TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/12 G303 2232323-1

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Veröffentlicht am 12.10.2021
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Entscheidungsdatum

12.10.2021

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


G303 2232323-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Vorsitzende sowie die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS und den fachkundigen Laienrichter Herbert WINTERLEITNER als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, vom 04.06.2020, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 04.12.2019 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), im elektronischen Wege einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) ein. Dem Antrag waren medizinische Befunde angeschlossen. Des Weiteren beantragte der BF unter anderem die Aufnahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 30.01.2020, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des BF am 24.01.2020, eingeholt.

Hinsichtlich der beantragten Zusatzeintragung wurde ausgeführt, dass durch das sekundäre Lymphödem geringe Funktionseinschränkungen der beiden unteren Extremitäten seit Jahren bestehen würden. Eine mäßige Reduktion der Ödeme sei durch die bevorstehende spezifische Rehabilitation zu erwarten. Die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln sei zumutbar, da weder höhergradige Mobilitätseinschränkungen noch kardiopulmonale Leistungseinschränkungen bestehen würden, sodass eine kurze und ausreichende Wegstrecke in der Ebene selbständig ohne Hilfsmittel zurückgelegt werden könne. Niveauunterschiede könnten überwunden werden, damit sei das sichere Ein- und Aussteigen gewährleistet. Da keine Einschränkungen der Greiffunktionen vorhanden seien, sei die Nutzung von Haltegriffen bei anfahrendem Verkehrsmittel möglich. Es liege auch keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor.

3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 03.02.2020 wurde dem BF das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht und mitgeteilt, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ derzeit nicht vorliegen würden. Es wurde dem BF die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung eine schriftliche Stellungnahme einzubringen.

3.1. Nach der vorliegenden Aktenlage wurde seitens des BF eine Stellungnahme nicht erstattet.

4. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid der belangten Behörde vom 04.06.2020 wurde der Antrag vom 04.12.2019 auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen.

4.1. Gestützt wurde die Entscheidung der belangten Behörde auf das Ergebnis des ärztlichen Begutachtungsverfahrens. Danach würden die Voraussetzungen für die verfahrensgegenständliche Zusatzeintragung nicht vorliegen. Das Sachverständigengutachten von Dr. XXXX wurde dem angefochtenen Bescheid als Beilage angeschlossen und zum Bestandteil der Begründung des Bescheides erklärt. In der rechtlichen Begründung des angefochtenen Bescheides wurden die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes und der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zitiert. Des Weiteren wurden die maßgeblichen Kriterien, welche entsprechend der VwGH-Judikatur für die gegenständliche Zusatzeintragung relevant sind, angeführt.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit E-Mail vom 15.06.2020 fristgerecht Beschwerde bei der belangten Behörde. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass im Gutachten von XXXX einige Zahlen falsch seien, wie der Blutdruckwert. Der BF legte sein persönliches Messprotokoll für Mai 2020 (Zucker, Blutdruck und Gewicht) vor. Des Weiteren führte der BF seine Medikamente, die er täglich einnehme, an. Die Strecke zur Straßenbahnhaltestelle betrage exakt 350 m. Die Reha im Therapiezentrum am XXXX habe zwar eine Verbesserung des Beines ergeben, aber keine Schmerzbefreiung. Im Rahmen der Reha sei auch eine Fehlstellung der Wirbelsäule erkannt worden, die erst mit Röntgen abgeklärt werden müsse. Diese könnte auch für die kurzen Gehstrecken verantwortlich sein, die max. 100 bis 150 m ohne Stehenbleiben, betragen. Der BF ersuche um eine erneute Begutachtung durch einen anderen externen Facharzt oder um Zuerkennung der verfahrensgegenständlichen Zusatzeintragung.

6. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 25.06.2020 vorgelegt.

7. Mit E-Mail vom 02.07.2020 reichte der BF einen Röntgenbefund nach.

8. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde seitens des erkennenden Gerichtes ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt.

8.1. Im medizinischen Sachverständigengutachten von MR Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, vom 01.03.2021, wird basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF am selben Tag, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Diagnosen:

-        Sekundäres Beinlymphödem beidseits links mehr als rechts, Elephantiasis

-        Metabolisches Syndrom mit Bluthochdruck

-        Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus

-        Beginnende Abnützung der Wirbelsäule ohne neuromotorische Ausfälle und Claudicatio spinalis Symptomatik

Stellungnehmend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass beim BF ein Beinlymphödem links mehr als rechts bestehe, welches jedoch unter entsprechender Kompressionstherapie eine relevante Wegstrecke zulassen sollte. Niveauunterschiede könnten laut Eigenangabe unter Anhalten überwunden werden. Die Abnützung der Wirbelsäle sei radiologisch belegt, jedoch bedingt diese keine neuromotorischen Ausfälle. Die angegebenen Schmerzen seien natürlich zu würdigen, seien jedoch subjektiv zu bewerten, zumal laut Angaben und Befunden keine Schmerztherapie etabliert sei. Gesamt seien die Bewegungsabläufe auf Grund der Körperfülle als etwas behäbig zu bezeichnen.

Beim BF würden keine direkten erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vorliegen. Auch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten und Funktionen würden nicht vorliegen. Der BF würde an keiner schweren anhaltenden Erkrankung des Immunsystems noch an einer hochgradigen Sehbehinderung, Blindheit oder Taubheit leiden.

9. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG seitens des erkennenden Gerichtes mit Schreiben vom 15.03.2021 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.

9.1. Eine Stellungnahme beziehungsweise Äußerung seitens der Verfahrensparteien langte dazu beim Bundesverwaltungsgericht nicht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist am XXXX geboren und ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung in Höhe von 60 von Hundert.

Der BF leidet an folgenden behinderungsrelevanten Gesundheitsschädigungen:

-        Sekundäres Beinlymphödem beidseits links mehr als rechts, Elephantiasis

-        Metabolisches Syndrom mit Bluthochdruck

-        Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus

-        Beginnende Abnützung der Wirbelsäule ohne neuromotorische Ausfälle und Claudicatio spinalis Symptomatik

Im Vordergrund des Gesamtleidenszustandes des BF steht das Beinlymphödem an beiden Beinen (Elephantiasis).

Der BF ist mit einer entsprechenden Kompressionstherapie in der Lage, eine kurze Wegstrecke selbstständig zurückzulegen. Das Ein- und Aussteigen in beziehungsweise aus öffentlichen Verkehrsmitteln kann bei einem üblichen Niveauunterschied ohne fremde Hilfe seitens des BF geleistet werden. Der sichere Transport des BF in öffentlichen Verkehrsmitteln ist unter den üblichen Transportbedingungen gewährleistet.

Der BF erhält keine Schmerztherapie. Sein Gangbild ist frei.

Bei dem BF liegen keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten und der körperlichen Belastbarkeit vor.

Auch konnten keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten und Funktionen oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems beim BF festgestellt werden. Es besteht keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang, die Feststellungen zum Geburtsdatum des BF und zum Besitz des Behindertenpasses ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde, der Beschwerde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Das seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von MR Dr. XXXX vom 01.03.2021 ist vollständig, schlüssig und widerspruchsfrei. Die getroffenen gutachterlichen Ausführungen darin basieren auf dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung des BF ausführlich erhobenen Untersuchungsbefund unter Einbeziehung der in Vorlage gebrachten medizinischen Beweismittel und des Vorbringens des BF. Die festgestellten Gesundheitsschädigungen und deren Auswirkungen auf die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln ergeben sich daraus.

Aus dem Gutachten von MR Dr. XXXX konnte zudem zweifelsfrei entnommen werden, dass beim BF keine hochgradige Bewegungseinschränkung vorliegt. Auch wurde durch das Sachverständigengutachten medizinisch objektiviert, dass der BF in der Lage ist, eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) mit einer entsprechenden Kompressionstherapie zurückzulegen und Niveauunterschiede zu überwinden.

Das Beschwerdevorbringen des BF, wonach ihm die Bewältigung einer kurzen Wegstrecke aufgrund der Schmerzen und der Wirbelsäulenerkrankung nicht möglich sei, konnte durch die medizinische Begutachtung nicht objektiviert werden. Die beginnende Abnützung der Wirbelsäule bewirkt keine neuromotorischen Ausfälle und es liegt auch keine „Claudicatio spinalis Symptomatik“ vor. Die angegebenen Schmerzen des BF sind zwar nachvollziehbar, allerdings konnte der BF keinen Nachweis erbringen, dass bei ihm eine entsprechende Schmerztherapie durchgeführt wird.

Durch die medizinische Begutachtung des BF konnte ein freies Gangbild festgestellt werden.

Anhaltspunkte, dass der sichere Transport des BF in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht gewährleistet wäre, konnten im gegenständlichen Verfahren nicht festgestellt werden.

Aufgrund des Sachverständigengutachtens von MR Dr. XXXX ergibt sich eindeutig, dass beim BF keine Einschränkungen und Erkrankungen, welche in der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen genannt sind, insbesondere keine direkten erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten, vorliegen.

Der Inhalt des ärztlichen Sachverständigengutachtens von MR Dr. XXXX vom 01.03.2021 wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichts im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt. Eine Stellungnahme wurde dazu weder vom BF noch von der belangten Behörde erstattet. Es blieb somit im gegenständlichen Verfahren unbestritten.

Das Sachverständigengutachten von MR Dr. XXXX wird daher der gegenständlichen Entscheidung des erkennenden Gerichtes in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990 in der geltenden Fassung) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter gemäß § 45 Abs. 4 BBG mitzuwirken.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der geltenden Fassung) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 in der geltenden Fassung) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Dies ist gegenständlich gegeben.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.

Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt. Die ärztliche Begutachtung im Beschwerdeverfahren basierte auch auf einer persönlichen Untersuchung des BF. Der Inhalt des vorliegenden Sachverständigengutachtens von MR Dr. XXXX wurde zudem von den Verfahrensparteien im Rahmen ihres schriftlichen Parteiengehörs nicht beeinsprucht.

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt.

Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

3.2. Zu Spruchteil A):

Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Der Behindertenpass hat gemäß § 42 Abs. 1 BBG den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-        erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-        erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-        erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller   Fähigkeiten, Funktionen oder

-        eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-        eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach
§ 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).

Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung“ regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden (vgl. etwa VwGH 18.12.2006, Zl. 2006/11/0211; VwGH 20.04.2004, Zl. 2003/11/0078).

Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, wie etwa die Entfernung zwischen der Wohnung des BF und der nächstgelegenen Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel (vgl. VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258; 27.05.2014, Zl. 2014/11/0030).

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche sowie bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, Zl. 2007/11/0080).

Es war aus den folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:

Es konnten beim BF nach nochmaliger Durchführung eines medizinischen Beweisverfahrens im Rahmen des Beschwerdeverfahrens keine Einschränkungen und Erkrankungen, welche im § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen für die beantragte Zusatzeintragung genannt sind, im geforderten Ausmaße, nämlich in erheblichem beziehungsweise hochgradigem Ausmaß, festgestellt werden.

Der BF besitzt auch die konkrete Fähigkeit ein öffentliches Verkehrsmittel zu benützen. Insbesondere konnte festgestellt werden, dass die Bewältigung einer kurzen Wegstrecke für den BF mit einer entsprechenden Kompressionstherapie selbstständig möglich ist. Das Ein- und Aussteigen in beziehungsweise aus öffentlichen Verkehrsmitteln kann bei einem üblichen Niveauunterschied ohne fremde Hilfe seitens des BF geleistet werden. Der sichere Transport im Fahrzeug ist unter den üblichen Transportbedingungen gewährleistet.

Das Beschwerdevorbringen, wonach die nächste Straßenbahnhaltestelle 350 Meter entfernt sei, kann bei der rechtlichen Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht miteinbezogen werden, da es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen ankommt, nicht aber auf andere Umstände, wie etwa die Entfernung zwischen der Wohnung des BF und der nächstgelegenen Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel (vgl. VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258; 27.05.2014, Zl. 2014/11/0030).

Zum Entscheidungszeitpunkt liegen daher die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung in den Behindertenpass nicht vor.

Die vorliegende Beschwerde war somit spruchgemäß abzuweisen.

Was schließlich den Antrag des BF betrifft, ihm einen Parkausweis nach § 29b StVO auszustellen, so ist diesbezüglich festzuhalten, dass die belangte Behörde über diesen Antrag ausdrücklich bescheidmäßig nicht abgesprochen hat.

Der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis des Bundesverwaltungsgerichtes ist die "Sache" des bekämpften Bescheides (VwGH 09.09.2015, Ra 2015/04/0012; 26.03.2015, Ra 2014/07/0077). Daher ist der Antrag des BF auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO mangels Vorliegens eines bekämpfbaren Bescheides nicht verfahrensgegenständlich. Vollständigkeit halber ist jedoch anzumerken, dass gegenständlich die grundsätzliche Voraussetzung dafür, nämlich der Besitz eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz, der über die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügt, fehlt.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass öffentliche Verkehrsmittel Sachverständigengutachten Zumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G303.2232323.1.01

Im RIS seit

02.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

02.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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