TE Lvwg Erkenntnis 2021/8/10 LVwG-S-1418/001-2021, LVwG-AV-815/001-2021

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.08.2021
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Entscheidungsdatum

10.08.2021

Norm

StVO 1960 §5 Abs2
FSG 1997 §7 Abs3 Z1
FSG 1997 §26 Abs2 Z2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Marzi als Einzelrichter über die Beschwerden des A, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen

1.   Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 18. Mai 2021, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach der StVO 1960 (protokolliert zu LVwG-S-1418/001-2021), sowie

2.   den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 29. März 2021, Zl. ***, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und begleitende Maßnahmen (protokolliert zu LVwG-AV-815/001-2021),

nach gemeinsamer öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht:

1.   Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

2.   Der Beschwerdeführer hat aufgrund der Abweisung der Beschwerde im Verfahren zur Zl. LVwG-S-1418/001-2021 (betreffend Bestrafung nach der StVO 1960) einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 320 Euro zu leisten.

3.   Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Feststellungen:

1.1.  Der am *** geborene Beschwerdeführer lenkte am 01. November 2020 gegen 21:15 Uhr das auf ihn zugelassene Kraftfahrzeug – einen Ford Transit (Kastenwagen) – mit dem behördlichen Kennzeichen *** im Gemeindegebiet *** auf der *** bei Straßenkilometer ***, auf Höhe der Kreuzung der *** mit der ***.

Er übersah dabei die Kreuzung, an der er rechts abbiegen wollte, blieb stehen und schob mit seinem Fahrzeug plötzlich zurück. Er übersah bei diesem Reversiervorgang das hinter ihm fahrende Fahrzeug, welches von Frau D gelenkt wurde. Die Lenkerin konnte nicht mehr ausweichen, weshalb es zur Kollision der beiden Kraftfahrzeuge kam. Dabei entstand ein Schaden am Kühlergrill des von D gelenkten Fahrzeugs.

Es begann ein Gespräch zwischen dem Beschwerdeführer und D. Etwa fünf Minuten nach dem Unfall kam der Zeuge C mit seinem Kraftfahrzeug zur Unfallstelle, blieb stehen, stieg aus und begann zwischen den beiden Unfallbeteiligten zu vermitteln. Im Zuge dieses Gesprächs wies der Beschwerdeführer der D seinen Führerschein und seinen Zulassungsschein (samt Wohnadresse) vor; beides wurde überdies vom Zeugen C mit seinem Handy fotografiert. D stand die ganze Zeit neben dem Beschwerdeführer und C.

Im Rahmen dieses Gesprächs gab der Beschwerdeführer gegenüber dem Zeugen C an, dass er vor Fahrtantritt Bier getrunken habe. Es ist nicht mehr feststellbar, ob der Beschwerdeführer dabei gesagt hat, er habe „acht Bier“ getrunken oder „um Acht ein Bier“ getrunken.

D telefonierte mit ihrem Vater, der sie veranlasste vom Beschwerdeführer 1.000 Euro an Schadensgutmachung zu verlangen. Der Beschwerdeführer lehnte dies ab. In der Folge kam ein weiteres Kraftfahrzeug zur Unfallstelle, in welchem mehrere Bekannte oder Verwandte der D saßen. Diese stiegen aus und forderten vom Beschwerdeführer – in gebrochenem Deutsch – nunmehr ebenfalls die Zahlung von 1.000 Euro, andernfalls die Polizei gerufen würde.

Der Beschwerdeführer wollte die verlangten 1.000 Euro nicht bezahlen. Er war durch das Auftreten der Bekannten bzw. Verwandten der D eingeschüchtert und wollte daher die Unfallstelle verlassen. Bevor er in sein Kraftfahrzeug einstieg montierte er noch gegen 21:45 Uhr beide Kennzeichen-Tafeln ab und legte diese auf den Beifahrersitz. Sodann verließ er mit seinem Kraftfahrzeug die Unfallstelle in Richtung seiner etwa 10 Auto-Fahrminuten entfernten Wohnadresse in ***, ***.

Nachdem der Beschwerdeführer die Unfallstelle verlassen hatte kam u.a. der Zeuge E zur Unfallstelle. Seitens der D und des Zeugen C wurde dem Zeugen E vom Unfall, vom Abmontieren der Kennzeichen-Tafeln und vom Verlassen der Unfallstelle durch den Beschwerdeführer berichtet. Der Zeuge C zeigte dem Zeugen E das Foto von Führerschein und Zulassungsschein des Beschwerdeführers und äußerte gegenüber dem Zeugen E außerdem, dass der Beschwerdeführer ihm mitgeteilt habe, dass er vor Fahrtantritt „acht Bier“ getrunken habe.

Der Zeuge E erklärte sich das so beschriebene Verhalten damit, dass der Beschwerdeführer das Kfz in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt haben könnte.

Zwei andere Polizisten fuhren sodann mit einem Dienstfahrzeug gemeinsam zur Wohnadresse des Beschwerdeführers. Dort fanden sie das Kraftfahrzeug des Beschwerdeführers parkend vor; die abmontierten Kennzeichentafeln lagen im Fußraum des Beifahrersitzes.

An der Wohnadresse des Beschwerdeführers, einem großen Hof, wohnten damals u.a. der Vater des Beschwerdeführers, der Bruder des Beschwerdeführers F und dessen Ehefrau, G.

Die Polizisten fragten zunächst den Vater des Beschwerdeführers nach einem Herrn A, der wegen einer Fahrerflucht nach Verkehrsunfall gesucht werde. Daraufhin kam F zu den Polizisten und kam heraus, dass diese seinen Bruder A suchten. Nach einem kurzen Gespräch verließen die beiden Polizisten die Wohnadresse des Beschwerdeführers wieder in Richtung Dienststelle.

Etwa zehn Minuten später kam der Zeuge E zur Wohnadresse des Beschwerdeführers, wobei er nicht mit einem als Polizeiwagen erkennbaren Fahrzeug, sondern einem dunklen VW Golf fuhr. Er trug seine Dienstuniform ohne Kappe und überdies eine reflektierende Warnweste.

Die Schwägerin des Beschwerdeführers, Frau G, sah zu diesem Zeitpunkt aus dem Fenster, welches über der Hauseingangstüre situiert ist. Der Zeuge F kam zu E und es begann ein kurzes Gespräch zwischen den dreien, in welchen E erklärte, dass der Beschwerdeführer wegen des Vorfalls auf der *** gesucht werde.

Gegen 22:45 Uhr näherte sich der Beschwerdeführer seinem in etwa 20 Meter vom Aufenthaltsort des Zeugen E abgestellten Kfz. Es war dunkel und der Beschwerdeführer daher nicht eindeutig erkennbar. Aufgrund der ihm vom Führerschein-Foto bekannten Gesichtszüge und der Begleitumstände (Wohnadresse des Beschwerdeführers; Kfz des Beschwerdeführers) ging der Zeuge E davon aus, dass es sich bei dieser Person um den Beschwerdeführer handelt. E fragte die Zeugin G, ob dies der Beschwerdeführer sei, was diese mit den Worten „Wer sollte es sonst sein?“ quittierte.

Der Zeuge E rief daher in Richtung des Beschwerdeführers „Sind Sie der Herr A?“. Auf diese Anrede lief der Beschwerdeführer sofort davon. Der Zeuge E nahm die Verfolgung auf.

Im Zuge der Verfolgung rief der Zeuge E dem Beschwerdeführer zumindest zwei Mal äußert laut und in einer Entfernung von etwa 40 Metern „Polizei“ bzw. „Halt Polizei“ nach und wies den Beschwerdeführer überdies zum Stehenbleiben an. Weiters schrie er dem Beschwerdeführer nach: „Ich fordere Sie zum Alkotest auf, eine Verweigerung hat die Höchststrafe zur Folge“.

Diese Rufe des Zeugen E waren für den Beschwerdeführer eindeutig zu hören und wusste der Beschwerdeführer auch, was der Zeuge E von ihm wollte.

Der Beschwerdeführer blieb jedoch nicht stehen, sondern flüchtete und versteckte sich in ein Stallgebäude. Der Zeuge E kam im Zuge der Verfolgungsjagd durch seine an den Beschwerdeführer gerichteten Schreie und dem Funken nach Verstärkung erheblich außer Atem. Überdies verlor er seine Taschenlampe. Er entschied sich aus Eigensicherungsgründen dagegen, allein in das Stallgebäude zu gehen. Die von ihm angeforderte Verstärkung durchsuchte in der Folge gemeinsam mit ihm das Stallgebäude, allerdings ohne den Beschwerdeführer oder eine andere Person darin aufzufinden.

1.2.  Mit Mandatsbescheid der belangten Behörde vom 17. November 2020, Zl. ***, wurde dem Beschwerdeführer u.a. unter Berufung auf § 57 AVG seine Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klassen AM, A1, A2, A, B, C1, C, BE, C1E, CE und F für die Dauer von 9 Monaten ab Zustellung des Bescheids entzogen; weiters wurde angeordnet, dass sich der Beschwerdeführer einer Nachschulung zu unterziehen sowie ein amtsärztliches Gutachten über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen und eine verkehrspsychologische Stellungnahme zum Lenken dieser Kraftfahrzeuge beizubringen habe.

In diesem Bescheid wurde überdies darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer seinen Führerschein unverzüglich bei der belangten Behörde oder bei einer näher genannten Polizeiinspektion abzugeben habe.

Dem Beschwerdeführer wurde dieser Bescheid am 19. November 2020 (Übernahme durch Mitbewohner) zugestellt.

1.3.  Mit dem nunmehr – nach Vorstellung und Durchführung eines Ermittlungsverfahrens ergangenem – angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 29. März 2021 wurde die mit Mandatsbescheid ausgesprochene Entziehung der Lenkberechtigung „in vollem Umfang“ bestätigt. Auch die angeordneten begleitenden Maßnahmen wurden aufrechterhalten. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wurde ausgeschlossen.

Die gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 11. Mai 2021, Zl. LVwG-V-815/002-2021, als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis wurde dem Beschwerdeführervertreter am 12. Mai 2021 per E-Mail zugestellt.

Begründend führte die belangte Behörde zur prognostizierten Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit u.a. aus, dass eine Verweigerung der Atemluft auf Alkohol, ein vom Beschwerdeführer verursachter Verkehrsunfall sowie eine Fahrerflucht gemäß § 4 Abs. 5 StVO vorgelegen seien, weshalb sie die Entziehungszeit im spruchgemäßen Ausmaß festgesetzt habe.

1.4.  Mit dem nur betreffend den ersten Spruchpunkt angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde wurde dem Beschwerdeführer Folgendes zur Last gelegt:

„Sie haben folgende Verwaltungsübertretungen begangen:

Zeit:   Zu 1.) 01.11.2020, 22:45 Uhr

Zu 2.) 01.11.2020, zwischen 21:45 Uhr und 22:45 Uhr

Ort:    Zu 1.) Gemeindegebiet ***, ***

Zu 2.) von der ***, Strkm. ***, Gemeindegebiet ***, nach ***, Gemeindegebiet ***

Fahrzeug: ***, Personenkraftwagen

Tatbeschreibung:

Sie haben folgende Verwaltungsübertretungen begangen:

1. Sie haben sich am 01.11.2020 um 22:45 Uhr in ***, ***, nach Aufforderung durch ein besonders geschultes Organ der Bundespolizei geweigert, Ihre Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, wobei vermutet werden konnte, dass Sie zuvor das angeführte Fahrzeug in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt haben.

2. Sie haben als Lenker nicht dafür gesorgt, dass das von Ihnen verwendete Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht, da Sie am 1.11.2020, zwischen 21.45 Uhr und 22.45 Uhr das Fahrzeug, Ford, Transit Kasten 80D, von der Unfallstelle auf der ***, Strkm. ***, Gemeindegebiet ***, nach ***, *** lenkten und die zugewiesenen behördlichen Kennzeichen (***) nicht angebracht haben.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

zu 1. § 99 Abs. 1 lit b StVO 1960, BGBl.Nr. 159/1960 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr.39/2013, i.V.m. § 5 Abs. 2 StVO 1960, BGBl.Nr.159/1960 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr.6/2017

zu 2. § 36 lit. b KFG 1967, BGBl. Nr.267/1967 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr.103/1997, iVm § 134 Abs. 1 KFG 1967, BGBl.Nr.267/1967 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr.134/2020

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafen verhängt:

Geldstrafen von       falls diese uneinbringlich ist,  Gemäß

Ersatzfreiheitsstrafen von

zu 1. € 1.600,00                       480 Stunden                  § 99 Abs. 1 StVO 1960, BGBl.Nr. 159/1960
zuletzt geändert durch BGBl. I Nr.39/2013

zu 2.       220,00           44 Stunden                    § 134 Abs. 1 KFG 1967, BGBl.Nr.267/1967
zuletzt geändert durch BGBl. I Nr.134/2020

Vorgeschriebener Kostenbeitrag gemäß § 64 Abs.2

Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), das sind 10% der

Strafe, mindestens jedoch 10 Euro                                                        € 182,00

                                                      Gesamtbetrag:                        € 2.002,00“

1.5.  Da der Beschwerdeführer seinen Führerschein weder bei der belangten Behörde noch der im Mandatsbescheid genannten Polizeiinspektion ablieferte, begab sich (nach Auftrag der belangten Behörde) am 31. März 2021 ein Polizeibeamter zur Wohnadresse des Beschwerdeführers. Diesem Polizisten übergab der Beschwerdeführer nach Aufforderung seinen Führerschein.

1.6.  Der Beschwerdeführer hat als Hebebühnentechniker ein monatliches Nettoeinkommen von etwa 1.500 Euro netto. Er wies am 01.November 2020 mehrere rechtskräftige und bis dato nicht getilgte, jedoch keine einschlägigen Verwaltungsvorstrafen auf.

2.   Beweiswürdigung:

2.1.  Die Feststellungen gründen auf der mündlichen Verhandlung vom 04. August 2021, in welcher Beweis erhoben wurde durch (Verzicht auf) Verlesung der vorgelegten Verwaltungs(straf)akten, Einvernahme des Beschwerdeführers sowie Einvernahme des C, des E, des F und der G als Zeugen.

2.2.  Soweit in der Folge keine gesonderten Ausführungen erfolgen sind die Feststellungen unstrittig und ergeben sich aus der Aktenlage bzw. den Zeugenaussagen. Insbesondere hat der Beschwerdeführer auch nicht bestritten, den Verkehrsunfall verschuldet zu haben (vgl. zB die begehrte Ersatzfeststellung in der Beschwerde, Seite 3 unten, wonach der Beschwerdeführer einen „Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht“ habe).

2.3.  Die Begebenheiten an der Unfallstelle ergeben sich aus den im Wesentlichen übereinstimmenden Zeugenaussagen und Aussagen des Beschwerdeführers. Nicht mehr feststellbar ist die vom Beschwerdeführer gegenüber dem Zeugen C geäußerte Menge an vor Fahrtantritt konsumierten Alkohol. Der Zeuge C konnte sich nicht mehr genau erinnern und gestand zu, dass es auch möglich sei, dass er den Beschwerdeführer falsch verstanden habe (vgl. Verhandlungsschrift Seite 7f).

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich geht jedenfalls davon aus, dass der Zeuge C gegenüber dem Polizisten E gegenüber die Mengenangabe „acht Bier“ gemacht hat. Dies schließ das Landesverwaltungsgericht aus dem Umstand, dass der E in der Verhandlung überzeugend und – mit Blick auf die berufliche Routine des Zeugen – lebensnah geschildert hat, dass er sich relevante Umstände noch am Tatort aufschreibt und dann in die Anzeige überträgt (vgl. die Aussage auf Seite 13 der Niederschrift der Verhandlung am 04. August 2021 [in der Folge: VH-Schrift]).

Unstrittig (abgesehen von der Menge) ist jedenfalls, dass der Beschwerdeführer dem Zeugen C von Alkoholkonsum vor Fahrtantritt berichtet und der Zeuge C dies auch gegenüber dem Zeugen E geäußert hat.

2.4.  Zur Feststellung, dass es der Beschwerdeführer war, der von E verfolgt wurde:

Der Beschwerdeführer hat während des gesamten Verfahren bestritten, dass er die von E an seiner Wohnadresse verfolgte Person gewesen sei. Er sagt in diesem Zusammenhang aus, dass er nach Abstellen seines Fahrzeugs für etwa drei bis vier Stunden im naheliegenden Wald spazieren gewesen sei und erst gegen 02:00 Uhr nachts schlafen gegangen sei.

Dieser Verantwortung schenkt das Landesverwaltungsgericht aus nachstehenden Gründen keinen Glauben:

Zunächst ist festzuhalten, dass sich die „Gestalt“ nach dem Kfz des Beschwerdeführers genähert hat (vgl. die Aussage des E VH-Schrift Seite 12 sowie die Aussage der Zeugin G VH-Schrift Seite 20), was vor dem Hintergrund, dass dieser kurz zuvor von der Unfallstelle mit abmontierten Kennzeichen nach Hause gefahren ist, schon allein stark dafür spricht, dass es sich bei dieser Person um den Beschwerdeführer gehandelt hat.

Überdies hat die Person die Flucht ergriffen, als sie mit „Sind Sie der Herr A?“ angesprochen wurde (vgl. die übereinstimmenden Aussagen der Zeugen E, F und G, VH-Schrift Seiten 9, 20 und 24).

Der Zeuge E hat überdies glaubwürdig angegeben, dass er die Gesichtszüge des Beschwerdeführers aufgrund des Führerschein-Fotos, welches ihm zuvor vom Zeugen C gezeigt wurde, erkannt hat; dies nicht zuletzt deshalb, da der Beschwerdeführer eine Ähnlichkeit mit einem Bekannten des Zeugen E hat VH-Schrift Seite 12).

Auch die Zeugin G hat angegeben, dass sie ihren Schwager zwar nicht „direkt erkannt“ habe, dies aber aus den Umständen geschlossen hat, wer es denn sonst gewesen sein sollte (VH-Schrift Seite 20 sowie ihre Aussage vor der belangten Behörde Aktenseite 71 f des Akts zu ***).

Auch, dass sowohl die Zeugin G als auch der Zeuge F, dieser sogar mit der Äußerung, dass er sich „dies jetzt nicht länger ansehe“ (Aussage Zeugin G VH-Schrift Seite 22) nicht weiter an der Verfolgungsjagd interessiert waren, spricht dafür, dass beide – ebenso wie der Zeuge E – der Ansicht waren, dass der Beschwerdeführer der Flüchtende ist.

Folgte man der Version des Beschwerdeführers, wäre es eine fremde Person, also möglicherweise ein Einbrecher, gewesen, die nachts am Hof herumgeschlichen ist. Dann wäre aber wiederum die Aussage des Beschwerdeführers nicht nachzuvollziehen, dass er laut seiner Angabe keinerlei Gefühlsregung hatte, als ihm sein Bruder bzw. seine Schwägerin von der „Verfolgungsjagd“ erzählt haben, sondern ihm das „wurscht“ war. Auf diesen Umstand angesprochen, meinte der Beschwereführer wenig glaubwürdig, dass er „halt ein cooler Typ“ sei (siehe seine Aussage VH-Schrift Seite 4).

Festzuhalten ist auch, dass der Beschwerdeführer nicht den Ansatz einer Erklärung lieferte, wer, wenn nicht er, die flüchtende Person gewesen sein sollte.

Zusammengefasst bestehen für das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich keinerlei Zweifel, dass es der Beschwerdeführer war, der vom Zeugen E an seiner Wohnadresse angesprochen und hernach verfolgt wurde.

2.5.  Zur Feststellung betreffend den Ablauf der Verfolgung, insbesondere den Rufen „Polizei“ und den Aufforderungen zum Alkotest des E in Richtung des flüchtenden Beschwerdeführers:

Soweit seitens des Beschwerdeführers bzw. seines Vertreters bestritten wird, dass die verfolgte Person, also der Beschwerdeführer, wahrnehmen konnte, dass sie von einem Polizisten verfolgt wird bzw. auch dessen Aufforderungen, eine Untersuchung der Atemluft auf Alkohol durchführen zu lassen und die Folgen der Verweigerung derselben, folgt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich auch diesem Vorbringen nicht:

Vielmehr geht das Landesverwaltungsgericht davon aus, dass sich der Zeuge E mit den Rufen „Polizei!“ bzw. „Halt Polizei“ eindeutig als Polizist zu erkennen gegeben hat und den Beschwerdeführer auch deutlich dazu aufgefordert hat, seine Atemluft auf Alkohol untersuchen zu lassen (vgl. die glaubwürdige und lebensnahe Schilderung des Zeugen E VH-Schrift Seiten 12 f, 15, 16 f).

Der Zeuge F hat die Verfolgungsjagd nicht zur Gänze beobachtet und daher auch die Rufe und Aufforderungen des Zeugen E nicht wahrgenommen (vgl. Aussage F VH-Schrift Seite 24 und 26) Auch die Zeugin G hat die Verfolgungsjagd nicht zur Gänze mitbekommen, aber jedenfalls mitbekommen, dass der Zeuge E die verfolgte Person zum Stehenbleiben aufgefordert hat (VH-Schrift Seite 21); sie konnte auch nicht ausschließen, dass der Zeuge „Polizei“ gerufen und den Flüchtenden zur Atemluftuntersuchung aufgefordert hat (VH-Schrift Seite 21 und 23).

Aufgrund der nicht allzu großen Entfernung während der Verfolgungsjagd (zwischen mindestens 10 und maximal 50 Metern, VH-Schrift 15 f), dem Umstand dass es sehr spät war (gegen 22:45 Uhr) und der glaubwürdig lauten Tonalität der Schreie des Zeugen E (VH-Schrift Seite17 f) sowie des Umstands, dass einem langjährigen Polizeibeamten zugemutet werden kann, sich auch in einer Verfolgungssituation der Ausbildung entsprechend zu verhalten (VH-Schrift Seite 17), steht für das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fest, dass dem Beschwerdeführer völlig klar war, das er von einem Polizisten aufgefordert wird, seinen Atem auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen.

3.   Rechtliche Erwägungen

3.1.  Zum angefochtenen ersten Spruchpunkt des Straferkenntnisses:

3.1.1.  Gemäß § 5 Abs. 2 StVO 1960 sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und – soweit es sich nicht um Organe der Bundespolizei handelt – von der Behörde hierzu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, (Z 1) die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, oder (Z 2) bei denen der Verdacht besteht, dass ihr Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

Gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1600 Euro bis 5900 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht.

3.1.2.  Zur Verwirklichung des Tatbestandes nach § 5 Abs. 2 Z 1 StVO 1960 reicht der Verdacht aus, der Beschwerdeführer habe das Kraftfahrzeug in alkoholisiertem Zustand gelenkt. Der Verdacht muss sich einerseits auf die Alkoholisierung und andererseits auf das Lenken eines Fahrzeuges in alkoholisiertem Zustand beziehen (vgl. zB VwGH vom 27. Jänner 2012, 2011/02/0006). Hinsichtlich der Übertretung des § 5 Abs. 2 StVO 1960 kommt es insbesondere darauf an, dass die einschreitenden Beamten im Zeitpunkt der von ihnen durchgeführten Amtshandlung auf Grund der näheren Tatumstände den begründeten Verdacht hatten, dass der Betroffene in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt habe (vgl. VwGH vom 27. Juli 2017, Ra 2017/02/0086; vgl. auch VwGH vom 25. Juli 2003, 2000/02/0060, wonach Mitteilungen eines Dritten für den Verdacht des Polizeibeamten grds ausreichen). Bestand im Zeitpunkt der Aufforderung der durchaus begründet gewesene Verdacht des Lenkens eines Fahrzeugs in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand, so ist der vermutliche Lenker verpflichtet, sich einer entsprechenden Untersuchung gemäß § 5 Abs. 2 StVO 1960 zu unterziehen. Diese Verpflichtung besteht unabhängig davon, ob ihm dieser Verdacht zur Kenntnis gebracht wird (zB VwGH vom 13. Dezember 2016, Ra 2016/02/0243).

Der den Beschwerdeführer auffordernde Polizeibeamte hatte aufgrund der festgestellten Umstände (Verkehrsunfall mit Sachschaden; Mitteilung, dass der Beschwerdeführer der Lenker war; Angabe eines am Unfallort aufhältigen Zeugen, dass der Beschwerdeführer ihm gegenüber angegeben hatte, vor Fahrtantritt Alkohol konsumiert zu haben; Mitteilung, dass der Beschwerdeführer die Kennzeichentafeln abmontiert hatte und daraufhin die Unfallstelle verlassen habe) begründeten Verdacht, der Beschwerdeführer habe in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt.

Er war somit berechtigt, den Beschwerdeführer zu einer Untersuchung der Atemluft aufzufordern.

3.1.3.  Das Gesetz schreibt nicht vor, in welcher Form eine Aufforderung zur Durchführung eines Alkomattests gemäß § 5 Abs. 2 StVO zu ergehen hat, sofern nur die entsprechende Deutlichkeit des Begehrens gegeben ist. Der Umstand, dass das Begehren nicht unmittelbar (von Angesicht zu Angesicht mit Blickkontakt) an den Fahrzeuglenker gerichtet werden konnte, vermag der Verbindlichkeit der Aufforderung keinen Abbruch zu tun. Andernfalls wäre es etwa im Belieben eines Fahrzeuglenkers gelegen, auch im Fall des begründeten Verdachtes, dass er ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe, nach einer Anhaltung im Nahbereich einer Wohnung sich der Gefahr, gemäß § 5 Abs 2 StVO zur Durchführung eines Alkomattests aufgefordert zu werden, durch Aufsuchen der Wohnung zu entziehen und Aufforderungen, wie etwa durch die Wohnungstüre oder wie hier durch die Sprechanlage, die den übrigen Voraussetzungen entsprechen, ohne Sanktion keine Folge zu leisten (vgl. VwGH vom 12. September 2006, 2006/02/0181, sowie vom 29. Jänner 2018, Ra 2018/02/0033, zur Befolgungspflicht betreffend eine Aufforderung via Haussprechanlage und sogar per Mobiltelefon).

Die Befugnisse nach § 5 Abs. 2 StVO 1960 stehen einem Polizeibeamten auf Grund seiner Ernennung und der Vereidigung auf die Dienstpflichten zu, und zwar unabhängig davon, ob er Uniform trägt oder nicht. Sofern ein Polizeibeamter eine Amtshandlung in Zivilkleidung vornimmt und für einen Außenstehenden sohin nicht zu erkennen ist, ob d Polizeibeamte auf Grund seiner dienstlichen Stellung tätig wird, bedarf es einer nach außen hin gegenüber dem Betroffenen wahrnehmbaren ausdrücklichen Erklärung über die erfolgte Indienststellung (vgl. VwGH vom 24. Juni 1998, 97/01/1173).

Der Zeuge E hat nach den Feststellungen seine Uniform und darüber eine Warnweste getragen und den Beschwerdeführer mit seinem Nachnamen angesprochen. Der Beschwerdeführer flüchtete daraufhin, der Zeuge E eilte ihm nach und schrie während der Verfolgung einerseits „Polizei“ und „Stehen bleiben“ und forderte den Beschwerdeführer überdies zum „Alkotest“ auf.

Dem Beschwerdeführer war somit klar bzw. musste ihm klar sein, dass ein Polizeibeamter ihn zur Untersuchung seiner Atemluft auf Alkohol auffordert. Indem er jedoch nicht stehen blieb, sondern in ein Stallgebäude flüchtete, verweigerte er die Untersuchung seiner Atemluft.

Der Beschwerdeführer hat somit das objektive Tatbild des § 5 Abs. 2 Z 1 StVO 1960 iVm §99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 erfüllt.

Im Zusammenhang mit Ungehorsamsdelikten iSd § 5 Abs. 1 VStG, bei welchen gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Satz leg. cit. von vornherein die Vermutung des Verschuldens (in Form fahrlässigen Verhaltens) besteht, ist es Sache des Beschuldigten, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Begehung der Verwaltungsübertretung kein Verschulden traf und initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht (vgl. VwGH vom 11. Jänner 2018, Ra 2017/11/0152). Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch die Beibringung von Beweismitteln bzw. die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für eine Glaubhaftmachung im Sinn des § 5 Abs. 1 VStG nicht aus (VwGH 27.06.2017, Ra 2014/05/0050, mwN). Es ist nicht glaubhaft gemacht worden und auch sonst nicht hervorgekommen, dass die beschwerdeführende Partei kein Verschulden trifft.

Die Bestrafung erfolgte somit dem Grunde nach zu Recht.

3.1.4.  Zur Strafhöhe:

Mit dem angefochtenen Spruchpunkt wurde die gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 vorgesehene Mindeststrafe verhängt.

Die Verhängung der Mindeststrafe kommt nach der Rechtsprechung (eigentlich) nur dann in Betracht, wenn entweder die mit der Tat verbundene Schädigung oder Gefährdung der Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sehr gering war, die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe überwiegen, das Verschulden entsprechend gering ist oder die in § 19 Abs. 2 letzter Satz VStG angeführten persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten die Verhängung der Mindeststrafe rechtfertigen (vgl. VwGH vom 18. April 2017, Ra 2016/02/0061).

Schon weil derartige Gründe, die die Verhängung der Mindeststrafe rechtfertigen könnten, im Beschwerdefall nicht zu erkennen sind, bedarf es keiner weiteren Begründung, ob die mit dem angefochtenen Straferkenntnis verhängte Mindeststrafe angemessen ist (vgl. zum Ganzen auch VwGH vom 23. März 2012, 2011/02/0244).

3.1.5.  Die Beschwerde gegen das Straferkenntnis ist daher als unbegründet abzuweisen.

3.2.  Zum Kostenausspruch:

Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG ist in jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat; dieser Beitrag ist für das Beschwerdeverfahren mit 20% der verhängten Geldstrafe, hier somit mit 320 Euro zu bemessen.

3.3.  Zum angefochtenen Bescheid betreffend Entziehung der Lenkberechtigung samt begleitender Maßnahmen:

3.3.1.  Zum Vorliegen einer „bestimmten Tatsache“ iSd § 7 FSG:

Gemäß § 7 Abs. 1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird (Z 1).

Gemäß § 7 Abs. 3 Z 1 gilt als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 insbesondere, wenn jemand ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat.

Gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen u.a. die Verkehrszuverlässigkeit nicht mehr gegeben ist, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

Unabdingbare Voraussetzung für die Verneinung der Verkehrszuverlässigkeit und sohin für den Entzug der Lenkberechtigung ist, wie der klare Gesetzeswortlaut des § 7 Abs. 1 FSG zum Ausdruck bringt, das Vorliegen zumindest einer bestimmten Tatsache iSd § 7 Abs. 3 FSG (vgl. VwGH vom 23. November 2011, 2009/11/0263).

Im Unterschied zur Tatbestandsvoraussetzung der Verwaltungsübertretung des § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO 1960 (Verweigerung der Untersuchung der Atemluft auf den Alkoholgehalt), für die nach dem Wortlaut der letztgenannten Bestimmung der Verdacht ausreicht, der Beschuldigte habe das Kraftfahrzeug in alkoholisiertem Zustand gelenkt (vgl. den Beschluss Ra 2020/02/0145), ist für die an dieses Delikt anknüpfende Rechtsfolge der Entziehung der Lenkberechtigung gemäß § 7 Abs. 3 Z 1 FSG 1997 bzw. § 26 Abs. 2 Z 2 FSG 1997 zusätzlich Voraussetzung, dass der Betreffende – tatsächlich – ein Kraftfahrzeug auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt oder in Betrieb genommen hat, wozu im Führerscheinverfahren entsprechende Feststellungen zu treffen sind. Es ist aber nicht Tatbestandsvoraussetzung des § 7 Abs. 3 Z 1 bzw. § 26 Abs. 2 Z 2 FSG 1997, dass der Betreffende das Kraftfahrzeug tatsächlich „in alkoholisiertem Zustand gelenkt hat“. Eine solche Auslegung wäre auch weder mit dem Wortlaut noch mit dem Zweck der Untersuchung der Atemluft auf den Alkoholgehalt vereinbar, soll diese Untersuchung doch gerade der Feststellung dienen, ob das Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt wurde, sodass die Alkoholisierung nicht gleichzeitig Voraussetzung einer solchen Untersuchung sein kann (vgl. VwGH vom 05. Juli 2021, Ra 2020/11/0128).

Nach den Feststellungen und den zuvor erfolgten Ausführungen betreffend das Straferkenntnis hat der Beschwerdeführer eine Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO 1960 zu verantworten und in diesem Zusammenhang überdies auch tatsächlich ein Kraftfahrzeug auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt.

Er liegt somit eine bestimmte Tatsache iSd § 7 Abs. 3 Z 1 FSG betreffend den Beschwerdeführer vor.

3.3.2.  Zur Entziehungsdauer:

3.3.2.1.  Gemäß § 25 Abs. 1 FSG ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. Gemäß Abs. 3 ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) eine Entziehungsdauer von mindestens 3 Monaten festzusetzen.

Grundsätzlich ist gemäß § 7 Abs. 1 FSG zur Prüfung der Verkehrszuverlässigkeit auch eine Wertung der als erwiesen angenommenen bestimmten Tatsachen vorzunehmen, wobei gemäß § 7 Abs. 4 FSG für diese Wertung die Verwerflichkeit der bestimmten Tatsache, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurde, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend sind.

Die in § 26 FSG umschriebenen Sonderfälle der Entziehung der Lenkberechtigung bilden insofern eine Ausnahme von den §§ 24 Abs. 1 und 25 FSG, als die Wertung jener bestimmten Tatsachen, in Ansehung derer im Gesetz selbst die Entziehungsdauer mit einem fixen Zeitraum normiert ist, zu entfallen hat (vgl. VwGH vom 27. Mai 2014, 2013/11/0112). Bei Vorliegen der in § 26 Abs. 1 bis 3 FSG umschriebenen Voraussetzungen ist daher jedenfalls eine Entziehung der Lenkberechtigung für den jeweils vorgesehenen fixen Zeitraum bzw. Mindestzeitraum auszusprechen (vgl. VwGH vom 27. Jänner 2014, 2013/11/0211).

Hieraus folgt, dass dem Beschwerdeführer aufgrund der Begehung eines Delikts gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 die Lenkberechtigung jedenfalls für einen Zeitraum von sechs Monaten zu entziehen ist.

3.3.2.2.  Entsprechend der ständigen Judikatur, stehen die normierten Mindestentziehungszeiten dem Ausspruch einer Entziehung für einen längeren Zeitraum dann nicht entgegen, wenn Umstände vorliegen, die auf Grund der Verwerflichkeit und Gefährlichkeit der strafbaren Handlung die Prognose der Verkehrsunzuverlässigkeit für einen über den Mindestentziehungszeitraum hinausreichenden Zeitraum rechtfertigen und somit die Festsetzung einer längeren Entziehungsdauer erforderlich machen. Die Festsetzung einer längeren Entziehungsdauer hat nach der allgemeinen Regel des § 25 Abs. 3 FSG zu erfolgen, d.h. nur für einen Zeitraum bestehender Verkehrsunzuverlässigkeit (vgl. zB vom VwGH vom 29. März 2011, 2011/11/0039).

Wenn der Betreffende zusätzlich zur Begehung eines Alkoholdelikts auch einen Verkehrsunfall verschuldet hat, so kann dies bei der Verkehrsunzuverlässigkeitsprognose zu seinen Lasten berücksichtigt werden und das Überschreiten der Mindestentziehungsdauer rechtfertigen. Gleiches muss gelten, wenn - unabhängig vom Verschulden eines Unfalls - der Betreffende Fahrerflucht begeht (vgl. VwGH vom 23. Jänner 2019, Ra 2018/11/0231).

Derartige Umstände, die eine über die Mindestentzugsdauer hinausgehende Verkehrsunzuverlässigkeit prognostizieren liegen im gegenständlichen Fall vor:

Zwar liegt nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts (und mangels diesbezüglicher Bestrafung offenkundig auch der Verwaltungsstrafbehörde) im Hinblick auf den Datenaustausch zwischen den Unfallbeteiligten keine „Fahrerflucht“ iSd § 4 Abs. 5 StVO 1960 vor, die ausgesprochene Entziehungsdauer erweist sich im Ergebnis aber dennoch als berechtigt.

Nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Verursachung eines Verkehrsunfalls zu Lasten des Betroffenen berücksichtigt werden und das Überschreiten der Mindestentziehungsdauer rechtfertigen (vgl. zB VwGH vom 23. Jänner 2019, Ra 2018/11/0231). Welche Bedeutung der Gesetzgeber der Verschuldung eines Verkehrsunfalls beimisst, zeigt sich in § 26 Abs. 1 Z 2 FSG, wonach bei einem Blutalkoholwert von 0,8 bis 1,2 Promille die dort normierte Mindestentziehungsdauer um zwei Monate erhöht wird, wenn der Lenker bei Begehung dieser Übertretung einen Verkehrsunfall verschuldet. Dabei kommt es nach dem Gesetzeswortlaut nicht darauf an, ob (bloß) ein Sachschaden oder (aber) ein Personenschaden verschuldet wurde. Der Gesetzgeber hat die (zusätzliche) Entziehungsdauer bei Verschuldung eines Verkehrsunfalles nicht dem Ermessen der Führerscheinbehörde überlassen, sondern fix mit zwei Monaten festgesetzt (siehe dazu § 7 Abs. 4 FSG, wonach es bei der Wertung der bestimmten Tatsache nicht auf deren Folgen ankommt).

3.3.2.3.  Das Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung ist insofern ein einheitliches, als die Behörde bei der Entziehung der Lenkberechtigung sämtliche Erteilungsvoraussetzungen zu beurteilen und in diesem Zusammenhang alle bis zur Bescheiderlassung verwirklichten Umstände zu berücksichtigen hat. Auch die Verwaltungsgerichte haben bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit alle relevanten Vorfälle, und zwar auch die im Zuge eines Entziehungsverfahrens verwirklichten, zu berücksichtigen. Die VwG haben daher nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Entziehungsverfahrens während eines anhängigen Beschwerdeverfahrens verwirklichte Umstände bereits in ihrer Entscheidung über eine Beschwerde gegen eine Entziehung der Lenkberechtigung wegen Verkehrsunzuverlässigkeit zu berücksichtigen (vgl. VwGH vom 30. Jänner 2020, Ra 2019/11/0090).

Die mit der Entziehung der Lenkberechtigung befasste Behörde bzw. das Verwaltungsgericht hat, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung (noch) keine sie bindende, rechtskräftige, über die Begehung der als Grundlage der Entziehung angenommenen, eine bestimmte Tatsache darstellenden Übertretung absprechende Strafentscheidung vorliegt, die Frage, ob das in Rede stehende Delikt begangen wurde, als Vorfrage nach § 38 AVG selbständig zu prüfen und rechtlich zu beurteilen (VwGH vom 26. Juli 2018, Ra 2018/11/0085).

Gemäß § 29 Abs. 3 FSG ist nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Entziehungsbescheides ist der über die entzogene Lenkberechtigung ausgestellte Führerschein, sofern er nicht bereits abgenommen wurde, unverzüglich der Behörde abzuliefern.

Da den Rechtsmitteln des Beschwerdeführers gegen den Mandatsbescheid und den angefochtenen Bescheid keine aufschiebende Wirkung zukam, bestand ab Zustellung des Mandatsbescheids am 19. November 2020 die Verpflichtung des Beschwerdeführers zur Ablieferung des über die entzogene Lenkberechtigung ausgestellten Führerscheins (vgl. VwGH vom 02. September 2019, Ra 2018/02/0003). Die Verpflichtung zur Ablieferung der Lenkberechtigung besteht als Dauerdelikt so lange, als die im Entziehungsbescheid ausgesprochene Entziehungsdauer währt oder bis der Entziehungsbescheid auf andere Weise außer Kraft tritt (vgl. VwGH 16.9.2011, 2010/02/0245). Eine Verpflichtung zur unverzüglichen Ablieferung bedeutet „ohne Verzug“, damit ist der Beginn der Ablieferungspflicht klar (VwGH vom 02. September 2019, Ra 2018/02/0003).

Im Zusammenhang mit Ungehorsamsdelikten iSd § 5 Abs. 1 VStG (wie hier), bei welchen gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Satz leg. cit. von vornherein die Vermutung des Verschuldens (in Form fahrlässigen Verhaltens) besteht, ist es Sache des Beschuldigten, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Begehung der Verwaltungsübertretung kein Verschulden traf und initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht (vgl. VwGH vom 11. Jänner 2018, Ra 2017/11/0152). Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch die Beibringung von Beweismitteln bzw. die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für eine Glaubhaftmachung im Sinn des § 5 Abs. 1 VStG nicht aus (VwGH 27.06.2017, Ra 2014/05/0050, mwN).

Es ist nicht glaubhaft gemacht worden und auch sonst nicht hervorgekommen, dass Beschwerdeführer kein Verschulden trifft. Auch die allfällige Auskunft des Rechtsanwalts, wonach der Beschwerdeführer den Führerschein nicht abliefern müsse, stellt keinen Schuldausschließungsgrund dar, musste der Beschwerdeführer doch aufgrund der im angefochtenen Bescheid explizit angeführten gegenteiligen Belehrung zumindest Zweifel an dieser Auskunft haben (vgl. VwGH vom 12. August 2014, 2013/10/0203, oder vom 24. April 2006, 2005/09/0021).

Der Beschwerdeführer hat somit über einen Zeitraum von etwa 4,5 Monaten eine Übertretung des § 29 Abs. 3 FSG begangen und auch zu verantworten.

Seinen Führerschein hat er erst abgeliefert, als dies an seiner Wohnadresse von einem von der belangten Behörde beauftragten Polizisten von Angesicht zu Angesicht verlangt wurde. Dieser Umstand, insbesondere die lange Dauer der Nichterfüllung seiner Verpflichtung, ist bei der Beurteilung seiner Verkehrszuverlässigkeit ebenfalls zu berücksichtigen.

3.3.2.4.  Weiters ist bei der Prognose der Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers auch zu berücksichtigen, dass er nach dem von ihm verschuldeten Verkehrsunfall mit Sachschaden die Kennzeichen abmontiert und sein Kfz in diesem Zustand zu der etwa zehn Autominuten entfernten Wohnadresse gelenkt und dort abgestellt hat; hierfür wurde er mit dem zweiten Spruchpunkt des angefochtenen Straferkenntnisses bereits rechtskräftig wegen einer Übertretung des § 36 lit. b KFG 1967 bestraft.

3.3.2.5.  Nach dem Vorgesagten kann die von der belangten Behörde angenommene Verkehrsunzuverlässigkeit bis 19. August 2021, somit für einen Zeitraum von etwas mehr als neun Monaten ab dem Vorfallstag (01. November 2020), im Ergebnis nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3.3.3.  Zu den angeordneten begleitenden Maßnahmen:

Die Anordnung einer Nachschulung, der Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8 und einer verkehrspsychologischen Stellungnahme ergibt sich zwingend aus § 24 Abs. 3 FSG.

3.3.4.  Die Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Entziehung der Lenkberechtigung ist somit als unbegründet abzuweisen.

3.4.  Zur Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der zitierten und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. sich auf den eindeutigen und klaren Gesetzeswortlaut stützen kann (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision in derartigen Fällen zB VwGH vom 29. Juli 2015, Ra 2015/07/0095).

Nicht revisibel sind im Regelfall auch die hier sonst vorliegenden Fragen der Beweiswürdigung (zB VwGH vom 14. März 2019, Ra 2019/18/0068) und der Strafbemessung (zB VwGH vom 22. Februar 2018, Ra 2017/09/0050).

Die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung hat eine begründete Prognose über die Dauer des Mangels der Verkehrsunzuverlässigkeit des von der Maßnahme Betroffenen widerzuspiegeln; diese notwendig einzelfallbezogene Prognose ist im Allgemeinen ebenfalls nicht revisibel (zB VwGH vom 10. Mai 2017, Ra 2017/11/0042).

Schlagworte

Verkehrsrecht; Kraftfahrrecht; Lenkberechtigung; Entziehung; Verkehrszuverlässigkeit; Entziehungsdauer; Prognose; Nachschulung; Verwaltungsstrafe;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.S.1418.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.12.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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