Entscheidungsdatum
08.10.2021Norm
GewO 1994 §26Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin MMag. Dr. Cervenka-Ehrenstrasser über die Beschwerde des Herrn A, wohnhaft in ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 15. April 2021, Zl. ***, betreffend Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung zu Recht:
1. Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gem. Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Schreiben vom 15. März 2021 beantragte Herr A im Hinblick auf nicht getilgte gerichtliche Verurteilungen die Erteilung einer Nachsicht gemäß § 26 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) vom Gewerbeausschluss für das Gewerbe „Gastgewerbe“ gemäß § 111 Abs. 1 Ziffer 2 GewO 1994.
Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 15. April 2021, Zl. ***, hat die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten das Ansuchen vom 15.3.2021 um Nachsicht für die Ausübung des Gastgewerbes gemäß § 111 Abs.1 Ziffer 2 GewO 1994 gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG 1991), § 26 Abs. 1 iVm § 13 Abs. 1 GewO 1994 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
In der Begründung wurde dazu ausgeführt, dass mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 18.6.2020, Zl. ***, sein Antrag vom 15.1.2020 um Erteilung einer Nachsicht zur Ausübung des Gastgewerbes wegen gerichtlicher Verurteilungen abgewiesen worden sei. Seine dagegen am 16.7.2020 eingebrachte Beschwerde sei mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 29.9.2020, Zl. LVwG-AV-751/001-2020, als unbegründet abgewiesen worden. Auch die am 18.12.2020 erhobene außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei mit Beschluss vom 4.2.2021, Zl. ***, zurückgewiesen worden.
Der am 15.4.2021 eingeholte Strafregisterauszug ergebe keine Änderung der Einträge seiner gerichtlichen Verurteilung. Somit liege der Ausschlussgrund von der Ausübung eines Gewerbes wegen gerichtlicher Verurteilung unverändert vor.
Sein Ansuchen um Nachsicht werde mit seiner Arbeitslosigkeit, dem Wohl der Wirtschaft und der Schaffung von Arbeitsplätzen begründet. Diese Kriterien seien im Nachsichtsverfahren nicht relevant, da im Nachsichtsverfahren eine Prognoseentscheidung aufgrund des sich ergebenden Persönlichkeitsbildes zu treffen sei.
Da weder im Verfahren Gründe hervorgekommen seien, die eine Wiederaufnahme gemäß § 69 AVG oder eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG rechtfertigen würden, noch von Amts wegen gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG der Bescheid vom 18.6.2020 abzuändern sei, sei sein Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Dagegen hat A fristgerecht Beschwerde erhoben und sinngemäß die Erteilung der Nachsicht vom Gewerbeausschlussgrund beantragt. Dazu wurde vorgebracht, dass er nicht mehr der junge Hitzkopf sei wie vor Jahrzehnten. Er sei mittlerweile 56 Jahre alt und um vieles vernünftiger. Er wolle lediglich eine kleine Jausenstation eröffnen, er habe sich in Finanz- oder Wirtschaftsangelegenheiten nie etwas zuschulden kommen lassen. Bis auf die Verurteilung von 2018, die aus einem dummen Nachbarschaftsstreit hervorgegangen sei, seien alle sonstigen schon einige bis sehr viele Jahre alt. Er ersuche daher um eine nochmalige Prüfung und/oder eine Anhörung, um seine Situation verständlich zu machen.
Mit Schreiben vom 18. Mai 2021 hat die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit dem Ersuchen um Entscheidung vorgelegt.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat dazu wie folgt erwogen:
Von folgenden entscheidungsrelevanten Feststellungen ist auszugehen:
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen *** zu *** vom 27.9.1991, rechtskräftig am 30.9.1991, wurde der nunmehrige Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der gewerbsmäßigen Hehlerei gemäß § 164 Abs. 1/2 und Abs. 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt verurteilt. Er hatte Sachen, unter anderem Musikkassetten, Autoradioapparate und eine Kleinbildkamera in einem insgesamt S 25.000,- übersteigenden Wert, die andere durch ein Verbrechen erlangten, gekauft oder sonst an sich gebracht.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen *** zu *** vom 23.8.1996, rechtskräftig am 26.8.1996, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung sowie der leichten vorsätzlichen Körperverletzung gemäß § 88 Abs. 1 und 4 und § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt verurteilt.
Der Beschwerdeführer wurde, jeweils mit Urteil des BG *** zu *** vom 27.7.2006, rechtskräftig am 1.8.2006, gemäß § 198 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt, sowie zu *** vom 22.2.2007, rechtskräftig am 27.2.2007 gemäß § 198 Abs. 1 StGB ebenso zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt wegen des Vergehens der Verletzung seiner im Familienrecht begründete Unterhaltspflichten verurteilt.
Mit Urteil des Landesgerichtes *** zu *** vom 19.12.2007, rechtskräftig am 25.12.2007, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Nötigung gemäß § 105 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt verurteilt.
Mit Urteil des Bezirksgerichtes *** zu *** vom 27.7.2010, rechtskräftig am 27.7.2011, Vollzugsdatum: 29.08.2012, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht gemäß § 198 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die Tat erfolgte durch keine oder unzureichende Unterhaltszahlungen an seine Töchter B, C und D und bewirkte der Beschwerdeführer hierdurch die Gefährdung des Unterhaltes oder der Erziehung der Berechtigten, indem er keiner zumutbaren Arbeit, zu der er fähig gewesen wäre, nachgegangen ist. Zugleich wurde der Beschluss gefasst, die gewährten bedingten Strafnachsichten zu den Urteilen des Bezirksgerichtes *** zu *** vom 27.7.2006 und zu *** vom 22.2.2007 sowie zu dem Urteil des Landesgerichtes *** zu *** vom 19.12.2007 zu widerrufen und die Probezeit auf insgesamt fünf Jahre verlängert.
Mit Urteil des Landesgerichtes *** zu *** vom 27.9.2018, rechtskräftig am 2.10.2018, wurde der Beschwerdeführer wegen versuchter Nötigung durch gefährliche Drohung gemäß §§ 15, 105 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt verurteilt. Die Verurteilung resultierte aus dem Versuch des Beschwerdeführers, seine Nachbarin durch gefährliche Drohung zu einer Unterlassung, nämlich der weiteren Kontaktaufnahme, zu nötigen, indem er die Veröffentlichung eines Videos, das sie bei der Vornahme von Oralverkehr zeigte, androhte. Zudem wurde ihm mit Beschluss des Landesgerichtes *** zu *** die Weisung erteilt, sich einer Männerberatung zu unterziehen.
Alle Urteile sind rechtskräftig, der Tilgungszeitraum ist gemäß der Strafregisterauskunft vom 15.4.2021 derzeit nicht errechenbar. Zum Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides war die mit Urteil des Landesgerichtes *** zur Zahl *** verhängte Probezeit von 3 Jahren noch nicht abgelaufen.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 21.3.2006, ***, wurde dem Beschwerdeführer erstmals die Nachsicht vom Ausschluss für die Ausübung des Gastgewerbes, befristet mit 31.12.2007, wegen nicht getilgter Vorstrafen gewährt.
Der nunmehrige Beschwerdeführer hat bereits mit Schreiben vom 15.1.2020 einen Antrag auf Erteilung einer Nachsicht zur Ausübung des Gastgewerbes wegen gerichtlicher Verurteilungen gestellt, der mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 18.6.2020, Zl. ***, abgewiesen wurde. Der am 15.4.2021 eingeholte Strafregisterauszug weist dieselben Einträge auf wie der dem Bescheid vom 18.6.2020 zugrundeliegende.
Seine gegen den Bescheid vom 18.6.2020 eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 29.9.2020, Zl. LVwG-AV-751/001-2020, als unbegründet abgewiesen. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich kam nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zum Ergebnis, dass sich der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme weder reflektiert, noch reumütig gezeigt habe, hingegen ausdrücklich angegeben habe, sich nicht weiter mit den begangenen Straftaten auseinandergesetzt, diese stattdessen bloß verdrängt zu haben.
Der Beschwerdeführer sei bereits seinen sich aus dem Familienrecht ergebenen Zahlungsverpflichtung nicht nachgekommen, was zu mehreren Verurteilungen wegen Verletzung der Unterhaltsverpflichtungen geführt habe, nicht zuletzt aufgrund der Ausübungsverweigerung einer zumutbaren Arbeit (siehe dazu Urteil des BG *** vom 27.7.2010 zu ***).
Zudem berge das Gastgewerbe durch dauerhaften Kundenkontakt erhöhtes Konfliktpotential, insbesondere durch Ausschank alkoholischer Getränke, welche die Zurechnungsfähigkeit der Besucher offenkundig beeinträchtigen und sich die Gewaltbereitschaft nach der allgemeinen Lebenserfahrung deutlich erhöhe. Diesbezüglich sei auf die wiederkehrend begangenen Delikte gegen Leib und Leben, insbesondere auf die jüngst verurteilte Straftat der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB zu verweisen. Nach der Rechtsprechung des VwGH solle Nachsicht nur gewährt werden, wenn die Befürchtung einer Tatbegehung iSd § 26 Abs. 1 GewO 1994 gar nicht bestehe (vgl. VwGH 17.9.2010, 2010/04/0026). Im gegenständlichen Fall weise der Beschwerdeführer einschlägige Vorverurteilungen wegen Delikten gegen Leib und Leben auf, weshalb das erkennende Gericht nicht ausschließen könne, dass es zu gleichen oder ähnlichen Straftaten kommen könne.
Der Beschwerdeführer habe sich nicht ausreichend mit seiner kriminellen Vergangenheit auseinandergesetzt und sei es nie zu einer Aufarbeitung der Geschehnisse gekommen, was nicht zuletzt durch seine Rückfälligkeit zum Ausdruck gekommen sei. Darüber hinaus sei dem Beschwerdeführer bereits im Jahr 2006 Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung gewährt worden, weshalb davon auszugehen sei, dass es dem Beschwerdeführer durchaus bewusst gewesen sei, dass rechtsuntreues Verhalten zum Ausschluss von der Gewerbeausübung führe, was ihn jedoch nicht daran gehindert habe, erneut straffällig zu werden.
Das erkennende Gericht kam zu dem Schluss, dass keine Wandlung der Persönlichkeit festzustellen sei und konnte diesbezüglich keine positive Prognose abgegeben werden.
Die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit Beschluss vom 4.2.2021, Zl. ***, zurückgewiesen.
Mit 15.3.2021 beantrage der Beschwerdeführer erneut die Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung aufgrund seiner zum größten Teil schon sehr alten Verurteilungen, um eine Waldschenke betreiben zu können. Dies wurde damit begründet, dass er gerne etwas Produktives tun und aus der Arbeitslosigkeit entfliehen wolle. Seine Bewährung aufgrund der letzten Verurteilung laufe bald ab, er habe sich nichts zuschulden kommen lassen. Auch finanztechnisch habe er nie Probleme oder Verurteilungen gehabt. Mit der Jausenstation trage er zum Wohl der Wirtschaft bei und schaffe auch Arbeitsplätze. Er werde sich in seinem Alter sicher nichts zuschulden kommen lassen.
Zu diesen Feststellungen gelangt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich aufgrund folgender Beweiswürdigung:
Die Feststellungen beruhen auf der Einsicht in den vorgelegten unbedenklichen Verwaltungsakt zur Zahl ***, insbesondere in das darin inneliegende Erkenntnis des Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vom 29.9.2020, LVwG-AV-751/001-2020, sowie in die Strafregisterauskunft vom 15.4.2021.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat dazu in rechtlicher Hinsicht wie folgt erwogen:
Gemäß § 17 VwGVG sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles ... und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Folgende rechtliche Bestimmungen kommen zur Anwendung:
§ 68 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) lautet:
(1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
(2) Von Amts wegen können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.
(3) Andere Bescheide kann die Behörde, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, oder die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im öffentlichen Interesse insoweit abändern, als dies zur Beseitigung von das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdenden Mißständen oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schädigungen notwendig und unvermeidlich ist. In allen Fällen hat die Behörde mit möglichster Schonung erworbener Rechte vorzugehen.
(4) Außerdem können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid
1.
von einer unzuständigen Behörde oder von einer nicht richtig zusammengesetzten Kollegialbehörde erlassen wurde,
2.
einen strafgesetzwidrigen Erfolg herbeiführen würde,
3.
tatsächlich undurchführbar ist oder
4.
an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet.
(5) Nach Ablauf von drei Jahren nach dem in § 63 Abs. 5 bezeichneten Zeitpunkt ist eine Nichtigerklärung aus den Gründen des Abs. 4 Z 1 nicht mehr zulässig.
(6) Die der Behörde in den Verwaltungsvorschriften eingeräumten Befugnisse zur Zurücknahme oder Einschränkung einer Berechtigung außerhalb eines Berufungsverfahrens bleiben unberührt.
(7) Auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechts steht niemandem ein Anspruch zu. Mutwillige Aufsichtsbeschwerden und Abänderungsanträge sind nach § 35 zu ahnden.
Hat die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht einen Antrag zurückgewiesen, ist Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (vgl. VwGH 26.1.2021, Ra 2020/06/0329; 13.10.2020, Ra 2020/15/0036, jeweils mwN).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs steht die Rechtskraft einer früher in der gleichen Angelegenheit ergangenen Erledigung einer neuen Sachentscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG nur dann nicht entgegen, wenn in den für die Entscheidung maßgebenden Umständen eine Änderung eingetreten ist. Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die „entschiedene Sache“, d. h. durch die Identität der Sache, über die formell rechtskräftig abgesprochen wurde, mit der im neuerlichen Abspruch erfassten bestimmt. Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der für die Vorentscheidung maßgeblichen Rechtslage noch in den für die Beurteilung der in der Vorentscheidung als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist (VwGH 26.4.2019, Ra 2019/20/0174 mit Verweis auf
E 24.5.2016, Ra 2016/21/0143, mwN; 12.12.2018, Ra 2018/19/0619 mit Verweis auf E 24.5.2016, Ra 2016/21/0143, mwN, 20.9.2018, Ra 2017/09/0043; 21.6.2018, Ra 2017/07/0125 etc.).
Die Behörde ist (bei unveränderter Rechtslage und gleichem Begehren) zu einer neuen Sachentscheidung verpflichtet, wenn ein im Vergleich zu den im Vorbescheid angenommenen Tatsachen nachträglich geänderter Sachverhalt vorliegt und eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages - nach der dem Vorbescheid zugrunde liegenden Rechtsanschauung - bei Bedachtnahme auf den geänderten Sachverhalt nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint (VwGH 29.1.2008, 2005/11/0102, mit Hinweis E 16.7.2003, 2000/01/0237). Die Behörde hat sich mit der behaupteten Sachverhaltsänderung bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit der (neuerlichen) Antragstellung insoweit auseinander zu setzen, als von ihr - gegebenenfalls auf der Grundlage eines durchzuführenden Ermittlungsverfahrens - festzustellen ist, ob die neu vorgebrachten Tatsachen zumindest einen (glaubhaften) Kern aufweisen, dem für die Entscheidung Relevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH 29.1.2008, 2005/11/0102 mit Hinweis E 21.11.2002, 2002/20/0315).
Bei der Prüfung des Vorliegens der entschiedenen Sache ist auch vom Verwaltungsgericht von der rechtskräftigen Vorentscheidung auszugehen, ohne deren sachliche Richtigkeit nochmals zu überprüfen (vgl. VwGH 20.9.2018, Ra 2017/09/0043).
Zum Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides hat der Strafregisterauszug dieselben Einträge aufgewiesen wie der dem Bescheid vom 18.6.2020 zugrundeliegende.
Das Ansuchen um Nachsicht wird begründet mit der Arbeitslosigkeit des nunmehrigen Beschwerdeführers, dem Wohl der Wirtschaft und der Schaffung von Arbeitsplätzen. Diese Kriterien sind im Nachsichtsverfahren jedoch nicht relevant, der nunmehrige Beschwerdeführer verweist weiters darauf, dass er sich nichts zuschulden habe kommen lassen und die Probezeit aufgrund der letzten Verurteilung bald ablaufe.
Im Nachsichtsverfahren ist eine Prognoseentscheidung aufgrund des sich ergebenden Persönlichkeitsbildes zu treffen. Als wesentliche Kriterien für diese Prognoseentscheidung hat die Behörde – nach Maßgabe der expliziten Anordnung in § 26 Abs. 1 GewO 1994 – auf die Eigenart der strafbaren Handlung und die Persönlichkeit des Verurteilten Bedacht zu nehmen. Die genannten Kriterien sind anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Hierbei kommt der Persönlichkeitsentwicklung in hohem Maße Bedeutung zu. Die Abwägung der Schwere und Eigenart der begangenen Straftaten einerseits und dem Lebenswandel andererseits, soll eine sichere Prognose gewährleisten, welche es ermöglicht, das Risiko der Begehung weiterer strafbarer Handlungen bei Ausübung des Gewerbes durch den Beschwerdeführer einzuschätzen.
Der Beschwerdeführer verweist lediglich darauf, dass aufgrund des Zeitablaufs die Probezeit bald abgelaufen sei, inwiefern sich jedoch der Sachverhalt gegenüber der letzten Entscheidung betreffend Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung geändert haben sollte, wird nicht dargetan. Insbesondere wird nicht auf einen allfälligen Persönlichkeitswandel eingegangen.
Im Bescheid vom 18.6.2020 hat sich die belangte Behörde detailliert mit der Eigenart der Delikte und den Umständen, die zur Tatbegehung geführt haben, auseinandergesetzt. Weiters hat die Behörde das Wohlverhalten geprüft und ist zum Ergebnis gekommen, dass nach der Eigenart der strafbaren Handlung und der Persönlichkeit des Antragstellers die Begehung gleicher oder ähnlicher Straftaten nicht ausgeschlossen werden könne. Auch das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich kam nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck vom nunmehrigen Beschwerdeführer gemacht hat, in seinem Erkenntnis vom 29.9.2020 zum Schluss, dass sich der Beschwerdeführer nicht ausreichend mit seiner kriminellen Vergangenheit auseinandergesetzt habe und dass es nie zu einer Aufarbeitung der Geschehnisse gekommen sei, was nicht zuletzt durch seine Rückfälligkeit zum Ausdruck gekommen sei. Darüber hinaus sei dem Beschwerdeführer bereits im Jahr 2006 Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung gewährt worden, weshalb davon auszugehen sei, dass es dem Beschwerdeführer durchaus bewusst gewesen sei, dass rechtsuntreues Verhalten zum Ausschluss von der Gewerbeausübung führe, was ihn jedoch nicht daran gehindert habe, erneut straffällig zu werden.
Das erkennende Gericht kam zu dem Schluss, dass keine Wandlung der Persönlichkeit festzustellen sei und konnte diesbezüglich keine positive Prognose abgegeben werden.
Inwiefern sich an dieser Beurteilung etwas durch den Zeitablauf zwischen der Erlassung des Bescheides vom 18.6.2020 bzw. dem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 29.9.2020 und dem neuerlichen Antrag vom 15.3.2021 geändert haben sollte, ist nicht zu erkennen, derartiges wird auch nicht vom Beschwerdeführer vorgebracht. Da somit in den für die Beurteilung der in der Vorentscheidung als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen keine Änderung eingetreten ist, hat die belangte Behörde den Antrag zu Recht gemäß § 69 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Die mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwGVG) entfallen, da gegenständlich die verfahrensrechtliche Frage zu klären war, ob die belangte Behörde zurecht den Antrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat, die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht das gegenständliche Erkenntnis von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Gewerbliches Berufsrecht; Gewerbeausübung; Ausschluss; Nachsicht; Prognoseentscheidung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.905.001.2021Zuletzt aktualisiert am
01.12.2021