Entscheidungsdatum
30.09.2021Norm
BauO NÖ 2014 §5 Abs3Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Biedermann als Einzelrichterin über die Beschwerde des A, der B, des C, der D, der E, des F und des G, alle vertreten durch die H Rechtsanwalts GmbH & Co KG in ***, ***, gegen den Bescheid des Stadtsenats der Stadt Wiener Neustadt vom 12.10.2020, Zl. ***, mit dem ihr Antrag vom 30.07.2020 ihrer Beschwerde gegen den Baubewilligungsbescheid (Bescheid des Stadtsenats der Stadt Wiener Neustadt vom 03.07.2020, Zl. ***) die aufschiebende Wirkung nach der NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014) zuzuerkennen, teilweise als unzulässig zurückgewiesen und teilweise als unbegründet abgewiesen worden ist,
zu Recht:
1. Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 und Abs 2 Z 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid des Stadtsenats der Stadt Wiener Neustadt vom 12.10.2020, Zl. ***, mit der Maßgabe bestätigt, dass die Anträge der B und des G als unbegründet abgewiesen werden.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Mit Bescheid des Stadtsenats der Stadt Wiener Neustadt (in weiterer Folge: belangte Behörde) vom 12.10.2020, Zl. ***, wurde der Antrag vom 30.07.2020 der Beschwerde gegen den Baubewilligungsbescheid (Bescheid des Stadtsenats der Stadt Wiener Neustadt vom 03.07.2020, Zl. ***) die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen u.a. hinsichtlich B und G als unzulässig zurückgewiesen sowie hinsichtlich D, C, E und F sowie A, sämtliche vertreten durch die H Rechtsanwalts GmbH & Co KG, als unbegründet abgewiesen.
Zusammengefasst wurde hierzu begründend ausgeführt, dass von den Antragstellern vorgebracht worden sei, dass ihnen bei Ausübung der Rechte aus der Baubewilligung ein unverhältnismäßiger Nachteil drohe, welcher schon in den durch die Bauausführung zu erwartenden notorischen Immissionen gegeben sei. Der wesentlichste Nachteil ergebe sich aus den Bedenken gegen die Standsicherheit, zumal es dazu keine nachvollziehbaren und gesetzmäßig begründeten Ausführungen gebe. Bei einer fehlerhaften Beurteilung der Standsicherheit und der daraus resultierenden Schäden sei die Möglichkeit von Schäden an Bauwerken und letztlich auch von Verletzungen von ihnen evident. Diese grundlegenden Interessen an der Unversehrtheit ihres Eigentums, ihrer körperlichen Unversehrtheit und ihres Lebens können durch kein berechtigtes Interesse der Bauwerberin überwogen werden.
Allerdings seien von B und G im erstinstanzlichen Verfahren lediglich im Hinblick auf die unzulässigen Immissionen, die Änderung der Grundwassersituation, die Beeinträchtigung der Privatsphäre, die Veränderungen der Verkehrssituation und die Vernichtung des Altbaumbestandes Einwendungen erhoben worden, sodass betreffend diese beiden die nunmehr geltend gemachten Beschwerdegründe präkludiert seien, weshalb ihre Anträge zurückzuweisen seien.
Zu der Abweisung des Antrages hinsichtlich der übrigen Antragsteller sei festzuhalten, dass auch wenn der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen sollten, jedenfalls die zweite kumulativ erforderliche Voraussetzung für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht vorliege.
Denn bereits den Ausführungen des Berufungsbescheides sei zu entnehmen, dass die statische Sicherung der benachbarten Bauwerke berücksichtigt worden sei. Die Antragsteller seien der statischen Vorbemessung der tragenden Struktur nie auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Zudem sei nicht erkennbar, worin für die Antragsteller ein unverhältnismäßiger Nachteil liegen solle, zumal die bloße Ausführung des bewilligten Bauvorhabens während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens für sich allein nicht als unverhältnismäßiger Nachteil angesehen werden könne. Schließlich sei dieser unverhältnismäßige Nachteil nicht bloß zu behaupten, sondern auch durch konkrete Angaben zu erhärten. Die Antragsteller haben nicht dargetan, aus welchen konkreten Umständen die Standsicherheit der ihnen im Miteigentum stehenden Bauwerke gefährdet sein soll. Der Umstand, dass Bauausführungen typischerweise geeignet seien, Immissionsbelästigungen auf Nachbargrundstücken herbeizuführen, könne nicht zur Gewährung der aufschiebenden Wirkung führen.
2. Zum Beschwerdevorbringen:
Gegen diesen Bescheid wurde von D, C, E und F, A, B sowie G (in weiterer Folge: Beschwerdeführer) am 06.11.2020 fristgerecht Beschwerde erhoben und ausgeführt, dass der Bescheid seinem gesamten Inhalt nach wegen Aktenwidrigkeit, unrichtiger Tatsachenfeststellungen und unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten werde.
Bezüglich der Zurückweisung des Antrages betreffend B und G wurde ausgeführt, dass diese in ihren Einwendungen auch Bedenken gegen die Standsicherheit vorgebracht haben. In der am 30.07.2020 von diesen erhobenen Beschwerde sei ebenfalls die Einhaltung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte betreffend die Einhaltung der Vorschriften zur Gewährleistung des Schutzes vor Emissionen sowie der Standsicherheit ihrer bewilligten Bauwerke geltend gemacht worden, weshalb B und G bezüglich dieser geltend gemachten Beschwerdegründe nicht präkludiert seien und die Zurückweisung zu Unrecht erfolgt sei.
Betreffend die Abweisung wurde ausgeführt, dass einem Nachbar aufgrund § 6 Abs 2 Z 1 NÖ BO 2014 hinsichtlich seines bestehenden Bauwerks ein Nachbarrecht auf Wahrung der Standsicherheit zukomme. Hierbei komme es darauf an, dass dieses Nachbarrecht durch den konsensgemäßen Bestand der bewilligungsgegenständlichen baulichen Anlage und deren Verwendung nicht verletzt werde (VwGH 12.06.2012, 2010/05/0201). Die belangte Behörde habe die Bauwerberin zur Vorlage statischer Berechnungen aufgefordert und seien die Ausführungen des beigezogenen Sachverständigen sodann festgestellt worden. Diese beziehen sich allerdings offenkundig ausschließlich auf die Phase der Bauführung. Es werden jedoch keine Aussagen zur Standsicherheit des fertig errichteten Bauwerkes getroffen und seien solche dem Bescheid vom 03.07.2020 auch nicht zu entnehmen. Dazu erliegen im Bauakt offenkundig keine Unterlagen und seien sowohl die Planunterlagen als auch die Einreichung als solche offensichtlich unvollständig.
Mit Stellungnahme vom 14.01.2019 habe die belangte Behörde der Bauwerberin die Auflage erteilt, vor Baubeginn von einer befugten Person oder Firma zu erstellende Berechnungen, Konstruktionszeichnungen sowie Überprüfungsberichte dem Bauwerber spätestens bei der behördlichen Fertigstellungsmeldung zur Verwahrung zu übergeben. Damit sei eine Gefährdung der Standsicherheit aber evident und sei im Sinne eines Anscheinsbeweises von einer statischen Gefährdung ihrer bewilligten Bauwerke auszugehen. Bedenken im Hinblick auf die Standsicherheit seien durch die von der Bauwerberin vorgelegten Urkunden nicht ausgeräumt und seien die eingeholten Gutachten unzureichend.
Es wurde daher beantragt den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass in Stattgebung der Beschwerde vom 30.07.2020 die aufschiebende Wirkung zuerkannt werde, in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Beweisergänzung sowie Erlassung eines neuen Bescheides an die erste Instanz zurückzuverweisen.
3. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Am 21.01.2021 legte die belangte Behörde dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde zur Entscheidung vor.
Am 09.03.2021 und am 20.07.2021 (jeweils einlangend) legte die belangte Behörde dem erkennenden Gericht eine Kopie der Einladung samt Tagesordnung für die Sitzung des Stadtsenates vom 21.09.2020, eine Kopie der Einladungskurrende, einen Auszug aus dem Sitzungsprotokoll des Stadtsenates der Stadt Wiener Neustadt vom 21.09.2020 sowie den Zustellnachweis zu dem angefochtenen Bescheid vom 12.10.2020 im Original vor.
4. Feststellungen:
4.1. Die I GmbH (in weiterer Folge: Bauwerberin) ist grundbücherliche Alleineigentümerin des GSt.Nr. ***, inneliegend in EZ ***, KG *** (in weitere Folge: Baugrundstück).
4.2. Die Beschwerdeführer sind Miteigentümer des GSt.Nr. ***, EZ ***, KG ***, welches unmittelbar nördlich an das Baugrundstück angrenzt.
4.3. Mit Bauansuchen vom 11.10.2018 beantragte die Bauwerberin bei der Baubehörde erster Instanz die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage mit 137 Wohnungen und 137 Tiefgaragenabstellplätzen auf dem Baugrundstück.
4.4. Nach einer ersten Vorprüfung der Antragsbeilagen, u.a. in Bezug auf die Einhaltung der Anforderungen der Bautechnik einschließlich des bautechnischen Brandschutzes an Planung und Bauausführung, und einer diesbezüglich erstatteten Stellungnahme vom 13.12.2018, wurde der Bauwerberin mit Schreiben der Baubehörde erster Instanz vom 14.12.2019 ein Verbesserungsauftrag erteilt.
4.5. Aufgrund der in der Folge vorgelegten geänderten Antragsbeilagen wurde in dem von der Baubehörde erster Instanz durchgeführten Vorverfahren von J, Amtssachverständiger für Bautechnik des Geschäftsbereiches ***, Gruppe *** – Amtssachverständige, beim Magistrat der Stadt Wiener Neustadt, am 14.01.2019 eine bautechnische Stellungnahme zu den Einreichunterlagen erstattet und hierin u.a. ausgeführt:
„Untersuchungsgegenstand:
Ansuchen um Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage mit 137 Wohnungen und 137 Garagenabstellplätzen
Beweisthema:
Prüfung der übermittelten Unterlagen hinsichtlich der Einhaltung der Anforderungen der Bautechnik einschließlich des bautechnischen Brandschutzes an Planung und Bauausführung gemäß den in II. A) und B) angeführten Unterlagen, Sachverhalten und Beurteilungsgrundlagen ohne Lokalaugenschein.
[…]
Stellungnahme zu dem Projekt:
Bei plan- und beschreibungsgemäßer Umsetzung des Vorhabens sowie bei Einhaltung der nachstehenden Auflagen, stehen vom Standpunkt der Bautechnik und des bautechnischen Brandschutzes einer baubehördlichen Genehmigung keine Bedenken entgegen.
[…]
Auflagen:
[…]
4. Vor der Durchführung der Bauarbeiten sind die angrenzenden Bauwerke im Einvernehmen mit deren Eigentümern zu besichtigen, hierüber ist zur Beweissicherung ein Protokoll und nötigenfalls auch Fotos anzufertigen, mit Datum zu versehen und ordnungsgemäß zu unterfertigen.
[…]
7. Das Bauvorhaben ist unter Berücksichtigung der möglichen Einwirkungen auf tragende bzw. mechanisch beanspruchte Bauteile gemäß einschlägiger technischer Regelwerke (Eurocodes, ÖNORMEN, …) mit ausreichender mechanischer Festigkeit und Standsicherheit auszuführen. Diesbezügliche, vor Baubeginn von einer befugten Person oder Firma zu erstellende Berechnungen, Konstruktionszeichnungen sowie Überprüfungsberichte sind dem Bauwerber spätestens bei der behördlichen Fertigstellungsmeldung zur Verwahrung zu übergeben.
[…].“
4.6. Nach Vorprüfung durch die Baubehörde erster Instanz wurden mit Schreiben derselben vom 15.01.2019 die Nachbarn des Baugrundstücks, so auch die Beschwerdeführer, gemäß § 21 Abs 1 NÖ BO 2014 von dem geplanten Bauvorhaben verständigt. Es wurde ihnen die Möglichkeit gegeben, in den Antrag und seine Beilagen Einsicht zu nehmen und schriftlich binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung der Verständigung bei der Baubehörde erster Instanz allfällige Einwendungen gegen das Bauvorhaben einzubringen, andernfalls die Parteistellung erlischt.
In der Folge erhoben u.a. die Beschwerdeführer innerhalb der eingeräumten Frist Einwendungen gegen das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben.
4.7. Mit Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom 07.11.2019, Zl. ***, wurde der Bauwerberin die beantragte baubehördliche Bewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage mit 137 Wohnungen und 137 Tiefgaragenabstellplätzen auf dem Baugrundstück entsprechend der vorgelegten Pläne unter Vorschreibung diverser, unter anderem der beiden oben angeführten Auflagen erteilt.
Begründend wurden die im Verfahren von der Baubehörde erster Instanz aufgrund der erhobenen Einwendungen eingeholten ergänzenden Stellungnahmen des K zu den Einwendungen betreffend die Bebauungsweise, das Bezugsniveau und Emissionen, des M zu den Einwendungen betreffend PKW-Verkehr und Emissionen sowie des J vom 20.03.2019 zu den Einwendungen betreffend Brandschutz, Statik und Schäden an Nachbargebäuden und die Stellungnahme des Amtssachverständigen für Wasserbautechnik beim Amt der NÖ Landesregierung, L, vom 26.09.2019 zu den Einwendungen, wiedergegeben.
Bezüglich der Standsicherheit wurde die Stellungnahme des J vom 20.03.2019 zitiert:
„Bezüglich statischer Bedenken wurde gemäß Anlage 14 der Einreichunterlagen eine statische Vorbemessung von Fa. N GmbH durchgeführt und es wird auf den Auflagenpunkt 7.) der Stellungnahme vom 14.01.2019 verwiesen.
[…]
Bezüglich Schäden an Nachbargebäuden wird auf den Auflagenpunkt 4.) der Stellungnahme vom 14.01.2019 verwiesen.“
4.8. Gegen diesen Bescheid erhoben u.a. die Beschwerdeführer, nunmehr alle vertreten durch die H Rechtsanwalts GmbH & Co KG, mit Schriftsatz vom 26.11.2019 fristgerecht Berufung und führten hierin unter anderem begründend aus, dass sie ihre subjektiv-öffentlichen Rechte auf Einhaltung der Vorschriften zur Gewährleistung der Standsicherheit ihrer bewilligten Bauwerke geltend gemacht haben.
4.9. Mit Schreiben vom 16.01.2020 bestätigte die N GmbH, dass von ihnen für das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben auf dem Baugrundstück eine statische Vorbemessung der tragenden Struktur entsprechend § 19 NÖ BO 2014 durchgeführt wurde. Grundlage für diese statische Vorbemessung waren die Einreichpläne der O GmbH vom 11.10.2018. Weiters wurde bestätigt, dass Rückverankerungen nur im Bereich des öffentlichen Guts sowie im Bereich des GSt.Nr. ***, KG ***, im Einvernehmen mit dessen Eigentümer, geplant sind.
4.10. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 03.07.2020, Zl. ***, wurden die Berufungen u.a. der Beschwerdeführer abgewiesen und wurde hierzu nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensverlaufes begründend zusammengefasst ausgeführt, dass mit Stellungnahme vom 17.12.2019 von P, Amtssachverständiger für Bautechnik des Geschäftsbereiches ***, Gruppe *** – Amtssachverständige, beim Magistrat der Stadt Wiener Neustadt, ausgeführt wurde, dass aus den Projektunterlagen hervorgeht, dass die N GmbH in *** eine statische Vorbemessung der tragenden Struktur entsprechend § 19 NÖ BO 2014 auf Grundlage der Einreichpläne durchgeführt hat. Diesen ist zu entnehmen, dass das gesamte Baugrundstück mit tangentialen Bohrpfählen entlang der Grenze zu allen benachbarten Liegenschaften bis zu einer Tiefe von ca. 14 m umfasst wird.
Daraus wurde gefolgert, dass die statische Sicherung der benachbarten Bauwerke im Projekt durchaus berücksichtigt wurde.
4.11. In der gegen diesen Bescheid von den Berufungswerbern fristgerecht erhobenen Beschwerde vom 30.07.2020, über welche in einem gesonderten Verfahren beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich abgesprochen werden wird, wurde beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und wurde hierzu begründend ausgeführt, dass der unverhältnismäßige Nachteil zum einen schon in den durch die Bauausführung zu erwartenden, notorischen Immissionen während der Bauausführung sowie zum anderen in den Bedenken gegen die Standsicherheit gelegen sei. Im angefochtenen Bescheid gebe es keine nachvollziehbaren und gesetzmäßig begründeten Ausführungen zur Standsicherheit und sei bei einer fehlerhaften Beurteilung der Standsicherheit und daraus resultierender Schäden die Möglichkeit von Schäden an ihren Bauwerken und Verletzungen von ihnen evident.
4.12. Vor Vorlage dieser Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich wies die belangte Behörde mit dem nun verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 12.10.2020, Zl. ***, den gleichzeitig mit der Beschwerde eingebrachten Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 5 Abs 3 NÖ BO 2014 hinsichtlich B und G als unzulässig zurück sowie hinsichtlich D, C, E und F und A als unbegründet ab.
5. Beweiswürdigung:
Zu diesen Feststellungen gelangt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich aufgrund des von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsaktes, in dem der Verfahrensablauf chronologisch, übersichtlich und nachvollziehbar dargestellt ist. Im Übrigen ist der Verfahrensgang, insbesondere im Hinblick auf die getroffenen Feststellungen des Gerichts, auch gar nicht bestritten worden.
Die Eigentumsverhältnisse an den verfahrensgegenständlichen Grundstücken ergeben sich insbesondere aus den im vorgelegten Akt einliegenden Grundbuchauszügen vom 14.01.2019 und einer vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vorgenommenen Einsichtnahme in das öffentliche Grundbuch.
Der angefochtene Bescheid der belangten Behörde vom 12.10.2020, Zl. ***, ist zwar mit dem Datum „12.10.2010“ bezeichnet, jedoch handelt es sich hierbei um einen offensichtlichen Schreibfehler, da sich aus seiner Begründung und aus dem geschilderten zeitlichen Ablauf des behördlichen Verfahrens zweifelsfrei ergibt, dass dieser Bescheid nicht im Jahr 2010, sondern im Jahr 2020 erlassen wurde.
6. Rechtslage:
Rechtlich gelangen folgende Bestimmungen zur Anwendung:
Gemäß § 27 VwGVG, BGBl I 33/2013 idF BGBl I 138/2017, hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid und die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG, BGBl I 33/2013 idF BGBl I 138/2017, hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG, BGBl I 33/2013 idF BGBl I 138/2017, hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das
Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 5 Abs 3 NÖ BO 2014, LGBl 1/2015 idF LGBl 12/2018, hat in Baubewilligungsverfahren (§ 14) und damit in Zusammenhang stehenden Verfahren nach § 7 Abs 6 die Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht keine aufschiebende Wirkung.
Die Baubehörde hat jedoch auf Antrag der beschwerdeführenden Partei die aufschiebende Wirkung mit Bescheid zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit der Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung für die beschwerdeführende Partei ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Eine dagegen erhobene Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.
Dasselbe gilt sinngemäß ab Vorlage der Beschwerde für das Landesverwaltungsgericht.
7. Erwägungen:
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhaltes und der zitierten gesetzlichen Bestimmungen in rechtlicher Hinsicht wie folgt erwogen:
Grundsätzlich ist zunächst festzuhalten, dass der das verwaltungsbehördliche Verfahren einleitende Antrag, nämlich der Antrag auf Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage mit 137 Wohnungen und 137 Tiefgaragenabstellplätzen auf dem Grundstück Nr. ***, EZ ***, KG ***, am 11.10.2018, somit nach Inkrafttreten der NÖ BO 2014 per 01.02.2015, gestellt wurde, sodass für dieses Verfahren eben die NÖ BO 2014 anzuwenden ist.
Gemäß § 5 Abs 3 NÖ BO 2014 hat in solchen Baubewilligungsverfahren (§ 14) – wie dem verfahrensgegenständlichen - die Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht keine aufschiebende Wirkung. Dies wurde auch in der Rechtsmittelbelehrung des baubehördlichen Bewilligungsbescheides, gegen den sich die diesem Verfahren zugrundliegende Beschwerde mit dem Antrag auf aufschiebende Wirkung richtet, richtig festgehalten.
Der Stadtrat der Stadt Wiener Neustadt hat mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid dem in der Beschwerde gegen den baubehördlichen Bewilligungsbescheid gestellten Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen, keine Folge gegeben und den Antrag teilweise als unzulässig zurück- und teilweise als unbegründet abgewiesen.
Als Baubehörde im Sinne der Bestimmung des § 5 Abs 3 NÖ BO iVm § 9 Abs 2 Z 1 VwGVG kann in diesem Zusammenhang wohl nur die belangte Behörde gemeint sein, sodass der Stadtrat der Stadt Wiener Neustadt zur Erlassung dieses nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheides auch zuständig war.
Zu den Voraussetzungen, die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, ist Folgendes auszuführen:
Die Baubehörde hat der Beschwerde aufgrund des Antrages der beschwerdeführenden Parteien die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn
1. dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und
2. nach Abwägung der wechselseitigen Interessen mit der Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung für die beschwerdeführende Partei ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Wie vom Verwaltungsgerichtshof bereits vielfach festgehalten wurde, ist im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht die Rechtmäßigkeit des mit Beschwerde angefochtenen Bescheides zu prüfen (VwGH 14.04.2009, AW 2009/05/0007); im Gegenteil ist auch die mögliche Rechtswidrigkeit des Bescheides kein Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (VwGH 31.01.2005, AW 2005/17/0012).
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss der Antragsteller nämlich bereits im Antrag den unverhältnismäßigen Nachteil behaupten und durch konkrete Angaben erhärten. Die Beurteilung, ob die geltend gemachten Nachteile die Schwelle der Unverhältnismäßigkeit erreichen, hängt somit von den im Aufschiebungsantrag vorgebrachten konkreten Angaben über die Wiederherstellung des vorigen Zustandes ab (VwGH 21.03.2013, AW 2013/05/0011).
Diese einhellige Judikatur bezieht sich zwar auf die Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Aufgrund der inhaltlich gleichlautenden Bestimmung des § 30 Abs 2 VwGG mit dem § 5 Abs 3 NÖ BO 2014 ist diese Judikatur jedoch analog auf das Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht anzuwenden.
Von den Beschwerdeführern wurde nun im konkreten Fall in ihrem Antrag begründend lediglich ausgeführt, dass für sie im Falle der Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung, zum einen durch die aufgrund der Bauausführung zu erwartenden notorischen Immissionen während der Bauausführung sowie zum anderen aufgrund ihrer Bedenken gegen die Standsicherheit, ein unverhältnismäßiger Nachteil entstehen würde. Im angefochtenen Bescheid gebe es keine nachvollziehbaren und gesetzmäßig begründeten Ausführungen zur Standsicherheit und sei bei einer fehlerhaften Beurteilung der Standsicherheit und daraus resultierender Schäden die Möglichkeit von Schäden an ihren Bauwerken und Verletzungen von ihnen evident.
Mit diesem Vorbringen sind die Beschwerdeführer aber die zuvor zitierten konkreten Abgaben schuldig geblieben. Die bloße Behauptung der Rechtsverletzung durch den angefochtenen Bescheid allein rechtfertigt die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht, liegt doch gerade in einer solchen Behauptung das Wesen einer Parteibeschwerde und wäre andernfalls nicht einzusehen, weshalb der Gesetzgeber für den Regelfall die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Erteilung einer Baubewilligung durch die Berufungsbehörde ausgeschlossen hat.
Dies steht auch im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit Beschwerden gegen Baubewilligungen, wonach die bloße Ausübung der mit einer Baubewilligung eingeräumten Berechtigung während eines vor dem Gericht anhängigen Beschwerdeverfahrens für sich allein, d.h. wenn nicht besondere Umstände vorliegen, welche eine über das übliche Maß hinausgehende Beeinträchtigung der Interessensphäre des Anrainers herbeizuführen geeignet sind, nicht als ein dem beschwerdeführenden Anrainer drohender unverhältnismäßiger Nachteil betrachtet werden könne (VwGH 17.10.1980, 3092/79, mwN).
Aus dem Vorbringen ergibt sich jedoch nicht und ist dies auch nicht erkennbar, dass durch einen Baubeginn unverhältnismäßige, nicht mehr rückgängig machbare Nachteile im Sinne von irreversiblen Veränderungen durch Schäden an ihrer Bausubstanz erwachsen würden. Insbesondere ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb die Bauwerberin nicht in der Lage sein sollte, tatsächlich entstandene Schäden – eben auch solche, deren Eintritt die Beschwerdeführer bei Durchführung des verfahrensgegenständlichen Bauvorhabens befürchten – im Wege des Schadenersatzes zu beheben und/oder ersetzen zu können. Sollten außerdem die Beschwerdeführer mit ihrer gegenständlichen Beschwerde durchdringen, hätte alleine die Bauwerberin die Folgen einer dann allenfalls vorliegenden Konsenslosigkeit des Baus und demnach insbesondere auch die damit verbundenen finanziellen Nachteile zu tragen (VwGH 16.01.2015, Ra 2014/05/0059). Wenn tatsächlich in diesem Fall die Bauwerberin nicht von sich aus einen Rückbau vornimmt, stehen den Beschwerdeführern entsprechende rechtliche Möglichkeiten offen, eben dies zu erzwingen. Von einem unwiederbringlichen Nachteil kann somit keine Rede sein.
Weiters kann der Umstand, dass Bauausführungen typischerweise geeignet sind, Immissionsbelästigungen auf Nachbargrundstücken herbeizuführen, für sich allein nicht zur Gewährung der aufschiebenden Wirkung führen, weil mit einem Vorbingen, das keine subjektiv-öffentlich rechtlichen Nachbarrechte betrifft, kein Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aufgezeigt werden kann (VwGH 16.01.2015, Ra 2014&05/0059; LVwG NÖ 23.05.2018, LVwG-AV-269/002-2018; 12.04.2018, LVwG-AV-375/001-2018).
Im vorliegenden Fall stehen somit dem Antrag der Beschwerdeführer zwar keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegen, doch liegt jedenfalls die zweite kumulativ vorzuliegende Voraussetzung für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht vor. Das erkennende Gericht vermag nämlich nicht zu erkennen und ergibt sich dies auch nicht aus dem Antragsvorbringen, worin für die Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil liegen soll.
Da somit aufgrund des Antragsvorbringens nicht erkennbar ist, dass durch die Ausübung der Berechtigung ein unverhältnismäßiger Nachteil für die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auf Seiten der Beschwerdeführer zu erwarten ist (VwGH 13.03.2006, AW 2006/05/0016), konnte ihrem Antrag kein Erfolg beschieden sein und ist der Beschwerde somit keine Folge zu geben.
Die Spruchkorrektur erfolgte unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur (VwGH 14.02.2006, AW 2005/06/0073).
8. Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG, BGBl I 33/2013 idF BGBl I 138/2017, kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.
Im vorliegenden Fall konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung unterbleiben, da dies von keiner der Parteien beantragt wurde und die Akten erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, zumal im vorliegenden Fall der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von den Verwaltungsbehörden vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist (VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017).
Zudem werden auch keine Rechtsfragen aufgeworfen, deren Erörterung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erforderlich wäre (VwGH 13.12.2016, Ra 2016/09/0102).
9. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Besonderen wird auf die zitierte Judikatur verwiesen und kommt der gegenständlichen Entscheidung keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.
Schlagworte
Bau- und Raumordnungsrecht; Baubewilligung; Nachbarrecht; Aufschiebende Wirkung; Immissionen; unverhältnismäßiger Nachteil;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.180.001.2021Zuletzt aktualisiert am
01.12.2021