Entscheidungsdatum
11.08.2021Norm
KFG 1967 §57a Abs2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Binder als Einzelrichterin über die Beschwerde der A GmbH, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen den Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 15. Februar 2021, Zl. ***, betreffend Widerruf der Ermächtigung zur wiederkehrenden Begutachtung von Fahrzeugen gemäß § 57a Abs. 2 Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967) in der Begutachtungsstelle ***, ***, zu Recht:
1. Gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
1. Gemäß § 57a Abs. 2a KFG 1967 wird folgende Anordnung erteilt:
„Sie haben bei der wiederkehrenden Begutachtung und der Ausstellung von Prüfgutachten mehr Sorgfalt aufzuwenden, im Besonderen den Genehmigungsumfang und die Vorgaben des Mängelkataloges in der jeweils geltenden Fassung einzuhalten. Insbesondere haben Sie darauf zu achten, dass ein vollständiger Nachweis über den Verbleib verlochter oder unbrauchbarer Begutachtungsplaketten erbracht werden kann und dass die Emissionen von Dieselmotoren gemäß den Vorgaben des vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie genehmigten Mängelkataloges idF 2019, insbesondere Punkt 8.2.2 Emissionen von Dieselmotoren, samt Ergänzungen entsprechend dem jeweiligen Stand der
Technik geprüft werden. Um dies zu gewährleisten, ist ein geeignetes, nachvollziehbares Qualitätssicherungssystem dauerhaft einzurichten.“
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Mit Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 15. Februar 2021, Zl. ***, wurde über die erteilte Ermächtigung zur wiederkehrenden Begutachtung von Fahrzeugen der A GmbH gemäß § 57a Abs. 2 KFG 1967 wie folgt verfügt:
„Die mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 14. April 1994, ***, erteilte, mit Feststellungsbescheid vom 9. Februar 1999, ***, auf Sie übergegangene und mit Bescheid vom 22. März 2017, ***, erweiterte
Ermächtigung zur wiederkehrenden Begutachtung von Fahrzeugen
in der Begutachtungsstelle in ***, ***,
wird widerrufen.
Die vorhandenen Begutachtungsplaketten sind unverzüglich nach Rechtskraft dieses Bescheides an die Landespolizeidirektion Niederösterreich, Polizeikommissariat ***, ***, ***, zurückzustellen. Ebenso unverzüglich ist die auf die Begutachtungsstelle verweisende Prüfstellentafel zu entfernen.
Die der Begutachtungsstelle zugewiesene Begutachtungsstellennummer *** wird mit Rechtskraft dieses Bescheides gegenstandslos.“
In ihrer Begründung verwies die belangte Behörde auf den Berechtigungsumfang der nunmehrigen Rechtsmittelwerberin, auf die erteilten Mängelbehebungsaufträge vom 17. März 2017, Zl. ***, vom 22. März 2017, Zl. *** und vom 10. Oktober 2017, Zl. ***, sowie auf das Ergebnis der am 21. Jänner 2021 in der verfahrensgegenständlichen Prüfstelle durchgeführten Revision.
Nach Wiedergabe der Stellungnahme der Ermächtigung sowie Darstellung der Rechtsgrundlagen würdigte die Kraftfahrbehörde den Sachverhalt wie folgt:
„Die Behörde kann angesichts der Begutachtung nicht genehmigter Fahrzeugkategorien und der übrigen bei der Revision am 21. Jänner 2021 festgestellten (schweren) Mängel derzeit nicht davon ausgehen, dass Sie die Ihnen anvertraute hoheitliche Aufgabe entsprechend dem Schutzzweck des Gesetzes ausüben werden, zumal auch die Anordnungen vom 17. März 2017, 10. Oktober 2017 und 2. April 2019 keine hinreichenden Konsequenzen nach sich gezogen haben. Daran vermögen auch die im Anschluss an die Revision von Ihnen ergriffenen Maßnahmen nichts zu ändern.
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist in Hinblick auf die besondere Stellung einer nach § 57a Abs. 2 KFG 1967 ermächtigten Stelle bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit ein strenger Maßstab anzulegen.“
2. Zum Beschwerdevorbringen:
Die vom Widerruf der Ermächtigung Betroffene erhob gegen diese behördliche Entscheidung durch ihre rechtsfreundliche Vertretung fristgerecht Beschwerde und beantragte die ersatzlose Behebung der behördlichen Erledigung.
Begründet wurde dieser Antrag auszugsweise wie folgt:
„Zwecks Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit zum Zeitpunkt der Entscheidung durch die Behörde wäre die Anberaumung eines Lokalaugenscheines unter Beiziehung eines Amtssachverständigen sowie eines KFZ-technischen Sachverständigen notwendig gewesen und wäre auch die Geschäftsführung einzuvernehmen gewesen. Es gilt die Manuduktionspflicht.
Es werden hinkünftig die Qualitätssicherungsmaßnahmen und die Betreuung durch die C OG sichergestellt und gewährleistet, dass die Begutachtungen in Entsprechung der gesetzlichen Bestimmungen ordnungsgemäß vorgenommen werden.
Bei einer Entscheidung hinsichtlich der Erteilung einer Ermächtigung nach § 57a Abs. 2 KFG 1967 handelt es sich um das Ergebnis einer Beurteilung des Gesamtverhaltens des Betroffenen, nämlich den Rückschluss auf das zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegende Persönlichkeitsbild des Antragstellers.Bei richtiger Beurteilung der Rechtssache wäre Vertrauenswürdigkeit der Beschwerdeführerin anzunehmen. Hätte die belangte Behörde diesbezüglich ein Ermittlungsverfahren geführt, einen Lokalaugenschein vorgenommen und einen Amtssachverständigen aus dem Fach KFZ-Technik/Überprüfung von wiederkehrenden Begutachtungen beigezogen, wäre die belangte Behörde zur Ansicht gelangt, dass von den Voraussetzungen für die wiederkehrende Begutachtung gemäß § 57a KFG für den Standort ***, ***, auszugehen ist. Dem aufgezeigten Verfahrensfehler kommt daher Ergebnisrelevanz zu.
Ausdrücklich wird Bezug genommen auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, GZ 83/11/0167, vom 19.09.1984. Der Verwaltungsgerichtshof führt aus, dass die Vertrauenswürdigkeit zum Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides zu beurteilen ist.
Beweis: wie bisher
Sachverständigengutachten
Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.09.1984, GZ
83/11/0162
Die angefochtene Entscheidung widerspricht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.
b) inhaltliche Rechtswidrigkeit
Die Beschwerdeführerin erlaubt sich der Einfachheit halber auf die Ausführungen zu a) zu verweisen und werden diese Ausführungen zu Rüge der inhaltlichen Rechtswidrigkeit erhoben.
Durch die getroffenen Maßnahmen ist sichergestellt, dass sämtliche Anforderungen erfüllt sind und korrekte Begutachtungen nach § 57a Abs. 2 KFG sichergestellt sind. Die Beschwerdeführerin wird auch unterstützt/betreut und geprüft von einer fachkundigen Unternehmensberatung. All diese Maßnahmen sind bei der Beurteilung der aktuellen Vertrauenswürdigkeit im Hinblick auf die zu treffende Prognoseentscheidung zu berücksichtigen und geben Grund zur Annahme, dass die Beschwerdeführerin die Aufgaben entsprechend dem Schutzzweck des Gesetztes, nämlich der Gewährleistung, dass nur betriebstauglich und verkehrssichere sowie nicht übermäßige Schadstoffemissionen-verursachende Fahrzeuge am Verkehr teilnehmen, erfüllt. Es kann nicht von einer Vertrauensunwürdigkeit der Beschwerdeführerin ausgegangen werden (VwGH 27.3.2008, 2005/11/0193).
Aufgrund der getroffenen Qualitätssicherung zur Maßnahme und ständig laufenden Überprüfung/Kontrollen kann von einer Vertrauensunwürdigkeit der Beschwerdeführerin nicht ausgegangen werden.
Die Beschwerdeführerin verfügt über alle wiederkehrenden, für die Begutachtung erforderlichen, Einrichtungen und sorgt aufgrund der fachspezifischen Begleitung/Überprüfung dafür, dass sämtliche faktischen und gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Hinzu kommt, dass auch im Hinblick auf die vorzunehmende Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit der Beschwerdeführerin die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks geboten ist.
Der angefochtene Bescheid ist sohin auch mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet.
Die rechtliche Schlussfolgerung, dass eine Vertrauensunwürdigkeit vorliegt, ist unrichtig.“
3. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Mit Schreiben der Kraftfahrbehörde vom 04. März 2021, Zl. ***, wurde von der belangten Behörde die Beschwerde der A GmbH gegen den Bescheid vom 15. Februar 2021 mit dem Ersuchen um eine Entscheidung vorgelegt. Es wurde mitgeteilt, dass von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung kein Gebrauch gemacht werde. Vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich wurde Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den verwaltungsbehördlichen Akt, insbesondere in das Gutachten zur Revision vom 21. Jänner 2021.
Mit Schreiben der Kraftfahrbehörde vom 11. März 2021 wurde im Nachtrag eine am 09. März 2021 bei der belangten Behörde eingelangte (anonyme) Mitteilung übermittelt, in welcher insbesondere behauptet wurde, dass beim Gutachten-Nr. *** zu Unrecht eine Abgasüberprüfung mittels EOBD geführt worden wäre.
Mit Schriftsatz vom 14. April 2021 äußerte sich die Beschwerdeführerin im Wesentlichen dahingehend, dass das Fahrzeug als erstmalige Zulassung den 25. Februar 2011 aufweise, weshalb eine Abgasdiagnose per OBD positiv durchgeführt hätte werden können. Am 24. März 2021 sei bei der Beschwerdeführerin ein § 57a-Revisions-Check mit dem Ergebnis durchgeführt worden, dass eine Verbesserung für den Zeitraum nach der behördlichen Revision dabei deutlich festgestellt hätte werden können. Diesem Schriftsatz wurde das Gutachten der C, erstellt von D, vom 07. April 2021, RCNr. ***, angeschlossen. Dieses Prüfergebnis wurde in weiterer Folge der belangten Behörde zum Parteiengehör übermittelt und langte innerhalb der vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich aufgetragenen Frist keine Stellungnahme zu diesem Gutachten ein.
4. Feststellungen:
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 14. April 1994, Zl. ***, wurde in Verbindung mit dem Feststellungsbescheid vom 09. Februar 1999, Zl. ***, die A GmbH ermächtigt, Fahrzeuge näher bezeichneter Fahrzeugklassen in der Prüfstelle in ***, ***, wiederkehrend zu begutachten. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 22. März 2017, Zl. ***, wurde diese Ermächtigung erweitert.
Es lag der Verdacht nahe, dass die durch die Beschwerdeführerin vorgenommene Überprüfung des Fahrzeuges der Marke Ford Fiesta mit dem Kennzeichen *** am 14. Oktober 2016 gemäß § 57a Abs. 4 KFG 1967, Gutachten Nr. ***, nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Die Kraftfahrbehörde holte ein kraftfahrzeugtechnisches Gutachten vom 25. Jänner 2017, Zl. ***, ergänzt am 03. Februar 2017, Zl. ***, ein und erteilte mit Schreiben vom 17. März 2017, Zl. ***, folgende Anordnung zur Mängelbehebung:
„Aufgrund dessen werden nach § 57a Abs. 2a KFG 1967 folgende
A N O R D N U N G E N
getroffen:
? Sie haben bei der wiederkehrenden Begutachtung und der Ausstellung von Prüfgutachten mehr Sorgfalt aufzuwenden und die Gutachten richtig auszufüllen.
? Sie haben sicherzustellen, dass die gutachterliche Beurteilung des technischen Fahrzeugzustandes auf einer tatsächlich durchgeführten, umfassenden Prüfungsbefundung beruht.
Sollten Sie den vorstehenden Anordnungen nicht nachkommen, würde dies schwerwiegende Bedenken hinsichtlich Ihrer Vertrauenswürdigkeit begründen und hätten Sie gegebenenfalls mit einem Widerruf der Ihnen erteilten Ermächtigung zur wiederkehrenden Begutachtung von Fahrzeugen gemäß § 57a Abs. 2 KFG 1967 zu rechnen.
Sie werden ausdrücklich darauf hingewiesen, dass den zur Ausstellung von Gutachten gemäß § 57a Abs. 4 KFG 1967 Befugten Beamteneigenschaft zukommt, die Begutachtung von Fahrzeugen eine hoheitliche Tätigkeit darstellt und ihre missbräuchliche Ausübung den Tatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt (§ 302 Strafgesetzbuch - StGB) herstellt.“
Der gemäß § 56 KFG 1967 durchgeführten Überprüfung des Fahrzeuges der Marke Ford Fiesta mit dem Kennzeichen *** liegt eine Anzeige einer KFZ-Werkstätte zugrunde, welche am 23. Dezember 2016 bei diesem Fahrzeug einen Wintercheck durchgeführt hat. Bei der gemäß § 56 KFG 1967 veranlassten Begutachtung am 03. Februar 2017 konnte bei einigen von Herrn E angezeigten Mängeln nicht festgestellt werden, dass diese Mängel bereits im Zeitpunkt der Gutachtenserstellung durch die Beschwerdeführerin vorhanden waren, da vom kraftfahrtechnischen Amtssachverständigen ua festgestellt wurde, dass im Bereich großflächiger Durchrostungen an den Schwellern links und rechts, am Rahmen hinten links sowie im Boden rechts vorne bei der Wagenheberaufnahme gewaltsame Öffnungen, etwa mit einem Montiereisen, stattgefunden haben.
Der kraftfahrtechnische Amtssachverständige verwies in seinem Gutachten vom 03. Februar 2017, Zl. ***, auf folgende Bestimmung der PBStV:
„Bei der Überprüfung ist es notwendig, die Festigkeit der Blechteile zu überprüfen. Dies erfolgt mit einem geeigneten Gegenstand (z.B. stumpfer Schraubendreher), der mit angemessener Prüfkraft gegen die Blechteile geführt wird. Eine geringe Beschädigung des Unterbodenschutzes ist bei dieser Prüfung unvermeidbar. Werden Stellen gefunden, wo das Blech durchstoßen werden kann, so ist der Bereich dieser Schadenstelle durch einige weitere Versuche abzugrenzen. Dabei sollten nicht mehr Versuche unternommen werden, als zur endgültigen Beurteilung des Mangels notwendig sind.
Keinesfalls sollte durch Herausbrechen von geschwächten Blechteilen die ganze Schadenstelle freigelegt werden. Sofern Mängel, die kontinuierlich fortschreiten können, bereits deutlich bemerkbar sind, aber nach dem Ermessen des Prüfers noch keine Beeinträchtigung der Verkehrs- und Betriebssicherheit darstellen, sind diese als leichte Mängel einzutragen.“
Am 22. August 2017 führten Amtssachverständige für technische Fahrzeugangelegenheiten des Amtes der NÖ Landesregierung eine unangekündigte Revision in der Begutachtungsstelle durch und wurde dabei folgendes festgestellt:
„[…]
2. Begutachtungsplaketten SM LM IO
[…]
- Unvollständig (aus Serie fehlen Plaketten)
Plakettenstapel laut Plakettenlagerstand *** - ***.
Die Begutachtungsplakette mit der Nr. *** war im Betrieb nicht auffindbar.
[…]
4. Gutachten SM LM IO
[…]
- fehlende Eintragungen im Gutachten
Bei einem Fahrzeug der Klasse O2 wurden im Gutachten (EBV-Nr. ***) keine Bremswerte eingetragen, obwohl dieses Fahrzeug über eine Bremsanlage verfügt.
[…]
Stellungnahme des Vertreters der Firma (Herr/Frau )
Laut Aussage von Herrn F wird der Verlust der Begutachtungsplakette mit der Nr. *** sofort angezeigt.
[…]“
In weiterer Folge erteilte die Kraftfahrbehörde mit Schreiben vom 10. Oktober 2017, Zl. ***, folgenden Mängelbehebungsauftrag:
„Aufgrund der bei der Revision vom 22. August 2017 festgestellten Mängel sowie des Umganges mit den Begutachtungsplaketten werden Ihnen gemäß § 57a Abs. 2a KFG 1967 die folgenden
A N O R D N U N G E N
erteilt:
1. Sie haben bei der wiederkehrenden Begutachtung und der Ausstellung von Prüfgutachten mehr Sorgfalt aufzuwenden und die Gutachten richtig und vollständig auszufüllen.
2. Sie haben sicherzustellen, dass die gutachterliche Beurteilung des technischen Fahrzeugzustandes auf einer tatsächlich durchgeführten, umfassenden Prüfungsbefundung beruht. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Bremsenprüfung bei der wiederkehrenden Begutachtung von Fahrzeugen sorgfältig und ordnungsgemäß entsprechend den dafür geltenden Vorschriften durchgeführt wird und dabei die Vorgaben des Mängelkatalogs eingehalten werden.
3. Sie haben dafür zu sorgen, dass die Begutachtungsplaketten ordnungsgemäß (verschlossen) aufbewahrt werden. Ferner haben Sie alle Personen, die Zugang zu ihnen haben, zu einem sorgfältigen Umgang damit anzuhalten, um einen Verlust der Plaketten zu verhindern.
Sollten Sie den vorstehenden Anordnungen nicht nachkommen, würde dies schwerwiegende Bedenken hinsichtlich Ihrer Vertrauenswürdigkeit begründen und hätten Sie gegebenenfalls mit einem Widerruf der Ihnen erteilten Ermächtigung zur wiederkehrenden Begutachtung von Fahrzeugen gemäß
§ 57a Abs. 2 KFG 1967 zu rechnen, zumal Ihnen bereits mit 17. März 2017 Anordnungen zur Mängelbehebung erteilt wurden.
Sie werden ausdrücklich darauf hingewiesen, dass den zur Ausstellung von Gutachten gemäß § 57a Abs. 4 KFG 1967 Befugten Beamteneigenschaft zukommt, die Begutachtung von Fahrzeugen eine hoheitliche Tätigkeit darstellt und ihre missbräuchliche Ausübung den Tatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt (§ 302 Strafgesetzbuch – StGB) herstellt.“
In weiterer Folge fand am 12. März 2019 in der verfahrensgegenständlichen Prüfstelle abermals eine Revision im Auftrag der belangten Behörde statt, bei welcher Folgendes festgestellt wurde:
„[…]
4. Gutachten SM LM IO
[…]
- fehlende Eintragungen im Gutachten ? ? ?
Bei zwei Gutachten wurden keine Bremswerte der Feststellbremse eingegeben, siehe Anlage Feststellbremse.
[…]“
Mit Schreiben der Kraftfahrbehörde vom 02. April 2019, Zl. ***, erging an die Rechtsmittelwerberin folgender Mängelbehebungsauftrag:
„Aufgrund der bei der Revision vom 12. März 2019 festgestellten Mängel werden Ihnen gemäß § 57a Abs. 2a KFG 1967 die folgenden
A N O R D N U N G E N
erteilt:
1. Sie haben bei der wiederkehrenden Begutachtung und der Ausstellung von Prüfgutachten mehr Sorgfalt aufzuwenden und die Gutachten richtig und vollständig auszufüllen.
2. Sie haben sicherzustellen, dass die gutachterliche Beurteilung des technischen Fahrzeugzustandes auf einer tatsächlich durchgeführten, umfassenden Prüfungsbefundung beruht. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Bremsenprüfung bei der wiederkehrenden Begutachtung von Fahrzeugen sorgfältig und ordnungsgemäß entsprechend den dafür geltenden Vorschriften durchgeführt wird und dabei die Vorgaben des Mängelkatalogs eingehalten werden.
Sollten Sie den vorstehenden Anordnungen nicht nachkommen, würde dies schwerwiegende Bedenken hinsichtlich Ihrer Vertrauenswürdigkeit begründen und hätten Sie gegebenenfalls mit einem Widerruf der Ihnen erteilten Ermächtigung zur wiederkehrenden Begutachtung von Fahrzeugen gemäß § 57a Abs. 2 KFG 1967 zu rechnen, zumal Ihnen bereits mit Schreiben vom 17. März 2017 und vom 10. Oktober 2017 Anordnungen zur Mängelbehebung erteilt wurden.
Sie werden ausdrücklich darauf hingewiesen, dass den zur Ausstellung von Gutachten gemäß § 57a Abs. 4 KFG 1967 Befugten Beamteneigenschaft zukommt, die Begutachtung von Fahrzeugen eine hoheitliche Tätigkeit darstellt und ihre missbräuchliche Ausübung den Tatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt (§ 302 Strafgesetzbuch – StGB) herstellt.“
Am 21. Jänner 2021 fand in der verfahrensinkriminierten Prüfstelle im Auftrag der Kraftfahrbehörde abermals eine Revision betreffend den Zeitraum 01. Jänner 2020 bis 21. Jänner 2021 statt und wurde Folgendes festgestellt:
Im Überprüfungszeitraum wurden drei Fahrzeuge der Fahrzeugklasse L7e begutachtet (Gutachten-Nr. ***, *** und ***), obwohl die Ermächtigung zur wiederkehrenden Begutachtung für Fahrzeuge dieser Fahrzeugklasse nicht erteilt wurde. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Ermächtigungsumfang wissentlich überschritten wurde.
Beim Ablösen der stornierten Plaketten von der Windschutzscheibe mit den Nrn. ***, *** und *** wurden diese vollständig zerstört. Anstatt die verbleibenden Fragmente von diesen zerstörten Begutachtungsplaketten im Betrieb aufzubewahren, wurden diese irrtümlich entsorgt. Auch wurde der Ablösevorgang nicht dokumentiert.
Bei den Gutachtenserstellungen zu den Nrn. *** sowie *** wurde beim Eingeben des Grenzwertes des Herstellers offensichtlich das Komma vergessen. Auf den Gutachten-Nrn. ***, *** und *** wurden bei der Abgasmessung bei der EBV-Eingabe bei „Nenndrehzahl“ nicht nachvollziehbare Werte eingegeben. Es kann nicht festgestellt werden, dass dadurch zu Unrecht ein positives Gutachten ausgestellt wurde.
Beim Gutachten-Nr. *** wurde anstatt der Fahrzeugklasse M1 die Fahrzeugkategorie „Sonst/hist“ gewählt, ohne dass dieser Fehler auf das Prüfergebnis einen Einfluss hatte.
Bei der Prüfung der Abbremsung der BBA bei den Gutachten-Nrn. ***, ***, *** sowie *** wurde insofern ein falsches Prüfgewicht der Begutachtung zu Grunde gelegt, als lediglich das Eigengewicht und nicht das tatsächliche Prüfgewicht bei der Bremsenprüfung herangezogen wurde. Es kann aber nicht festgestellt werden, dass durch diesen Fehler zu Unrecht ein positives Gutachten erstattet worden ist.
Bei neun Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotoren wurde die Abgasmessung nicht mit der Prüfdrehzahl gemäß Erlass GZ: BMVIT-185.506/0002-IV/ST5/2017 vom 06. September 2017 durchgeführt, nämlich bei der Abgasmessung eine Abregeldrehzahl vermerkt, welche unterhalb der erforderlichen Nenndrehzahl lag. Die Abgasmessung wurde somit nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Es kann nicht festgestellt werden, dass dadurch zu Unrecht ein positives Gutachten ausgestellt wurde.
In weiterer Folge wurden von der Unternehmensleitung zahlreiche Maßnahmen zur Vermeidung der festgestellten Überprüfungsmängel gesetzt, insbesondere wurden die involvierten Mitarbeiter auf eine exaktere Überprüfungstätigkeit sensibilisiert. Auch wurde ein externes Qualitätssicherheitssystem installiert.
5. Beweiswürdigung:
Diese Feststellungen ergeben sich aus dem Akt der Verwaltungsbehörde und werden von den Parteien grundsätzlich auch nicht in Abrede gestellt. Die zwischenzeitlich von der Rechtsmittelwerberin gesetzten Maßnahmen konnten aufgrund der Angaben in der Beschwerdeschrift getroffen werden, an dessen Richtigkeit das erkennende Gericht zu zweifeln keine Veranlassung hat.
Die Feststellungen zu den bisher erteilten Mängelbehebungsaufträgen ergeben sich aus dem behördlichen Akt. Das kraftfahrtechnische Gutachten vom 03. Februar 2017, Zl. ***, ergibt, dass das dem Mängelbehebungsauftrag vom 17. März 2017, Zl. ***, zu Grunde liegende Fahrzeug erstmals von Amtssachverständigen am 03. Februar 2017 überprüft und das Gutachten vom 25. Jänner 2017, Zl. ***, offensichtlich ohne Augenschein dieses Kraftfahrzeuges erstattet wurde. Die Feststellungen zu den gewaltsamen Öffnungen an diesem Auto konnten aufgrund der schlüssigen und fachlich begründeten Ausführungen des kraftfahrtechnischen Amtssachverständigen getroffen werden.
Grundsätzlich werden die vom kraftfahrtechnischen Amtssachverständigen bei der Revision am 21. Jänner 2021 festgestellten Mängel seitens der Beschwerdeführerin auch nicht in Abrede gestellt, insbesondere konnte der Verbleib einiger Plaketten nachvollziehbar geklärt werden bzw. dass die festgestellten Begutachtungsplaketten im Zuge des Ablösevorganges glaubhaft zerstört wurden.
Im Übrigen folgt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich den glaubwürdigen Angaben der Rechtsmittelwerberin hinsichtlich der Bemühungen, durch interne und externe Kontrollen die ordnungsgemäße Erstellung von Gutachten gemäß § 57a Abs. 4 KFG 1967 sicherzustellen.
Letztlich ist lediglich die Rechtsfrage strittig, ob aus den festgestellten Mängeln eine Vertrauensunwürdigkeit iSd § 57a Abs. 2 KFG 1967 abgeleitet werden kann.
6. Rechtslage:
§ 28 VwGVG regelt Folgendes:
(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
§ 17 VwGVG sieht vor:
Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Die relevante Bestimmung des § 57a Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG 1967) lautet auszugsweise wie folgt:
(2) Der Landeshauptmann hat für seinen örtlichen Wirkungsbereich auf Antrag Ziviltechniker oder technische Büros-Ingenieurbüros (§ 134 GewO) des einschlägigen Fachgebietes, Vereine oder zur Reparatur von Kraftfahrzeugen oder Anhängern berechtigte Gewerbetreibende, die hinreichend über hiezu geeignetes Personal und die erforderlichen Einrichtungen verfügen, zur wiederkehrenden Begutachtung aller oder einzelner Arten von Fahrzeugen gemäß Abs. 1 zu ermächtigen. Die Ermächtigung darf nur vertrauenswürdigen Personen verliehen werden. Bei der Ermächtigung ist auch auszusprechen, in welcher Weise die Prüfstellen erkennbar gemacht sein müssen. Der Ermächtigte hat Veränderungen hinsichtlich seines Personals und seiner Einrichtungen, soweit diese Voraussetzung für die Erteilung der Ermächtigung waren, unverzüglich dem Landeshauptmann anzuzeigen. Die Ermächtigung ist ganz oder nur hinsichtlich einzelner Arten von Fahrzeugen zu widerrufen, wenn der Ermächtigte nicht mehr vertrauenswürdig ist, nicht mehr über geeignetes Personal verfügt, seine Einrichtungen nicht den durch Verordnung festgesetzten Anforderungen entsprechen oder wenn eine der für die Erteilung der Ermächtigung erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr gegeben ist. Erforderlichenfalls kann der Ausschluss bestimmter geeigneter Personen von dieser Tätigkeit angeordnet werden. Durch Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie ist festzusetzen, unter welchen Voraussetzungen eine Person als zur Durchführung der wiederkehrenden Begutachtung unter Berücksichtigung der Fahrzeugarten geeignet zu gelten hat und welche Einrichtungen nach dem jeweiligen Stand der Technik zur wiederkehrenden Begutachtung unter Berücksichtigung der Fahrzeugarten erforderlich sind.
(2a) Der Landeshauptmann hat regelmäßig zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Ermächtigung noch gegeben sind und ob die Begutachtungen ordnungsgemäß durchgeführt werden. Insbesondere bei zur Reparatur von Fahrzeugen berechtigten Gewerbetreibenden hat er auf die Objektivität der Begutachtung zu achten. Er kann Anordnungen zur Behebung von Mängeln treffen. Den Anordnungen des Landeshauptmannes ist unverzüglich zu entsprechen.
[…]
Nach dieser gesetzlichen Bestimmung hat der Landeshauptmann die Ermächtigung zur wiederkehrenden Begutachtung von Kraftfahrzeugen unter anderem dann zu widerrufen, wenn der ermächtigte Gewerbetreibende nicht mehr vertrauenswürdig ist.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Gewerbetreibender dann als vertrauenswürdig im Sinne des § 57a Abs. 2 KFG 1967 anzusehen, wenn ausreichend Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, die Kraftfahrbehörde könne sich darauf verlassen, dass er die ihm übertragene Verwaltungsaufgabe entsprechend dem Schutzzweck des Gesetzes – der Gewährleistung, dass nur verkehrs- und betriebssichere sowie nicht übermäßig Emissionen verursachende Fahrzeuge am öffentlichen Verkehr teilnehmen – ausüben werde (vgl. VwGH 22.11.1994, 94/11/0221).
Insbesondere die unrichtige Ausstellung positiver Gutachten beeinträchtigt die Vertrauenswürdigkeit in hohem Maß (vgl. VwGH 18.12.1985, 85/11/0077). Unter besonderen Umständen kann bereits die Erstellung eines unrichtigen Gutachtens die Vertrauenswürdigkeit des betreffenden Gewerbebetreibenden erschüttern (vgl. VwGH 02.07.1991, 91/11/0026 mwN). Davon ist die Erstellung mangelhafter Gutachten, insbesondere solcher, welche aus mangelnder Sorgfalt unrichtige Daten enthalten oder unvollständig erstellt wurden, zu unterscheiden, wie wohl auch eine nicht ausreichende Gewissenhaftigkeit im Rahmen der Ausübung der übertragenen Aufgaben die Vertrauenswürdigkeit des Ermächtigten erschüttern kann.
Werden innerhalb relativ kurzer Zeit nicht bloß ein einziges, sondern eine ganze Reihe unrichtiger Gutachten durch einen zur wiederkehrenden Begutachtung von Kraftfahrzeugen ermächtigten Gewerbetreibenden erstellt, kann von einem „einmaligen“ Fehlverhalten nicht die Rede sein (LVwG NÖ 29.11.2016, LVwG-AV-808/001-2016).
Gemäß § 10 Abs. 4 Prüf- und Begutachtungsstellenverordnung (PBStV) hat die Fahrzeugbegutachtung entsprechend einem vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie genehmigten Mängelkatalog zu erfolgen. Dieser Mängelkatalog ist entsprechend dem jeweiligen Stand der Technik zu ergänzen. Die Beurteilung der festgestellten Mängel hat jedoch nach Anlage 6 zu erfolgen.
§ 10 Abs. 3a PBStV schreibt vor:
Werden im Zuge der Überprüfung oder Begutachtung eines Fahrzeuges Mängel festgestellt, die ein positives Gutachten und die Ausfolgung einer Begutachtungsplakette verhindern, so ist ein negatives Gutachten auszustellen. Im Falle einer Wiedervorführung des Fahrzeugs in derselben Prüf- oder Begutachtungsstelle innerhalb eines Zeitraumes von vier Wochen gerechnet ab dem Tag nach der seinerzeitigen Begutachtung müssen nur die Prüfpositionen neuerlich geprüft werden, bei denen diese Mängel festgestellt worden sind, sofern seither nicht mehr als 1 000 km zurückgelegt worden sind und das Fahrzeug keine offensichtlichen neuen Mängel, die ein positives Gutachten verhindern, aufweist (Nachprüfung). Für das positive Gutachten ist das Datum der Nachprüfung maßgeblich.
Der Widerruf einer nach § 57a Abs. 2 leg. cit. erteilten Ermächtigung stellt keine Strafe, sondern – entsprechend dem dargestellten Verwaltungszweck – eine Maßnahme zum Schutz der öffentlichen Verkehrssicherheit dar. Trotz einer nachträglichen eingetretenen Vertrauensunwürdigkeit eines nach § 57a Abs. 2 KFG 1967 Ermächtigten darf ein Widerruf nur ausgesprochen (bestätigt) werden, wenn – entsprechend den Grundsätzen im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.11.1983, 82/11/0270 – die Vertrauensunwürdigkeit noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes gegeben ist (vgl. VwGH 19.09.1984, 83/11/0167).
Der Verwaltungsgerichtshof hat auch betont, dass bei der Beurteilung der Ermächtigungsvoraussetzungen, insbesondere bei der Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit des Betriebsinhabers, jedenfalls ein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl. VwGH 18.12.1985, 85/11/0077). Auch hat die Dauer der begangenen Verfehlungen, deren Schwere, das Ergreifen von Maßnahmen, sowie die Einsichtigkeit des Ermächtigten in die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit einzufließen (so VwGH 17.06.2019, Ra 2019/11/0068).
Entscheidend bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit gem. § 57a Abs. 2 KFG 1967 ist, ob jemand die spezifische Vertrauenswürdigkeit besitzt, die von ihm erwartet werden darf, wenn er über eine Ermächtigung iSd § 57a Abs. 2 KFG 1967 verfügt oder sie erlangen will, soll doch das Erfordernis der Vertrauenswürdigkeit das Vorhandensein der nach der Eigenart des Gewerbes erforderlichen Eigenschaften der über die genannte Ermächtigung verfügenden Person gewährleisten. Wesentlich ist also, ob das bisherige Verhalten des Betreffenden auf ein Persönlichkeitsbild schließen lässt, das mit jenen Interessen im Einklang steht, deren Wahrung der Behörde im Hinblick auf den Schutzzweck des Gesetzes – nämlich zu gewährleisten, dass nur verkehrs- und betriebssichere sowie nicht übermäßig Emissionen verursachende Fahrzeuge am öffentlichen Verkehr teilnehmen – obliegt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein nach § 57a Abs. 2 KFG 1967 beliehenes Unternehmen hoheitliche Aufgaben erfüllt, die in die Ausstellung einer öffentlichen Urkunde münden (VwGH 08.09.2016, Ro 2015/11/0016).
Gemäß § 57a Abs. 2 KFG 1967 sind auf Antrag näher genannte (juristische oder natürliche) Personen zur wiederkehrenden Begutachtung von Fahrzeugen zu ermächtigen, wenn sie u.a. über „hiezu geeignetes Personal“ verfügen. Eine derartige Ermächtigung darf nur „vertrauenswürdigen Personen“ verliehen werden. Die Ermächtigung ist u.a. zu widerrufen, wenn der Ermächtigte nicht mehr vertrauenswürdig ist oder nicht mehr über geeignetes Personal verfügt. Erforderlichenfalls kann der Ausschluss bestimmter geeigneter Personen von dieser Tätigkeit angeordnet werden.
Gemäß § 3 Abs. 1 letzter Satz PBStV muss bei jeder wiederkehrenden Begutachtung eine zur wiederkehrenden Begutachtung geeignete Person anwesend sein.
Aus diesem Normenkomplex ist abzuleiten, dass nicht nur der Ermächtigte selbst, sondern auch die zur wiederkehrenden Begutachtung „geeigneten Personen“ – neben Erfüllung der auf ihre Sachkenntnisse abzielenden Voraussetzungen iSd § 3 PBStV – „vertrauenswürdig“ sein müssen. Dies schon deshalb, weil sie es sind, die die tatsächlichen Begutachtungen der Fahrzeuge durchführen und die Gutachten im Einzelfall zu erstellen haben. Es käme einem Wertungswiderspruch gleich, wenn zwar der Ermächtigte – der zwar selbst keine Begutachtungen durchführt – vertrauenswürdig sein müsste, gleichzeitig die tatsächlich begutachtenden „geeigneten Personen“, die die Begutachtung durchführen und das Gutachten erstellen, hingegen nicht vertrauenswürdig sein müssten. Dafür spricht auch, dass nach § 57a Abs. 2 KFG 1967 „erforderlichenfalls“ der Ausschluss „bestimmter geeigneter Personen“ angeordnet werden kann, was dahingehend auszulegen ist, dass der Ausschluss einer geeigneten Person von der Begutachtung – selbst bei nach wie vor gegebener fachlicher Qualifikation und Absolvierung aller Auffrischungskurse iSd § 3 PBStV – auch aus anderen als rein fachlichen Gründen, zB eben dem Verlust ihrer Vertrauenswürdigkeit, angeordnet werden kann. Die „geeignete Person“ muss jene Vertrauenswürdigkeit besitzen, die auch vom jeweils Ermächtigten bzw. Ermächtigungswerber verlangt wird (LVwG NÖ 24.09.2019, LVwG-AV-875/001-2018).
Die Beurteilung der Zuverlässigkeit des Ermächtigten iSd § 57a Abs. 2 KFG 1967 dahingehend, ob ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, die Kraftfahrbehörde könne sich darauf verlassen, dass er die ihm übertragene Verwaltungsaufgabe entsprechend dem Schutzzweck des Gesetzes – der Gewährleistung, dass nur verkehrs- und betriebssichere sowie nicht übermäßig Emissionen verursachende Fahrzeuge am öffentlichen Verkehr teilnehmen – ausüben werde, ist demnach anhand einer Prognoseentscheidung zu treffen, welche alle bis zur Entscheidung verwirklichten Tatsachen, sowie das Persönlichkeitsbild, in das auch frühere, bereits getilgte Bestrafungen (vgl. auch VwGH 11.09.2013, 2013/04/0084) einfließen können, zu umfassen hat. Folglich ist im gegenständlichen Beschwerdeverfahren auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführerin drei behördliche Anordnungen auf Grundlage des § 57a Abs. 2a KFG 1967 bereits erteilt wurden.
Nach den Feststellungen liegt der Anordnung zur Mängelbehebung vom 17. März 2017, Zl. ***, ein kraftfahrtechnisches Gutachten vom 03. Februar 2017, Zl. ***, zugrunde, in welchem gewaltsame Öffnungen am Fahrzeug festgestellt wurden. Für die Beantwortung der Frage, welche der – zB im Rahmen einer Überprüfung gemäß § 56 KFG 1967 – festgestellten Mängel schon bei der Begutachtung gemäß § 57a KFG 1967 bestanden haben und ob sie bei einer den Erfordernissen des Gesetzes entsprechenden Untersuchung erkennbar gewesen sein mussten, bedarf es grundsätzlich sachverständiger Äußerungen (vgl. VwGH 02.07.1991, 91/11/0026). In die nunmehr anzustellende Prognoseentscheidung hat deshalb einzufließen, dass sehr fraglich ist, ob für die Beschwerdeführerin betreffend das Fahrzeug der Marke Ford Fiesta mit dem behördlichen Kennzeichen *** seinerzeit im Zeitpunkt ihrer Begutachtung nach § 57a Abs. 4 KFG 1967 die bei der § 56 KFG 1967-Überprüfung vorhandenen Mängel erkennbar waren.
Bezüglich der behördlichen Anordnung nach § 57a Abs. 2a KFG 1967 am 10. Oktober 2017, Zl. ***, ist festzuhalten, das Grundlage dieser das Revisionsergebnis vom 22. August 2017 war, bei welcher als einziger schwerer Mangel attestiert wurde, dass die Begutachtungsplakette mit der Nr. *** im Betrieb nicht auffindbar war.
Betreffend die behördliche Anordnung vom 02. April 2019, Zl. ***, ist im gegenständlichen Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen, dass anlässlich der Revision am 12. März 2019 als Fehlleistung der Rechtsmittelwerberin nur attestiert werden konnte, dass bei zwei Gutachten keine Bremswerte der Feststellbremse eingegeben wurden und wurde dies vom kraftfahrtechnischen Amtssachverständigen in seinem Gutachten vom 12. März 2019 lediglich als leichter Mangel bewertet. Die festgestellten Verfehlungen der Beschwerdeführerin sind deshalb bei der nunmehr zu treffenden Prognoseentscheidung nicht mehr zu berücksichtigen, liegen sie doch teilweise mehrere Jahre zurück bzw. waren nicht derart gravierend, dass von einer fehlenden Vertrauenswürdigkeit ausgegangen werden könnte (vgl. VwGH 27.03.2008, 2005/11/0193).
Auf Grund der festgestellten Mängel anlässlich der Revision am 21. Jänner 2021 (Überschreitung des Ermächtigungsumfanges in drei Fällen, kein nachweislicher Verbleib dreier Plaketten, nicht ordnungsgemäß durchgeführte Abgasmessungen bei neun Begutachtungen, auffällige Bremswerte bei der Überprüfung dreier Betriebsbremsanlagen) gelangt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich aber zur Ansicht, dass die Beschwerdeführerin bei der Ausübung der Ermächtigung nach § 57a KFG 1967 eine gewisse Sorglosigkeit an Tag gelegt hat.
Wesentlich für die Beurteilung des Vorliegens der notwendigen Vertrauenswürdigkeit iSd § 57a Abs. 2 KFG 1967 im Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ist nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich die Wertung der Tatsache, welche die belangte Behörde ihrer (Widerrufs-)Entscheidung zugrunde gelegt hat, die seither verstrichene Zeit sowie das Verhalten während dieser Zeit.
Faktum ist, dass im Überprüfungszeitraum neun Abgasmessungen entgegen den Vorgaben des Punktes 8.2.2.2 des Mängelkataloges idF 2019, Vereinfachte Prüfanweisung für Dieselkraftfahrzeuge bis 3.500 kg hzGG (Erlass GZ BMVIT-185.506/0002-IV/ST5/2017), Seite 8/23 des Mängelkataloges 2019, insofern nicht den Vorgaben des Mängelkataloges entsprechend durchgeführt wurden, als die Prüfdrehzahl (zum Teil geringfügig) nicht erreicht wurde. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass nicht festgestellt werden kann, dass durch diese fehlerhaften Begutachtungen zu Unrecht positive Gutachten ausgestellt wurden. Ein grob fahrlässiges oder gar vorsätzliches Fehlverhalten der involvierten Prüfer ist dabei in keinster Weise erweislich.
„Selbstvernichtung oder kein Nachweis über den Verbleib“ einer „verlochten oder unbrauchbaren Begutachtungsplakette“ hat gemäß Seite AT/53 des Mängelkataloges idF 2019 den „Widerruf“ nach sich zu ziehen. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass der mangelnde Nachweis dreier Plaketten offensichtlich darauf basiert, als im Zuge des Ablösevorganges diese Begutachtungsplaketten zerstört und die verbleibenden Fragmente entsorgt wurden. Glaubhaft hat die Rechtsmittelwerberin ihre Prüfer angewiesen, ab sofort sämtliche Teile von Stornoplaketten aufzubewahren.
Ebenso ist festzuhalten, dass dem Revisionsbericht betreffend die Revision am 21. Jänner 2021 zu entnehmen ist, dass kein einziges Gutachten zu Unrecht positiv ausgestellt wurde. Auch hat in die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit der Beschwerdeführerin durch das Verwaltungsgericht einzufließen, dass aufgrund der Äußerung der Rechtsmittelwerberin in der Stellungnahme vom 4. Februar 2021 und in der Beschwerdeschrift, die auf eine eingehende Befassung mit der Problematik schließen lassen, angenommen werden kann, dass die festgestellten Mängel durch eine Sensibilisierung der befassten Prüfer zukünftig hintangehalten werden.
Beachtet werden muss, dass die involvierten Prüfer der Ermächtigten zwischenzeitlich nachweislich mit den festgestellten Mängeln konfrontiert wurden, und ein umfassendes externes und internes Qualitätssicherheitssystem installiert wurde. Der (umfassende) externe Qualitätssicherheitscheck anlässlich der Befundaufnahme am 24. März 2021 kam zum Ergebnis, dass nach der behördlichen Revision am 21. Jänner 2021 offensichtlich fassbare qualitative Verbesserungen im Betrieb der Rechtsmittelwerberin festgestellt werden konnten.
Zur Sicherung einer ordnungsgemäßen Durchführung der Abgasmessung und zur dem Mängelkatalog 2019 entsprechenden Begutachtungstätigkeit der Rechtsmittelwerberin ist im Hinblick auf den im Verwaltungsrecht geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die spruchgemäße Anordnung zur Vermeidung der im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung bestehenden Mängeln notwendig. Da jedoch nicht von einer weiterhin vorliegenden Vertrauensunwürdigkeit der Beschwerdeführerin auszugehen ist (vgl. VwGH 27.03.2008, 2005/11/0193), kann mit der Erteilung des Maßnahmenauftrages im Rahmen der vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zu treffenden Prognoseentscheidung bei der Beurteilung der aktuellen Vertrauenswürdigkeit der Rechtsmittelwerberin das Auslangen gefunden werden.
Das verwaltungsgerichtliche Ermittlungsverfahren hat letztlich ergeben, dass Grund zur Annahme besteht, dass die Beschwerdeführerin die ihr übertragenen Aufgaben entsprechend dem Schutzzweck des Gesetzes – nämlich der Gewährleistung, dass nur betriebstaugliche und verkehrssichere sowie nicht übermäßig Schadstoffemissionen verursachende Fahrzeuge am Verkehr teilnehmen – derzeit ausübt. Es kann sohin nicht von einer akutell vorliegenden Vertrauensunwürdigkeit der Rechtsmittelwerberin ausgegangen werden, sodass spruchgemäß zu entscheiden war.
Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte entfallen, weil gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war.
7. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung einerseits nicht von der oben zitierten und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, sich andererseits auf den eindeutigen und klaren Gesetzeswortlaut stützen kann (vgl. aus der stRsp zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision in derartigen Fällen z.B. VwGH 29.07.2015, Ra 2015/07/0095) und überdies lediglich eine einzelfallbezogene Beurteilung vorzunehmen war, zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen ist (vgl. z.B. VwGH 17.10.2016, Ro 2015/03/0035). Bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit iSd § 57a Abs. 2 KFG 1967 handelt es sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, die im Allgemeinen – wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde – nicht revisibel ist (vgl. VwGH 08.09.2016, Ro 2015/11/0016).
Schlagworte
Verkehrsrecht; Kraftfahrzeug-Überprüfung; Wiederkehrende Begutachtung; Vertrauenswürdigkeit;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.429.001.2021Zuletzt aktualisiert am
01.12.2021