TE Bvwg Beschluss 2021/9/27 L517 2245491-2

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Veröffentlicht am 27.09.2021
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Entscheidungsdatum

27.09.2021

Norm

AlVG §10
AlVG §38
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §8a

Spruch


L517 2245491-2/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. NIEDERWIMMER als Einzelrichter über den Antrag von XXXX auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur weiteren Führung des Verfahrens im Rahmen seiner Beschwerde zum Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 01.06.2021, Versicherungsnummer: XXXX , beschlossen:

A)

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird gemäß § 8 a Abs. 1 Verwaltungs-gerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I.       Verfahrensgang:

22.04.2021 – Stellenangebot des AMS XXXX (in der Folge „AMS“ bzw. „bB“) an XXXX (in der Folge „bP“) als LKW-Fahrer bei der Firma XXXX

26.04.2021 – Rückmeldung der bP über Bewerbung

05.05.2021 – Meldung Service für Arbeitskräfte, dass bP laut Dienstgeber mangels Bereitschaft eine Maske zu tragen nicht eingestellt werden kann

05.05.2021 – Schreiben des AMS an bP wegen Nichtannahme einer Stelle

17.05.2021 – Nachricht der bP an AMS über eAMS-Konto

01.06.2021 – Bescheid der bB, Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe der bP von 05.05.2021 – 15.06.2021

08.06.2021 – Beschwerde der bP

20.07.2021 – Antrag auf aufschiebende Wirkung

26.07.2021 – Parteiengehör

28.07.2021 – Stellungnahme der bP

02.08.2021 – Beschwerdevorentscheidung der bB

14.08.2021 – Vorlageantrag der bP mit Antrag auf Verfahrenshilfe

17.08.2021 – Beschwerdevorlage der bP am BVwG

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.0.    Feststellungen (Sachverhalt):

Die bP bezog beim AMS vom 27.03.2020 bis zum 24.12.2020 Arbeitslosengeld. Ab dem 25.12.2020 bezog sie Notstandshilfe. Nach einer Beschäftigung vom 01.02.2021 bis 19.02.2021 bezieht die bP seit 21.02.2021 wiederum Notstandshilfe. Die bP verfügt über eine abgeschlossene Berufsausbildung als Berufskraftfahrer und besitzt Lenkerberechtigungen der Klassen B, C, D und E. Sie hat auch Praxis als LKW-Lenker und Busfahrer.

Das AMS hat der bP am 22.04.2021 eine Beschäftigung als Lkw-Lenker in Vollzeit (40 Wochenstunden) bei der Firma XXXX vermittelt. Der Dienstgeber suchte einen Fahrer mit dem Führerschein C, der Führerschein E wäre von Vorteil. Als Abfahrtsort war die Stadt XXXX vorgesehen.

Am 26.04.2021 meldete die bP dem AMS über ihr eAMS-Konto, dass sie sich per E-Mail mit aktuellem Lebenslauf bei der Firma beworben habe.

Am 05.05.2021 erhielt das AMS eine Rückmeldung von der Firma XXXX , dass die bP sich dort zwar beworben haben, jedoch die Stelle nicht annehmen wolle, weil sie dort bei Kundenkontakt eine FFP 2-Maske hätte tragen müssen, was sie aber abgelehnt habe.

Mit Schreiben vom 05.05.2021 wurde die bP vom AMS unter Hinweis auf die Nichtannahme der Stelle bei der XXXX und unter Hinweis darauf, dass der bB kein fachärztliches Attest vorliegen würde, bei dem festgehalten werde, dass sie maskenbefreit sei, aufgefordert, bis zum 20.05.2021 schriftliche Stellung zu nehmen. Gleichzeitig wurde die bP für den Fall des Unterbleibens einer Stellungnahme auf die Rechtsfolgen des § 10 AlVG in Form einer Sperre ihrer Geldleistung hingewiesen.

Am 17.05.2021 teilte die bP über ihr eAMS-Konto folgendes mit:

„Sehr geehrte Damen und Herren, bezüglich der Vorstellung bei der Firma XXXX wird folgendes mitgeteilt. Ich habe mich zum vereinbarten Zeitpunkt am Freitag 30.04.2021 um 7:00 bei der Firma vorgestellt, bzw sollte mit dem Fahrer bei einer Tour mitfahren. Jedoch wurde ich vom Chef der Firma XXXX mit der Begründung abgelehnt, ich könne bei ihnen nicht arbeiten, weil ich keine Maske bei der Arbeit trage. Dies stellt eine eindeutige Diskriminierung und Nötigung meiner Person dar. Die Firma kann mich nicht zwingen, bei meiner Arbeit gesundheitsschädlichen sinnlosen sogenannten Virenschutz zu tragen. Inwieweit das AMS eine Diskriminierung von mir als Stellensuchender unterstützt, sollte eimal grundsätzlich abgeklärt werden. Das Tragen von Gesichtsmasken wurde vom österreichischen Verwaltungsgerichtshof als verfassungswidrig festgestellt, weil das Maskentragen eine erhebliche gesundheitliche Gefahr für den Tragenden darstellt. Das AMS kann nicht von mir verlangen das ich mich aktiv in meinem gesundheitlichen Zustand durch das Maskentragen schädige, und dadurch meine zukünftige Vermittlung eine neue Arbeitsstelle zu finden erschwere. Aussderdem sind die FFP 2 Masken und auch normale OP Masken nicht dazu geeignet Menschen vor Virusinfektionen zu schützen, das ergibt sich alleine schon aus der Bedienungsanleitung des jeweiligen Maskenherstellers. Sollten mir finanzielle Nachteile bei der Arbeitslosenversicherung entstehen, bitte ich um die Niederschrift des Vorganges.“

Am 01.06.2021 erließ die bB einen Bescheid und sprach aus, dass die bP den Anspruch auf Notstandshilfe gem. § 38 iVm § 10 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) idgF für den Zeitraum 05.05.2021 – 15.06.2021 verloren habe. Nachsicht sei nicht erteilt worden. Begründend führte die bB nach Anführung der gesetzlichen Bestimmungen der §§ 38 und 10 AlVG aus, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass die bP ein Arbeitsangebot beim Dienstgeber XXXX vereitelt habe. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen könnten nicht berücksichtigt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der bP vom 08.06.2021. Darin bringt die bP vor:

„gegen den Bescheid vom 01.06.2021 bezüglich der Sperre meiner Leistung vom AMS lege ich Beschwerde ein. Die Sperre verstösst gegen die mit mir geschlossene Betreuungsvereinbarung. Aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen ist es erforderlich, vor einer Verpflichtung eines Arbeitssuchenden eine arbeitsmedizinischen Untersuchung durchzuführen wenn Arbeitsschutz Masken bei der Arbeit getragen werden müssen. Dies wurde jedoch nicht gemacht, denn dann hätte man feststellen können das diese Maskenpflicht aufgrund von krebserregenden Stoffen in den FFP2 Masken meine Gesundheit erheblich schädigen kann. Somit war es unzulässig mir die Leitungen aus der Arbeitslosenversicherung zu sperren, da diese Massnahme meine Existenz gefährdet. Weiterhin ist damit zu rechnen, das der Verfassungsgerichtshof die Massnahmen der Regierung als verfassungswidrig erklären wird. Verfassungswidrige und gesundheitsschädliche Massnahmen die einem Arbeitssuchenden vom AMS auferlegt werden sind rechtswidrig und unzulässig.“

Am 19.07.2021 stellte die bP über ihr eAMS-Konto einen Antrag auf aufschiebende Wirkung.

Am 26.07.2021 wurde der bP Parteiengehör gewährt und wurde sie darüber informiert, dass die Qualität von FFP 2-Masken in Europa regelmäßig überprüft werde. Rein rechtlich dürften sich zertifizierte Schutzmasken nicht von dem Original-Baumuster unterschieden. Das Baumuster einer FFP 2-Maske werde bei Prüfbehörden wie der Dekra untersucht. Erst wenn die Baumusterprüfung bestanden sei, erhalte eine Maske die sogenannte CE-Kennzeichnung. Diese soll anzeigen, dass ein Produkt vom Hersteller geprüft wurde und dass es alle EU-weiten Anforderungen an Sicherheit, Gesundheitsschutz und Umweltschutz erfüllt und berechtigt zum Verkauf in Europa.

Die bP wurde im Rahmen des Parteiengehörs aufgefordert, für den Fall, dass sie vom Tragen einer FFP 2-Maske ausgenommen sei, eine ärztliche Bestätigung vorzulegen. Die bP kam dieser Aufforderung nicht nach.

Folgende Mitteilung der bP ging am 28.07.2021 via eAMS-Konto an die bB:

„hiermit wird auf ihr Schreiben bezüglich meiner Beschwerde gegen die 6 wöchige Bezugssperre mitgeteilt. "Steril EO" steht für ein Gas (steriles Ethylenoxid) mit dem medizinische Produkte desinfiziert werden. Dies trifft auch für FFP2 und normale Operationsmasken zu. Mund/Nasenschutz das mit sterilem Ethylenoxid desinfiziert wurde, ist hochgradig krebsverursachend und somit völlig ungeeignet dazu meine Gesundheit zu schützen. Weiterhin mache ich hiermit schon einmal Nötigung wegen Sauerstoffraub durch die Regierung aufgrund von verfassungswidrigen Verordnungen geltend, da schon sehr kurze Zeiträume von CO2 Rückatmung durch die FFP2 Maske akute Hypoxie verursachen kann. Diese Masken sind also nicht nur für kranke Menschen gefährlich sondern auch für völlig gesunde Menschen. What is ethylene oxide ? https://www.cancer.gov/about-cancer/causes-prevention/risk/substances/ethylene-oxide .“

Am 02.08.2021 wies das AMS die Beschwerde der bP im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung gem. § 14 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) iVm § 56 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) ab. Begründend führte das AMS nach Darlegung des Sachverhalts aus, dass die angebotene Stelle der bP jedenfalls zumutbar im Sinne des § 9 AlVG gewesen sei, auch aus gesundheitlicher Sicht, denn sie habe keine ärztliche Bestätigung über das Vorliegen einer Ausnahme von der (zum Zeitpunkt der möglichen Arbeitsaufnahme gesetzlich angeordneten) Tragepflicht von FFP 2-Masken bzw. Mundnasenschutz in Innenräumen bzw. bei Kontakten zu anderen Personen mit einem Abstand unter 2 Metern vorgelegt.

Es könnten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gem. § 6 Abs. 3 der 3. Covid-19 Notmaßnahmenverordnung strengere Vereinbarungen zum Tragen von Schutzmasken getroffen werden, weshalb der Wunsch des Dienstgebers zum Tragen einer FFP 2-Maske in gewissen Situationen gerechtfertigt gewesen sei.

Nachdem das Beschäftigungsverhältnis als LKW-Fahrer bei der Firma XXXX nicht zustande gekommen sei, weil sich die bP zwar um diese Stelle beworben habe, dabei jedoch erklärt habe, dass sie die vom Dienstgeber verlangte Maskentragepflicht beim Kontakt mit KundInnen nicht akzeptieren könne, liege ein Tatbestand der Arbeitsvereitelung vor.

Am 14.08.2021 beantragte die bP die Vorlage ihrer Beschwerde am BVwG. Der Vorlageantrag enthält neben einem Antrag auf Verfahrenshilfe folgende Ausführungen:

„gegen den Bescheid vom 02.08.2021 bezüglich der Sperre meiner Leistung vom AMS XXXX

lege ich Rechtsmittel ein (hier Vorlageantrag an das Bundesverwaltungsgericht). Zahl des

Geschäftes: LGS SBG/20566/2021. Ich stelle den Antrag die 6 Wöchige Sperre aufzuheben, da es keinen materiellen Beweis für die Existenz des SARS-CoV-2 gibt.

Ich stelle folgende Beweisantrag: ich bitte um Vorladung des Gesundheitsministers der Republik Österreich in einer mündlichen Verhandlung auszusagen und um alle Weißbücher, in denen die Isolierung des SARS-CoV-2-Virus beim Menschen, direkt aus einer Probe eines erkrankten Patienten entnommen wurde. Wobei die Patientenprobe nicht zuvor mit einer anderen Quelle von genetischem Material kombiniert wurde.

Anmerkung: Das Wort "isolieren" bedeutet, dass eine Sache isoliert wurde von allem anderen

Material, das es umgibt.

Ich fordere keine Weißbücher an, in denen sich die "Isolierung" von SARS-CoV-2 auf folgendes

bezieht:

- die Kultivierung von etwas, oder

- die Durchführung eines Amplifikationstests (PCR), oder

- die Sequenzierung von etwas

Um das klarzustellen, bitte ich um die Offenlegung aller Weißbücher, welche die Isolierung des SARS-CoV-2-Virus beim Menschen im Besitz des Gesundheitsministeriums der Republik Österreich sind, da diese Papiere bei der Ausarbeitung der Gesetze, die unter den vorherigen und aktuellen COVID Verordnungen im Österreich eine zentrale Rolle gespielt haben. Eine Pflicht einen gesundheitsschädlichen Mund und Nasenschutz zu tragen, ist ohne den materiellen Beweis des Virus rechts und verfassungswidrig und verletzt mich in meinen Rechten. Hilfsweise wird schon jetzt das Recht auf Ladung eines von mir zu nennenden Sachverständigen (§§ 52 – 53b AVG) beantragt.

Weiterhin verstösst die Sperre gegen die mit mir vom AMS geschlossene Betreuungsvereinbarung.

Aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen ist es erforderlich, vor einer Verpflichtung eines Arbeitssuchenden eine arbeitsmedizinischen Untersuchung durchzuführen wenn Arbeitsschutz Masken bei der Arbeit getragen werden müssen. Dies wurde jedoch nicht gemacht, denn dann hätte man feststellen können das diese Maskenpflicht aufgrund von krebserregenden Stoffen in den FFP2 Masken meine Gesundheit erheblich schädigen kann.

"Steril EO" steht für ein Gas (steriles Ethylenoxid) mit dem medizinische Produkte desinfiziert

werden. Dies trifft auch für FFP2 und normale Operationsmasken zu. Mund/Nasenschutz das mit sterilem Ethylenoxid desinfiziert wurde, ist hochgradig krebsverursachend und somit völlig

ungeeignet dazu meine Gesundheit zu schützen. Weiterhin mache ich hiermit schon einmal Nötigung wegen Sauerstoffraub durch die Regierung aufgrund von verfassungswidrigen Verordnungen geltend, da schon sehr kurze Zeiträume von CO2 Rückatmung durch die FFP2 Maske akute Hypoxie verursachen kann. Diese Masken sind also nicht nur für kranke Menschen gefährlich sondern auch für völlig gesunde Menschen. What is ethylene oxide ?

https://www.cancer.gov/about-cancer/causes-prevention/risk/substances/ethylene-oxide . Weiterhin sind diese Masken schon von der Bauart her nicht fähig vor gefährlichen Viren (wenn der materielle Beweis für ihre Existenz erbracht werden kann) zu schützen.

Zu meinem Vorlage Antrag an das Bundesverwaltungsgericht stelle ich den Antrag, diese Vorlage die aufschiebende Wirkung gem. § 56 Abs. 2 AlVG zuzuerkennen. Es ist damit zu rechnen das der Zwang der Firma eine Maske wärend der Arbeit zu tragen rechtswidrig, gesundheitsschädlich und verfassungswidrig ist und somit ein effektiver Rechtsschutz für mich verweigert wird. Es war unzulässig mir die Leitungen aus der Arbeitslosenversicherung zu sperren, da diese Massnahme meine Existenz gefährdet.

Weiterhin stelle ich den Antrag auf Verfahrenshilfe das es sich um eine komplexe Materie handelt, die für mich als Betroffenen schwer zu durchschauen ist.“

Die Beschwerdevorlage am BVwG erfolgte am 17.08.2021.

Am 30.08.2021 wurde der bP vom BVwG ein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe übermittelt. Die bP wurde auch aufgefordert, darzulegen, weshalb sie der Ansicht sei, ihre Rechte selbst nicht wahrnehmen zu können.

Am 09.09.2021 langte beim BVwG ein von der bP ausgefülltes Formular „Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe samt Vermögensbekenntnis“ ein, die bP legte weiters eine Vorschreibung bezüglich Miete und eine Bestätigung der Österr. Gesundheitskasse über ihre Arbeitsunfähigkeit vom 19.05.2021 bis 18.08.2021 und Krankengeldauszahlungen in Höhe von € 3.932,91 vor. Der vorangeführten Aufforderung zur Darlegung der Gründe, weshalb sie der Ansicht sei, ihre Rechte nicht wahrnehmen zu können, kam die bP nicht nach.

2.0.    Beweiswürdigung:

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang sowie die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und aus dem eingeholten Versicherungsdatenauszug.

3.0.    Rechtliche Beurteilung:

3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:

- Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), BGBl. Nr. 609/1977 idgF

- Bundesverfassungsgesetz (B-VG), BGBl. I Nr. 1/1930 idgF

- Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF

- Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF

Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.

3.2. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 7 Abs. 1 BVwGG bestehen die Senate aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen.

Gemäß § 56 Abs. 2 AlVG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung durch die Geschäftsstelle beträgt zehn Wochen.

Gemäß § 9 Abs. 1 BVwGG leitet und führt der Vorsitzende eines Senats das Verfahren bis zur Verhandlung. Die dabei erforderlichen Beschlüsse bedürfen keines Senatsbeschlusses.

Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch Einzelrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 und 9 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG (vgl. VwGH vom 07.09.2017, Ra 2017/08/0081).

3.3. Die für den gegenständlichen Fall maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen lauten:

§ 8a VwGVG lautet:

Verfahrenshilfe

§ 8a. (1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.

(2) Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung – ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.

(3) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist schriftlich zu stellen. Er ist bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Für Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B VG ist der Antrag unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen.

(4) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe kann ab Erlassung des Bescheides bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, gestellt werden. Wird die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Säumnisbeschwerde beantragt, kann dieser Antrag erst nach Ablauf der Entscheidungsfrist gestellt werden. Sobald eine Partei Säumnisbeschwerde erhoben hat, kann der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auch von den anderen Parteien gestellt werden.

(5) In dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist die Rechtssache bestimmt zu bezeichnen, für die die Bewilligung der Verfahrenshilfe begehrt wird.

(6) Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen, so hat es den Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Vertreter bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen der Partei zur Auswahl der Person des Vertreters im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen.

(7) Hat die Partei innerhalb der Beschwerdefrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, so beginnt für sie die Beschwerdefrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid diesem zugestellt sind. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag abgewiesen, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei zu laufen. Entsprechendes gilt für die Fristen, die sich auf die sonstigen in Abs. 2 genannten Anträge beziehen.

(8) Die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter erlischt mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten.

(9) In Verfahrenshilfesachen ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig.

(10) Der Aufwand ist von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen das Verwaltungsgericht in der Angelegenheit handelt.

§ 70 AlVG lautet:

Stempel- und Gebührenfreiheit

§ 70. (1) Die im Verfahren nach diesem Bundesgesetz erforderlichen Eingaben und deren Beilagen, Ausfertigungen, Niederschriften, Entscheidungen, Vollmachten und Zeugnisse sind von den Stempel- und Rechtsgebühren befreit.

(BGBl. Nr. 261/1967, Art. I Z. 13)

(2) Die §§ 76, 77 und 78 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991, und die auf Grund dieser Bestimmungen erlassenen Verordnungen sind im Verfahren nach diesem Bundesgesetz nicht anzuwenden.

Zu A) Nichtbewilligung der Verfahrenshilfe

3.4. In der Regierungsvorlage heißt es in den Erläuterungen zu § 8a VwGVG (1255 der Beilagen XXV. GP, S. 2):

„Die vorgeschlagenen Abs. 1 und 2 sehen die Voraussetzungen vor, unter denen ein Anspruch auf Verfahrenshilfe besteht. Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist Verfahrenshilfe einer Partei zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist.

Durch den Verweis auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC ist sichergestellt, dass die Verfahrenshilfe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren den Anforderungen des Europäischen Menschenrechtsschutzes entspricht (siehe auch VwGH 3.9.2015, Ro 2015/21/0032). Darüber hinaus regelt der vorgeschlagene § 8a die Einbringung des Antrags auf Bewilligung der Verfahrenshilfe näher.

Der vorgeschlagene § 8a Abs. 1 Einleitung sieht vor, dass die Bewilligung der Verfahrenshilfe nach dieser Bestimmung zu erfolgen hat, „[s]soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist“. Dadurch wird zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei der Regelung der Verfahrenshilfe im VwGVG um eine sogenannte „subsidiäre Bestimmung“ handelt: Sie soll nur dann zur Anwendung gelangen, wenn durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, also dann, wenn das sogenannte „Materiengesetz“ keine Regelung enthält, deren Gegenstand der Verfahrenshilfe entspricht.

So sieht etwa § 52 des BFA-Verfahrensgesetzes – BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 vor, dass einem Fremden oder Asylwerber in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren in bestimmten Angelegenheiten ein Rechtsberater beigegeben wird; diese Bestimmung entspricht den Vorgaben des Art. 47 GRC. Im Anwendungsbereich des BFA-VG gelangt der vorgeschlagene § 8a daher (überhaupt) nicht zur Anwendung. Die Subsidiarität des vorgeschlagenen § 8a hat auch zur Folge, dass gesetzliche Bestimmungen, die einen entsprechenden Inhalt aufweisen, mit dem Inkrafttreten des vorgeschlagenen Bundesgesetzes nicht außer Kraft treten.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist es nicht erforderlich, dass Verfahrenshilfe in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren ist. Vielmehr bedarf es einer Prüfung im Einzelfall. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Prüfungsbeschluss, der zur Aufhebung des § 40 VwGVG führte, die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte dahingehend zusammengefasst, dass der „Zugang zu einem Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein müsse“; in jenen Fällen, in denen es „unentbehrlich sei, dass der Partei eines Verfahrens ein unentgeltlicher Verfahrenshelfer beigestellt werde,“ müsse ein solcher beigestellt werden.

Für diese Beurteilung sind verschiedene Kriterien maßgeblich. Das sind zum einen Kriterien, die sich auf die Person der Parteien beziehen, nämlich ihre Vermögensverhältnisse oder ihre Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden; zum anderen auch Kriterien, die in Zusammenhang mit der Rechtssache stehen, nämlich die Erfolgsaussichten, die Komplexität des Falles oder die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien. Nicht maßgeblich ist, durch wen die anderen Parteien des Verfahrens vertreten sind:“

Zunächst ist auszuführen, dass in Verfahren vor dem BVwG eine Anwaltspflicht nicht besteht. Im bisherigen Verfahren bewies die bP ihre Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden als Bezieherin von Arbeitslosengeld durch die Einbringung ihrer Stellungnahmen und der eigenständigen Beschwerde beim AMS, welche sämtlichen Inhaltserfordernissen einer Beschwerde nach § 9 VwGVG entspricht. Der Bescheid des AMS wurde von der bP in seinem gesamten Umfang angefochten und liegt somit im gegenständlichen Verfahren bereits eine Beschwerde vor, aus welcher der Wille der bP, dass diese ein für sie vorteilhaftes Verfahrensergebnis erreichen möchte, klar erkennbar ist. Bemerkenswert ist, dass sich die bP im Zusammenhang mit ihren Ausführungen zur Desinfektion von medizinischen Produkten sogar mit englischsprachigen Internetseiten zu diesem Thema befasst hat (siehe Stellungnahme der bP vom 28.07.202). Auch zitiert die bP im Rahmen ihrer Ausführungen im Vorlageantrag Bestimmungen des AVG, was bedeutet, dass sie durchaus in der Lage ist, sich aus eigenem mit diversen gesetzlichen Bestimmungen auseinanderzusetzen. Die bP bedarf sohin keiner Unterstützung durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter, um vor dem ho. Gericht ihren Willen zu artikulieren.

Verfahrensgegenständlich wurde der bP vom AMS am 22.04.2021 eine Beschäftigung als LKW- Fahrer bei der Firma XXXX übermittelt und wurde sie zur sofortigen Bewerbung aufgefordert. Das Beschäftigungsverhältnis ist nicht zustande gekommen. Maßgebliches Kriterium im Zusammenhang mit der ho. Rechtssache stellt der Sachverhalt dar, welcher durch das AMS bereits erhoben worden ist. Von einer Komplexität des Falles, die die Beistellung eines Anwaltes erfordern würde, ist daher nicht auszugehen. Bei der Beurteilung des Sachverhaltes wird zwar auf den Umstand einzugehen sein, ob das Tragen einer FFP 2-Maske der bP zumutbar gewesen wäre, weitere von der bP geforderte Prüfungen, vor allem im Zusammenhang mit der Isolierung des SARS-CoV-2 Virus beim Menschen, können nicht Gegenstand eines arbeitsrechtlichen Beschwerdeverfahrens sein.

Aus den obigen Ausführungen ist zu schließen, dass die bP im gegenständlichen Verfahren keine Notwendigkeit zur Verfolgung ihrer Interessen treffen wird, welche sie ohne die Bereitstellung eines Anwalts überfordern würde. Die bP führt in ihrem im Rahmen des Vorlageantrags gestellten Antrag auf Verfahrenshilfe zwar aus, dass es sich um eine komplexe Materie handle, die für sie als Betroffene schwer zu durchschauen sei, macht dazu aber trotz Aufforderung des BVwG keine näheren Angaben.

Aus § 70 AlVG ergibt sich zudem, dass für die antragstellende Partei im Beschwerdeverfahren keine Kosten anfallen. Allfällige, aufgrund einer Ladung durch das ho. Gericht anfallende Reisekosten werden der bP im gesetzlichen Rahmen abgegolten.

Verfahrenshilfe ist gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG nur dann vorgesehen, wenn beide Voraussetzungen, nämlich, dass diese geboten ist und die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, kumulativ vorliegen.

Es ergibt sich ganz klar, dass im vorliegenden Fall Verfahrenshilfe zur Vertretung auf Grund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 GRC nicht geboten ist. Somit braucht – auch ungeachtet des § 70 AlVG – nicht mehr genauer geprüft werden, ob der Antragsteller außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts bestreiten zu können. Aus demselben Grund war auch nicht mehr zu prüfen, ob die beabsichtigte Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint und liegen somit die Voraussetzungen zur Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht vor, weshalb der Antrag abzuweisen war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

In diesem Sinne ist die Revision nicht zulässig.

Auf Grundlage der obigen Ausführungen war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

EMRK Verfahrenshilfeantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L517.2245491.2.00

Im RIS seit

02.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

02.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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