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L9200 Sozialhilfe, Grundsicherung, MindestsicherungNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander betreffend die Kürzung des Richtsatzes nach dem Oö Sozialhilfe-AusführungsG; keine Berücksichtigung der bestehenden Haushaltsgemeinschaft bei den gemeinsamen Aufwendungen zur Deckung des WohnbedarfsSpruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Das Land Oberösterreich ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation und lebt seit 2003 mit seiner Familie in Österreich. Alle Familienmitglieder verfügen über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt – EU". Am 3. März 2020 beantragte der Beschwerdeführer für sich und seine im gemeinsamen Haushalt lebenden drei Kinder, wovon zwei bereits volljährig sind, die Zuerkennung von Leistungen der Sozialhilfe zur Unterstützung des Lebensunterhalts und zur Befriedigung des Wohnbedarfs.
2. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 27. März 2020 wurden dem Beschwerdeführer und seinen drei Kindern Sozialhilfeleistungen zur Unterstützung des Lebensunterhalts sowie zur Befriedigung des Wohnbedarfs in Form von monatlichen Leistungen ab 3. März bis 30. April 2020 zuerkannt. Die Leistungen wurden unter der Voraussetzung zuerkannt, dass sich der volljährige Sohn bei zumindest sieben Unternehmen mit offenen Stellenangeboten samt Absendenachweis bewerbe, andernfalls würde eine Kürzung gemäß §19 Oö. Sozialhilfe-Ausführungsgesetz (im Folgenden: Oö. SOHAG) erfolgen.
3. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Erkenntnis vom 25. August 2020 insofern Folge, als dem Beschwerdeführer der Zuschlag für alleinerziehende Personen für seinen minderjährigen Sohn gemäß §7 Abs3 lita Oö. SOHAG zugesprochen wurde. Der Spruchpunkt betreffend die Aufträge an den volljährigen Sohn wurde ersatzlos behoben und als Hinweis im Anschluss an den Spruchteil des angefochtenen Bescheides beigefügt. Zudem wurde der Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die Monatsansprüche der beiden volljährigen Kinder wegen fehlender Aufwendungen zur Deckung des Wohnbedarfs jeweils um 25 % des anzuwendenden Richtsatzes reduziert wurden.
3.1. Zunächst stellte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich fest, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit seinen Kindern in einer Wohnung wohne, wofür er monatlich € 491,02 an Mietkosten zu leisten habe. Der volljährige Sohn sei beim Arbeitsmarktservice (im Folgenden: AMS) arbeitssuchend gemeldet, beziehe jedoch keine AMS-Leistungen. Die volljährige Tochter besuche die Zweite Klasse einer Handelsakademie und habe diese Ausbildung bereits vor dem 18. Lebensjahr begonnen. Der minderjährige Sohn besuche die Erste Klasse eines Bundesrealgymnasiums. Für die Tochter und den minderjährigen Sohn beziehe der Beschwerdeführer Familienbeihilfe.
3.2. Begründend führte das Landesverwaltungsgericht auf das hier Wesentliche zusammengefasst aus: Nachdem der Beschwerdeführer keinen Wohnungsaufwand (Miete, Betriebs- und Energiekosten) nachgewiesen habe, der von seinem Sohn zu tragen wäre, sei dessen Richtsatz um 25 % (€ 160,54) zu kürzen. Der Richtsatz der volljährigen Tochter sei ebenfalls aus diesem Grund um 25 % (€ 103,20) zu kürzen. Da die volljährige Tochter des Beschwerdeführers ordentliche Schülerin einer Handelsakademie sei, dürfe von ihr der Einsatz ihrer Arbeitskraft nicht verlangt werden. Auf Grund der fehlenden Selbsterhaltungsfähigkeit der beiden volljährigen Kinder habe der Beschwerdeführer ihnen Unterhalt zu leisten; im Fall einer aufrechter Wohn- und Haushaltsgemeinschaft sei primär – entsprechend der Leistungsfähigkeit der Eltern – Naturalunterhalt zu leisten. Mit dem Gewähren des Wohnens im väterlichen Haushalt (samt damit verbundener Versorgung) erfülle der Beschwerdeführer seine Unterhaltspflicht gegenüber seinen volljährigen Kindern.
3.3. Die Reduktion der Richtsätze hinsichtlich der volljährigen Kinder sei wegen fehlender Aufwendungen zur Deckung des Wohnbedarfs gerechtfertigt. Zudem werde angemerkt, dass die im Beschwerdevorbringen angesprochene Vereinbarung hinsichtlich finanzieller Beteiligung der volljährigen Kinder am Wohnungsaufwand erst am 30. März 2020 – dh nach Erstellung des angefochtenen Bescheides – erfolgt sei.
4. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.
Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich habe wegen fehlendem Wohnungsaufwand die Leistungen gekürzt und damit den Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt. Nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich sei der Wohnungsaufwand bei volljährigen Kindern ohne Einkommen im Rahmen der Unterhaltspflicht durch die Sozialhilfeleistungen der Eltern abgedeckt. Die Sozialhilfeleistungen der Eltern würden aber nur deren eigenen Wohnungsaufwand und nicht den der Kinder decken. Wenn die Eltern selbst kein Einkommen hätten, sondern nur Sozialhilfeleistungen beziehen würden, könnten die Sozialhilfeleistungen nur deren eigenen Wohnungsaufwand abdecken; der Wohnungsaufwand für die Kinder sei in deren eigenem Sozialhilferichtsatz enthalten, weshalb dieser nicht gekürzt werden dürfte.
5. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat die Verwaltungsakten und das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Gerichtsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift wurde abgesehen.
II. Rechtslage
Das Oö. Sozialhilfe-Ausführungsgesetz (Oö. SOHAG), LGBl 107/2019, idF LGBl 6/2020 lautet auszugsweise wie folgt:
"§6
Sachliche Voraussetzungen für die Leistung der Sozialhilfe
(1) Voraussetzung für die Leistung der Sozialhilfe ist, dass eine Person im Sinn des §5
1. von einer sozialen Notlage (Abs2) betroffen ist und
2. bereit ist, sich um die Abwendung, Milderung bzw Überwindung der sozialen Notlage zu bemühen (Abs4).
(2) Eine soziale Notlage liegt bei Personen vor,
1. die ihren eigenen Lebensunterhalt und Wohnbedarf oder
2. den Lebensunterhalt und Wohnbedarf von unterhaltsberechtigten Angehörigen, die mit ihnen in Haushaltsgemeinschaft leben,
nicht decken können.
[…]
§7
Monatliche Leistungen der Sozialhilfe mit Rechtsanspruch
(1) Die Leistung der Sozialhilfe erfolgt in Form von monatlichen, zwölfmal im Jahr gebührenden pauschalen Geldleistungen oder Sachleistungen zur Unterstützung des Lebensunterhalts sowie zur Befriedigung eines ausreichenden und zweckmäßigen, das Maß des Notwendigen aber nicht überschreitenden Wohnbedarfs.
(2) Die Summe der Geld- und Sachleistungen (Richtsätze) nach Abs1 beträgt pro Person und Monat bezogen auf den Netto-Ausgleichszulagen-Richtsatz für Alleinstehende
1. für eine alleinstehende oder alleinerziehende Person 100 %
2. für in Haushaltsgemeinschaft lebende volljährige Personen
a) pro Person 70 %
b) ab der dritten leistungsberechtigten Person 45 %
3. für in Haushaltsgemeinschaft lebende unterhaltsberechtigte minderjährige Personen, für die ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht:
a) bei einer leistungsberechtigten, minderjährigen Person 25 %
b) bei zwei leistungsberechtigten, minderjährigen Personen pro Person 20 %
c) bei drei leistungsberechtigten, minderjährigen Personen pro Person 15 %
d) bei vier leistungsberechtigten, minderjährigen Personen pro Person 12,5 %
e) bei fünf oder mehr leistungsberechtigten, minderjährigen Personen pro Person 12 %
(3) Für alleinerziehende Personen sind zur weiteren Unterstützung des Lebensunterhalts bezogen auf den Netto-Ausgleichszulagen-Richtsatz für Alleinstehende folgende Zuschläge zu gewähren (Alleinerzieherbonus):
a) für die erste minderjährige Person 12 %
b) für die zweite minderjährige Person 9 %
c) für die dritte minderjährige Person 6 %
d) für jede weitere minderjährige Person 3 %
(4) Für volljährige und minderjährige Personen mit Behinderung (§40 Abs1 und 2 BBG, BGBl Nr 283/1990, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 150/2002) ist zur weiteren Unterstützung des Lebensunterhalts, sofern nicht höhere Leistungen auf Grund besonderer landesgesetzlicher Bestimmungen, die an eine Behinderung anknüpfen, gewährt werden, ein Zuschlag in Höhe von 18 % pro Person bezogen auf den Netto-Ausgleichszulagen-Richtsatz für Alleinstehende zu gewähren.
(5) Eine Haushaltsgemeinschaft bilden mehrere in einer Wohneinheit oder Wohngemeinschaft lebende Personen, soweit eine gänzliche oder teilweise gemeinsame Wirtschaftsführung nicht auf Grund besonderer Umstände ausgeschlossen werden kann. Leben mehr als zwei bezugsberechtigte, volljährige Personen in Haushaltsgemeinschaft, ist für die beiden ältesten Personen der Richtsatz gemäß Abs2 Z2 lita heranzuziehen. Die Leistungen gemäß Abs2 Z3 sind nach dem Alter in absteigender Reihenfolge zu gewähren, wobei für die älteste minderjährige Person der Richtsatz gemäß Abs2 Z3 lita heranzuziehen ist.
[…]
(8) Als alleinerziehende Personen im Sinn des Abs2 Z1 und Abs3 gelten Personen, die ausschließlich mit anderen Personen in Haushaltsgemeinschaft leben, gegenüber denen sie mit der Obsorge bzw der Pflege und Erziehung betraut sind.
(9) Hat eine bezugsberechtigte volljährige Person keine Aufwendungen zur Deckung des Wohnbedarfs für Miete, Betriebs- und Energiekosten, ist der für sie anzuwendende Richtsatz nach Abs2 Z1 oder Z2 lita oder b im Ausmaß von 25 % zu verringern. Hat die bezugsberechtigte volljährige Person zwar Aufwendungen zur Deckung des Wohnbedarfs für Miete, Betriebs- und Energiekosten, erreichen diese aber nicht ein Ausmaß von 25 %, ist der Richtsatz nach Abs2 Z1 oder Z2 lita oder b im entsprechenden Ausmaß zu reduzieren.
(10) Die Summe aller Geldleistungen der Sozialhilfe, die unterhaltsberechtigten minderjährigen Personen einer bestimmten Haushaltsgemeinschaft auf Grund einer Berechnung gemäß §7 zur Verfügung stehen soll, ist rechnerisch gleichmäßig – mit Ausnahme von Leistungen gemäß Abs4 – auf alle unterhaltsberechtigten minderjährigen Personen aufzuteilen."
III. Erwägungen
1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.
2. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).
Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).
3. Ein solcher Fehler ist dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich unterlaufen:
3.1. Gemäß §7 Abs9 Oö. SOHAG ist für eine bezugsberechtigte volljährige Person der Richtsatz nach §7 Abs2 Z1 oder Z2 lita oder b Oö. SOHAG im Ausmaß von 25 % zu verringern, sollte diese keine Aufwendungen zur Deckung des Wohnbedarfs für Miete, Betriebs- und Energiekosten haben. Für den Fall, dass derartige Aufwendungen anfallen, diese aber nicht ein Ausmaß von 25 % des jeweiligen Richtsatzes erreichen, ist der Richtsatz im entsprechenden Ausmaß zu reduzieren. Den Erläuterungen zu dieser Bestimmung zu Folge soll es nur dann zu einer Kürzung des Richtsatzes kommen, wenn die bezugsberechtigte Person "nicht durch Aufwendungen im Bereich des Wohnbedarfs (Miete, Betriebs- und Energiekosten) belastet" wird. Als Beispiel wird die Tragung des Wohnungsaufwandes durch Dritte auf Grund vertraglicher Regelungen angeführt (AB 1180/2019 BlgLT [Oö.] 28. GP, 13). Denkbar wäre zB die im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung gewährte Wohnbeihilfe nach dem Oö. Wohnbauförderungsgesetz 1993.
3.2. In den Erläuterungen zu §6 Abs2 Oö. SOHAG hat der Ausführungsgesetzgeber überdies klargestellt, dass soziale Notlagen jeweils auf der Ebene eines Haushaltes betrachtet werden (AB 1180/2019 BlgLT [Oö.] 28. GP, 10). Eine Haushaltsgemeinschaft bilden nach §7 Abs5 Oö. SOHAG mehrere in einer Wohneinheit oder Wohngemeinschaft lebende Personen, soweit eine gänzliche oder teilweise gemeinsame Wirtschaftsführung nicht auf Grund besonderer Umstände ausgeschlossen werden kann. Die grundsätzliche Annahme, dass mehrere in einer Wohneinheit oder sonstigen Wohngemeinschaft lebende Personen eine Haushaltsgemeinschaft bilden, ist – so die Erläuterungen – auf Grund der damit regelmäßig verbundenen Kostenersparnis gerechtfertigt. Dabei spielt es keine Rolle, ob zwischen diesen im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen unterhaltsrechtliche Beziehungen bestehen oder nicht (AB 1180/2019 BlgLT [Oö.] 28. GP, 12; vgl auch VwGH 16.2.2021, Ra 2020/10/0147).
3.3. Wesentliches Kriterium für die Frage, ob ein gemeinsamer Haushalt bzw eine Haushaltsgemeinschaft vorliegt, ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes – auf die in den Erläuterungen ebenfalls verwiesen wird – "dass zumindest in Teilbereichen eine gemeinsame Wirtschaftsführung besteht" (VwGH 23.10.2012, 2012/10/0020; 16.2.2021, Ra 2020/10/0147). Dem Grundsatz folgend, dass in Haushaltsgemeinschaft lebende Personen erfahrungsgemäß geringere Wohnkosten und – in einem gewissen Ausmaß – auch geringere Lebenshaltungskosten zu tragen haben (vgl VfSlg 20.244/2018, 20.297/2018, 20.300/2018, 20.359/2019), ist in §7 Abs2 Oö. SOHAG eine degressive Abstufung der Richtsätze festgelegt (AB 1180/2019 BlgLT [Oö.] 28. GP, 11). Eine gemeinsame Wirtschaftsführung bringt es zwangsläufig auch mit sich, dass gewisse Ausgaben vordergründig nur von einer Person der Haushaltsgemeinschaft bezahlt werden, diese jedoch wirtschaftlich betrachtet Ausgaben der gesamten Haushaltsgemeinschaft darstellen.
3.4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht in seiner rechtlichen Begründung davon aus, dass gemäß §7 Abs9 Oö. SOHAG eine Kürzung des Richtsatzes mangels Aufwendungen zum Wohnbedarf dann vorzunehmen sei, wenn eine bezugsberechtigte volljährige Person keine Aufwendungen zur Deckung des Wohnbedarfs für Miete, Betriebs- und Energiekosten habe. Nach einem Verweis auf die Erläuterungen zu der Bestimmung kommt das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zu dem Schluss, dass nur der Beschwerdeführer Kosten für den Wohnungsaufwand zu leisten habe. Der Beschwerdeführer habe mangels Selbsterhaltungsfähigkeit seiner volljährigen Kinder primär Naturalunterhalt – in Form der Gewährung des Wohnens im väterlichen Haushalt – zu leisten. Die Reduktion der Richtsätze hinsichtlich der volljährigen Kinder sei daher wegen deren fehlender Aufwendungen zur Deckung des Wohnbedarfs gerechtfertigt.
3.5. Alleine aus der Tatsache, dass der Beschwerdeführer den gesamten Mietzins für die Wohnung überweist, kann nicht darauf geschlossen werden, dass die übrigen im Haushalt lebenden (volljährigen) Personen mit keinen Aufwendungen für den Wohnbedarf belastet wären. Hinzu kommt, dass die dem Beschwerdeführer gewährte Sozialhilfeleistung zur Befriedigung des Wohnbedarfs nur dessen eigenen Wohnungsaufwand deckt, nicht aber auch jenen seiner volljährigen Kinder, der in ihrem eigenen Richtsatz für in Haushaltsgemeinschaft lebende volljährige Personen berücksichtigt ist. Wie oben bereits dargestellt, wäre das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich gehalten gewesen, die wirtschaftliche Situation der gesamten Haushaltsgemeinschaft zu beurteilen. Eine solche Gesamtbeurteilung führt zu dem Ergebnis, dass entweder für alle Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft ein zu deckender Wohnbedarf vorhanden ist und/oder dass dieser (zumindest teilweise) anderweitig, zB durch Dritte, gedeckt wird. Aus den Feststellungen des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich ergibt sich jedoch unzweifelhaft, dass weder der Wohnbedarf des Beschwerdeführers noch der seiner Haushaltsgemeinschaft (von Dritten) gedeckt wird, sondern lediglich, dass der Beschwerdeführer für die Wohnung Mietkosten in bestimmter Höhe zu leisten hat.
4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat somit §7 Abs9 Oö. SOHAG grob unrichtig ausgelegt, indem es alleine auf Grund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer die Mietzinszahlungen leiste und Naturalunterhalt gewähre, davon ausgegangen ist, dass die übrigen in Haushaltsgemeinschaft lebenden volljährigen Personen keine Aufwendungen zur Deckung ihres Wohnbedarfs hätten. Es hat daher seine Entscheidung mit Willkür belastet.
IV. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer ist somit durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) verletzt worden.
2. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– enthalten.
Schlagworte
Sozialhilfe, Mindestsicherung, EntscheidungsbegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:E3494.2020Zuletzt aktualisiert am
03.12.2021