweils in Bezug auf die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005; zuletzt 7.10.2020, Ra 2019/20/0358).

Im Rahmen einer Gefährdungsprognose (hier nach § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005) ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung eines Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. VwGH 1.3.2018, Ra 2018/19/0014).

3.2.1.2. Dem Beschwerdeführer wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Unbestritten wurde der Beschwerdeführer gegenständlich insgesamt fünfmal von einem inländischen Strafgericht rechtskräftig verurteilt und zwar u.a. wiederholt wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung, somit wegen besonders schwerer Verbrechen, wobei er bei seiner letzten Tat einer anderen Person eine Glasscherbe in den Hals rammte, was durchaus auch den Tod des Opfers hätte nach sich ziehen können.

Wenn die belangte Behörde nun einen Asylausschlussgrund nach § 6 AsylG als erfüllt ansieht, so ist dem beizupflichten. Die belangte Behörde stützt sich im konkreten Fall auf § 6 Abs 1 Z 4 AsylG, wonach ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen ist, wenn er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet.

Hinsichtlich der Voraussetzung der Gemeingefährlichkeit verlangt der Verwaltungsgerichtshof das Vorliegen einer konkreten Gefahr für die "nationale Sicherheit", insbesondere, dass es sich dabei um Umstände handeln muss, bei denen ein strafbares Verhalten eine Gefahr für die Gemeinschaft darstellt (vgl VwGH 21.09.2015, Ra 2015/ 19 /0130; 23.09.2009, 2006/01/0626).

Wie in den Feststellungen und der Beweiswürdigung ausgeführt, stellt der Beschwerdeführer aufgrund seines Gesamtverhaltens, der wiederholten Begehung schwerer Delikte und der nach wie vor fehlenden tatsächlichen Reue und Empathie mit den Opfern eine Gefahr für die Gemeinschaft dar. Die Chronologie seiner strafgerichtlichen Verurteilungen deutet zudem auf das Bild einer steigenden kriminellen Energie des Beschwerdeführers hin, welche in seiner letzten Verurteilung zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 Jahren kulminierte.

Er wurde bereits im Alter von 18 Jahren das erste Mal strafgerichtlich verurteilt, zeigte sich jedoch trotz seiner (in weiterer Folge mehrfachen) Verurteilungen nicht einsichtig, sondern verübte weitere Straftaten mit steigender krimineller Energie. Die (vorangehenden) Verurteilungen haben beim Beschwerdeführer keine Besserung bewirkt, sodass sein strafrechtswidriges Verhalten zuletzt in der Verurteilung vom Juli 2017 mit einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 6 Jahren aufgrund des erneuten Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung gipfelte.

Die strafrechtlichen Mittel zur Vermeidung eines Rückfalls, wie die Anordnung der Bewährungshilfe, die bedingte oder unbedingte Freiheitsstrafe, hielten den Beschwerdeführer auch nicht davon ab, wieder rückfällig zu werden. Vom somit völlig uneinsichtigen Beschwerdeführer geht daher nach wie vor eine hohe und konkrete Gefahr für die nationale Sicherheit aus.

Da sich der Beschwerdeführer zum Entscheidungszeitpunkt überdies nach wie vor in Strafhaft befindet, ein etwaiger Gesinnungswandel eines Straftäters jedoch grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich in Freiheit wohl verhalten hat (vgl. dazu beispielsweise VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0262; 25.01.2018, Ra 2018/21/0004; 26.04.2018, Ra 2018/21/0044; 03.07.2018, Ra 2018/21/0050, jeweils mwN), kann ihm im vorliegenden Fall auch kein positiver Gesinnungswandel attestiert werden. Es kann nicht prognostiziert werden, dass sich der Beschwerdeführer in Zukunft wohlverhalten bzw. nicht wieder straffällig werden wird, denn er hat durch sein Verhalten und seine jahrelange Gleichgültigkeit gegenüber den in Österreich rechtlich geschützten Werten in eindrucksvoller Weise seiner klar gegenteiligen Einstellung Ausdruck verliehen. Das vom Beschwerdeführer bisher an den Tag gelegte strafrechtswidrige Verhalten lässt eine für ihn angestellte Zukunftsprognose daher in keiner Weise positiv ausfallen, sondern erwecken die von ihm bisher gesetzten Straftaten eher den Anschein einer sich intensivierenden kriminellen Energie.

Der Beschwerdeführer hat durch die Vielzahl seiner Straftaten unmissverständlich seine Gleichgültigkeit der österreichischen Rechtsordnung gegenüber zum Ausdruck gebracht und deutlich gezeigt, dass er nicht willens ist, diese zu akzeptieren. Weder seine vorangegangenen Verurteilungen, die Bewährungshilfe, Probezeiten bzw. deren Verlängerung und selbst die ihm drohende Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet konnten den Beschwerdeführer von der neuerlicher Begehung gravierender Straftaten abhalten.

Angesichts des Gesamtverhaltens und des sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbildes des Beschwerdeführers ist weiterhin davon auszugehen, dass von ihm eine große Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgeht.

Die Aberkennung des Status des Asylberechtigten aufgrund des Ausschlussgrundes nach § 6 Abs 1 Z 4 AsylG bedarf nach der vorzitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes überdies einer Interessensabwägung, wobei die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung gegenüber den Interessen des (anerkannten) Flüchtlings am (Weiter-) Bestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat abzuwägen sind. Im Rahmen dieser Interessensabwägung sind die Verwerflichkeit des Verbrechens und die potentielle Gefahr für die Allgemeinheit den Schutzinteressen des Asylwerbers bzw. anerkannten Flüchtlings – beinhaltend das Ausmaß und die Art der ihm im Heimatland drohenden Maßnahmen und Verfolgungen – gegenüberzustellen.

Dem Beschwerdeführer wurde der Asylstatus im Wesentlichen deswegen zuerkannt, weil zum damaligen Zeitpunkt die Taliban in dessen Heimatprovinz Zivilisten töteten und Dorfbewohner zwangen, ihren Kämpfern Essen zu geben und sich die Fluchtgeschichte auf eine darauf basierende Auseinandersetzung des Beschwerdeführers bzw. seines Vaters mit den Taliban in Ghazni bezog. Weitere Fluchtgründe wurden vom Beschwerdeführer explizit ausgeschlossen.

Wie in den Feststellungen und der Beweiswürdigung ausgeführt, steht dem mittlerweile volljährigen Beschwerdeführer nun eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) in Herat oder Mazar-e Sharif offen (vgl. Punkt II.1.3 und Punkt II.2.3.sowie Punkt II.3.1.3.) und ist ihm eine Rückkehr dorthin zumutbar, sodass abgesehen von der Verwerflichkeit seiner Verbrechen und der potentiellen Gefahr für die Allgemeinheit kein entsprechendes Schutzinteresse des Beschwerdeführers mehr besteht.

3.2.1.3.§ 11 AsylG lautet:

„Innerstaatliche Fluchtalternative

§ 11. (1) Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

(2) Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen.“

Für die Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative sind zwei getrennte und selbständige Voraussetzungen zu prüfen (UNHCR, Kapitel III. C). Zum einen ist zu klären, ob in dem als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefassten Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und Schutz vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG die Gewährung von subsidiären Schutz rechtfertigen würden, gegeben ist. Das als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefassten Gebiet muss zudem sicher und legal zu erreichen sein (Analyse der Relevanz; vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001; 08.08.2017, Ra 2017/19/0118). Von dieser Frage ist getrennt zu beurteilen, ob dem Asylwerber der Aufenthalt in diesem Gebiet zugemutet werden kann, bzw. dass von ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, sich in dem betreffenden Gebiet niederzulassen (Analyse der Zumutbarkeit).

Ob dem Asylwerber ein Aufenthalt in einem bestimmten Gebiet des Herkunftsstaates zugemutet werden kann, hängt von mehreren Faktoren ab, insbesondere von persönlichen Umständen des Betroffenen, der Sicherheit, der Achtung der Menschenrechte und der Aussichten auf wirtschaftliches Überleben. Es muss möglich sein, im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute des Asylwerbers führen können. Ein voraussichtlich niedrigerer Lebensstandard oder eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation sind keine ausreichenden Gründe, um ein vorgeschlagenes Gebiet als unzumutbar abzulehnen. Die Verhältnisse in dem Gebiet müssen aber ein für das betreffende Land relativ normales Leben ermöglichen (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001; 30.01.2018 Ra 2018/18/0001).

Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in den Städten Herat und Mazar-e Sharif so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht, von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein. Herat Stadt bzw. Mazar-e Sharif sind durch einen Flughafen über den Luftweg sicher und legal erreichbar. Damit liegt die erste Voraussetzung für die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative vor.

Auch wenn die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist, so ist die Versorgung der afghanischen Bevölkerung in diesen beiden Städten dennoch zumindest grundlegend gesichert.

Wie festgestellt wurde, ist der Beschwerdeführer gesund sowie im erwerbsfähigen Alter. Zudem spricht der Beschwerdeführer eine Landessprache (Dari) auf muttersprachlichem Niveau.

Der Beschwerdeführer ist mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut und anpassungsfähig, er kann sich daher in den Städten Herat/Mazar-e Sharif zurechtfinden. Er hat zwar noch nicht in den Städten Herat bzw. Mazar-e Sharif gelebt, kann sich jedoch aufgrund der während seines jahrelangen Aufenthalts in Afghanistan erworbenen grundsätzlichen Kenntnis der dortigen Gegebenheiten und kulturellen Besonderheiten innerhalb kurzer Zeit Ortskenntnisse aneignen.

Zudem ist der Beschwerdeführer im erwerbsfähigen Alter, jung, gesund, volljährig, alleinstehend und arbeitsfähig. Er kann auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Es ist deshalb auch nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten würde.

Betreffend die Familienangehörigen wurden seit der Ausreise des Beschwerdeführers aus Afghanistan keine existenziellen Schwierigkeiten geltend gemacht und der Beschwerdeführer musste seine Familie auch in den letzten Jahren nicht unterstützen. Bei einer Rückkehr muss der Beschwerdeführer daher nicht für die Existenz seiner Familie sorgen, so dass diesbezüglich keine wirtschaftliche Erschwernis für ihn bei einer Rückkehr gegeben ist.

Der Beschwerdeführer gehört auch keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann.

Dem Beschwerdeführer ist es daher aufgrund der dargelegten Umstände auch ohne unmittelbar in Herat bzw. Mazar-e Sharif bestehende soziale bzw. familiäre Anknüpfungspunkte möglich, sich dort – etwa auch durch Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten, wobei ihm seine heimatliche Schulbildung, seine Weiterbildung in Österreich und festgestellte Berufserfahrung zu Gute kommt – eine Existenz aufzubauen, und diese zu sichern, sowie eine Unterkunft zu finden. Dafür, dass der Beschwerdeführer in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse, wie z.B. Nahrung und Unterkunft, einer unzumutbaren Situation ausgesetzt wäre, gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte.

Damit liegt die zweite Voraussetzung für die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative vor.

Nach den EASO-Guidelines wird für alleinstehende, junge und erwerbsfähige Männer eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Herat und Mazar-e Sharif als zumutbar erachtet, auch wenn diese dort über kein Unterstützungsnetzwerk verfügen. Auch den aktuellen UNHCR Richtlinien ist zu entnehmen, dass sich junge alleinstehende Männer, ohne besondere Vulnerabilität, auch ohne familiäre Unterstützung in urbanen oder semi-urbanen Gebieten mit ausreichender Infrastruktur und unter staatlicher Kontrolle niederlassen können. Eine solche Infrastruktur und staatliche Kontrolle ist in beiden Städten vorhanden.

Unter Berücksichtigung der Länderberichte, der UNHCR-Richtlinie, der EASO-Guidelines und der persönlichen Situation des Beschwerdeführers ist diesem eine Ansiedlung in den Städten Herat bzw. Mazar-e Sharif möglich und auch zumutbar, sodass ihm somit dort eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht.

Dies gilt – wie in den Feststellungen und der Beweiswürdigung dargelegt – angesichts der jahrelangen Berufserfahrung des Beschwerdeführers, der sich schon als Jugendlicher im Iran alleine ohne Familie seinen Unterhalt verdiente und in der Justizanstalt als Koch tätig war sowie dort berufsvorbereitende Kurse besuchte auch unter Zugrundelegung der aktuellen Berichte im Zusammenhang mit Covid 19 (vgl. VwGH 21.10.2020, Ra 2020/19/0349-6).

3.2.1.4. Auf Grundlage der vorangegangenen Ausführungen überwiegen die öffentlichen Interessen im vorliegenden Beschwerdefall das Interesse bzw. das faktisch nicht vorhandene Erfordernis des Beschwerdeführers am (Weiter-)Bestehen seines Status eines Asylberechtigten.

Da die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs 1 Z 4 AsylG erfüllt sind, hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zu Recht den Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs 1 Z 1 AsylG aberkannt und gleichzeitig festgestellt, dass ihm gemäß § 7 Abs 4 AsylG die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt.

Die Voraussetzunge

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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