Entscheidungsdatum
22.09.2021Norm
MRG §39Text
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Mag.Dr. Wessely, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde der Frau A, vertreten durch B, Rechtsanwälte in ***, gegen die Erledigung der Schlichtungsstelle für Miet- und Wohnrechtsangelegenheiten der Stadtgemeinde *** vom 23. März 2021, Zl. ***, den
Beschluss
gefasst:
1. Die Beschwerde wird gemäß §§ 28 Abs. 1 i.V.m. 31 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.
2. Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4
B-VG nicht zulässig (§ 25a VwGG).
Begründung:
Mit Schreiben vom 14. Dezember 2020 stellte die Beschwerdeführerin bei der „Schlichtungsstelle der Stadtgemeinde ***“ einen Antrag auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit eines näher bezeichneten Umlaufbeschlusses nach WEG.
Nach Setzung einzelner Verfahrensschritte wurde dieser Antrag gestützt auf § 7 AVG „aufgrund von Befangenheit zurückgewiesen“. Die als „Entscheidung der Schlichtungsstelle der Stadtgemeinde *** gemäß § 39 MRG“ bezeichnete Erledigung ist „Für die Schlichtungsstelle“ gefertigt; eine Bezugnahme auf ein sonstiges Gemeindeorgan findet sich darin nicht.
Hiegegen wendet sich die vorliegende, an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich gerichtete Beschwerde.
Das Landesverwaltungsgericht stellt dazu fest:
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht – sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist – die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen; andernfalls – zufolge § 31 Abs. 1 VwGVG mit Beschluss. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer solchen Beschwerde ist das Vorliegen einer Erledigung, der Bescheidqualität zukommt. Fehlt es daran, ist mit (mangels tauglichen Anfechtungsgegenstandes) mit Zurückweisung vorzugehen.
Im vorliegenden Fall ist zunächst davon auszugehen, dass die Stadtgemeinde *** über eine Schlichtungseinrichtung i.S.d. § 39 MRG verfügt. Bezogen auf mietrechtliche Entscheidungen der „Gemeinde“, bei denen es sich um (letztinstanzliche) Bescheide handelt, ordnet § 40 MRG grundsätzlich eine sukzessive Zuständigkeit des ordentlichen Gerichts an. Abweichendes gilt nach ständiger Rechtsprechung (z.B. VwSlg 18.427 A/2012) dann, wenn es sich um selbständige verfahrensrechtliche Entscheidungen der „Gemeinde“ in einer solchen Angelegenheit handelt, also um solche, die ihre Grundlage in verfahrensrechtlichen Bestimmungen des AVG haben. Insoweit steht der Rechtsschutz im Wege der Verwaltungsgerichtsbarkeit offen. Derartiges würde auf die vorliegenden Fälle grundsätzlich zutreffen.
Voraussetzung für das Vorliegen eines Bescheides ist aber seine Erlassung durch eine Behörde. Insoweit beruft das MRG bloß die „Gemeinde“ zur Entscheidungen im übertragenen Wirkungsbereich (zu Schlichtungsstellen nach WRG vgl. VwSlg 16.496 A/2004), ohne selbst jenes Organ zu nennen, das diese Aufgabe innerhalb der Gemeinde wahrzunehmen hat.
Die Aufgaben des übertragenen Wirkungsbereichs sind nach Art. 119 Abs. 2 B-VG (gleichlautend § 39 Abs. 1 NÖ GemO 1973) außerhalb Wiens vom Bürgermeister (bzw. in seinem Namen) wahrzunehmen. Die Übertragung auf ein anderes Organ kommt folglich bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht in Betracht. Folglich sind auch die behördlichen Aufgaben im Rahmen des MRG vom Bürgermeister bzw. in seinem Namen wahrzunehmen.
Im Übrigen regelt § 18 Abs. 1 NÖ GemO, dass neben dem Bürgermeister Organe der Gemeinde nur der Gemeinderat, der Gemeindevorstand (Stadtrat) und – nach Maßgabe des Abs. 2 – das Gemeindeamt (Stadtamt) sind. Sonstige Organe dürfen folglich nicht vorgesehen werden.
Im konkreten Fall weist die Erledigung keinerlei Bezug zu einem Gemeindeorgan und damit keiner Behörde auf, sondern bloß zu einer Organisationseinheit innerhalb des Stadtamtes, der aber keine Organ- und noch weniger Behördenstellung zukommt. Folglich fehlt es aber der genannten Erledigung bereits an einer Bescheidqualität (vgl. VwGH 16.9.2013, 2012/12/0156), sodass die Beschwerde mangels Anfechtungsgegenstandes als unzulässig zurückzuweisen war (zur Erledigung des Kammerbüros der Arbeiterkammer vgl. LVwG NÖ 27.1.2015, VwSlg 16.496 A/2004). Der – rechtlich an den Bürgermeister der Stadtgemeinde als Schlichtungseinrichtung gemäß § 39 MRG gestellten – Antrag ist daher nach wie vor offen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut stützen kann und die durchgeführte rechtliche Beurteilung im Übrigen aufgrund der obzitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung erfolgte.
Schlagworte
Gemeinderecht; Behörde; übertragener Wirkungsbereich; Schlichtungseinrichtung; mietrechtliche Entscheidungen; sukzessive Kompetenz; Verfahrensrecht; Beschwerde; Unzulässigkeit;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.1582.001.2021Zuletzt aktualisiert am
01.12.2021