RS Vfgh 2021/6/7 E3007/2020

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Veröffentlicht am 07.06.2021
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Index

L9200 Sozialhilfe, Grundsicherung, Mindestsicherung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gerichtsakt
StGG Art2
Oö Sozialhilfe-AusführungsG §7
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch die Kürzung des Richtsatzes nach dem Oö Sozialhilfe-AusführungsG; keine Berücksichtigung der bestehenden Haushaltsgemeinschaft zwischen Eheleuten bei den gemeinsamen Aufwendungen zur Deckung des Wohnbedarfs des Ehemanns; Außerachtlassung des Parteienvorbringens

Rechtssatz

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) geht in seiner rechtlichen Begründung davon aus, dass gemäß §7 Abs9 Oö SOHAG eine Kürzung des Richtsatzes mangels Aufwendungen zum Wohnbedarf dann vorzunehmen sei, wenn eine bezugsberechtigte volljährige Person keine Aufwendungen zur Deckung des Wohnbedarfs für Miete, Betriebs- und Energiekosten habe. Nach einem Verweis auf die Erläuterungen zu der Bestimmung kommt das LVwG ohne nähere Begründung zu dem Schluss, dass nur die Ehegattin des Beschwerdeführers Kosten für den Wohnungsaufwand durch Vorlage ihrer Kontoauszüge nachgewiesen habe, weshalb der Richtsatz der übrigen im Haushalt lebenden Personen um 25% zu kürzen sei.

Wie der Beschwerdeführer jedoch schon zutreffend in seiner Bescheidbeschwerde ausgeführt hat, kann alleine aus der Tatsache, dass seine Ehegattin den Mietzins von ihrem Konto - auf welches auch die Sozialhilfeleistungen für die gesamte Haushaltsgemeinschaft ausbezahlt werden - überweist, nicht darauf geschlossen werden, dass die übrigen im Haushalt lebenden (volljährigen) Personen, insbesondere auch der Beschwerdeführer, mit keinen Aufwendungen für den Wohnbedarf belastet wären. Das LVwG wäre gehalten gewesen, die wirtschaftliche Situation der gesamten Haushaltsgemeinschaft zu beurteilen. (Eine Haushaltsgemeinschaft bilden nach §7 Abs5 Oö SOHAG mehrere in einer Wohneinheit oder Wohngemeinschaft lebende Personen, soweit eine gänzliche oder teilweise gemeinsame Wirtschaftsführung nicht auf Grund besonderer Umstände ausgeschlossen werden kann.) Eine solche Gesamtbeurteilung führt zu dem Ergebnis, dass entweder für alle Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft ein zu deckender Wohnbedarf vorhanden ist und/oder dass dieser (zumindest teilweise) anderweitig, zB durch Dritte, gedeckt wird. Aus den Feststellungen des LVwG ergibt sich jedoch unzweifelhaft, dass weder der Wohnbedarf des Beschwerdeführers noch der seiner Haushaltsgemeinschaft (von Dritten) gedeckt wird, sondern lediglich, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers die Überweisung der Miete von ihrem Konto durchführt.

Das LVwG hat somit §7 Abs9 Oö SOHAG grob unrichtig ausgelegt, indem es alleine auf Grund der Tatsache, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers einen Kontoauszug des Kontos, auf das die gesamten Sozialhilfeleistungen der Haushaltsgemeinschaft überwiesen und von dem die Mietzinszahlungen geleistet werden würden, vorgelegt habe, davon ausgegangen ist, dass der Beschwerdeführer keine Aufwendungen zur Deckung seines Wohnbedarfs hätte. Deswegen und weil das LVwG überdies das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers völlig außer Acht gelassen hat, hat es seine Entscheidung mit Willkür belastet.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Mindestsicherung, Sozialhilfe, Behinderte, Entscheidungsbegründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:E3007.2020

Zuletzt aktualisiert am

01.12.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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