TE Vwgh Erkenntnis 1996/11/13 95/21/0783

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Veröffentlicht am 13.11.1996
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §13 Abs1;
AufG 1992 §4 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG 1992 §6 Abs3;
MRK Art8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über die Beschwerde der R in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. März 1995, Zl. 300.295/2-III/11/95, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 3. März 1995 wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) den Antrag der Beschwerdeführerin auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 13 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 6 Abs. 2 AufG (idF vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995) ab. In der Begründung dieses Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, daß der letzte Sichtvermerk der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes (1. Juli 1993) bereits abgelaufen gewesen sei und sich die Beschwerdeführerin seither nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Sie hätte demnach gemäß § 6 Abs. 2 leg. cit. den Antrag auf Erteilung der Bewilligung nach dem AufG vor der Einreise in das Bundesgebiet vom Ausland aus stellen müssen. Der erst am 6. Juli 1994 gestellte Verlängerungsantrag sei demgemäß verspätet. Aus diesem Grund habe eine Auseinandersetzung mit den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin zu unterbleiben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

In ihrer Berufung gegen den abweisenden Bescheid der Behörde erster Instanz hat die Beschwerdeführerin vorgebracht, daß sie seit 1976 in Österreich lebe und viele Jahre als Facharbeiterin in der Lebensmittelbranche gearbeitet habe. Ihre gesamte Familie lebe in Österreich: Die Tochter der Beschwerdeführerin sei in Vorarlberg mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet, ihre Schwester sei in Wien verheiratet und lebe hier mit ihrem Sohn. Sie selbst sei ebenfalls verheiratet und ihr Ehemann verfüge über eine aufrechte Aufenthaltsberechtigung bis zum 22. Jänner 1996; sämtliche Verwandte ihres Ehemannes lebten ebenfalls in Österreich. Sie habe im ehemaligen Jugoslawien kein Zuhause und keine Verwandten mehr.

Damit hat die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung gerade die im Licht des Art. 8 MRK maßgeblichen spezifischen privaten und familiären Interessen angesprochen, bei deren Vorliegen die Versäumung der rechtzeitigen Antragstellung im Sinn des § 13 Abs. 1 AufG dennoch nicht zum Untergang des Rechtes auf Verlängerung einer Bewilligung gemäß § 4 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 zweiter Satz AufG führt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 20. März 1996, Zl. 95/21/0714). Diese Überlegungen gelten auch dann, wenn die Aufenthaltsberechtigung des Fremden zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes (mit 1. Juli 1993) bereits abgelaufen war (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1996, Zl. 95/21/0197). Auch die nicht unerhebliche Versäumung der Frist für den Verlängerungsantrag im Ausmaß von ca. einem Jahr hätte angesichts des behaupteten rechtmäßigen Aufenthaltes von ca. 20 Jahren in Österreich nicht zum Untergang des Rechtes auf Verlängerung der Bewilligung geführt, wenn die angeführten, spezifischen (privaten und familiären) Bindungen zum Bundesgebiet bestehen und die daraus hervorleuchtende Integration nicht durch andere Umstände (etwa gerichtliche Verurteilungen) maßgeblich gemindert wird. Infolge Verkennung der oben aufgezeigten Rechtslage hat sich die belangte Behörde mit dem Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin zu ihren persönlichen Verhältnissen nicht auseinandergesetzt und dadurch den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Da der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid innerhalb des Beschwerdepunktes umfassend auf seine Rechtsrichtigkeit zu prüfen hat, war dieser "sekundäre Verfahrensmangel", der auf eine unrichtige Rechtsauffassung der belangten Behörde zurückzuführen ist, aufzugreifen, auch wenn das Vorbringen in der Beschwerde selbst den Vorwurf der inhaltlichen Rechtswidrigkeit nicht zu begründen vermag. Der vorgebrachte Umstand, die Beschwerdeführerin sei der Auffassung gewesen, daß die zeitliche Befristung der Beschäftigungsbewilligung auch für den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung maßgeblich sei, ließe für sich allein keine fehlerhafte Anwendung des hier maßgeblichen AufG durch die Behörde erkennen.

Der Bescheid war aber dennoch - aus den oben angeführten Gründen - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG - ohne Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung (§ 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG) - aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war im Hinblick darauf abzuweisen, daß zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nur zwei Ausfertigungen der Beschwerde sowie eine Ablichtung des Bescheides einzubringen waren; die Umsatzsteuer ist in dem laut Verordnung zugesprochenen Pauschalbetrag bereits enthalten.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995210783.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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