TE Bvwg Beschluss 2021/11/18 W141 2248136-1

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Veröffentlicht am 18.11.2021
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Entscheidungsdatum

18.11.2021

Norm

AlVG §10
AlVG §38
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §8a

Spruch


W141 2248136-1/ 2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard HÖLLERER als Einzelrichter über den Antrag von XXXX , geboren am XXXX , vom 14.10.2021 auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Beschwerde gegen den Bescheid des AMS Mödling vom 18.08.2021, beschlossen:

A)

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird gemäß § 8a VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I.       Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des AMS Mödling (im Folgenden: belangte Behörde) vom 18.08.2021 hat die belangte Behörde die Verhängung einer Ausschlussfrist gemäß § 38 iVm § 10 AIVG zum Bezug der Notstandshilfe für die Zeit vom 28.07.2021 bis 21.09.2021 ausgesprochen, da der Beschwerdeführer die von der belangten Behörde vermittelte, zumutbare Stelle als Rechtsanwaltssekretär über die Vorauswahl des AMS nicht angenommen bzw. die Arbeitsaufnahme vereitelt habe. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht gemäß § 10 Abs 3 AlVG lägen nicht vor.

2. Am 14.10.2021 stellte der Verfahrenshilfewerber einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe samt Vermögensbekenntnis unter Anschluss der darin genannten erforderlichen Belege zur Abfassung und Einbringung einer Beschwerde und zur Vertretung bei der Verhandlung im erforderlichen Umfang, jedenfalls durch Beigebung eines Rechtsanwaltes.

Der Verfahrenshilfewerber beantragte konkret die einstweilige Befreiung von den Gerichtsgebühren und anderen bundesgesetzlich geregelten staatlichen Gebühren, den Kosten von Amtshandlungen außerhalb des Gerichts, den Gebühren von Zeugen, Sachverständigen, Dolmetscher, Übersetzer und Beisitzer, den notwendigen Barauslagen, die von dem vom Gericht bestellten gesetzlichen Vertreter oder von dem der Partei beigegebenen Rechtsanwalt oder Vertreter gemacht worden sind, den Reisekosten sowie die Beigebung eines Rechtsanwalts.

Begründend wurde ausgeführt, dass der Verfahrenshilfewerber sich beworben habe, bei den Bewerbungsunterlagen habe er keinen Kopierschutz bzw. anderwärtige Sperre eingerichtet. Die dafür notwendigen Kenntnisse weise er nicht auf. Eine Vereitelungshandlung habe er nicht gesetzt.

3. Am 10.11.2021 langte der Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II.     Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der verfahrensrelevante Sachverhalt ergibt sich aus dem Verfahrensgang.

2.       Beweiswürdigung:

Die im Verfahrensgang enthaltenen Feststellungen ergeben sich aus den Verwaltungsakten.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da es sich beim Antrag auf die Gewährung von Verfahrenshilfe um keine Beschwerde handelt, besteht Einzelrichterzuständigkeit.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)   Abweisung des Antrages auf Verfahrenshilfe:

Die im vorliegenden Fall anzuwendende Rechtsvorschrift des VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, lautet wie folgt:

„Verfahrenshilfe

§ 8a. (1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.

(2) Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung – ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.

(3) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist schriftlich zu stellen. Er ist bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Für Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B VG ist der Antrag unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen.

(4) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe kann ab Erlassung des Bescheides bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, gestellt werden. Wird die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Säumnisbeschwerde beantragt, kann dieser Antrag erst nach Ablauf der Entscheidungsfrist gestellt werden. Sobald eine Partei Säumnisbeschwerde erhoben hat, kann der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auch von den anderen Parteien gestellt werden.

(5) In dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist die Rechtssache bestimmt zu bezeichnen, für die die Bewilligung der Verfahrenshilfe begehrt wird.

(6) Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen, so hat es den Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Vertreter bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen der Partei zur Auswahl der Person des Vertreters im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen.

(7) Hat die Partei innerhalb der Beschwerdefrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, so beginnt für sie die Beschwerdefrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid diesem zugestellt sind. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag abgewiesen, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei zu laufen. Entsprechendes gilt für die Fristen, die sich auf die sonstigen in Abs. 2 genannten Anträge beziehen.

(8) Die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter erlischt mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten.

(9) In Verfahrenshilfesachen ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig.

(10) Der Aufwand ist von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen das Verwaltungsgericht in der Angelegenheit handelt.“

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist Verfahrenshilfe einer Partei zu gewähren, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist. Durch den Verweis auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC ist sichergestellt, dass die Verfahrenshilfe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren den Anforderungen des Europäischen Menschenrechtsschutzes entspricht (s. dazu auch VwGH 03.09.2015, Ro 2015/21/0032).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist es nicht erforderlich, dass Verfahrenshilfe in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren ist. Vielmehr bedarf es einer Prüfung im Einzelfall. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Prüfungsbeschluss, der zur Aufhebung des § 40 VwGVG führte, die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte dahingehend zusammengefasst, dass der „Zugang zu einem Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein müsse“; in jenen Fällen, in denen es „unentbehrlich sei, dass der Partei eines Verfahrens ein unentgeltlicher Verfahrenshelfer beigestellt werde,“ müsse ein solcher beigestellt werden.

Für diese Beurteilung sind verschiedene Kriterien maßgeblich. Das sind zum einen Kriterien, die sich auf die Person der Parteien beziehen, nämlich ihre Vermögensverhältnisse oder ihre Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden; zum anderen auch Kriterien, die in Zusammenhang mit der Rechtssache stehen, nämlich die Erfolgsaussichten, die Komplexität des Falles oder die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien (vgl. 1255 BlgNR 25. GP – Regierungsvorlage – Erläuterungen zu § 8a VwGVG).

Seine Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden stellte der Antragsteller durch seinen eigenständig eingebrachten Verfahrenshilfeantrag unter Beweis, da dieser sämtlichen Formvorschriften entspricht und in dem er auch eine individuelle Begründung hinsichtlich des Bescheides vom 18.08.2021 abgab. Darüber hinaus gab er eine Stellungnahme zum Vorhalt betreffend Vereitelung ab und konnte darin seine Ansicht der Dinge ausführlich darlegen. Komplexität des Falles in der Weise, dass der Antragsteller sowohl bei der Beschwerdeerhebung als auch bei der Verhandlung anwaltlich vertreten sein müsste, ist nicht gegeben, da der Verfahrenshilfewerber bereits im Zuge der Antragstellung über die Rechtsfolgen des § 10 AlVG bei Vereitelung einer zugewiesenen Beschäftigung belehrt und informiert wurde. Somit ist lediglich die Frage der Tatsache zu klären, ob der Verfahrenshilfewerber mit seinem Verhalten den Erhalt der zugewiesenen Beschäftigung vereitelt hat bzw. ob er seine Bewerbung kopiergeschützt übermittelt hat, sodass sie nicht an den potenziellen Dienstgeber weitergeleitet werden konnte.

Der Verfahrenshilfewerber hat sowohl in der Stellungnahme vom 12.08.2021 als auch im Verfahrenshilfeantrag ein umfangreiches Vorbringen erstattet, daher ist nicht zu erkennen, dass er die wahren Verhältnisse im Zuge einer Beschwerde bzw. in einer mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht nicht ohne anwaltlichen Beistand darzulegen vermag.

Besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten, die eine rechtsanwaltliche Vertretung in der Verhandlung erforderlich machen, sind somit nicht zu erwarten.

Eine etwaige erforderliche Manuduktion in der Verhandlung, z.B. wann die Aussage verweigert werden darf, erfolgt durch den erkennenden Richter, weshalb der Antragsteller durch die Nichtbeigebung eines Rechtsanwaltes auch dahingehend keinerlei Nachteile erfährt.

Aussagen zu etwaigen Erfolgsaussichten können derzeit nicht getätigt werden, weil dies letztlich vom persönlichen Eindruck des erkennenden Richters in der mündlichen Verhandlung abhängt.

Soweit der Verfahrenshilfewerber die Befreiung von Gebühren beantragt ist dem entgegenzuhalten, dass seitens des Bundesverwaltungsgerichts für das gegenständliche Verfahren keine Gebühren eingehoben werden. Der Antrag geht daher insoweit ins Leere.

Verfahrenshilfe ist gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG nur dann vorgesehen, wenn beide Voraussetzungen, nämlich, dass diese geboten ist und die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, kumulativ vorliegen.

Aus den obigen Feststellungen ergibt sich resümierend, dass im vorliegenden Fall Verfahrenshilfe zur Vertretung bei der Verhandlung auf Grund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht geboten ist. Somit braucht nicht mehr geprüft werden, ob der Antragsteller außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts bestreiten zu können.

Aus demselben Grund ist auch nicht mehr zu prüfen, ob die beabsichtigte Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint und liegen somit die Voraussetzungen zur Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht vor, weshalb der Antrag abzuweisen ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

EMRK Verfahrenshilfeantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W141.2248136.1.00

Im RIS seit

02.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

02.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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