TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/6 W284 2245758-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.10.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

06.10.2021

Norm

BFA-VG §22a
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwG-AufwErsV §1 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z4
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §35 Abs3

Spruch


W284 2245758-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. WAGNER-SAMEK über die Schubhaftbeschwerde vom 25.08.2021 von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. XXXX , vertreten durch BBU, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.07.2021, Zl. 1150739901-210955612, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

III. Gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 Z 3 und 4 VwG-AufwErsV hat der Beschwerdeführer dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 01.05.2017 einen Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 11.05.2018, Zl. 1150739901-170520010, abgewiesen wurde. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen, die in Rechtskraft erwuchs.

Mit Urteil des LG XXXX vom 26.07.2017 wurde der Beschwerdeführer gem. §§ 27 Abs. 1 2. Fall und 27 Abs. 2a 2. Fall und 27 Abs. 3 SMG – wegen einer Jugendstraftat – zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.

Mit Urteil des LG XXXX vom 21.11.2018 wurde der Beschwerdeführer gem. §§ 28a Abs. 1 5. Fall, 28a Abs. 2 Z 3 und 28 Abs. 1 SMG als junger Erwachsener zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Am 23.10.2020 wurde der Beschwerdeführer bedingt aus der Strafhaft entlassen.

Der Beschwerdeführer wurde am 19.06.2021 erneut in Untersuchungshaft genommen. Aus dieser wurde er am 14.07.2021 entlassen und aufgrund eines Festnahmeauftrages vom selben Tag direkt ins Polizeianhaltezentrum (PAZ) überstellt.

Mit dem angefochtenen Mandatsbescheid des BFA vom 15.07.2021 wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft gem. §§ 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm 57 Abs. 1 AVG zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung verhängt. Der Beschwerdeführer habe seine Abschiebung durch Verschweigen seiner wahren Identität bewusst behindert und sei eine soziale Verankerung seiner Person in Österreich in keiner Form gegeben, da weder familiäre, noch berufliche oder sonstige Beziehungen und Bindungen im Bundesgebiet bestünden. Auch sei er niemals einer legalen Beschäftigung nachgegangen und verfüge weder über ausreichende eigene Unterhaltsmittel, um seinen Aufenthalt in Österreich finanzieren zu können, noch über einen festen Wohnsitz, bzw. über eine gesicherte Unterkunft.

Gegen die über den Beschwerdeführer verhängte Schubhaft brachte der Beschwerdeführer die gegenständliche Schubhaftbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein. Darin wurde insbesondere moniert, dass die Schubhaft rechtswidrig sei, da sich die Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) als aussichtslos erweise und somit das Ziel (Abschiebung in den Zielstaat) nicht mehr erreicht werden könne. Eine Inschubhaftnahme auf Vorrat sei unzulässig und liege eine baldige HRZ-Ausstellung noch immer nicht in Reichweite. Im Falle des Beschwerdeführers bestehe auch keine Fluchtgefahr und hätte in eventu das gelindere Mittel verhängt werden müssen.

Mit Beschwerdevorlage vom 26.08.2021 wies die Behörde darauf hin, dass bis dato für den Beschwerdeführer kein HRZ habe erlangt werden können und dieser Zustand darauf beruhe, dass der er bis dato zahlreiche Aliasidentitäten und fasche Daten bekannt gegeben habe. Zudem hätten die Botschaften in den letzten 18 Monaten Corona-bedingt ihre Arbeit auf ein Minimum reduziert. Zuletzt sei der Beschwerdeführer am 05.08.2021 der Libyschen Botschaft vorgeführt worden, habe aber zu seiner Herkunft keine Angaben gemacht und sei offensichtlich, dass er kein libyscher Staatsbürger sei. Laut dem libyschen Konsul sei er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Algerier. Mit dieser Tatsache konfrontiert, habe der Beschwerdeführer am 24.08 2021 einen anderen Namen angegeben, nämlich „ XXXX “. Schließlich sei er nicht aufrecht gemeldet, habe keine Unterkunft nachweisen können und verfüge über keine finanziellen Mittel. Zusammenfassend könne keinerlei Säumnis der Behörde erkannt werden, zumal auf jede Lageänderung umgehend reagiert worden sei. Es sei eine genaue Einzelprüfung durchgeführt und auf die kürzest mögliche Schubhaftdauer hingewirkt worden.

Mit Stellungnahme vom 30.08.2021 führte die Behörde aus, dass der Beschwerdeführer vor der Verhängung der Schubhaft am 15.07.2021 seine frühere Wohnanschrift nicht habe benennen können, sondern erst bei seiner Einvernahme am 24.08.2021 eine solche angegeben habe. Da diese Adresse nicht existent sei, sei laut Auskunft der LPD XXXX eine Wohnsitzüberprüfung an dieser Adresse nicht möglich gewesen.

Im Zuge einer weiteren Einvernahme des Beschwerdeführers am 25.08.2021 habe schließlich die richtige Adresse eruiert werden können. Diese sei bei einer Wohnsitzüberprüfung als tatsächliche Wohnadresse festgestellt und der Beschwerdeführer daher am 27.08.2021 aus der Schubhaft in das gelindere Mittel entlassen worden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zur Person des Beschwerdeführers und den Voraussetzungen der Schubhaft:

Der volljährige Beschwerdeführer ist nicht österreichischer Staatsbürger, kein Asyl-, oder subsidiär Schutzberechtigter und auch nicht aufgrund eines anderen Aufenthaltstitels zum Aufenthalt in Österreich berechtigt.

In Österreich führt der Beschwerdeführer den Namen XXXX und XXXX , als Geburtsdatum (nach Durchführung einer Altersfeststellung) den XXXX . Seine Staatsangehörigkeit ist ungeklärt.

Der Beschwerdeführer stellte am 01.05.2017 einen Asylantrag, der mit Bescheid des BFA vom 11.05.2018, Zl. 1150739901-170520010, abgewiesen wurde. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen, die in Rechtskraft erwuchs.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten:

Mit Urteil des LG XXXX zu 33 Hv 66/2017f vom 26.07.2017, rk seit 01.08.2017, wurde der Beschwerdeführer gem. §§ 27 Abs. 1 2. Fall und 27 Abs. 2a 2. Fall und 27 Abs. 3 SMG – wegen einer Jugendstraftat – zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.

Mit Urteil des LG XXXX zu 142 Hv 116/2018x vom 21.11.2018, rk seit 27.11.2018, wurde der Beschwerdeführer gem. §§ 28a Abs. 1 5. Fall, 28a Abs. 2 Z 3 und 28 Abs. 1 SMG als junger Erwachsener zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Am 23.10.2020 wurde der Beschwerdeführer bedingt aus der Haft entlassen.

Der Beschwerdeführer wurde am 19.06.2021 in Untersuchungshaft genommen und am 14.07.2021 aus der Untersuchungshaft in die Schubhaft überstellt.

Am 27.08.2021 wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft ins gelindere Mittel entlassen.

2. Zur Beschaffung eines Heimreisezertifikates und der Möglichkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer verschleiert seine Herkunft. Die Behörde musste HRZ-Verfahren mit insgesamt vier Ländern, und zwar Libyen, Algerien, Marokko und Tunesien führen. Zuletzt wurde am 22.07.2021 ein neuerlicher Antrag auf Ausstellung eines HRZ an die Libysche Botschaft gestellt und der Beschwerdeführer am 05.08.2021 der libyschen Botschaft zum Interview vorgeführt. Seine libysche Herkunft konnte bei diesem Termin jedoch nicht verifiziert werden. Dagegen haben sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen algerischen Staatsangehörigen handelt.

Verzögerungen betreffend die Ausstellung des HRZ sind dem Beschwerdeführer anzulasten. Dieser wirkt am Verfahren zur Erlangung des HRZ nicht mit.

Es war dennoch mit einer zeitnahen Erlangung eines Reisedokumentes/HRZ – und zwar durch Algerien – zu rechnen. Die belangte Behörde hat einen weiteren Antrag auf Ausstellung eines HRZ, diesmal an die algerische Botschaft gestellt, der noch offen ist, und zwar mit dem nunmehr vom Beschwerdeführer angegebenen Namen XXXX . Es wurden alle (neu) zur Verfügung stehenden Daten übermittelt, um eine Identifizierung zu ermöglichen.

Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf:

Der Beschwerdeführer ist illegal nach Österreich eingereist. Er hat am 01.05.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich gestellt. Dieser wurde mit Bescheid des BFA vom 11.05.2018 abgewiesen.

Gegen den Beschwerdeführer besteht eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme.

Der Beschwerdeführer, der im Mai 2017 seinen Antrag auf internationalen Schutz stellte, war zunächst von 02.07.2017 bis 26.07.2017 in Haft und ab 07.06.2018 nicht mehr gemeldet. Von 08.08.2018 bis 23.10.2020 war er neuerlich in Haft. Nach seiner Haftentlassung war er wiederum nicht gemeldet und für die Behörden nicht auffindbar, bis über ihn am 20.06.2021 die Untersuchungshaft aufgrund eines dringenden Tatverdachtes verhängt wurde und er sodann aus der Untersuchungshaft direkt in die Schubhaft überstellt wurde.

Der Beschwerdeführer hatte somit bereits vor Verhängung der Schubhaft keine aufrechte Meldeadresse, sondern war lediglich aufgrund der Untersuchungshaft von 20.06.2021 bis 14.07.2021 in der Justizanstalt gemeldet. Auch im Zeitraum von 07.06.2018 bis 08.08.2018, - vor Verurteilung und Vollzug der Strafhaft – war er behördlich nicht gemeldet. Der Beschwerdeführer war auch unbegründet von den Unterkünften der Grundversorgung abwesend, weshalb er von dort einmal per 27.06.2017 und einmal per 01.07.2021 abgemeldet wurde.

Ab 14.07.2021 befand sich der Beschwerdeführer im PAZ XXXX und wurde am 27.08.2021 ins gelindere Mittel entlassen, weil er nach mehreren Versuchen letztlich eine Wohnanschrift angeben konnte und so für die Behörden greifbar ist.

Das Verhalten des Beschwerdeführers im HRZ-Verfahren ist unkooperativ. Er wirkt nicht an der Feststellung seiner Identität mit, gab unterschiedliche Namen im Verfahren an und verschleiert seine Herkunft, weshalb seine Staatsangehörigkeit nicht festgestellt werden kann.

Der Beschwerdeführer hatte bis 26.08.2021 keinen festen Wohnsitz bzw. konnte keinen solchen angeben. Er ist zwecks Unterkunftnahme auf die Unterstützung eines Freundes/Bekannten angewiesen.

3. Familiäre und soziale Komponente

Der Beschwerdeführer verfügt über keine Familienangehörigen in Österreich.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer sich einer Abschiebung widersetzen würde. Er hat keine Wohnung. Eine soziale Verwurzelung in Österreich besteht nicht. Er hat keine sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich.

Der Beschwerdeführer verbrachte die deutlich überwiegende Zeit seines Aufenthaltes in Österreich in Haft (Untersuchungs-, Straf- oder Schubhaft). Er erwirtschaftet kein Einkommen und ist mittellos.

Da der Beschwerdeführer schlussendlich eine Adresse namhaft machen konnte, wurde die Anwendung des gelinderen Mittels angerordnet und der Beschwerdeführer am 27.08.2021 aus der Schubhaft entlassen.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt.

Einsicht genommen wurde zudem in das Fremdeninformationssystem, welches neben dem gutachterlich festgesetzten, fiktiven Alter ein weiteres Geburtsdatum zum Beschwerdeführer ausweist, in das Melderegister, in das Strafregister sowie in das GVS-Informationssystem.

Die Argumentation des Vertreters des Beschwerdeführers geht nunmehr dahin, dass die Beschaffung eines HRZ aussichtslos gewesen sei, weshalb das erforderliche Ziel (Abschiebung) für die Verhängung der Schubhaft nicht erreichbar gewesen sei. Der Beschwerdeführer selbst gibt an, dass ihm die Rückkehrentscheidung nicht bekannt gewesen wäre.

Jedoch liegt die Verzögerung in der Beschaffung eines Heimreisezertifikates, welche eine Identifizierung der Person des Beschwerdeführers voraussetzt, klar beim Beschwerdeführer, der nicht nur eventuell vorhandene Dokumente absichtlich zurückgehalten und somit nicht kooperiert hat, sondern das Verfahren torpedierte, indem er verschiedene und somit jedenfalls falsche Angaben hinsichtlich seiner Personalien, insbesondere auch seine Staatsangehörigkeit betreffend, tätigte und seine wahre Herkunft nicht offenlegte.

Es gilt auch darauf hinzuweisen, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer Altersfeststellung ja gerade erst dadurch indiziert wurde, dass der Beschwerdeführer unrichtige Angaben zu seinem Geburtsdatum gemacht hat.

Verzögerungen in der Beschaffung des HRZ, bedingt durch die ungeklärte Identität und Herkunft des Beschwerdeführers sind demnach keineswegs der belangten Behörde anzulasten. So sind im IZR zwei Namen zur Peron des Beschwerdeführers verzeichnet, XXXX und XXXX , als Geburtsdatum der XXXX sowie – nach Altersfeststellung – der XXXX .

Soweit in der Beschwerde aufgeworfen wird, dass die Botschaften wegen der Corona-bedingten Situation nicht arbeiten würden, ist dem klar zu entgegnen, dass der letzte Antrag auf Ausstellung eines HRZ vor der Libyschen Botschaft vom 22.07.2021 bereits am 06.08.2021 abgeschlossen zwar, wobei der Beschwerdeführer nur wenige Tage nach Antragstellung (und zwar bereits am 05.08.2021) bei der libyschen Botschaft vorstellig wurde. Bereits die unverzügliche Terminvereinbarung und erfolgte Vorführung des Beschwerdeführers vor das lybische Konsulat entziehen dem in der Beschwerde erhobenen Vorwurf, dass Corona-bedingt kein Fortschritt in der Erstellung der erforderlichen Heimreisezertifikate erzielt worden sei, den Nährboden. Bei diesem Termin äußerte der lybische Konsul zudem - aufgrund des vom Beschwerdeführer gesprochenen Akzentes - den Verdacht, dass es sich bei ihm um einen algerischen Staatsangehörigen handeln müsste (s. AS 48). Unverzüglich wurde ein Antrag auf Ausstellung eines HRZ vom 26.08.2021 vor der algerischen Botschaft, mit nunmehr anderen Daten, gestellt und war von einer zeitnahen Erledigung auszugehen.

Die zeitlichen Verzögerungen beruhten daher rein auf vom Beschwerdeführer verursachten Auswirkungen seiner mangelnden Kooperationsbereitschaft.

Dass er trotz Rechts- und Rückkehrberatung und der ihm jederzeit offenstehenden Möglichkeit, sich von sich aus an die heimatlichen Behörden zu wenden und mit diesen Kontakt aufzunehmen und zu kooperieren, keinerlei fruchtbringende Versuche in diese Richtung unternommen hat, ist ebenso dem Beschwerdeführer anzulasten.

Dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet nicht gemeldet war, ergab sich aus seinen eigenen Angaben in Zusammenschau mit der Einsichtnahme in das ZMR. Vor der Verhängung der Schubhaft am 15.07.2021 hat er seine frühere Wohnanschrift nicht benennen können, sondern gab erst bei seiner Einvernahme am 24.08.2021 eine solche an. Da diese Adresse nicht existent war, war laut Auskunft der LPD XXXX eine Wohnsitzüberprüfung an dieser Adresse nicht möglich. Im Zuge einer weiteren Einvernahme des Beschwerdeführers am 25.08.2021 hat die richtige Adresse schließlich eruiert werden können, die ebenso einer Wohnsitzüberprüfung unterzogen und als tatsächliche Wohnanschrift festgestellt werden konnte. In weiterer Folge entließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführer am 27.08.2021 aus der Schubhaft in das gelindere Mittel.

Es ist offensichtlich, dass das BFA, welches hierzu gleich zweimal eine Wohnsitzüberprüfung veranlasste (s. AS 61 ff), stets bemüht war, eine Adresse für das gelindere Mittel ausfindig zu machen und es am Beschwerdeführer lag, eine solche zu nennen, wozu er anfangs nicht in der Lage war (AS 62: „… musste festgestellt werden, dass lt. ZMR die Adresse in XXXX nicht existiert“), weshalb er diesbezüglich auch mehrmals einvernommen werden musste.

Das Strafregister gibt Aufschluss über die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers, wobei hervorzuheben ist, dass der Beschwerdeführer bei seiner letzten Verurteilung mit einer unbedingten dreijährigen Freiheitsstrafe sanktioniert wurde.

Aus seinen eigenen Angaben ergeben sich die mangelnden sozialen Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, wobei solche ohnehin durch die Untersuchungs-, Straf- und Schubhaft des Beschwerdeführers als äußerst ausgedünnt anzusehen wären. Dass der Beschwerdeführer über kein Vermögen verfügt, ist der Anhaltedatei in Übereinstimmung mit seinen eigenen Angaben zu entnehmen.

Die Feststellung zu seinem Gesundheitszustand gründet auf seinen Angaben im Laufe des Verfahrens und korreliert mit der im Verfahren ärztlich befundenen Haftfähigkeit.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

1. Zur Verhängung der Schubhaft
„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gelinderes Mittel (FPG)

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,

1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder

2. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Dauer der Schubhaft (FPG)

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich,

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil,

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft (BFA-VG)

§ 22a (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

Beim Beschwerdeführer lag Fluchtgefahr nach § 76 Abs. 3 Z 1 und 9 vor. Zum Entscheidungszeitpunkt lag die Anhaltedauer des Beschwerdeführers noch weit unter sechs Monaten.

Im Falle des Beschwerdeführers war davon auszugehen, dass er sich dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass er die Abschiebung wesentlich erschweren wird, weil er seine Abschiebung behindert (Z 1) sowie auf Grund seiner nicht vorhandenen sozialen Verankerung in Österreich, zumal er keine Verwandten in Österreich hat, er über keine finanziellen Mittel und über keinen aufrechten Wohnsitz verfügte (Z 9).

Der Beschwerdeführer behinderte/verzögerte das Verfahren zur HRZ-Ausstellung, indem er bei der Feststellung seiner Identität nicht mitwirkte, seine Herkunft verschleierte und keine Dokumente im Verfahren vorlegte. Da zudem sogar der libysche Botschafter anmerkte, der Beschwerdeführer sei sehr bemüht gewesen, seinen Akzent zu verschleiern, können seine Vorsprachen vor den Behörden keinesfalls als kooperatives Verhalten des Beschwerdeführers in Zusammenhang mit der Erlangung eines erforderlichen Reisedokumentes angesehen werden. Gegen den Beschwerdeführer besteht eine aufenthaltsbeendende Maßnahme und er verfügte über keine aufrechte Meldeadresse und ist in Österreich sozial nicht verankert.

Hingegen unternahm die Behörde zwischenzeitig alle erforderlichen und möglichen Schritte um auf Basis der jeweils vorhandenen/angegebenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die in Frage kommenden Botschaften heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen.

Im gegenständlichen Fall war davon auszugehen, dass mit einer Effektuierung der Abschiebung jedenfalls vor dem Ende der höchstzulässigen Dauer der Schubhaft gerechnet werden durfte, weil der Beschwerdeführer einen anderen/“neuen“ Namen nannte und sich der Verdacht erhärtet hat, dass er aus Algerien kommt, weshalb die Ausstellung eines entsprechenden – algerischen – HRZ nicht von Anfang an aussichtslos erschien.

Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des Beschwerdeführers vor Anordnung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtschau zu berücksichtigen. An dieser Stelle sind daher die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers zu nennen. Letztere fiel dabei noch mit einem empfindlichen Strafausmaß von drei Jahren unbedingter Freiheitsstrafe aus; dies obwohl der Beschwerdeführer als junger Erwachsener verurteilt wurde.

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Wie bereits erläutert, setzte die Behörde sämtliche Schritte, um einerseits ein Heimreisedokument zu erlangen, andererseits, um eine Adresse des Beschwerdeführers zu ermitteln, damit das gelindere Mittel Anwendung finden kann. So wurde er am 17.08.2021, am 24.08.2021 und am 25.08.2021 niederschriftlich einvernommen und zwei Mal eine Wohnsitzüberprüfung durchgeführt (da der Beschwerdeführer die Adresse nicht korrekt angeben konnte), die schlussendlich eine gültige Wohnadresse zutage brachte, woraufhin der Beschwerdeführer ins gelindere Mittel entlassen wurde. Dass die Behörde nicht um die Verhängung eines gelinderen Mittels bemüht gewesen wäre, lässt sich anhand der unternommenen Schritte – mehrfache Befragungen und zweimalige Wohnsitzüberprüfung – keinesfalls halten.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen begegnet auch die Dauer der Schubhaft keinen Bedenken und war verhältnismäßig.

Da sich der Beschwerdeführer zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr in Schubhaft befindet, hatte der Fortsetzungsausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG zu entfallen.

2. Zur Kostenentscheidung:

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 leg. cit. der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 leg. cit. die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 leg. cit. auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 leg. cit. sinngemäß anzuwenden.

Dem Beschwerdeführer gebührt als unterlegene Partei daher kein Kostenersatz.

Die belangte Behörde ist auf Grund der Rechtmäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft in allen Punkten obsiegende Partei, weshalb sie Anspruch auf Kostenersatz (im beantragten Umfang) hat:

Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird in § 1 VwG-AufwErsV wie folgt festgesetzt:

[…]

3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei € 57,40

4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei € 368,80

[…]

Der belangten Behörde gebührt als obsiegende Partei Ersatz sowohl für die Aktenvorlage, als für eine begründete Stellungnahme (Schriftsatz) in Höhe von insgesamt EUR 426,20; eine Verhandlung fand dagegen nicht statt;

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung mit der umfassend zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes übereinstimmt.

Schlagworte

Fluchtgefahr gelinderes Mittel Heimreisezertifikat Identität Kostenersatz Mittellosigkeit Mitwirkungspflicht öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Staatsangehörigkeit Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Verhältnismäßigkeit Verzögerung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W284.2245758.1.00

Im RIS seit

02.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

02.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten