TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/20 W240 2161544-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.05.2021
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Entscheidungsdatum

20.05.2021

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs10
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W240 2161544-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Feichter, über die Beschwerde von XXXX , StA.: Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Dietrich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.04.2020, Zl.°1075088507-190922236, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer (in der Folge auch BF) reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 24.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 12.05.2017, Zl. 1075088507/150731091, abgewiesen, gleichzeitig wurde eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer erlassen. Seine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 11.03.2019, W273 2161544-1/12E, als unbegründet abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde am 11.06.2019 abgelehnt, weshalb die Entscheidung am selben Tag in Rechtskraft erwachsen ist.

2.       Am 10.09.2019 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK nach § 55 AsylG. Der Beschwerdeführer gab an Bargeld in der Höhe von EUR 2.000, -- zu besitzen und ein Einkommen aus selbständiger und unselbständiger Arbeit in der Höhe von 2.800, -- zu verdienen. Er sei im Besitz einer arbeitsmarktrechtlichen Bewilligung die bis zum 24.12.2019 gültig sei. Er halte sich seit 24.07.2015 durchgängig in Österreich auf, arbeite vom 01.07.2019 bis zum 24.12.2019 und seit 17.12.2018 zusätzlich selbstständig als Zeitungszusteller. Die deutsche Sprache beherrsche er auf dem Niveau B1, das Deutschmodul 2 habe er durch einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse auf B1 Niveau erfüllt. Er habe eine zwölfjährige Schulausbildung und habe eine FH in Afghanistan besucht. In Österreich habe er zahlreiche österreichische Freunde und sei Mitglied in einem Volleyballclub.

Der Beschwerdeführer legte folgende Dokumente vor:

-        Arbeitsvertrag („Verteilvertrag“) vom 17.12.2018

-        Teilnahmebestätigung Deutsch B2.1. Vormittagskurs vom 26.06.2017

-        Teilnahmebestätigung Deutsch B2.2. Vormittagskurs vom 22.06.2018

-        Teilnahmebestätigung Deutsch B2 Prüfungsvorbereitung vom 06.07.2018

-        Meldebestätigung

-        „Certificate of Completion“ vom August 2011

-        „Diploma“ vom 06.02.2012

-        „Diploma“, undatiert

-        „12 Grade Graduation Certificate“ datiert mit 24.04.1391

-        „Secondary School Transcript“, undatiert

-        Deutschzertifikat B1 vom 08.05.2017 „sehr gut bestanden“

-        Deutschzertifikat A2 vom 21.09.2016 „gut bestanden“

-        „Certificate of Completion“ vom 01.03.2008

-        Untermietvertrag vom 16.05.2019

-        Trainings-Teilnahmebestätigung vom 17.06.2019 eines Volleyballclubs

-        Beschäftigungsbestätigung „Nachbarschaftshilfe“ vom 08.04.2016

-        Bescheid inkl. Bescheidausfertigung AMS vom 25.06.2019

-        Meldung der Beschäftigungsaufnahme vom 25.06.2019

-        Arbeitsvertrag

-        Lohn/Gehaltsabrechnung Juni 2019

-        Versicherungsdatenauszug

-        Passkopie

Mit Verbesserungsauftrag vom 13.11.2019 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert anbei aufgeführte Dokumente vorzulegen.

Nach Fristverlängerung legte der Beschwerdeführer folgende Dokumente vor:

-        Beglaubigte Geburtsurkunde

-        Rechnung Integrationsprüfung B1 vom 26.11.2019

-        Rechnung AMs vom 25.06.2019

-        Einstellungszusage vom 07.01.2020

-        Zeugnis des Arbeitgebers vom 05.01.2020

-        Lohn/Gehaltsabrechnung Juli 2019 – Dezember 2019

-        Empfehlungsschreiben vom 06.10.2020 und vom 10.01.2020

-        Zeugnis Integrationsprüfung B1 vom 30.11.2019

-        Gutschrift für Zustellung Jänner bis Dezember 2019

Dem Erhebungsergebnis einer Landespolizeidirektion vom 16.01.2020 ist zu entnehmen, dass keine negativen Erkenntnisse betreffend den Beschwerdeführer vorliegen würden.

Mit Schreiben vom 22.01.2020 legte der Beschwerdeführer ein Foto von sich und dem österreichischen Bundespräsidenten sowie dessen Gattin, einen Mietvertrag sowie ein Empfehlungsschreiben vor.

Am 07.02.2020 wurde der Beschwerdeführer vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt. Ihm wurde mitgeteilt, dass eine Zurückweisung seines Antrages auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels gem. § 55 Abs. 1 AsylG beabsichtigt werde und ihm gleichzeitig die Möglichkeit gegeben binnen zwei Wochen eine Stellungnahme zu seinen privaten und beruflichen Änderungen seit dem negativen Erkenntnis des BVwG abzugeben.

Mit Stellungnahme vom 17.03.2020 teilte der Beschwerdeführer mit, dass er seit dem 17.12.2018 ununterbrochen als Zeitungsausträger gearbeitet habe und er als Selbstständiger auch seine Versicherungsabgaben bezahlt und seine Tätigkeit beim Finanzamt gemeldet habe. Er habe auch einen Mietvertrag und habe die Beschäftigungsbewilligung für die Saisonarbeit als Kellner erhalten und vom 01.07.2019 bis 24.12.2019 als Kellner gearbeitet. Er habe von seinem Arbeitgeber ein sehr gutes Dienstzeugnis und eine Arbeitszusage für eine weitere Einstellung erhalten. Zudem habe er zum 2. Mal eine ÖIB B1 Prüfung absolviert, sei Mitglied in einem Volleyballverein und pflege intensiven privaten Kontakt mit österreichischen Personen. Von ihnen habe er zahlreiche Unterstützungs- und Empfehlungsschreiben erhalten. Er sei mittlerweile in Österreich fest verankert, habe hier Freunde, eine Arbeit und ein Privatleben, spreche die Sprache sehr gut und sei daher bestens integriert. Afghanistan kenne er kaum noch, sei dort völlig entwurzelt.

Der Stellungnahme beigelegt waren diverse bereits vorgelegte Unterlagen sowie eine Einstellungszusage vom 12.12.2019 und vom 03.01.2020, ein Empfehlungsschreiben vom 01.07.2019 und vom 07.02.2019, e-card Ersatzbeleg, Bankomatkarte-Kopie und Ausweiskopie, „Zeitungsausträger-Führerschein“ vom 17.12.2018 und ein Schreiben „Eintritt in die gewerbliche Sozialversicherung“ vom 13.02.2019.

3.       Mit Bescheid vom 03.04.2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (kurz: BFA) den Antrag des Beschwerdeführers vom 10.09.2019 „gemäß § 58 Abs. 10 Asylgesetz 2005“ als unzulässig zurück. Ausgeführt wurde, der Beschwerdeführer spreche Dari und Englisch in Wort und Schrift und ein wenig Paschtu und Urdu. Er sei gesund leide an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten. Er besitze eine sehr gute Schulbildung, habe die Schule nach 12 Jahren mit Matura in Afghanistan abgeschlossen und habe danach zwei Jahre lang auf einer Privatuniversität IT-Grundkenntnisse studiert. Er habe in Afghanistan gearbeitet, die finanzielle Situation sei „mittel“ gewesen. Gelebt habe er in einem Eigentumshaus seiner Familie. Am 24.06.2015 habe er einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich gestellt, welcher vom BFA zur Gänze abgewiesen worden sei. Dagegen habe der Beschwerdeführer firstgerecht Beschwerde erhoben. Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) habe diese Beschwerde als unbegründet abgewiesen und erwuchs die Entscheidung am 11.06.2019 in zweiter Instanz in Rechtskraft. Die Beschwerde dagegen wurde vom VfGH am 11.06.2019 abgelehnt. Seither halte sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Die Lebensumstände des Beschwerdeführers seien unverändert, er arbeite nach wie vor als Zeitungsausträger und habe die B1 Prüfung zum zweiten Mal freiwillig absolviert und bestanden. Der Beschwerdeführer sei ledig und lebe in keiner Lebensgemeinschaft.

4.       In der dagegen erhobenen Beschwerde vom 30.04.2020 wurde abermals auf die Integration des Beschwerdeführers hingewiesen und ausgeführt, dass er an Vorbereitungskursen für das ÖSD-Zertifikat Niveau B2 teilgenommen habe und als außerordentlicher Studierende seit September 2016 eine österreichische Fachhochschule besuche. Der Beschwerdeführer habe seit der Entscheidung des BVwG viele Schritte gesetzt, welche ihn in die österreichische Gesellschaft integrieren würden und auf welche er eine entsprechende Zukunft in Österreich aufbauen könne.

5. Im Rahmen des Parteiengehörs vom 26.01.2021 wurde der ausgewiesene Vertreter des BF vom BVwG aufgefordert binnen zwei Wochen ab Erhalt des Schreibens, darzulegen, wo der BF derzeit wohnhaft sei und weshalb der BF über keine Meldeadresse in Österreich verfügt. Weiters wurde dem Vertreter die Möglichkeit eingeräumt, Stellung zu nehmen zur derzeitigen Situation des BF in Österreich. Es langte bis dato keine Stellungnahme ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am 24.06.2015 einen Asylantrag. Dieser wurde – unter gleichzeitiger Erlassung einer Rückkehrentscheidung – mit Bescheid der belangten Behörde vom 12.05.2017, Zl. 1075088507/150731091 negativ erledigt; dieser Bescheid wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.03.2019 bestätigt.

1.2. In diesem Erkenntnis traf das Bundesverwaltungsgericht zur Situation des Beschwerdeführers, insbesondere im Hinblick auf seine Integration in Österreich und sein Privat- und Familienleben folgende Feststellungen:

„Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an, bekennt sich zum sunnitischen Glauben und spricht Dari als Muttersprache.

Der Beschwerdeführer wurde in Kabul geboren und ist dort mit seinem Vater und seiner Stiefmutter aufgewachsen. Der Beschwerdeführer hat zwei Halbschwestern im Kleinkindalter. Bis zu seiner Abreise aus Kabul hat der Beschwerdeführer mit seinen Eltern und seinen Halbschwestern in einem Haus im Stadtteil XXXX von Kabul gelebt. Der Vater des Beschwerdeführers war Hilfsarbeiter. Die Familie des Beschwerdeführers lebt in Kabul in einer durchschnittlichen wirtschaftlichen Situation. Der Beschwerdeführer steht mit seiner Familie in Kontakt. Der Beschwerdeführer hat einen Freund in Kabul, zu dem er in Kontakt steht.

Der Beschwerdeführer hat in Kabul zwölf Jahre die Schule besucht. Der Beschwerdeführer hat von XXXX 2014 für die afghanische Einheit des amerikanischen Unternehmens XXXX gearbeitet. (…)

Der Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos.

Der Beschwerdeführer hat seine Jugend mit seinen Eltern verbracht und ist nach afghanischen Gepflogenheiten und entsprechender afghanischer Kultur sozialisiert worden. Er ist mit den Gepflogenheiten in Afghanistan vertraut.

Der Beschwerdeführer ist anpassungsfähig und kann einer regelmäßigen Arbeit nachgehen.

Der Beschwerdeführer hat gelegentlich Magenbeschwerden und nimmt dagegen Medikamente. Der Beschwerdeführer legte keine ärztliche Bestätigung für Magenbeschwerden und dagegen verschriebene Medikamente vor. Im Übrigen ist der Beschwerdeführer gesund.

Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich

Der Beschwerdeführer hält sich seit seiner Antragstellung am 24.06.2015 aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Der Beschwerdeführer spricht bereits gut Deutsch und kann sich auf Englisch verständigen. Er verfügt über ein ÖSD-Zertifikat Niveau B1, hat an Vorbereitungskursen für das Niveau B2 teilgenommen und besucht als außerordentlicher Studierender seit 15.09.2016 die Fachhochschule Vorarlberg. Der Beschwerdeführer legte diverse Empfehlungsschreiben von Bekannten vor. Der Beschwerdeführer hat 2017 bei einem gemeinnützigen Verein ( XXXX ) ehrenamtlich gearbeitet.

Der Beschwerdeführer ist seit 17.12.2018 als Zeitungsausträger für die XXXX auf selbständiger Basis tätig und verdient dabei ca. EUR 800. Der Beschwerdeführer befindet sich in der Grundversorgung (Speicherdatenauszug vom 11.02.2019), ist aber aufgrund seiner Tätigkeit als Zeitungsausträger seit Ende Dezember 2018 selbsterhaltungsfähig und plant, sich von der Grundversorgung abzumelden. Der Verteilervertrag des Beschwerdeführers mit dem Zeitungsunternehmen kann jederzeit von beiden Seiten unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 14 Tagen zum Ende der Kalenderwoche aufgelöst werden (Verteilervertrag vom 17.12.2018, Punkt V.1.).

Der Beschwerdeführer trifft in seiner Freizeit Freunde. Er hat regelmäßig Kontakt zu Österreichern und zu anderen Afghanen. Der Beschwerdeführer verfügt über keine Verwandten in Österreich.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten (Strafregisterauszug vom 11.02.2019).

Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers kann nicht festgestellt werden.

Weder der Beschwerdeführer noch seine Familie wurden in Afghanistan von den Taliban bedroht. Der vom Beschwerdeführer geschilderte Vorfall, wonach unbekannte Personen den Beschwerdeführer im Zuge einer Reifenpanne überfallen, bedroht und geschlagen haben, hat sich nicht ereignet.

Die Tätigkeit des Beschwerdeführers für XXXX endete per 31.05.2014, danach hielt sich der Beschwerdeführer während eines nicht näher feststellbaren Zeitraumes in Kabul und in Mazar-e-Sharif auf und reiste im April 2015 von Mazar-e-Sharif über Kabul per Flugzeug in den Iran aus.

Der Beschwerdeführer hat Afghanistan weder aus Furcht vor Eingriffen in die körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch die Taliban oder durch andere Personen.

Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine individuelle und konkrete physische oder psychische Gewalt aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Tadschiken.

1.3. Die in der rechtlichen Würdigung des Erkenntnisses vom 11.03.2019 (unter gewichtender Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses mit den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers) dargelegten Erwägungen zur Begründung der Verhältnismäßigkeit des durch die Rückkehrentscheidung bewirkten Eingriffes in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens lauteten wie folgt:

„Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR vom 14.03.1980, B 8986/80; EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (EKMR vom 06.10.1981, B 9202/80; EuGRZ 1983, 215; VfGH vom 12.03.2014, U 1904/2013). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt.

Da der Beschwerdeführer über keine Familienangehörigen oder sonstigen engen Nahebeziehungen in Österreich verfügt, ist ein Eingriff in sein Recht auf Familienleben iSd Art. 8 EMRK auszuschließen. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls lediglich in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen.

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). Art. 8 EMRK schützt unter anderem sowohl die individuelle Selbstbestimmung und persönliche Identität, als auch die freie Gestaltung der Lebensführung. In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Bei der Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt, spielt der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479, davon aus, dass „der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwN).

Nach der bisherigen Rechtsprechung ist auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

Im gegenständlichen Fall ist der Beschwerdeführer unter Umgehung der Grenzkontrollen und somit illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Der Beschwerdeführer hält sich seit seiner Antragstellung im 24.06.2015, somit seit etwas mehr als dreieinhalb Jahren, im Bundesgebiet auf. Der bisherige Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich ist ausschließlich auf seinen Antrag auf internationalen Schutz gestützt, wodurch er nie über ein Aufenthaltsrecht abgesehen des bloß vorübergehenden Aufenthaltsrechts aufgrund seines Antrags auf internationalen Schutz, verfügt hat. Die Dauer des Verfahrens übersteigt mit dreieinhalb Jahren auch nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ scheinen zu lassen (vgl. VfSlg 18.499/2008, 19.752/2013; EGMR 04.12.2012, Fall Butt, Appl. 47.017/09).

Der Beschwerdeführer verfügt er über gute Deutschkenntnisse, hat sich ehrenamtlich engagiert und besucht eine Fachhochschule als außerordentlicher Studierender. Außerdem hat sich der Beschwerdeführer als Zeitungsausträger selbständig gemacht und ist seit März 2019 aufgrund dieser Tätigkeit selbsterhaltungsfähig. Der Beschwerdeführer hat zwar freundschaftliche Beziehungen zu Österreichern, verfügt jedoch weder über Verwandte noch sonstige enge soziale Bindungen in Österreich.

In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Rechtsprechung des VwGH zu verweisen, wonach selbst der Ausübung einer Beschäftigung sowie eine etwaige Einstellungszusage oder Arbeitsplatzzusage eines Asylwerbers, der lediglich eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz und über keine Arbeitserlaubnis verfügt, keine wesentliche Bedeutung zukommen (VwGH 22.02.2011/18/0323 mit Hinweis auf VwGH 15.09.2010, 2007/18/016; 29.06.2010, 2010/18/0195, mwN). Dabei kommt es nicht entscheidungswesentlich darauf an, ob dem Betroffenen ein „Vorwurf“ im Hinblick auf eine unterlassene Integration am Arbeitsmarkt zu machen ist, sondern darauf, ob sie ihm gelungen ist oder nicht (VwGH 19.04.2012, 2010/21/0242). Der Beschwerdeführer befand sich jedenfalls bis inklusive Februar 2019 in der Grundversorgung. Der Vertriebsvertrag mit dem Zeitungsunternehmen kann von beiden Seiten jederzeit unter Einhaltung einer zweiwöchigen Kündigungsfrist aufgelöst werden. Eine wirtschaftliche Integration ist dem Beschwerdeführer vor diesem Hintergrund nicht gelungen.

Insgesamt ist nicht von einer besonderen, im Entscheidungszeitpunkt berücksichtigungswürdigen Integration des Beschwerdeführers auszugehen. Nach der Rechtsprechung stellen die Umstände, dass ein Fremder perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale dar (VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029).

Im Vergleich zur Bindung des Beschwerdeführers an Österreich ist die Bindung an den Herkunftsstaat als stärker zu werten: Der Beschwerdeführer verbrachte sein gesamtes Leben in seiner Herkunftsprovinz, ging dort zur Schule sowie einer Erwerbstätigkeit nach und hielt sich einige Monate in Mazar-e-Sharif auf. Er ist nach den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates sozialisiert. Er hat zu seinen Eltern und zumindest zu einem Freund in Kabul nach wie vor Kontakt.

Der Beschwerdeführer spricht außerdem Dari als Muttersprache. Die Kenntnis einer Sprache des Herkunftsstaats ist – im Hinblick auf die Zumutbarkeit der Integration in die dortigen Lebensverhältnisse – ein bedeutsamer Umstand (vgl. EGMR 26.03.1993, Beldjoudi vs. France, Nr. 12083/86). Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Heimatland vermögen deren Interesse an einem Verbleib in Österreich nicht in entscheidender Weise zu verstärken, sondern sind vielmehr - letztlich auch als Folge eines seinerzeitigen, ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich vorgenommenen Verlassens ihres Heimatlandes - im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0188).

Schließlich ist der Zeitraum des Aufenthalts des Beschwerdeführers mit etwas mehr als dreieinhalb Jahren im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwH) und der oben getroffenen Ausführungen als relativ kurz zu werten.

Dass der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten ist, vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070; 13.10.2011, 2009/22/0273; 19.04.2012, 2011/18/0253).

Das Interesse des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung seiner privaten Kontakte ist dadurch geschwächt, dass er sich bei allen Integrationsschritten seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit der Integrationsschritte bewusst sein musste: Der Beschwerdeführer durfte sich hier bisher nur aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz aufhalten, der zu keinem Zeitpunkt berechtigt war (VwGH 20.02.2004, 2003/18/0347; 26.02.2004, 2004/21/0027; 27.04.2004, 2000/18/0257; sowie EGMR 08.04.2008, Fall Nnyanzi, Appl. 21878/06, wonach ein vom Fremden in einem Zeitraum, in dem er sich bloß aufgrund eines Asylantrages im Aufnahmestaat aufhalten darf, begründetes Privatleben per se nicht geeignet ist, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen). Auch der Verfassungsgerichtshof misst in ständiger Rechtsprechung dem Umstand im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK wesentliche Bedeutung bei, ob die Aufenthaltsverfestigung des Asylwerbers überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgte, weil der Asylwerber über keine, über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt hat. In diesem Fall muss sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein (VfSlg 18.224/2007, 18.382/2008, 19.086/2010, 19.752/2013).

Den schwach ausgeprägten privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des VwGH kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251).

Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf, wiegen im vorliegenden Fall schwerer als die Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich.

Nach Maßgabe einer Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet das persönliche Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig machen würden.“

1.3. Der am 10.09.2019 bei der belangten Behörde eingebrachte verfahrenseinleitende Antrag des Beschwerdeführers und die eingebrachte Stellungnahme machen geltend: Der Beschwerdeführer sei seit dem 17.12.2018 als Zeitungsausträger beschäftigt und sei daher selbsterhaltungsfähig. Er habe zudem eine Beschäftigungsbewilligung als Saisonarbeiter, aufgrund derer er als Kellner von 01.07.2019 bis 24.12.2019 gearbeitet habe, bekommen und könne ein sehr gutes Dienstzeugnis, sowie eine Arbeitszusage vorweisen. Darüber hinaus sei er in Österreich stark verwurzelt, spreche sehr gut Deutsch, habe Freunde, Arbeit und ein Privatleben hier in Österreich, weshalb er bestens integriert und in Afghanistan völlig entwurzelt sei.

1.4. Der Beschwerdeführer verfügte in Österreich nur bis zum 01.04.2020 über eine aufrechte Meldeadresse.

2. Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen sind unbestritten. Der Beschwerdeführer bezieht sich selbst auf das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes. Solange dieses Erkenntnis im Rechtsbestand ist, ist es zu beachten. Im Übrigen wird von seinen Antrags- bzw. Beschwerdebehauptungen ausgegangen, darin enthaltene (rechtliche) Wertungen wie dem behaupteten „hohen Grad seiner Integration und keinem Gegenüberstehen von öffentlichen Interessen am Aufenthalt des Beschwerdeführers“ bleiben im Rahmen der Sachverhaltsfeststellungen jedoch ausgeklammert. Die aufrechte Meldung des Beschwerdeführers in Österreich bis zum 01.04.2020 und danach nicht mehr, ergibt sich aus den aktuellen Auszügen, welche im Akt einliegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1.    Anwendbare Rechtsnormen

§ 58 AsylG bestimmt (auszugsweise):

„Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln

Antragstellung und amtswegiges Verfahren

§ 58. (1) […]

(2)      Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

(3)      Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(4)      Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.

(5)      Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

(5a)     Solange aufgrund von Maßnahmen, die zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 getroffen werden, die Bewegungsfreiheit oder der zwischenmenschliche Kontakt eingeschränkt ist, sind Anträge auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 abweichend von Abs. 5 nicht persönlich, sondern postalisch oder auf elektronischem Wege beim Bundesamt einzubringen. Bei Stattgebung des Antrags kann der Aufenthaltstitel abweichend von Abs. 12 auch zu eigenen Handen zugestellt werden.

(6)      Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

(7)      Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

(8)      Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(9)      Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

1.       sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

2.       bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

3.       gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

(10)    Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. […]

(11)    Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist

1.       das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder

2.       der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

(12)    […].

(13)    Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. …

(14)    Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche Urkunden und Nachweise allgemein und für den jeweiligen Aufenthaltstitel dem Antrag jedenfalls anzuschließen sind. Diese Verordnung kann auch Form und Art einer Antragstellung, einschließlich bestimmter, ausschließlich zu verwendender Antragsformulare, enthalten.“

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1803 BlgNR 24. GP 50) legen zur Bestimmung des § 58 Abs. 10 AsylG Folgendes dar:

„Der neue (Abs. 10) entspricht im Wesentlichen § 44b NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011. Mit der Neuerrichtung des Bundesamtes und der damit einhergehenden Verfahrensvereinfachung und organisatorischen Umstrukturierung ist die Einbindung der zuständigen Sicherheitsdirektion entfallen. Die Beurteilung bzw. Prüfung erfolgt nun durch das Bundesamt. Dementsprechend sind Anträge als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 iVm § 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Diese inhaltliche Neubewertung des Sachverhaltes hat sich lediglich auf den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Entscheidung nach dem FPG bis zur Entscheidung des zugrundeliegenden Antrages auf Erteilung des Aufenthaltstitels zu beziehen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass - im Rahmen einer Neubewertung - wenn ein maßgeblich geänderter Sachverhalt im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, ein

Aufenthaltstitel zu erteilen sein wird.“

§ 10 Abs. 3 AsylG lautet:

„(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.“

§ 52 Abs. 3 FPG lautet:

„(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.“

3.2.    Rechtsprechung

Die zur Vorgängerregelung des § 58 Abs. 10 AsylG (also zu § 44b Abs. 1 NAG) ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auf die Auslegung des §°58 Abs. 10 AsylG zu übertragen (dazu VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101). Nach dieser Rechtsprechung liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste. Vielmehr liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufweisen, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK gebieten würde. Nur in einem solchen Fall ist eine – der Sache nach der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildete – Zurückweisung (nunmehr) gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zulässig (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101 mit Hinweisen auf VwGH 22.07.2011, 2011/22/0127; 05.05.2015, Ra 2014/22/0115).

Da der Zurückweisungsgrund gemäß § 58 Abs. 10 AsylG (vormals § 44b Abs. 1 Z 1 NAG) der Zurückweisung wegen entschiedener Sache (§ 68 Abs. 1 AVG) nachgebildet ist, können die zu § 68 Abs. 1 AVG entwickelten Grundsätze für die Beurteilung, wann eine Änderung des Sachverhaltes als wesentlich anzusehen ist, auch für die Frage herangezogen werden, wann eine maßgebliche Sachverhaltsänderung iSd § 58 Abs. 10 AsylG vorliegt. Demnach ist eine Sachverhaltsänderung dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die rechtskräftige Entscheidung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Die Erlassung eines inhaltlich anderslautenden Bescheides (bezogen auf § 58 Abs. 10 AsylG: eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK) muss also zumindest möglich sein; in dieser Hinsicht hat die Behörde eine Prognose zu treffen. Dabei ist die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Für diese Prognose ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen (vgl. VwGH 09.09.2013, 2013/22/0161; 09.09.2013, 2013/22/0215, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 12.11.2015, Ra 2015/21/0101, ausführlich auf den inhaltlichen Gleichklang der Beurteilung eines Eingriffs in das Privat- und Familienleben eines Fremden bei Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung einerseits und der Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG andererseits hingewiesen (vgl. auch VwGH 28.01.2016, Ra 2016/21/0006; 30.06.2016, Ra 2016/21/0103).

3.3.    Anwendung im Beschwerdefall

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zu der durch das VwGVG neu geschaffenen Rechtslage ausgesprochen (vgl. VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002-0003; 26.02.2015, Ra 2014/22/0152- 0153; 23.06.2015, Ra 2015/22/0040; 16.09.2015, Ra 2015/22/0082-0083; 12.10.2015, Ra 2015/22/0115), dass – wenn die Behörde in erster Instanz den Antrag zurückgewiesen hat – das Verwaltungsgericht lediglich befugt ist, darüber zu entscheiden, ob die von der Behörde ausgesprochene Zurückweisung als rechtmäßig anzusehen ist, dies allein bildet den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.

Aus diesem Grund war auf den in der Beschwerde gestellten Antrag des Beschwerdeführers,

„der Beschwerde Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid … aufzuheben und dem Beschwerdeführer den Aufenthaltstitel zu erteilen“ nicht einzugehen, weil ein solcher Ausspruch den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschreiten würde.

Der Beschwerdeführer berief sich sowohl im verfahrenseinleitenden Antrag als auch in der Beschwerde (etwa durch die Vorlage eines Dienstzeugnisses und eines Mietvertrages) auf Umstände, die zum Zeitpunkt des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes über die gegen ihn erlassene Rückkehrentscheidung, dem 11.03.2019, bereits bestanden haben (angebliches Privatleben in Österreich, bisherige Integrationsbemühungen, Bestrebungen, in Österreich einem Erwerb nachzugehen): Es lässt sich aus seinem Antrag insofern nichts erkennen, was auf einen zu seinen Gunsten „geänderten“ Sachverhalt hindeuten würde.

In der Beschwerde werden über weite Strecken nicht relevante Feststellungen des angefochtenen Bescheides bestritten oder Umstände geltend gemacht, die bei Zulässigkeit des Antrags im Rahmen einer neuerlichen Interessenabwägung allenfalls einfließen würden und bereits im rechtskräftig entschiedenen Verfahren über die Rückkehrentscheidung vorzubringen gewesen wären bzw. dort bereits gewürdigt worden sind (wie das angeblich in Österreich vorhandene ausgeprägte soziale Netzwerk, die innige Beziehung zu österreichischen Staatsbürgern, der mehrjährige Aufenthalt als Asylwerber, die Unbescholtenheit in Österreich, die Kursbesuche, Deutschkenntnisse, die Anpassung an die österreichische Kultur und an die österreichischen Traditionen etc). Diese Umstände sind jedoch für sich nicht geeignet, eine seit Ergehen der rechtskräftigen Entscheidung eingetretene „Änderung“ darzutun.

Soweit im Vorbringen des Beschwerdeführers ein Element geltend gemacht wird, das als „Änderung“ in Betracht kommt (Einstellungszusage) ist festzuhalten, dass unter Bedachtnahme auf die seit der Rückkehrentscheidung (11.03.2019) vergangene Zeit und unter Würdigung der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände nicht gesehen werden kann, dass damit Sachverhaltsänderungen vorlägen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen bei der hier anzustellenden Prognose den Schluss zugelassen hätten, es wäre – auch im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung – eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK zumindest möglich (vgl. zu ähnlichen Konstellationen VwGH 23.02.2012, 2012/22/0002; 19.12.2012, 2012/22/0202; 17.04.2013, 2013/22/0006; 09.09.2013, 2013/22/0215; zu Fällen der Aufenthaltstitelbeantragung nach einer Zeit von weniger als zwei Jahren nach rechtskräftiger Rückkehrentscheidung und mehr als zehnjährigem Aufenthalt, bei  Erwerb von Sprachkenntnissen sowie Vorlage von Einstellungszusagen vgl. VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0074; 22.07.2011, 2011/22/0138-0140).

Weiters ist zu berücksichtigen, dass die in der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung getroffene Abwägung im Ergebnis zu einem Überwiegen der öffentlichen Interessen gelangt, wobei aus der Entscheidung hervorgeht, dass zwar eine Integrationswilligkeit (durch Teilnahme an Deutschkursen, ehrenamtliche Tätigkeit und Beschäftigung seit Dezember 2018 etc), jedoch aufrechte Kontakte in der Heimat, ein bloß vorläufiges Aufenthaltsrecht in Österreich als Asylwerber und geringe bis keine verfestigten Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich angenommen wurden.

Diese rechtskräftige Entscheidung lässt nicht erkennen, dass die Interessenabwägung „nur knapp“ oder „gerade noch“ zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausgefallen ist; vielmehr ist daraus erkennbar, dass das Gericht die persönlichen Interessen als schwach ausgeprägt und nur in geringem Maß schützenswert, das öffentliche Interesse dagegen als schwerer wiegend qualifiziert hat.

Im Beschwerdefall ist auch in Betracht zu ziehen, dass die rechtskräftige Entscheidung eine Interessenabwägung über einen Zeitraum potentieller Integration vom 24.06.2015 bis 11.03.2019, somit ca. dreieinhalb Jahren, vornahm, während die nun vorgebrachten Umstände eine vergleichsweise kurze Zeitspanne betreffen und letztlich nur darin bestehen, dass der Beschwerdeführer seine bereits in der rechtskräftigen Entscheidung berücksichtigten Schritte in Richtung der gewünschten Erwerbstätigkeit in Österreich während dieser kurzen Phase einfach fortsetzt (zunächst bloße Einstellungszusage), dies obwohl ihm gegenüber nunmehr eine rechtskräftige Ausreiseverpflichtung besteht; diese Schritte erfolgten insofern daher weiterhin vor dem Hintergrund eines unsicheren Aufenthaltsstatus. Bei dieser Sachlage wirkt auch das in der getroffenen Entscheidung festgestellte öffentliche Interesse mit zumindest gleichem Gewicht unverändert fort und steht dem fortgesetzten Ausleben der im Wesentlichen bereits bisher berücksichtigten Interessenslage des Beschwerdeführers auch weiterhin entsprechend entgegen. Dass der Beschwerdeführer versucht, gegen diese Ausreiseverpflichtung Rechtsmittel wie eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu ergreifen, ändert an diesen Umständen nichts.

Im Rahmen des Parteiengehörs vom 26.01.2021 wurde der ausgewiesene Vertreter des BF vom BVwG aufgefordert binnen zwei Wochen ab Erhalt des Schreibens, darzulegen, wo der BF derzeit wohnhaft sei und weshalb der BF seit Anfang April 2020 über keine Meldeadresse in Österreich verfügt. Weiters wurde dem Vertreter die Möglichkeit eingeräumt, Stellung zu nehmen zur derzeitigen Situation des BF in Österreich. Es langte bis dato keine Stellungnahme ein.

Vor diesem Hintergrund kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers mit der Begründung zurückweist, dass „keine maßgebliche Sachverhaltsänderung stattgefunden hat“.

Im Rahmen des Parteiengehörs wurde der ausgewiesene Vertreter des BF vom BVwG aufgefordert binnen zwei Wochen ab Erhalt des Schreibens, darzulegen, wo der BF derzeit wohnhaft sei und weshalb der BF über keine Meldeadresse in Österreich verfügt. Weiters wurde dem Vertreter die Möglichkeit eingeräumt, Stellung zu nehmen zur derzeitigen Situation des BF in Österreich. Es langte jedoch bis dato keine Stellungnahme ein.

Einer (neuerlichen) Wohnsitznahme des Beschwerdeführers, der in Österreich seit Anfang April 2020 über keine aufrechte Meldeadresse verfügt, in Afghanistan steht nichts entgegen. Die Familie des Beschwerdeführers, seine Stiefmutter, ein Vater und seine zwei Halbgeschwister, sowie zumindest ein Freund des Beschwerdeführers leben in Afghanistan. Der Beschwerdeführer selbst ist in Afghanistan geboren und dort aufgewachsen, bzw. hat dort gearbeitet. Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um einen jungen, gesunden arbeitsfähige afghanischen Mann, dem die Aufnahme einer seiner Fähigkeiten entsprechenden Arbeit auch in Afghanistan zumutbar und möglich ist. Auch diesbezüglich wurde das Vorliegen von wesentliche Veränderungen oder Neuerungen in Bezug zu den bereits rechtkräftig abgeschlossenen Vorverfahren begründet nicht aufgezeigt.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer im Falle des Verlassens des Bundesgebietes nicht gezwungen ist, seine privaten Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet gänzlich aufzugeben. Es stünde ihm frei, diese brieflich, elektronisch, telefonisch oder im Rahmen von gegenseitigen Besuchen aufrecht zu erhalten bzw. sich von Afghanistan aus um eine legale Einreise und einen legalen Aufenthalt zu bemühen.

Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang auch, dass es dem Beschwerdeführer bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen des FPG bzw. NAG nicht verwehrt ist, wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren (so auch VfSlg. 19.086/2010 unter Hinweis auf Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 861).

Die Zurückweisung des gem. § 55 AsylG vom Beschwerdeführer gestellten Antrags erfolgte daher zu Recht. Die belangte Behörde hat ein insgesamt mängelfreies, ordnungsgemäßes und das Vorbringen des Beschwerdeführers vollinhaltlich und abschließend erfassendes Ermittlungsverfahren durchgeführt. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurden die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage nachvollziehbar, sowie konkret auf den Einzelfall bezogen rechtskonform vorgenommen. Die gegenständlich  angefochtene  Entscheidung wurde insgesamt rechtskonform, nachvollziehbar und zutreffend getroffen.

Das Bundesverwaltungsgericht ist auch der Auffassung, dass die im angefochtenen Bescheid gewählte Vorgangsweise, die Zurückweisung nicht mit einer neuerlichen Rückkehrentscheidung zu verbinden, rechtens war. Zwar sieht der Gesetzeswortlaut eine Verbindung sowohl einer Ab- als auch einer Zurückweisung des Antrags nach § 55 AsylG mit einer Rückkehrentscheidung vor (und zwar gemäß § 52 Abs. 3 FPG unterschiedslos, nach
§ 10 Abs. 3 AsylG jedoch – im Widerspruch zu § 52 Abs. 3 FPG – „nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 AsylG 2005 vorliegt.“). Das Gericht geht davon aus, dass der Gesetzgeber bei diesen Regelungen den Fall der Zurückweisung wegen bereits durch ergangene Rückkehrentscheidung entschiedener Sache nicht bedacht hat und dass der Regelungsgehalt des § 52 Abs. 3 FPG und des § 10 Abs. 3 AsylG vor dem Hintergrund des Normzwecks (keine neuerliche Entscheidung bei bereits entschiedener Sache, gerade angesichts dessen, dass über alle Aspekte, die bei einem Aufenthaltstitel gem. § 55 AsylG relevant sind, bei Erlassung der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung bereits entschieden wurde – vgl. oben Pkt. 3.2.3.) für Fälle der Zurückweisung nach § 58 Abs. 8 AsylG nicht zum Tragen kommt. Die bisher dazu ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist – soweit ersichtlich – für diesen Fall nicht einschlägig, sondern betraf andere Arten der Zurückweisung, zB wegen Nichtmitwirkung im Verfahren gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG; vgl. VwGH 14.04.2016, Ra 2016/21/0077 [=VwSlg. 19.347 A/2016]; 17.11.2016, Ra 2016/21/0200 [=VwSlg. 19.482 A/2016]; 17.05.2017, Ra 2017/22/0059; 21.09.2017, Ra 2017/22/0128).

3.4.    Zum Entfall der mündlichen Verhandlung

In der Beschwerde wurde zwar ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt, das Bundesverwaltungsgericht konnte sich aber auf vom Beschwerdeführer unbestrittene Annahmen stützen. Die Beschwerde läuft letztlich darauf hinaus, dass die – unstrittige – Sachlage vom Verwaltungsgericht rechtlich anders gewürdigt werden soll als von der belangten Behörde. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG („Die Verhandlung kann entfallen, wenn … der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei … zurückzuweisen ist“) kann das Verwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Diese Bestimmung ist auch in den vom Anwendungsbereich des BFA-VG erfassten Verfahren anwendbar, weil § 21 Abs. 7 BFA-VG nur hinsichtlich von § 24 Abs. 4 VwGVG eine Spezialregelung trifft, im Übrigen aber die Anwendung von § 24 Abs. 1 bis 3 und 5 VwGVG unberührt lässt (VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017; VwSlg. 18.966 A/2014).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A) wiedergegeben.

Insoweit die  in der  rechtlichen  Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK aufrechte Rückkehrentscheidung Ausreiseverpflichtung Erwerbstätigkeit Interessenabwägung Privat- und Familienleben wesentliche Sachverhaltsänderung Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W240.2161544.2.00

Im RIS seit

02.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

02.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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