TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/9 W112 2245664-1

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Veröffentlicht am 09.11.2021
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Entscheidungsdatum

09.11.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §29 Abs5
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs3

Spruch


W112 2245664-1/16E

GEKÜRZTE AUSFERTIGUNG DES AM 27.08.2021 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch die BBU, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.08.2021, Zl. XXXX , und die Anhaltung in Schubhaft seit 12.08.2021 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG stattgegeben.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

III. Der Antrag des Bundesamts auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

IV. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG iVm VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, hat der Bund (Bundesminister für Inneres) dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von € 30 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Wesentliche

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer erhob mit Schriftsatz vom 20.08.2021 durch seine Rechtsberaterin Beschwerde gegen den Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) vom 12.08.2021 und die Anhaltung in Schubhaft und beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid beheben, aussprechen, dass die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit dem 12.08.2021 rechtswidrig gewesen sei, im Rahmen einer „Habeas Corpus Prüfung“ aussprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers nicht vorgelegen seien, Aufwandersatz im Umfang der Eingabengebühr iHv € 30 zuerkennen, eine mündliche Verhandlung durchführen und Zeugen einvernehmen.

Das Bundesamt legte den Verwaltungsakt vor, erstattete am 23.08.2021 eine Stellungnahme und beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge die Beschwerde als unbegründet abweisen bzw. als unzulässig zurückweisen, feststellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen und den Beschwerdeführer zum Ersatz der anfallenden Kosten verpflichten.

Am 27.08.2021 fand die hg. mündliche Verhandlung statt, an der der Beschwerdeführer, seine Rechtsberaterin, ein Vertreter des Bundesamts und ein Dolmetscher für die Sprache SERBISCH teilnahmen und in der ein Zeuge befragt wurde.

Keine der Parteien stellte einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung des am 27.08.2021 mündlich verkündeten Erkenntnisses.

Der Beschwerdeführer reiste am 01.10.2021 mit einem am 28.09.2021 ausgestellten Heimreisezertifikat aus.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer war XXXX , geb. XXXX XXXX , SERBIEN, StA SERBIEN. Er reiste als Schüler ca. 1998/1999 nach Österreich ein und besuchte hier die XXXX Schulstufe. Danach arbeitete er 2003-2005 jeweils kurzfristig für Reinigungsunternehmen. Im Übrigen sorgte sein Vater für seinen Lebensunterhalt. Er war wie sein Vater auf Grund eines Befreiungsscheins rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.

Von 16.10.2006 bis 12.10.2007 war der Beschwerdeführer in Strafhaft in der Justizanstalt XXXX . Sein Komplize war XXXX . Dieser wurde wegen schweren Raubes verurteilt. Der Beschwerdeführer wurde ausgewiesen und gegen ihn ein Einreiseverbot verhängt; er wurde nach SERBIEN abgeschoben und am 14.12.2007 in Österreich abgemeldet.

Der Beschwerdeführer änderte seinen Namen in SERBIEN auf XXXX . Es war nicht glaubhaft, dass er dies wegen eines Streits mit seinem Vater tat, er tat dies vielmehr um seine Wiedereinreise zu bewirken. Er beantragte unter diesem Namen einen Sichtvermerk bei der Österreichischen Botschaft in BELGRAD. Der Antrag wurde am 17.02.2009 mit der Begründung abgewiesen, dass die Ausreise des Beschwerdeführers nicht gesichert sei und er eine finanzielle Belastung einer Gebietskörperschaft werde.

Am 04.02.2010 wurde ihm ein biometrischer Reisepass ausgestellt. Auf dieser Grundlage hielt er sich im Rahmen der Visumsfreiheit in Österreich auf, zuerst von 17.02.2010 bis 11.05.2010, dann von 03.11.2011 bis 05.12.2011. Danach war er auch unangemeldet im Bundesgebiet. Es konnte nicht festgestellt werden, dass er die Bedingungen der Visumsfreiheit einhielt. Am 19.02.2013 wurde ihm der Reisepass von der SERBISCHEN Botschaft ausgestellt, am 14.06.2013 wurde er nach der Einreise nach Österreich am 11.0.2013 wegen Sachbeschädigung beamtshandelt; XXXX wurde wegen der Sachbeschädigung verurteilt, die Personenfahndung für das Bezirksgericht XXXX nach dem Beschwerdeführer wegen dieses Delikts wurde am 13.08.2019 widerrufen.

Ab 01.03.2016 war der Beschwerdeführer sechs Tage in einem Malerbetreib als Arbeiter tätig; Zugang zum Arbeitsmarkt hatte er nicht.

Der Beschwerdeführer wurde am 22.10.2017 beamtshandelt, als er bereits seit 01.11.2016 in Österreich aufhältig war. Er reiste nach der Einvernahme freiwillig aus und kehrte am 04.12.2017 nachweislich nach SERBIEN zurück.

14 Tage später ließ er sich einen Personalausweis ausstellen. Am 27.06.2019 war er bei seiner Freundin gemeldet, ab 02.07.2019 bei seiner Stiefmutter. Er begründete die Meldeadresse, um einen Inlandsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu stellen. Dieser Erstantrag vom 16.07.2019 wurde am 22.06.2020 vom Magistrat der Stadt WIEN abgewiesen. Der Beschwerdeführer erhob Beschwerde gegen den Bescheid an das Landesverwaltungsgericht WIEN, zog die Beschwerde aber zurück und plante, einen neuen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu stellen.

Am 08.03.2021 wurde ihm ein neuer Reisepass in SERBIEN ausgestellt. Danach reiste er wieder nach Österreich ein. Am 26.07.2021 meldete er sich bei seiner Stiefmutter ab. Es konnte nicht festgestellt werden, dass er dies tat, um einen neuen Pass bzw. Notpass zu beantragen, da er seinen Pass bereits im APRIL 2021 verloren hatte, sondern weil die 90 Tage des sichtvermerkfreien Aufenthalts endeten. Er war nicht durch CORONA an der Ausreise nach SERBIEN gehindert. Er hätte auch mit seinem Personalausweis ausreisen können, wollte aber nicht.

Er wurde am 11.08.2021 bei der Anwendung häuslicher Gewalt in der Wohnung seiner Freundin betreten. Er wurde festgenommen und mit Bescheid vom 12.08.2021 die Schubhaft über ihn verhängt, die seither im Polizeianhaltezentrum XXXX vollzogen wurden. Er war gesund und haftfähig.

Mit Bescheid vom 13.08.2021 erließ das Bundesamt Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot gegen den Beschwerdeführer. Die Beschwerde vom 20.08.2021 langte am 25.08.2021 hg. ein. Über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wurde bis zur Entscheidung in diesem Verfahren nicht entschieden.

Die Verurteilung vom 07.10.2020 betraf nicht den Beschwerdeführer, sondern eine namensgleiche Person. Dasa Betretungsverbot gegen den Beschwerdeführer war abgelaufen. Das Bezirksgericht XXXX bewilligte zur GZ XXXX eine einjährige einstweilige Verfügung gegen den Beschwerdeführer. Er durfte sich seiner Freundin und deren Wohnung nicht nähern.

Sein Vater und dessen Lebensgefährtin lebten in Österreich, ebenso weitere Verwandte. Er hatte kein Kind in Österreich und war ledig. In SERBIEN lebte seine Großmutter. Es war nicht glaubhaft, dass er keinen Kontakt zu ihr hatte.

Der Beschwerdeführer füllte am Tag vor der hg. mündlichen Verhandlung das Formular zur Beantragung der freiwilligen Rückkehr aus. Es konnte nicht festgestellt werden, ob das Bundesamt dem Antrag zustimmen werde. Der Beschwerdeführer konnte mit dem Personalausweis ausreisen; es war dafür kaum zeitlicher Vorlauf nötig.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen gründeten auf dem Verwaltungsakt, den Stellungnahmen und der hg. mündlichen Verhandlung.

3. Rechtliche Beurteilung:

Der Beschwerdeführer war Fremder iSd § 76 Abs. 1 FPG. Das Bundesamt verhängte die Schubhaft zutreffend gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme.

Es ging zutreffend davon aus, dass der Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 3 Z 1 FPG die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme dadurch behinderte, dass er unbekannten Aufenthalts war. Hinzu kam, dass der Beschwerdeführer keine glaubhaften Angaben zu seinem Aufenthalt im Bundesgebiet machte.

Der Beschwerdeführer hatte den Vater und dessen Lebensgefährtin sowie weitere Angehörige in Österreich, ging hier aber keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, hatte keine eigene Wohnung, sondern wohnte unangemeldet bei seiner Freundin, konnte aber auch bei seinem Vater wohnen, und hatte keine eigenen Existenzmittel, sondern lebte von seinem Vater. Die sozialen Bindungen des Beschwerdeführers führten bisher nicht zur Einhaltung der fremdenrechtlichen Bestimmungen (§ 76 Abs. 3 Z 9 FPG).

Es bestand daher Fluchtgefahr.

Der Bescheid war jedoch infolge Begründungsmängeln rechtswidrig: Er tat nicht dar, dass mit der Anwendung gelinderer Mittel nicht das Auslangen gefunden werden konnte, weil der Beschwerdeführer im Gegensatz zu den Feststellungen des Bescheides unbescholten war und die Verurteilung des Beschwerdeführers 2020 das tragende Argument für den Ausschluss gelinderer Mittel war.

Daher waren der Bescheid und die bisherige Anhaltung rechtswidrig.

Der Beschwerdeführer füllte am Tag vor der hg. mündlichen Verhandlung den Antrag auf freiwillige Ausreise aus und war dieser auch 2017 nachgekommen. Vor diesem Hintergrund konnte aktuell trotz der vorliegenden Fluchtgefahr mit der Anwendung gelinderer Mittel, die vom Bundesamt zu verhängen waren, das Auslangen gefunden werden.

Die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft lagen daher nicht vor.

Diese Entscheidung stand einer neuerlichen Verhängung der Schubhaft bei Änderung der Sachlage nicht entgegen.

Die Kostenabsprüche gründeten auf § 35 VwGVG. Der Barauslagenersatz wurde einer separaten Entscheidung vorbehalten.

Die Revision war nicht zulässig, da keine ungeklärten Rechtsfragen aufgeworfen wurden.

4. Begründung der gekürzten Ausfertigung

Gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG kann das Erkenntnis in gekürzter Form ausgefertigt werden, wenn von den Parteien auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof verzichtet oder nicht binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift gemäß Abs. 2a eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 von mindestens einem der hiezu Berechtigten beantragt wird. Die gekürzte Ausfertigung hat den Spruch sowie einen Hinweis auf den Verzicht oder darauf, dass eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 nicht beantragt wurde, zu enthalten.

Diese gekürzte Ausfertigung des nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 27.08.2021 verkündeten Erkenntnisses ergeht gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG, da ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG durch die hiezu Berechtigten innerhalb der zweiwöchigen Frist nicht gestellt wurde.

Schlagworte

Begründungsmangel Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft gekürzte Ausfertigung Kostenersatz Rechtswidrigkeit Schubhaft Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W112.2245664.1.00

Im RIS seit

02.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

02.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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