TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/22 W212 2180765-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.07.2021
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Entscheidungsdatum

22.07.2021

Norm

ASVG §293
AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §56
AsylG 2005 §58 Abs13
AsylG 2005 §60 Abs2 Z3
BFA-VG §19
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z6
FPG §55 Abs2
NAG §11
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W212 2180765-3/3E

W212 2180763-3/3E
W212 2180762-3/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Eva SINGER als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , und 3.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Ukraine, vertreten durch Dr. Max KAPFERER, Dr. Thomas LECHNER und Dr. Martin DELLASEGA, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 27.11.2020, Zahlen: 1.) 1050220404-200137305, 2.) 1050220306-200137394 und 3.) 1100105104-200137416, zu Recht:

A) I. Die Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. bis IV. der angefochtenen Bescheide werden gemäß § 56 AsylG 2005 i.d.g.F., §§ 52 Abs. 3 und Abs. 9, 55 FPG i.d.g.F. sowie § 9 BFA-VG i.d.g.F. als unbegründet abgewiesen.

II. Den Beschwerden gegen die Spruchpunkte V. wird stattgegeben und diese ersatzlos aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

Die beschwerdeführenden Parteien sind ukrainische Staatsangehörige, der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind miteinander verheiratet und Eltern des minderjährigen Drittbeschwerdeführers.

I. Verfahrensgang:

1. Vorangegangene Verfahren:

1.1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin reisten am 17.01.2015 unter Mitführung ihrer ukrainischen Reisepässe auf dem Luftweg in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 26.01.2015 Anträge auf internationalen Schutz. Der Drittbeschwerdeführer wurde im November 2015 in Österreich geboren und stellte durch seine Mutter als gesetzliche Vertreterin am 23.12.2015 ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.11.2017 wurden diese Anträge sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Ukraine abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Ukraine zulässig ist und ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

1.3. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.02.2019 wurden die gegen diese Bescheide eingebrachten Beschwerden nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 17.08.2018 als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG jeweils für nicht zulässig erklärt.

Die angeführten Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.02.2019 wurden den beschwerdeführenden Parteien am 06.02.2019 rechtswirksam zugestellt.

1.4. Mit Schreiben vom 23.05.2019, beim Bundesverwaltungsgericht am 24.05.2019 eingelangt, beantragten die Beschwerdeführer die Wiederaufnahme ihrer mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.02.2019 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren und begründeten dies im Wesentlichen mit dem nachträglichen Hervorkommen neuer Beweismittel, welche voraussichtlich sowohl in Hinblick auf § 3, als auch §§ 8 und 10 AsylG, eine andere Entscheidung herbeigeführt hätten, wären sie im anhängigen Verfahren berücksichtigt worden.

1.5. Mit Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.10.2019 wurden die Anträge auf Wiederaufnahme gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 VwGVG abgewiesen sowie die Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung als unzulässig zurückgewiesen.

1.6. Mit Beschluss vom 12.12.2019, Zahl: E 4446/2019-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung einer gegen diese Beschlüsse eingebrachten Beschwerde ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

2. Gegenständliche Verfahren:

2.1. Am 05.02.2020 stellten die Beschwerdeführer beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unter Verwendung des hierfür vorgesehenen Formulars Erstanträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen gemäß § 56 Abs. 1 AsylG 2005. In einem durch ihren bevollmächtigten Vertreter verfassten Schriftsatz vom gleichen Datum wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführer seit 27.01.2015, sohin seit fünf Jahren durchgängig und bis Frühjahr 2019 rechtmäßig, in Österreich aufhältig seien. Der Erstbeschwerdeführer arbeite seit Juni 2015 gemeinnützig als Hausmeister in einem Altenwohnheim, die Zweitbeschwerdeführerin arbeite seit Februar 2016 ebenfalls in jenem Altenwohnheim. Das Altenwohnheim habe eine verbindliche Einstellungszusage an den Erstbeschwerdeführer erteilt. Die Zweitbeschwerdeführerin erwarte in Kürze ihr zweites Kind. Der Erstbeschwerdeführer habe zudem eine höhere technische Bundeslehr- und Versuchsanstalt bis Februar 2019 besucht, die Zweitbeschwerdeführerin habe ihr Wirtschaftsdiplom in Österreich anerkennen lassen. Der Drittbeschwerdeführer besuche seit September 2019 den Kindergarten. Ein schützenswertes Privatleben, welches eine Abschiebung in die Ukraine rechtswidrig mache, liege jedenfalls wegen der über fünfjährigen Aufenthaltsdauer, der jahrelangen gemeinnützigen Tätigkeit, der absolvierten Ausbildungen, des sozialen Netzwerks und der nachgewiesenen B2-Deutschprüfungen vor. Weiters wurde beantragt, die Heilung des Mangels von Personaldokumenten hinsichtlich des Drittbeschwerdeführers zuzulassen.

Beiliegend übermittelt wurden ein Referenzschreiben eines Altenwohnheims aus Februar 2020 sowie eine Bestätigung vom 21.01.2021 über die vom Erstbeschwerdeführer dort seit Juni 2015 verrichtete gemeinnützige Arbeit im Ausmaß von 60 Stunden im Monat als Hausmeister/Haustechniker, Bestätigungen über den Schulbesuch des Erstbeschwerdeführers in einer Höheren technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt von 11.09.2017 bis 09.02.2018 und von 20.09.2018 bis 08.02.2019, ÖSD-Zertifikate (B2) des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin aus August 2017, Unterstützungsschreiben für die Familie vom 03.02.2020, vom 30.01.2020 und vom 26.07.2018 sowie einige undatierte Unterstützungserklärungen, eine Bestätigung vom 27.01.2020 hinsichtlich der gemeinnützigen Tätigkeit der Zweitbeschwerdeführerin in einem Altenwohnheim (Bereich Cafeteria und Büro) seit Februar 2016 sowie ein Schreiben des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung vom 10.02.2019 hinsichtlich der Bewertung des akademischen Grades der Zweitbeschwerdeführerin.

Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.10.2020 wurden die Beschwerdeführer aufgefordert, Nachweise hinsichtlich der Erfüllung der näher beschriebenen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen für den von ihnen beantragten Aufenthaltstitel vorzulegen.

In einer durch den bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführer am 14.10.2020 eingebrachten Stellungnahme wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der Erstbeschwerdeführer nach wie vor in einem Altenwohnheim gemeinnützig beschäftigt sei, welches ihn im Falle eines Zugangs zum Arbeitsmarkt verbindlich zu 50% beschäftigen und die Stelle, falls möglich, auf 100% aufstocken würde. Die Zweitbeschwerdeführerin arbeite trotz der Geburt ihres zweiten Kindes ebenfalls soweit möglich auch aktuell gemeinnützig im Altenwohnheim und es sage die, bis auf die Stundezahl aktuelle, Bestätigung vom 27.10.2020 auch für sie eine Einstellung im Falle des Zugangs zum Arbeitsmarkt zu. Der Drittbeschwerdeführer habe einen Unterhaltsanspruch gegenüber seinen Eltern.

Die Beschwerdeführer würden zudem über eine ortsübliche Unterkunft in einer Wohnanlage an einer näher bezeichneten Anschrift verfügen.

Die Beschwerdeführer seien derzeit über die Grundversorgung krankenversichert, die in Vorlage gebrachte verbindliche Einstellungszusage bestätige jedoch auch die staatliche Pflichtversicherung.

Alle Beschwerdeführer seien gesund. Die vorgelegten Bestätigungen hinsichtlich des Soziallebens in Österreich würden belegen, dass die Beschwerdeführer neben den ausgezeichneten Deutschkenntnissen auf dem Niveau B2 einen Freundeskreis in Österreich hätten, diese seien unbescholten und bestens integriert.

Beiliegend übermittelt wurden eine schriftliche Bestätigung des erwähnten Altenwohnheims vom 28.01.2020, wonach der Erstbeschwerdeführer im Fall der Erteilung eines Aufenthaltstitels mit unbeschränktem Zugang zum Arbeitsmarkt als Hausmeister mit einem Monatslohn von ca. EUR 950,- brutto und einem Beschäftigungsausmaß von 20 Wochenstunden beschäftigt werden könnte, eine Bestätigung aus Oktober 2020 hinsichtlich der gemeinnützigen Tätigkeit des Erstbeschwerdeführers sowie eine Kopie der ersten Seite eines vom Erstbeschwerdeführer abgeschlossenen Mietvertrags über eine Wohnung mit einer Nutzfläche von ca. 68m2.

2.2. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden vom 27.11.2020 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der Beschwerdeführer auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkte I.), gegen die Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 3 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkte II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Genannten in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkte III.), ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkte IV.) und gegen die Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkte V.).

Zudem wurde der Antrag des Drittbeschwerdeführers auf Mängelheilung gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 iVm§ 8 AsylG-DV 2005 abgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Erst- und Zweitbeschwerdeführer befänden sich seit 17.01.2015, sohin seit mehr als fünf Jahren, in Österreich und ihr Aufenthalt sei bis zum Abschluss ihres Asylverfahrens am 06.02.2019, somit mehr als vier Jahre, rechtmäßig gewesen. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin seien gemeinnützig tätig, würden die deutsche Sprache auf dem Niveau B2 beherrschen und hätten eine soziale Integration im Bundesgebiet entwickelt. Die Beschwerdeführer seien seit ihrer Einreise auf staatliche Unterstützung im Rahmen der Grundversorgung angewiesen, welche für ihre Lebensführung, Unterbringung und Krankenversicherung aufkomme. Die vom Erstbeschwerdeführer vorgelegte Einstellungszusage und das darin avisierte Einkommen seien nicht geeignet, eine Selbsterhaltungsfähigkeit unter Berücksichtigung seiner familiären Situation nachzuweisen. Eine Abwägung führe zu einem Überwiegen der öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung, zumal die Beschwerdeführer auch nach wie vor enge Bindungen an die Ukraine hätten.

Ein Sachverhalt, welcher die Abschiebung in die Ukraine, einen sicheren Herkunftsstaat, unzulässig machen würde, habe sich unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beschwerdeführer sowie der dem Bescheid zugrunde gelegten Berichte zur Allgemeinsituation im Herkunftsstaat nicht ergeben.

Zu den Gründen für die Erlassung des Einreiseverbotes wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführer einen offensichtlich unbegründeten und daher missbräuchlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und die aus der rechtskräftigen Entscheidung vom 06.02.2019 resultierende Ausreiseverpflichtung missachtet hätten.

2.3. Gegen diese Bescheide richtet sich die durch die Rechtsvertretung der Beschwerdeführer am 08.01.2021 eingebrachte Beschwerde, zu deren Begründung zusammengefasst ausgeführt wurde, die Behörde hätte unter Berücksichtigung der in den angefochtenen Bescheiden getroffenen Feststellungen die Rückkehrentscheidungen für auf Dauer unzulässig erklären und einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 erteilen müssen. Weiters hätte sie feststellen müssen, dass die von § 56 AsylG 2005 verlangte Schwelle jedenfalls erreicht und ein humanitärer Aufenthaltstitel zu erteilen sei. Hinsichtlich des illegalen Verbleibs unterlasse die Behörde Feststellungen dahingehend, dass der im Jahr 2020 geborene zweite Sohn des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin nach wie vor rechtmäßig in seinem Asylverfahren aufhältig sei. In richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die Behörde, welche selbst davon ausgegangen sei, dass keiner der in § 53 Abs. 2 FPG genannten Tatbestände erfüllt sei, zudem erkennen müssen, dass die Voraussetzungen für ein Einreiseverbot nicht vorliegen, zumal auch keine Feststellungen zu einer Gefährlichkeit der Beschwerdeführer getroffen worden seien.

2.4. Mit Schreiben vom 19.02.2021 legte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Bundesverwaltungsgericht die gegenständliche Beschwerde vor und führte in einer beiliegenden Stellungnahme vom gleichen Datum im Wesentlichen aus, dass das Asylverfahren des zweiten Sohnes als aussichtslos zu erachten sei, zumal dieser sich ausschließlich auf die Gründe seiner Mutter stützte, deren Verfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen sei. Richtig sei, dass § 56 AsylG für Fälle gedacht sei, in denen die notwendige Schwelle des Art. 8 EMRK noch nicht erreicht sei; genau aus diesem Grund sehe das Gesetz in § 60 AsylG 2005 zusätzliche Erteilungserfordernisse vor, welche, wie im Bescheid ausgeführt, nicht erfüllt worden seien. Die Behörde habe eine Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK durchgeführt und das verhängte Einreiseverbot aufgrund einer bestehenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit resultierend aus der Nichtbefolgung der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung im Sinn von Art. 11 der Rückführungsrichtlinie erlassen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den Personen der Beschwerdeführer und ihrem Aufenthalt in Österreich:

Die Beschwerdeführer sind ukrainische Staatsangehörige. Der Erstbeschwerdeführer gehört der ukrainischen Volksgruppe an, die Zweitbeschwerdeführerin der polnischen Volksgruppe. Die Beschwerdeführer gehören dem russisch-orthodoxen Glauben an. Der Erstbeschwerdeführer wurde in XXXX (Ukraine) geboren, die Zweitbeschwerdeführerin in XXXX (Moldawien) und der Drittbeschwerdeführer in Österreich. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind miteinander verheiratet und die Eltern des im Jahr 2015 geborenen Drittbeschwerdeführers und eines weiteren im Jahr 2020 im Bundesgebiet geborenen Sohnes. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin haben bis zu ihrer Ausreise in XXXX in der Ukraine gelebt. Sie haben die Ukraine am 17.01.2015 verlassen und sind unter Mitführung ihrer Reisepässe per Flugzeug nach Europa gereist, wo sie am selben Tag in Österreich ankamen und Anträge auf internationalen Schutz einbrachten.

Der Erstbeschwerdeführer besuchte von 1997 bis 2008 die Grundschule in XXXX und von 2008 bis 2011 die Universität, wo er Meeresbiologie (ohne Abschluss) studierte. Er verfügt über Arbeitserfahrung als Verkäufer, Autowäscher sowie als Security-Mitarbeiter. Die Zweitbeschwerdeführerin hat von 1995 bis 2006 in XXXX die Grundschule besucht und bei der XXXX in XXXX von 2006 bis 2011 eine Hochschulausbildung in der Fachrichtung „Betriebswirtschaft“ absolviert und die Qualifikation als Betriebswirtin erworben. Die Eltern sowie ein Bruder des Erstbeschwerdeführers wohnen in XXXX . Zwei Onkel und eine Tante des Erstbeschwerdeführers leben in Frankreich, zu diesen Angehörigen besteht jedoch kein Kontakt. Eine Schwester der Zweitbeschwerdeführerin lebt in XXXX . Der Stiefvater, wie auch die Mutter der Zweitbeschwerdeführerin, sind aktuell in Deutschland aufhältig.

Die Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführer wurden mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.11.2017 unter gleichzeitigem Ausspruch von Rückkehrentscheidungen abgewiesen, die gegen diese Bescheide eingebrachten Beschwerden wurden mit am 06.02.2019 an die Beschwerdeführer zugestellten Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.02.2019, Zahlen: W247 2180765-1/11E, W247 2180763-1/11E und W247 2180762-1/9E, als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer sind ihrer aus diesen Entscheidungen resultierenden Ausreiseverpflichtung bis dato nicht nachgekommen.

Die unbescholtenen Beschwerdeführer führen im Bundesgebiet ein Familienleben untereinander sowie mit dem zweiten Sohn des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin respektive Bruder des Drittbeschwerdeführers. Das Verfahren über die Beschwerde gegen den seinen Antrag auf internationalen Schutz abweisenden und eine Rückkehrentscheidung aussprechenden Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.11.2020 ist zu Zahl W212 2238174-1 vor dem Bundesverwaltungsgericht anhängig und wird ebenfalls mit Erkenntnis vom heutigen Datum entschieden. Aufgrund der abweisenden Beschwerdeentscheidung auch im Verfahren des jüngsten Sohnes/Bruders der Beschwerdeführer sind alle Familienmitglieder im gleichen Umfang von einer Aufenthaltsbeendigung betroffen.

Außerhalb des Bereichs ihrer Kernfamilie verfügen die Beschwerdeführer im Bundesgebiet über keine Familienangehörigen.

Der Erstbeschwerdeführer hat in Österreich Deutschkurse auf dem Niveau A2 und B2 besucht und im August 2017 die ÖSD-Deutschprüfung auf dem Niveau B2 bestanden. Der Erstbeschwerdeführer verrichtet seit Juni 2015 in einem Regional-Altenwohnheim 60 Stunden pro Monat gemeinnützige Tätigkeiten im Tätigkeitsbereich eines Hausmeisters bzw. der Haustechnik. Von 11.09.2017 bis 09.02.2018 sowie von 20.09.2018 bis 28.02.2019 besuchte dieser eine Höhere technische Bundeslehr- und Versuchsanstalt.

Die Zweitbeschwerdeführerin hat Deutschkurse auf dem Niveau A2 und B2 besucht und hat im August 2017 ebenfalls eine ÖSD-Deutschprüfung auf dem Niveau B2 bestanden. Sie ist seit Februar 2016 gemeinnützig im gleichen Regional-Altenwohnheim im Ausmaß von 60 Stunden pro Monat im Bereich der Cafeteria bzw. im Büro tätig.

Der Drittbeschwerdeführer besucht seit September 2019 den Kindergarten.

Die Beschwerdeführer waren bislang nicht selbsterhaltungsfähig und bestreiten ihren Lebensunterhalt im Rahmen der staatlichen Grundversorgung. Sie sind bislang keiner sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nachgegangen.

Der Erstbeschwerdeführer legte eine durch das Altenwohnheim, in welchem er gemeinnützig tätig ist, am 28.01.2020 verfasste Einstellungszusage vor, in welcher ihm für den Fall der Erlangung eines unbeschränkten Zugangs zum österreichischen Arbeitsmarkt eine Beschäftigung im Ausmaß von 20 Wochenstunden mit einem voraussichtlichen Gehalt von EUR 950,- verbindlich in Aussicht gestellt wird.

Die Zweitbeschwerdeführerin legte keine konkrete Einstellungszusage vor; im Rahmen einer durch das Altenwohnheim am 27.01.2020 verfassten Bestätigung über ihre gemeinnützige Tätigkeit wird (wörtlich) ausgeführt: „Wenn Fr. […] einen positiven Bescheid bekäme, wäre es möglich, bei uns im Haus eine Anstellung zu finden.“

Die Beschwerdeführer haben nicht nachgewiesen, dass ihr weiterer Aufenthalt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte.

Die Beschwerdeführer bewohnen eine Mietwohnung im Bundesgebiet, welche sie über die Grundversorgung finanzieren, über welche sie auch versichert sind.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer an lebensbedrohlichen Erkrankungen (im Endstadium) leiden, die in der Ukraine nicht behandelbar wären.

1.2. Die Beschwerdeführer haben nicht vorgebracht, dass ihnen in der Ukraine eine reale Bedrohungssituation für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit droht und es wurde im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren über ihre Anträge auf internationalen Schutz bereits festgestellt, dass diese von keiner individuellen Verfolgung oder einer (sonstigen) Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK garantierten Rechte bedroht sind. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin werden in der Ukraine (neuerlich) am Erwerbsleben teilnehmen und dadurch den Lebensunterhalt für sich und ihre beiden minderjährigen Söhne bestreiten können.

Die allgemeine Sicherheits- und Versorgungslage in der Ukraine ( XXXX ) stellt sich seit dem Zeitpunkt des Abschlusses der Verfahren über ihre Anträge auf internationalen Schutz mit am 06.02.2019 zugestellten Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts für die Beschwerdeführer im Wesentlichen unverändert dar.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zu den Personen der Beschwerdeführer und dem Verfahrensverlauf beruhen auf den vorgelegten Verwaltungsakten bzw. den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes, sowie den Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin in den gegenständlichen Verfahren. Die Identität und Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführer steht aufgrund der aktenkundigen ukrainischen Reisepässe des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin in Zusammenschau mit der österreichischen Geburtsurkunde des minderjährigen Drittbeschwerdeführers fest. Die weiteren Feststellungen zu Herkunft, Volksgruppenzugehörigkeit, Religion, familiären Verhältnissen, schulischem und beruflichem Werdegang wurden ebenfalls bereits den in den vorangegangenen Verfahren rechtskräftig erlassenen Entscheidungen, insbesondere den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.02.2019, zugrunde gelegt und es sind seither keine Gründe hervorgekommen, an der Richtigkeit und Aktualität dieser Feststellungen zu zweifeln.

Die Feststellungen zum Zeitpunkt der Ausreise der Beschwerdeführer von der Ukraine nach Österreich sowie den in der Folge im Bundesgebiet geführten Verfahren über ihre Anträge auf internationalen Schutz sowie auf Wiederaufnahme derselben ergeben sich aus dem eindeutigen Inhalt der vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten.

Dass die Beschwerdeführer seit Rechtskraft der erstmals ausgesprochenen Rückkehrentscheidung ihrer Ausreisepflicht nicht nachgekommen und beharrlich im Bundesgebiet verblieben sind, ergibt sich aus ihrem Vorbringen sowie den durchgehenden Hauptwohnsitzmeldungen im Bundesgebiet.

2.2. Die Feststellungen zum Verfahren des jüngeren Sohnes respektive Bruders der Beschwerdeführer und der auch diesen treffenden Ausreiseverpflichtung resultieren aus seinem vor dem Bundesverwaltungsgericht zu Zahl W212 2238174-1 geführten Beschwerdeverfahren, in welchem mit Erkenntnis vom heutigen Datum die Beschwerde gegen die Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz sowie die Erlassung einer Rückkehrentscheidung als unbegründet abgewiesen worden ist.

2.3. Die Unbescholtenheit der Beschwerdeführer ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister. Die Feststellungen zur familiären und privaten Situation der Beschwerdeführer in Österreich ergeben sich aus den in ihren Vorverfahren getroffenen Feststellungen in Zusammenschau mit den im gegenständlichen Verfahren erstatteten Angaben und vorgelegten Unterlagen, insbesondere den Bestätigungen über ihre gemeinnützige Tätigkeit, der schriftlichen Einstellungszusage des Erstbeschwerdeführers, den Zertifikaten über die vom Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin abgelegten ÖSD-Deutschprüfungen auf dem Niveau A2 und B2, den Unterstützungserklärungen aus ihrem sozialen Umfeld und der Bestätigung über den Kindergartenbesuch des minderjährigen Beschwerdeführers. Die Beschwerdeführer sind nach wie vor nicht selbsterhaltungsfähig, bestreiten ihren Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung und es beruht ihre nunmehrige Aufenthaltsdauer ausschließlich auf der Missachtung ihrer rechtskräftigen Ausreiseverpflichtung.

Die Feststellungen zur finanziellen Situation der Beschwerdeführer beruhen auf dem Umstand, dass diese bislang Grundversorgung bezogen haben, keiner sozialversicherten Erwerbstätigkeit nachgegangen sind, keine sonstigen Vermögenswerte oder Einkommensquellen benannten, und keine verbindlichen Einstellungszusagen vorlegten, aus welchen sich für den Fall der Erteilung eines Aufenthaltstitels ein ausreichendes Familieneinkommen prognostizieren ließe.

Die Feststellungen zur gesundheitlichen Situation der Beschwerdeführer ergeben sich aus den Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführer, welche nicht vorgebracht haben, dass bei einem der Familienmitglieder eine Erkrankung vorliegen würde.

2.4. Bereits in den Erkenntnissen vom 01.02.2019 wurde festgehalten, dass die Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in die Ukraine weder von Verfolgung bedroht sind, noch sonst in ihrer körperlichen Unversehrtheit gefährdet sind oder Gefahr liefen, in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten. Entgegenstehende Befürchtungen wurde im nunmehrigen Verfahren nicht geäußert und es wurden auch keine Änderungen der persönlichen Umstände der Beschwerdeführer aufgezeigt, welche eine nunmehrige Gefährdung im Herkunftsstaat allenfalls nahelegen würden. Im Hinblick auf die Rückkehrsituation verwies die belangte Behörde zu Recht darauf, dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin, welche den Großteil ihres Lebens in der Ukraine verbracht haben, dort die (Hoch)Schule absolviert haben und verschiedenen Erwerbstätigkeiten nachgegangen sind, jedenfalls neuerlich zu einer eigenständigen Bestreitung des Lebensunterhalts für sich selbst und ihre beiden minderjährigen Kinder im Herkunftsstaat in der Lage sein werden. Die Beschwerdeführer leiden jeweils an keinen Erkrankungen und können auf Leistungen des ukrainischen Sozialsystems zurückgreifen. Im Herkunftsstaat halten sich unverändert Angehörige der Beschwerdeführer auf, sodass ihnen zudem die Möglichkeit offen stünde, auf Unterstützung durch ein soziales Netz zurückzugreifen und bei diesem Wohnsitz zu nehmen. Die Beschwerdeführer waren zuletzt in XXXX wohnhaft, einer unter Kontrolle der ukrainischen Zentralverwaltung stehenden Region, welche von sicherheitsrelevanten Vorfällen während der letzten Jahre nicht maßgeblich betroffen gewesen ist, sodass den Beschwerdeführern eine Rückkehr in ihre Herkunftsregion unverändert gefahrlos möglich sein wird.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) I. Abweisung der Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. bis IV.:

3.1. Zur Abweisung der Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG 2005:

3.1.1. Der mit "Aufenthaltstitel in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen" übertitelte § 56 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/2017, lautet:

"(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen kann in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, auch wenn er sich in einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vor dem Bundesamt befindet, eine "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt werden, wenn der Drittstaatsangehörige jedenfalls

1.       zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweislich seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist,

2.       davon mindestens die Hälfte, jedenfalls aber drei Jahre, seines festgestellten durchgängigen Aufenthaltes im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältig gewesen ist und

3.       das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird.

(2) Liegen nur die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 und 2 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

(3) Die Behörde hat den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 kann auch durch Vorlage einer einzigen Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 26) erbracht werden. Treten mehrere Personen als Verpflichtete in einer Erklärung auf, dann haftet jeder von ihnen für den vollen Haftungsbetrag zur ungeteilten Hand."

Der mit "Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen" übertitelte § 60 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017, lautet:

"(1) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden, wenn

1.       gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht, oder

2.       gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht.

(2) Aufenthaltstitel gemäß § 56 dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn

1.       der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,

2.       der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,

3.       der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte, und

4.       durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden.

(3) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen widerstreitet dem öffentlichen Interesse, wenn

1.       dieser ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass dieser durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt oder

2.       im Falle der §§ 56 und 57 dessen Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde."

Der mit "Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel" übertitelte § 11 NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017, lautet auszugsweise:

"[...] (5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage."

Der Richtsatz gemäß § 293 ASVG beträgt im Jahr 2021 für Personen, die mit dem Ehepartner oder dem eingetragenen Partner im gemeinsamen Haushalt leben (Familienrichtsatz) EUR 1.578,37 und steigt für jedes vom Pensionsbezieher zu erhaltende Kind um EUR 154,37.

3.1.2. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels im Wesentlichen mit der mangelnden Selbsterhaltungsfähigkeit der Beschwerdeführer im Bundesgebiet begründet, welche nicht dartun hätten können, dass ihr Aufenthalt nach Erteilung eines Aufenthaltstitels zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen werde (§ 60 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat ein Fremder initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel nachzuweisen, dass der Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint, wobei insoweit auch die Verpflichtung besteht, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mitteln nachzuweisen, als ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl. zB VwGH 15.06.2010, 2008/22/0438; VwGH 25.03.2010, 2010/21/0088).

Die Prüfung, ob der Aufenthalt des Fremden zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, ob also ausreichende Unterhaltsmittel zur Verfügung stehen, hat durch eine Prognose über die Erzielbarkeit ausreichender Mittel zu erfolgen (vgl. VwGH 23.11.2017, Ra 2017/22/0144; VwGH 20.10.2011, 2009/18/0122).

3.1.2.1. Die Beschwerdeführer haben bisher während ihres gesamten Aufenthalts im Bundesgebiet Grundversorgung bezogen und waren demnach zu keinem Zeitpunkt selbsterhaltungsfähig. Der Umstand, dass einem Fremden Grundversorgung gewährt wird, bestätigt geradezu die Beurteilung, dass eine Mittellosigkeit und daraus resultierende finanzielle Belastung von Gebietskörperschaften vorliegt (vgl. in diesem Sinn zuletzt etwa VwGH 07.10.2020, Ra 2020/14/0348). Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin gingen jeweils einer gemeinnützigen Tätigkeit im Ausmaß von höchstens 60 Monatsstunden und einem Stundenlohn von EUR 3,- nach, wodurch eine Selbsterhaltungsfähigkeit der vierköpfigen Familie nicht dargetan wurde.

Zudem haben diese auch keine konkreten Angaben zur Höhe regelmäßiger Aufwendungen, insbesondere ihrer Mietbelastungen, erstattet. Die Beschwerdeführer haben demnach bis dato kein eigenes festes oder regelmäßiges Einkommen, das ihnen eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen der Gebietskörperschaft ermöglichen würde.

Zur vom Erstbeschwerdeführer vorgelegten schriftlichen Einstellungszusage durch jenes Altenwohnheim, für welches er gegenwärtig im Rahmen der Hausbetreuung gemeinnützig tätig ist, ist zunächst auf die Judikatur des VwGH zu verweisen, wonach mit einer Einstellungszusage bzw. "..einem Arbeitsvorvertrag weder die Stellung eines Arbeitsnehmers in Österreich, noch ausreichende Existenzmittel bzw. ein Krankenversicherungsschutz nachgewiesen werden" (vgl. VwGH vom 17.10.2016, Ra 2016/22/0035).

Zudem ist festzuhalten, dass dem Erstbeschwerdeführer mit der Einstellungszusage eine Beschäftigung im Ausmaß von 20 Wochenstunden und einer Entlohnung von EUR 950,- monatlich in Aussicht gestellt wird, womit unter Berücksichtigung der in § 293 ASVG vorgegebenen Richtsätze keine ausreichenden Existenzmittel für eine vierköpfige Familie dargetan würden. Weitere Einkommens- oder Vermögenswerte wurden von den Beschwerdeführern nicht dargelegt. Soweit die Zweitbeschwerdeführerin auf eine ihr in Aussicht stehende Beschäftigung im gleichen Altenwohnheim verweist, bleibt festzuhalten, dass diese eine verbindliche Einstellungszusage, welche konkrete Angaben zu Beschäftigungsausmaß und Einkommen enthält, nicht vorgelegt hat; diese verwies lediglich auf ein durch das Altenwohnheim ausgestelltes Bestätigungsschreiben hinsichtlich ihrer gemeinnützigen Tätigkeit aus Jänner 2020, in welchem (wörtlich) ausgeführt wurde: „Wenn Fr. […] einen positiven Bescheid bekäme, wäre es möglich, bei uns im Haus eine Anstellung zu finden.“ Eine verbindliche Einstellungszusage lässt sich aus diesem Schreiben keinesfalls ableiten.

3.1.2.2. Im Ergebnis ist demnach im vorliegenden Fall evident, dass der im § 293 ASVG vorgegebene Richtsatz für im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten plus Richtsatzerhöhung für die beiden Söhne als Kinder im gemeinsamen Haushalt nicht erfüllt wird, wobei es sich nicht um eine bloß geringfügige Unterschreitung handelt (vgl. VwGH 29.03.2019, Ra 2018/22/0080; 28.02.2019, Ra 2018/22/0283).

Der belangten Behörde ist demnach mit der Beurteilung im Ergebnis recht zu geben, dass die Voraussetzung des § 60 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 nicht gegeben ist, sodass nicht positiv prognostiziert werden kann, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführer im Bundesgebiet zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führt.

Die Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln gemäß § 56 AsylG 2005 waren demnach mangels Erfüllung der in § 60 Abs. 2 AsylG 2005 genannten Erteilungsvoraussetzungen (deren kumulatives Vorliegen erforderlich ist) abzuweisen, sodass sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide als unbegründet erwies.

3.1.3. Auf Spruchpunkt VI. des Bescheides betreffend den minderjährigen Drittbeschwerdeführer, mit welchem dessen Antrag auf Mängelheilung abgewiesen wurde, musste demnach nicht gesondert eingegangen werden.

3.2. Zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung:

3.2.1 Die diesbezüglich maßgeblichen Rechtsgrundlagen stellen sich wie folgt dar:

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 erteilt wird, mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

§ 52 FPG lautet auszugsweise:

"Rückkehrentscheidung

§ 52 (1) – (2) […]

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) – (8) […]

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) - (11) [...]"

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet auszugsweise:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) - (6) [...]"

§ 58 Abs. 13 AsylG 2005 lautet:

„Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn

1.       ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und

2.       die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.“

3.2.2. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung - nunmehr Rückkehrentscheidung - nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

3.2.3. Was einen allfälligen Eingriff in das Familienleben der Beschwerdeführer betrifft, ist festzuhalten, dass diese im Bundesgebiet ein Familienleben untereinander sowie mit dem im Jahr 2020 geborenen weiteren Sohn des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin bzw. dem Bruder des Drittbeschwerdeführers führen. Da jedoch alle Mitglieder der Kernfamilie im gleichen Umfang von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen sind und darüber hinaus keine familiären Bindungen im Bundesgebiet bestehen, ist mit der ausgesprochenen Rückkehrentscheidung kein Eingriff in das Recht der Beschwerdeführer auf Achtung ihres Familienlebens verbunden.

3.2.4. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher lediglich in das Privatleben der Beschwerdeführer eingreifen:

Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554).

In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, weil - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, davon aus, dass "der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte". Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua. mwH).

Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner langjährigen Rechtsprechung zu Ausweisungen Fremder wiederholt ausgesprochen, dass die EMRK Fremden nicht das Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Land garantiert und die Konventionsstaaten im Allgemeinen nicht verpflichtet sind, die Wahl des Aufenthaltslandes durch Einwanderer zu respektieren und auf ihrem Territorium die Familienzusammenführung zu gestatten. Dennoch könne in einem Fall, der sowohl die Achtung des Familienlebens, als auch Fragen der Einwanderung betrifft, der Umfang der staatlichen Verpflichtung, Familienangehörigen von im Staat ansässigen Personen Aufenthalt zu gewähren, - je nach der Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse - variieren (vgl. z.B. EGMR 05.09.2000, Solomon v. Niederlande, Appl. 44328/98; EGMR 09.10.2003, Slivenko v. Lettland, Appl. 48321/99; EGMR 22.04.2004, Radovanovic v. Österreich, Appl. 42703/98; EGMR 31.01.2006, da Silva und Hoogkamer v. Niederlande, Appl. 50435/99; EGMR 31.07.2008, Darren Omoregie ua v. Norwegen, Appl. 265/07). Die Aufenthaltsdauer der Beschwerdeführer im Bundesgebiet seit Juni 2015 ist zwar nicht sehr kurz, aber auch noch nicht als besonders lange zu qualifizieren, sodass eine von Art. 8 EMRK geschützte Aufenthaltsverfestigung noch nicht angenommen werden kann (vgl. auch VwGH 20.12.2007, Zl. 2007/21/0437, zu § 66 Abs. 1 FPG, wonach der 6-jährigen Aufenthaltsdauer eines Fremden im Bundesgebiet, der Unbescholtenheit, eine feste soziale Integration, gute Deutschkenntnisse sowie einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, jedoch keine Familienangehörige geltend machen konnte, in einer Interessensabwägung keine derartige "verdichtete Integration" zugestanden wurde, da der Aufenthalt "letztlich nur auf einem unbegründeten Asylantrag fußte"; ähnlich auch VwGH 25.02.2010, Zl. 2010/18/0026; VwGH 30.04.2009, Zl. 2009/21/0086; VwGH 08.07.2009, Zkl. 2008/21/0533; VwGH 08.03.2005, 2004/18/0354).

3.2.4.1. Die Beschwerdeführer halten sich seit ihrer erstmaligen Einreise im Jänner 2015 (Erstbeschwerdeführer und Zweitbeschwerdeführerin) respektive ihrer Geburt im November 2015 (Drittbeschwerdeführer) ununterbrochen im Bundesgebiet auf. Hierbei ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführer nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb der vorübergehenden Berechtigung zum Aufenthalt im Rahmen ihrer Asylverfahren verfügt haben und die Aufenthaltsdauer nicht auf eine den Behörden zuzurechnende überlange Verfahrensdauer zurückzuführen ist. Vielmehr ergibt sich aus den Feststellungen, dass die Beschwerdeführer ihrer erstmals mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.02.2019 rechtskräftig ausgesprochenen Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sind, sondern in Missachtung der Ausreiseverpflichtung beharrlich illegal im Bundesgebiet verblieben sind.

Es ist demnach festzuhalten, dass allfällige familiäre und private Interessen der Beschwerdeführer nur durch die illegale Einreise des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin und deren langjährigen Verbleib im Bundesgebiet trotz ausgesprochener Rückkehrentscheidungen begründet werden konnten. Die Beschwerdeführer besaßen nie einen Aufenthaltstitel für Österreich und mussten sich stets der Unrechtmäßigkeit ihres Aufenthalts bzw. der vorübergehenden Natur des Aufenthaltsstatus während ihrer Verfahren auf internationalen Schutz bewusst sein.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mehrfach darauf hingewiesen, dass es im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste. Wenngleich minderjährigen Kindern dieser Vorwurf nicht zu machen ist, muss das Bewusstsein der Eltern über die Unsicherheit ihres Aufenthalts nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch auf die Kinder durchschlagen, wobei diesem Umstand allerdings bei ihnen im Rahmen der Gesamtabwägung im Vergleich zu anderen Kriterien weniger Gewicht zukommt (vgl. VwGH 16.06.2021, Ra 2020/18/0457 bis 0460-11, mwN).

Letztlich wurde mit dem dargestellten Verhalten der Beschwerdeführer versucht, in Bezug auf ihren Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0205 bis 0210, Rn. 11 und Rn. 14 bis 16, mwN; siehe dazu auch VwGH 07.03.2019, Ra 2019/21/0044 bis 0046, Rn. 16 iVm Rn. 18). Das widerspricht laut ständiger Rechtsprechung des VwGH dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen, dem ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa VwGH 28.05.2020, Ra 2020/21/0139, Rn 16; 26.06.2019, Ra 2019/21/0020, Rn. 7, und VwGH 16.05.2019, Ra 2019/21/0124, Rn. 9, mwN). Insofern begründet die zwischenzeitig seit rechtskräftigem Abschluss der Verfahren über ihre Anträge auf internationalen Schutz und den in diesem Zusammenhang ausgesprochenen Rückkehrentscheidungen längere Aufenthaltsdauer der Beschwerdeführer kein schutzwürdiges Interesse, zumal diese ausschließlich im pflichtwidrigen Verhalten des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin begründet liegt und es sind demnach auch die in diesem Zeitraum erfolgten Integrationsbemühungen als maßgeblich relativiert zu erachten.

3.2.4.2. Die unbescholtenen Beschwerdeführer waren während ihrer gesamten Aufenthaltsdauer nicht selbsterhaltungsfähig und sie bestreiten ihren Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin zeigten sich bemüht, die deutsche Sprache zu erlernen und legten im August 2017 ÖSD-Deutschprüfungen auf dem Niveau B2 ab. Darüber hinaus engagieren diese sich bereits mehrjährig durch eine gemeinnützige Tätigkeit in einem Altenwohnheim, in welchem der Erstbeschwerdeführer seit Juni 2015 im Ausmaß von 60 Stunden im Monat als Hausmeister/Haustechniker beschäftigt ist und die Zweitbeschwerdeführerin seit Februar 2016 im Bereich Büro/Cafeteria mitwirkt. Der Erstbeschwerdeführer legte ein Schreiben jenes Altenwohnheims vor, in welchem ihm für den Fall der Erteilung einer Aufenthalts- und Arbeitsberechtigung eine Beschäftigung im Ausmaß von 20 Wochenstunden und ein Einkommen von EUR 950,- in Aussicht gestellt wurden. Wie bereits an anderer Stelle dargelegt, wäre jedoch auch unter Zugrundelegung dieser Einkünfte nicht zu prognostizieren, dass die Beschwerdeführer hierdurch in der Lage wären, den Lebensunterhalt der vierköpfigen Familie künftig eigenständig zu bestreiten. Zudem nahm der Erstbeschwerdeführer im Zeitraum 2017 bis 2019 am Unterricht an einer österreichischen Bildungseinrichtung teil.

Die Beschwerdeführer haben sich einen Freundes- und Bekanntenkreis in ihrer Wohngemeinde aufgebaut, welcher sich im Rahmen der vorgelegten Unterstützungsschreiben und -listen für deren Verbleib im Bundesgebiet einsetzt.

Eine außergewöhnliche Integration der Beschwerdeführer ist trotz der nicht in Abrede gestellten Bemühungen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin hinsichtlich einer sprachlichen, beruflichen und sozialen Integration nicht zu erkennen gewesen. Insgesamt hat sich auch verglichen mit dem Zeitpunkt der ersten Rückkehrentscheidungen (vgl. die mit 06.02.2019 rechtskräftigen Erkenntnisse des BVwG vom 01.02.2019) keine maßgebliche Änderung der persönlichen Situation der Beschwerdeführer in Österreich ergeben, welche nunmehr, trotz der Missachtung der Ausreisepflicht, eine anderslautende Beurteilung rechtfertigen würde.

Demgegenüber haben der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin den weit überwiegenden Teil ihres bisherigen Lebens in der Ukraine verbracht, wo sie aufgewachsen sind und die Schule besuchten, die Zweitbeschwerdeführerin hat überdies ein Hochschulstudium absolviert. Sowohl der Erstbeschwerdeführer als auch die Zweitbeschwerdeführerin haben Berufserfahrung in der Ukraine gesammelt, sodass ihnen nach einer Rückkehr neuerlich eine Teilnahme am Erwerbsleben möglich sein wird. Da diese muttersprachlich Russisch sprechen, nach wie vor verwandtschaftliche Bindungen in der Ukraine haben und mit den Gegebenheiten in ihrem Herkunftsstaat vertraut sind, werden diese auch nach einer mehrjährigen Ortsabwesenheit keine maßgeblichen Schwierigkeiten bei einer Wiedereingliederung im Herkunftsstaat vorfinden.

Schließlich leiden die Beschwerdeführer jeweils an keinen schwerwiegenden Erkrankungen und nehmen keine regelmäßige medizinische Behandlung im Bundesgebiet in Anspruch.

Soweit, wie im vorliegenden Fall, Kinder bzw. Minderjährige von einer Rückkehrentscheidung betroffen sind, sind die besten Interessen und das Wohlergehen dieser Kinder, insbesondere das Maß an Schwierigkeiten, denen sie im Heimatstaat begegnen, sowie die sozialen, kulturellen und familiären Bindungen sowohl zum Aufenthaltsstaat als auch zum Heimatstaat zu berücksichtigen (vgl. dazu etwa die Urteile des EGMR vom 18. Oktober 2006, Üner gegen die Niederlande, Beschwerde Nr. 46410/99, Randnr. 58, und vom 6. Juli 2010, Neulinger und Shuruk gegen die Schweiz, Beschwerde Nr. 41615/07, Randnr. 146). Maßgebliche Bedeutung hat der EGMR dabei in seiner Rechtsprechung den Fragen beigemessen, wo die Kinder geboren wurden, in welchem Land und in welchem kulturellen und sprachlichen Umfeld sie gelebt haben, wo sie ihre Schulbildung absolviert haben, ob sie die Sprache des Heimatstaats sprechen, und insbesondere, ob sie sich in einem anpassungsfähigen Alter („adaptable age“; vgl. dazu die Urteile des EGMR vom 31. Juli 2008, Darren Omoregie und andere gegen Norwegen, Beschwerde Nr. 265/07, Randnr. 66, vom 17. Februar 2009, Onur gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 27319/07, Randnr. 60, und vom 24. November 2009, Omojudi gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 1820/08, Randnr. 46) befinden (vgl. etwa VwGH 16.06.2021, Ra 2020/18/0457 bis 0460-11, mwN.). Hierzu ist anzumerken, dass sich die persönlichen Beziehungen des fünfjährigen Drittbeschwerdeführers angesichts seines Lebensalters noch primär auf die Beziehung zu seiner Kernfamilie, sohin vor allem zu seinen Eltern, auf deren Unterstützung und Obsorge er angewiesen ist, beschränken. Mit Ausnahme des Kindergartenbesuchs in Öster

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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