TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/10 W200 2243452-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.11.2021
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Entscheidungsdatum

10.11.2021

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W200 2243452-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Dr. Kuzminski sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland (KOBV), gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (SMS), vom 15.01.2021, OB: 68575119500024, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wie folgt abgeändert:

Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen auf Grund des in Höhe von fünfzig (50) von Hundert (vH) festgestellten Grades der Behinderung (GdB) vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 28.05.2020 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.

Im Zuge des Verfahrens des Sozialministeriumservice (belangte Behörde) wurden ein Gutachten eines Facharztes für Hals-, Nasen- und Ohrenerkrankungen vom 28.07.2020 sowie eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 21.09.2020 eingeholt, welche zusammengefasst einen Gesamtgrad der Behinderung von 20 vH ergaben.

Im Rahmen des daraufhin gewährten Parteiengehörs führte der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 23.10.2020 im Wesentlichen aus, dass er mit dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht einverstanden sei, da seine Leiden zu gering eingeschätzt bzw. nicht ausreichend berücksichtigt worden wären. In der Stellungnahme des Allgemeinmediziners vom 15.01.2021 wird festgehalten, dass die nachgereichten Einwendungen des Beschwerdeführers keine ausreichend relevanten Sachverhalte, welche eine Änderung des Gutachtens bewirken würden, beinhalten würden. Es werde am Gutachten festgehalten.

Mit Bescheid vom 15.01.2021 wies das Sozialministeriumservice den Antrag des Beschwerdeführers mangels Vorliegen der Voraussetzungen ab.

Der Beschwerdeführer führte in seiner dagegen erhobenen Beschwerde im Wesentlichen aus, dass er infolge der Teilentfernung seines Magens und Ösophagus an einem Dumping-Syndrom leide. Aufgrund des Spätdumpingsyndroms leide er außerdem an chronischen Insulinspiegelschwankungen. Die belangte Behörde sei bei der Ermittlung des GdB nicht auf die Folgen des Spätdumpingsyndroms eingegangen und habe dieses unzureichend gewürdigt. Die Einholung von Sachverständigengutachten aus den Fachbereichen Innere Medizin, Gastroenterologie/Chirurgie sowie Psychiatrie wäre unbedingt erforderlich gewesen, um das komplexe Beschwerdebild des Beschwerdeführers beurteilen zu können. Zudem legte der Beschwerdeführer der Beschwerde einen ärztlichen Befundbericht eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie sowie eine psychotherapeutische Bestätigung (Diagnose: F33 F43) bei. Dem ärztlichen Befundbericht ist im Wesentlichen zu entnehmen, dass sich beim Beschwerdeführer eine schwere depressive Verstimmung mit psychomotorischer Anspannung und Verzweiflung entwickelt habe. Er werde medikamentös behandelt und aus psychiatrischer Sicht sei die Fortführung einer Psychotherapie im klassischen Setting unbedingt erforderlich.

Das Sozialministeriumservice holte neuerlich ein Gutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin (basierend auf der Aktenlage) vom 26.02.2021 sowie ein Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie (basierend auf einer Untersuchung) vom 07.06.2021 ein. Die Gesamtbeurteilung dieser Sachverständigengutachten ergab zusammengefasst einen Gesamtgrad der Behinderung von 30 vH.

In weiterer Folge legte das Sozialministeriumservice dem Bundesverwaltungsgericht am 15.06.2021 die Beschwerde sowie den Verwaltungsakt vor.

Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte dem Beschwerdeführer das allgemeinmedizinische, das psychiatrische und das zusammenfassende Gutachten mit der Möglichkeit, dazu eine Stellungnahme abzugeben.

In der Stellungnahme vom 10.08.2021 führt der Beschwerdeführer zum festgestellten Gesamtgrad der Behinderung von 30 vH aus, dass hinsichtlich der unter der Nummer 2 angeführten Gesundheitsschädigung (Zustand nach Leiomyomentfernung distaler Ösophagus 10/2015) nochmals darauf hingewiesen werde, dass beim Beschwerdeführer sowohl die Speiseröhre als auch zwei Drittel des Magens entfernt worden wären. Der Magen sei sodann „hinaufgezogen“ worden. Durch die Speisröhrenentfernung fehle der Schließmuskel in den Magen und der Speisebrei rutsche daher undosiert und abrupt in den Magen. Dies führe dazu, dass zu viel Insulin ausgeschüttet werde und der Beschwerdeführer daher an chronischen Insulinspiegelschwankungen leide. Es würden chronische Verdauungsprobleme und starke Schmerzen im Hals-Rachen-Bereich (wegen Reflux) und der Magengrube bestehen. Durch das Fehlen des Schließmuskels bestehe zudem ein anhaltender Mundgeruch, welcher den Beschwerdeführer stark belaste. Die Beurteilung dieser Gesundheitsschädigung mit einem Grad der Behinderung von lediglich 20 vH sei daher nicht nachvollziehbar. Die bereits in der Beschwerde gestellten Anträge auf Einholung eines internistischen bzw. gastroenterologischen Sachverständigengutachtens würden aufrechterhalten werden.

Daraufhin ersuchte das Bundesverwaltungsgericht eine bisher nicht mit dem Verfahren befasste Fachärztin für Innere Medizin um Erstellung eines internistischen Gutachtens basierend auf einer persönlichen Untersuchung.

Folgende Punkte waren dabei insbesondere zu beurteilen:

„Folgende Punkte sind zu beurteilen:

1) Gesonderte Einschätzung des Grades der Behinderung für jede festgestellte Gesundheitsschädigung

-        Medizinisch exakte Bezeichnung der festgestellten Gesundheitsschädigungen

-        Gewählte Position, wobei auf die Begründung der Wahl der Position besonders zu achten ist

-        Zu Grunde gelegter Rahmensatz, wobei auf die Begründung der Einschätzung des GdB innerhalb des Rahmensatzes besonders zu achten ist

2) Gesamtgrad der Behinderung

Beim Zusammentreffen mehrerer Leiden ist eine Gesamteinschätzung vorzunehmen und zu begründen.

3) Ist eine Veränderung zum GA vom 21.09.2020 (AS 128 -133; 20%) samt Stellungnahme vom 15.01.2021 (AS 145) objektivierbar? Wodurch wird die Veränderung dokumentiert bzw. wie äußert sie sich?

4) Feststellung, ob bzw. wann eine ärztliche Nachuntersuchung erforderlich ist.

5) Weiters werden Sie ersucht eine Zusammenfassung Ihres internistischen GA mit dem vom SMS eingeholten HNO-fachärztlichen und psychiatrischen GA (AS 125/126, AS 164 –167) sowie mit den eventuell nicht von Ihnen eingestuften Leiden des allgemeinmedizinischen GA (AS 128 –133: Leiden 3 und Leiden 4) vorzunehmen.

Falls keine Leidensbeeinflussung vorliegt, ist auch das Zusammenwirken der Leiden in funktioneller Hinsicht zu prüfen und die Gesamteinschätzung entsprechend zu begründen; (zuletzt VwGH vom 8.8.2008, Zl. 2004/09/0124).

Das nunmehr eingeholte Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet Innere Medizin vom 31.08.2021 ergab einen Gesamtgrad der Behinderung von 50 vH und gestaltete sich wie folgt:

„[…]

Anamnese:

SVGA Dr. XXXX , Allgemeinmedizin 24.02.2017, ABL 4-8: SVGA Dr. XXXX , Facharzt für HNO, ABL 125-127

SVGA Dr. XXXX , Allgemeinmedizin 21.09.2020, ABL 128- 133

Gesamtbeurteilung der SVGA HNO und Allgemeinmedizin, 05.10.2020, ABL 134-136 Stellungnahme Dr. XXXX , Allgemeinmedizin, 15.01.2021, ABL 145-146

SVGA aufgrund der Aktenlage, Dr. XXXX , 26.02.2021, ABL 158-160

SVGA, Dr. XXXX , Psychiatrie, ABL 164 164-168 Gesamtbeurteilung, ABL 169-171

Jetzige Beschwerden:

Der Pat. beklagt wederkehrendes Völlegefühl und Schmerzen vor allem postprandial, Durchfälle, die Nahrungsaufnahme erfolgt in kleinen Portionen und dies 5x täglich.

Der Mund/Rachenbereich ist ständig ausgetrocknet – häufige Flüssigkeitszufuhr notwendig. Reflux ausgeprägt – halbsitzende Schlafposition Verspannungsschmerzen im Bereich des Nacken- /Schulterbereiches.

Die Nasenatmung ist behindert, allerdings eine Lungenerkrankung nicht bekannt – die Maskenbefreiung nicht restlos nachvollziehbar.

Befunde:

OP Bericht St. Josef KH, 10/2015, ABL 14-15 /92-93:

OP eines Riesenleiomyoms des distalen Ösophagus, ausgeprägte Dysphagie, retrosternale Schmerzen

Psychologie-Befund, Aufenthalt 29.09.-25.10.2016, ABL 16/94:

Emotionale Belastung im Zuge der massiven Anpassungserfordernisse

Entlassungsbericht, Sonnenpark Bad Hall, Rehabilitation, 24.01.-21.02.2018, ABL 17-23/95- 101:

Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode bei Krankheit/Neubildung in der Eigenanamnese

Schädlicher Gebrauch von Sedativa (Alprazolam) DD Abhängigkeit

Grippaler infekt

Hyperhidrosis

Spätdumpingsyndrom bei z.n. Ösophagusresektion bei Leiomyom OP 10/2015

z.n. 3x iger Bougierung

bekannter FE Mangel/Resorptionsstörung

v.a. Mb. Meulengracht

09/2017 Dysgnathie – z.n. Osteotomie OK + UK beidseits 2009 Nasenseptumplastik

2010 Tympanoplastik rechts

2007 Varikozelen OP linker Hoden

Befundbericht, Dr. XXXX , FA für Innere Medizin, 05/2019, ABL 24-25/107-114:

Leiomyomtumor des Ösophagus (St.p. abdominal-thorakale Ösophagusresektion und Fun-dusresektion 10/2015, Dilatation 02/2016, 04/2016, 11/2016)

Fundoplicatio 08/2015

Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion seit 2017

2010 Tympanoplastik rechts und Septumkorrektur

2001 Außenknöchelfraktur rechts

2000 Varikocelenoperation

2000 Verletzung linker Oberarm

Ärztlicher Entlassungsbericht Rehaklinik Baumgarten, 22.07.2019, ABL 27-32/107-116:

Schmerzen im Bereich der BWS bei St.p. Riesenzellleiomyomentfernung und Ösophagusre-sektion 2015 im St. Josef KH

Medikamentöse Therapie der reaktiven Anpassungsstörung

Orthopädisch-unfallchirurgisches Sachverständigengutachten – Kurzgutachten, 09.03.2020, ABL33-41:

Leistungskalkül: heben und tragen von schweren und mittelschweren Gegenständen sind zu unterlassen. Leichtere Gegenstände in Form von Anheben z.B..: einer sechsertrage Packung von Mineralwasserflaschen ist vorstellbar.

Eine Tätigkeit sitzend-gehend-stehen ist nur in abwechselnder Tätigkeit möglich – wo ihm Pausen zugemutet werden müssen - unter Einbezug der chirurgischen Notwendigkeit der neuen Essgewohnheiten.

Tätigkeiten mit bückenden Einflüssen sind zu unterlassen.

Histologischer Befundbericht 22.10.2015, ABL 90-91:

Gutartiges Leiomyom der Magenwand nahe dem Übergang Magen zu Ösophagus, im Gesunden reseziert

Tumorfreie Anastomosenringe

Befundbericht Röntgen der WS, 12.04.2018, ABL 102:

Beckenschiefstand und auch Beinlängendifferenz zugunsten der linken Seite. Die WS insges. 13mm aus dem Lot, eine manifeste skoliotische Fehlhaltung liegt jedoch nicht vor. Zusatzgutachten, Univ.Prof.Dr. XXXX , 05/2019, ABL 106:

Schmerzkalkül

Reintonaudiogramm, 14.07.2020, ABL 122/124:

Geringe Hochtonstörung rechts 24%, links 9%

Medikamente:

Sidenafil, Paroxat, Enterobene, Oleovit, Quetialan, Dominal, Tramabene, Venlafab, Seractil, Viropel, Gaviscon

Status:

Größe: 194 cm Gewicht: 81kg

Kopf frei beweglich, Hirnnervenaustrittspunkte frei,

Hörvermögen ausreichend gut, Sehvermögen: normal,

Hals: keine vergrößerten Lymphknoten tastbar, Schilddrüse schluckverschieblich Herz: Herztöne rhythmisch, rein, normofrequent,

Lunge: va, keine Rasselgeräusche, Lungenbasen verschieblich

Abdomen: weich, kein DS, Narben bland, Leber und Milz nicht tastbar

WS: unauffällig

OE: frei beweglich, Nacken und Schürzengriff uneingeschränkt

UE:

frei beweglich

keine Beinödeme

Haut blass aber bland

Status psychicus:

Subdepressiv, Stimmung negativ getönt, insgesamt freundlich, klar, orientiert, Ductus kohärent

Gangbild: Unauffälliges Gangbild

Zusammenfassung:

Frage 1.)

Zusammenfassung:

1) Zustand nach Leiomyomoperation des distalen Ösophagus 10/2015

PosNr. 07.04.02         Gdb 40%

g.z. Oberer Rahmensatz da Teilentfernung des Magens und Ösophagusresektion (Entfernung der Speiseröhre), die durch die Nahrungsaufnahme bedingten postprandialen Schmerzen und die Dumpingphänomene sind in dieser Positionsnummer mit abgebildet, normaler Allgemein und Ernährungszustand.

Gesamtgrad der Behinderung       40%

Frage 2.)

1 internistisches Leiden – dieses wurde aufgrund der Befundzusammenschau und der klinischen Untersuchung erhöht bei entsprechender funktioneller Einschränkung.

Frage 3.)

Aufgrund des Zustandes nach vollständiger Ösophagusresektion und Teilentfernung des Magens besteht bei dem Pat. eine erschwerte Nahrungsaufnahme, sowie eine Mangelernährung (Eisenmangel, Vitaminsupplemente) durch eine verminderte Nährstoffaufnahme bei Teilentfernung des Magens. Die von XXXX angegebenen Beschwerden wie o.g. sind aus internistischer Sicht nachvollziehbar. Es liegen anhaltende Beschwerden mit ausgeprägten Dumpingphänomenen und wiederkehrenden Durchfällen vor.

Frage 4.)

Eine NU ist aus internistischer Sicht nicht erforderlich.

Frage 5.)

GESAMTGUTACHTEN – Zusammenfassung der einzelnen Leiden.

Die HNO ärztlichen sowie die psychiatrischen Leiden und auch die orthopädischen Leiden (im SVGA ABL 128-133. Leiden 2,3 und 4, sowie HNO SVGA ABL 125/126 und psychiatrisches SVGA ABL 164-167) wurden ins internistische SVGA vorerst nicht subsummiert, sondern werden in diesem Gesamtgutachten berücksichtigt.

1) Zustand nach Leiomyomoperation des distalen Ösophagus 10/2015

PosNr. 07.04.02         Gdb 40%

g.z. Oberer Rahmensatz da Teilentfernung des Magens und Ösophagusresektion (Entfernung der Speiseröhre), die durch die Nahrungsaufnahme bedingten postprandialen Schmerzen und die Dumpingphänomene sind in dieser Positionsnummer mit abgebildet, normaler Allgemein und Ernährungszustand.

2) Rezidivierende depressive Episoden vor dem Hintergrund einer Anpassungsstörung

Pos.Nr.: 03.06.01         GdB      30%

Eine Stufe unter dem oberen Rahmensatz, da unter Medikation stabil

3) Chronische Heiserkeit

Pos.Nr.: 12.05.01         GdB      20%

Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da rasche Ermüdbarkeit vorliegt

4) Hörstörung rechts

Pos.Nr.: 12.02.01         GdB      10%

Tabelle Zeile2/Kolonne 1 - im oberer Rahmensatz, da rechts bi 4 kHZ ein Hörverlust von 55 dB vorliegt.

5) Degenerative Wirbelsäulenveränderungen

Pos. Nr.: 02.01.01         GdB      10%

Unterer Rahmensatz, da keine maßgebliche Funktionseinschränkung oder radikulären Ausfälle

6) Degenerative und posttraumatische Gelenksveränderungen

Pos.Nr.: 02.02.01         GdB      10%

Unterer Rahmensatz, da keine maßgeblichen Funktionseinschränkungen nach Bizepsverletzung im linken Oberarm und Fraktur des rechten Außenknöchels.

Gesamtgrad der Behinderung        50%

Begründung:

Das führende Leiden 1 wird aufgrund der funktionellen Relevanz des Leiden 2 und 3 und bei negativer Leidensbeeinflussung des Leiden 1 durch vor allem durch das Leiden 2 um eine Stufe erhöht. Leiden 4 bis 6 erhöhen bei ungenügender funktioneller Relevanz nicht weiter.“

Im Rahmen des Parteiengehörs wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit gewährt, eine Stellungnahme abzugeben. In dieser Stellungnahme teilte der Beschwerdeführer mit, dass er das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens, wonach ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 50 vH bestehe, zur Kenntnis nehme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.: Der Beschwerdeführer erfüllt die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50 vH.

1.2.: Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:

Relevanter Status:

Größe: 194 cm Gewicht: 81kg

Kopf frei beweglich, Hirnnervenaustrittspunkte frei

Hörvermögen ausreichend gut, Sehvermögen: normal

Hals: keine vergrößerten Lymphknoten tastbar, Schilddrüse schluckverschieblich

Herz: Herztöne rhythmisch, rein, normofrequent

Lunge: va, keine Rasselgeräusche, Lungenbasen verschieblich

Abdomen: weich, kein DS, Narben bland, Leber und Milz nicht tastbar

WS: unauffällig

OE: frei beweglich, Nacken und Schürzengriff uneingeschränkt

UE: frei beweglich keine Beinödeme Haut blass aber bland

Status psychicus: Subdepressiv, Stimmung negativ getönt, insgesamt freundlich, klar, orientiert, Ductus kohärent

Gangbild: Unauffälliges Gangbild

1.3.: Beurteilung der Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Zustand nach Leiomyomoperation des distalen Ösophagus 10/2015

g.z. Oberer Rahmensatz, da Teilentfernung des Magens und Ösophagusresektion (Entfernung der Speiseröhre), die durch die Nahrungsaufnahme bedingten postprandialen Schmerzen und die Dumpingphänomene sind in dieser Positionsnummer mit abgebildet, normaler Allgemein- und Ernährungszustand.

07.04.02

40

2

Rezidivierende depressive Episoden vor dem Hintergrund einer Anpassungsstörung

Eine Stufe unter dem Rahmensatz, da unter Medikation stabil.

03.06.01

30

3

Chronische Heiserkeit

Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da rasche Ermüdbarkeit vorliegt

12.05.01

20

4

Hörstörung rechts

Tabelle Zeile 2/Kolonne 1 – im oberen Rahmensatz, da rechts bis 4 kHZ ein Hörverlust von 55 dB vorliegt

12.02.01

10

5

Degenerative Wirbelsäulenveränderungen

Unterer Rahmensatz, da keine maßgebliche Funktionseinschränkung oder radikulären Ausfälle

02.01.01

10

6

Degenerative und posttraumatische Gelenksveränderungen

Unterer Rahmensatz, da keine maßgeblichen Funktionseinschränkungen nach Bizepsverletzung im linken Oberarm und Fraktur des rechten Außenknöchels.

02.02.01

10

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50 Prozent.

Das führende Leiden 1 wird aufgrund der funktionellen Relevanz des Leiden 2 und 3 und bei negativer Leidensbeeinflussung des Leiden 1 vor allem durch das Leiden 2 um eine Stufe erhöht. Leiden 4 bis 6 erhöhen bei ungenügender funktioneller Relevanz nicht weiter.

2. Beweiswürdigung:

Aufgrund des Beschwerdevorbringens in Verbindung mit der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 10.08.2021 hinsichtlich der Dumpingphänomene und der postprandialen Schmerzen als Folge der Teilentfernung des Magens und Ösophagusresektion (Entfernung der Speiseröhre) holte das BVwG ein Gutachten aus dem Fachgebiet der Inneren Medizin ein. Den insbesondere auf Grundlage dieses Gutachtens festgestellten Funktionseinschränkungen wurde letztlich nicht mehr entgegengetreten.

Die Gutachterin begründete nachvollziehbar, weshalb sie zur letztlich höheren Einschätzung im Vergleich zu den zusammenfassenden Vorgutachten vom 05.10.2020 bzw. vom 07.06.2021 kam. Das führende Leiden 1 (Zustand nach Leiomyomoperation des distalen Ösophagus 10/2015), das zuvor unter Pos.Nr. 13.01.01 mit einem Grad der Behinderung von 20 Prozent eingestuft worden war, wurde nun nachvollziehbar unter Pos.Nr. 07.04.02 mit einem Grad der Behinderung von 40 Prozent eingestuft. Denn aufgrund des Zustandes nach vollständiger Ösophagusresektion und Teilentfernung des Magens besteht beim Beschwerdeführer eine erschwerte Nahrungsaufnahme sowie eine Mangelernährung (Eisenmangel, Vitaminsupplemente) durch eine verminderte Nährstoffaufnahme bei Teilentfernung des Magens. Zudem liegen beim Beschwerdeführer anhaltende Beschwerden mit ausgeprägten Dumpingphänomenen und wiederkehrenden Durchfällen vor.

Die übrigen festgestellten Leiden, die die Gutachterin nun unter den Leiden 2-6 anführt, waren an sich unstrittig und sie wurden auch von der Gutachterin entsprechend dem letzten Gesamtgutachten vom 07.06.2021 eingeschätzt.

Die nunmehrige Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung auf 50 vH begründete die Gutachterin nachvollziehbar damit, dass das führende Leiden 1 (Zustand nach Leiomyomoperation des distalen Ösophagus 10/2015) aufgrund der funktionellen Relevanz des Leiden 2 (Rezidivierende depressive Episoden vor dem Hintergrund einer Anpassungsstörung) und 3 (Chronische Heiserkeit) und bei negativer Leidensbeeinflussung des Leiden 1 vor allem durch das Leiden 2 um eine Stufe erhöht wird. Die Leiden 4 bis 6 (Hörstörung rechts, degenerative Wirbelsäulenveränderungen, degenerative und posttraumatische Gelenksveränderungen) hingegen erhöhen bei ungenügender funktioneller Relevanz nicht weiter.

Insgesamt ist festzuhalten, dass die Gutachterin auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausreichend eingegangen ist und die Beeinträchtigungen im Sinne der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft wurden. Diesen Einschätzungen wurde auch nicht mehr entgegengetreten. Die Ausführungen zur negativen wechselseitigen Leidensbeeinflussung sind widerspruchsfrei dargestellt, sodass sie schlüssig und nachvollziehbar sind. Es wurde im Gutachten auch das Beschwerdevorbringen in Zusammenschau mit dem Vorbringen der Stellungnahme vom 10.08.2021 berücksichtigt. Kein Vorbringen blieb unangesprochen.

Das Gutachten steht mit den allgemeinen Gesetzen der Logik im Einklang, ist schlüssig und vollständig und ihm wurde nicht entgegengetreten. Aus diesen Gründen legt der erkennende Senat dieses Gutachten vom 31.08.2021 in Zusammenschau mit den Einschätzungen der einzelnen Leiden im zusammenfassenden Vorgutachten vom 07.06.2021 unter freier Beweiswürdigung seiner Entscheidung zu Grunde.

Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichts bestehen in Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachtens.

Der Inhalt des Gutachtens wurde im Rahmen des Parteiengehörs von den Parteien zur Kenntnis genommen und nicht beeinsprucht.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Zu A)

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten (§ 1 Abs. 2 BBG).

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören (§ 40 Abs. 1 BBG).

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt

(§ 41 Abs. 1 BBG).

Der Behindertenpass hat den Vor- und Familiennamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen (§ 42 Abs. 1 BBG).

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG).

In dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten vom 31.08.2021 wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 Prozent festgestellt. Festgehalten wurde, dass sich in der Gesamtbeurteilung somit eine Erhöhung des Behinderungsgrades der beschwerdeführenden Partei ergibt. Das angeführte Sachverständigengutachten ist schlüssig und nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen.

Das Ergebnis dieses Sachverständigengutachtens wurde der Entscheidung des BVwG zugrunde gelegt.

Da ein Grad der Behinderung von 50 vH festgestellt wurde und dieser Feststellung im Rahmen des Parteiengehörs nicht widersprochen wurde, war spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG).

Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z.1 VwGVG).

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden (§ 24 Abs. 3 VwGVG).

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen (§ 24 Abs. 4 VwGVG).

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden (§ 24 Abs. 5 VwGVG).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Maßgebend für die Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der bei der beschwerdeführenden Partei festgestellten Gesundheitsschädigungen.

Zur Klärung des Sachverhaltes war vom BVwG ein Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Inneren Medizin eingeholt worden. In diesem Gutachten wurde der Zustand des Beschwerdeführers im Detail dargelegt.

Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurde das Sachverständigengutachten als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt, dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen, das mit der beschwerdeführenden Partei mündlich zu erörtern gewesen wäre, vor. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W200.2243452.1.00

Im RIS seit

02.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

02.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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