TE Vwgh Erkenntnis 1996/11/14 96/18/0449

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Veröffentlicht am 14.11.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte

Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des N, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 22. Juli 1996, Zl. SD 860/96, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Femdengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 22. Juli 1996 wurde aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers gemäß § 54 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß er in Sierra Leone gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Nach Wiedergabe der einschlägigen Bestimmungen des Fremdengesetzes führte die belangte Behörde aus, daß in einem Feststellungsverfahren nach § 54 Abs. 1 iVm § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG das Vorbringen des Antragstellers die zentrale Entscheidungsgrundlage darstelle, wobei es diesem obliege, alles Zweckdienliche vorzubringen, um das Vorliegen der Voraussetzungen des § 37 FrG nachvollziehbar zu machen. Dieses Vorbringen habe die Behörde auf seine Stichhaltigkeit zu überprüfen. Angaben könnten jedenfalls dann nicht als stichhaltig angesehen werden, wenn sie aufgrund ihrer Allgemeinheit und Abstraktheit einer Überprüfung nicht zugänglich seien, sodaß sie auch nicht als glaubwürdig gewertet werden könnten.

Der Beschwerdeführer habe in seinem Asylantrag behauptet, er sei in Sierra Leone geboren, habe in Freetown gelebt, wo er die Grundschule besucht habe und sei dann Lebensmittelverkäufer gewesen und im Jahre 1991 von den Rebellen unter Fudah Sankoh zwangsrekrutiert worden. Mit seiner Einheit habe er oft Dörfer überfallen und Häuser geplündert. Auf Befragen, weshalb er Sierra Leone erst vier Jahre später verlassen habe, habe er angegeben, er wäre vorerst in Sierra Leone geblieben, weil er immer wieder geglaubt hätte, daß die Kämpfe beendet würden. Verfolgungen wäre er während dieser Zeit nicht ausgesetzt gewesen. Der Asylantrag sei mit der Begründung, daß keine Verfolgung aus asylrechtlich relevanten Gründen gegeben sei, rechtskräftig abgewiesen worden.

Der Behauptung im vorliegenden Verfahren, er sei gezwungen gewesen, mit den Rebellen an Plünderungen teilzunehmen, sei an sich schon entgegenzuhalten, daß er selbst ausgeführt habe, er wäre deshalb in Sierra Leone geblieben, weil er geglaubt hätte, daß die Kämpfe enden würden, und weiters, daß er tatsächlich keinerlei Probleme gehabt hätte, sich aus seiner Rebelleneinheit zu entfernen und das Land zu verlassen.

Als der Beschwerdeführer in der Folge am 16. Juni 1996 mit einem von Sierra Leone ausgestellten Heimreisezertifikat dort hätte einreisen sollen, sei ihm mit der Begündung, daß er gar nicht aus Sierra Leone, sondern aus Nigeria wäre, die Einreise verweigert worden. Auch dieser Umstand spreche nicht für eine Verfolgung durch Sierra Leone.

Nach einem fernmündlichen Gespräch des Beschwerdeführers mit dem Botschafter von Sierra Leone in Bonn habe der Botschafter geäußert, daß der Beschwerdeführer vermutlich in Nigeria geboren wäre und dort auch gelebt hätte. Der Beschwerdeführer habe hingegen am 18. Juli 1996 zu Protokoll gegeben, daß er aus Liberia stammen würde und schon immer in Monrovia gelebt hätte. Wie immer dem auch sei, die von ihm behauptete Bedrohung sei jedenfalls nicht glaubhaft. Ermittlungen, welche Sanktionen von Sierra Leone gegen Personen, die als Rekruten der Rebellen festgestellt würden, ergriffen würden, hätten daher aufgrund der vorliegenden Umstände unterbleiben können.

Die belangte Behörde sei zu der Überzeugung gelangt, daß keine stichhaltigen Gründe für eine aktuelle Bedrohung des Beschwerdeführers im Sinne des § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG vorlägen.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser trat die Beschwerde nach Ablehnung von deren Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluß vom 23. September 1996, B 2837/96).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt aus diesen Gründen die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung i.S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 29. Februar 1996, Zl. 95/18/1182, und vom 30. April 1996, Zl. 96/18/0167).

2. Die belangte Behörde hat die Auffassung vertreten, daß dem Beschwerdeführer eine Glaubhaftmachung im dargestellten Sinn nicht gelungen sei und daß demnach keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefährdung und/oder Bedrohung seiner Person i.S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG vorlägen. Der Gerichtshof teilt die Ansicht der belangten Behörde.

Zum einen ist es durchaus nicht unschlüssig, wenn die belangte Behörde aus den unbestritten gebliebenen Feststellungen, daß der Beschwerdeführer - ungeachtet seiner behaupteten Zugehörigkeit zu einer Rebelleneinheit und der damit angeblich verbundenen Gefahr der Todesstrafe - problemlos Sierra Leone habe verlassen können und daß eben dieser Staat, der ihm behauptetermaßen nach dem Leben trachtet und auf den sich sein Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung bezieht, ihm trotz Vorliegens eines Heimreisezertifikates die Einreise verweigert habe, folgerte, diese Umstände sprächen nicht für eine Verfolgung des Beschwerdeführers durch Sierra Leone, ließen also eine Gefährdung und/oder Bedrohung, wie sie § 37 Abs. 1 bzw. Abs. 2 FrG umschreibt, als nicht wahrscheinlich erkennen.

Zum anderen ist der aus den wechselnden Angaben des Beschwerdeführers über sein Heimatland und über das Land, in dem er sich bis zum Jahr 1995 aufgehalten habe, gezogene Schluß auf die Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers insgesamt (somit auch hinsichtlich der sein Vorleben und seine nunmehrige Bedrohungssituation in Sierra Leone betreffenden Angaben) unbedenklich.

3. Die in der Beschwerde zum Ausdruck gebrachte Ansicht des Beschwerdeführers, die Verweigerung seiner Einreise nach Sierra Leone sei kein Anzeichen für die Grundlosigkeit der Befürchtung, daß seine Zwangsrekrutierung von den staatlichen Stellen geduldet worden sei, um die "Abkehrung von dieser Zwangsrebellenschaft" mit der Todesstrafe oder der Tötung zu ahnden, vielmehr sei diesem Umstand zu entnehmen, daß Sierra Leone kein Interesse an seinem Aufenthalt habe, ist nicht nachvollziehbar. Denn wenn letzteres zuträfe, erwiese sich die zuerst wiedergegebene Annahme als unzutreffend; wollte man indes diese Annahme als stichhaltig ansehen, dann wäre erklärungsbedürftig, weshalb Sierra Leone am Aufenthalt des Beschwerdeführers "kein Interesse" hätte.

4. Der Vorwurf, die belangte Behörde habe es unterlassen, dem Beschwerdeführer seine Angaben, er würde aus Liberia stammen und hätte in Monrovia gelebt, vorzuhalten, um ihm die Möglichkeit einer Erklärung für seine insoweit unrichtige Aussage zu geben, ist schon deshalb unberechtigt, weil die besagten Angaben nach der unbestrittenen Feststellung im angefochtenen Bescheid vom Beschwerdeführer der Behörde gegenüber zu Protokoll gegeben wurden. Die Gewährung von Parteiengehör hinsichtlich der eigenen, dem Beschwerdeführer somit bekannten Aussage allein zu dem Zweck, für deren Unrichtigkeit eine Erklärung abgeben zu können, war aber keineswegs geboten.

5. Im Lichte der Ausführungen uner II. 2. versagt schließlich auch die Rüge, die belangte Behörde sei dem Antrag des Beschwerdeführers nicht nachgekommen, Stellungnahmen des UNHCR sowie der zuständigen österreichischen Vertretungsbehörde zu den in Sierra Leone drohenden Sanktionen für die vom Rebellenführer Fudah Sankoh Rekrutierten sowie der von diesem Staat geübten Praxis der Verfolgung von Rebellen und Zwangsrekrutierten einzuholen.

6. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Beschwerdeinhalt erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

7. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Schlagworte

Abstandnahme vom Parteiengehör

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996180449.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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