RS Vfgh 2021/6/22 E1489/2021

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Veröffentlicht am 22.06.2021
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gerichtsakt
B-VG Art18 Abs1
EMRK Art8
NAG §11, §45
VfGG §7 Abs2, §87 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Achtung des Privat und Familienlebens betreffend die Erteilung des Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt – EU" durch neuerliche Unterlassung der Interessenabwägung nach Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof

Rechtssatz

Der VfGH hat in E v 24.11.2020, E1089/2020, ausgeführt, dass trotz Nichterfüllung der Voraussetzung der Selbsterhaltungsfähigkeit - auch im Fall einer Behinderung - der Aufenthaltstitel zu erteilen ist, wenn dies auf Grund Art8 EMRK geboten ist. Da das LVwG die gebotene Interessenabwägung unterlassen hat und dadurch den Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art8 EMRK verletzt hat. Das Verwaltungsgericht Wien (VGW) bezieht sich (im fortgesetzten Verfahren oder nun) offensichtlich auf den Umstand, dass im Gefolge eines Erkenntnisses des BVwG vom 28.04.2017 dem Beschwerdeführer bereits der Status des subsidiär Schutzberechtigen zukomme. Daraus vermeint das VGW offenbar ableiten zu können, dass eine Durchführung der nach §11 Abs3 NAG bei der Entscheidung über den, den Gegenstand des Verfahrens vor dem VGW bildenden Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" gebotenen Interessenabwägung nicht erforderlich sei, weil auch bei "Verweigerung des beantragten Aufenthaltstitels keine Notwendigkeit des Bf, Österreich zu verlassen, [bestehe und] auch seine Unterstützung und Pflege [...] durch seine hier lebenden Familienmitglieder gesichert" sei.

Damit verkennt das VGW zunächst, dass es gemäß Art18 Abs1 B-VG verpflichtet ist, über den bei ihm anhängigen Antrag des Beschwerdeführers nach den für diesen Antrag maßgeblichen Rechtsgrundlagen zu entscheiden (VwGH 13.12.2018, Ro 2017/22/0002: "Das nationale Recht sieht nämlich nicht vor, im Fall der Bejahung eines Anspruchs nach Art8 EMRK einen anderen als den beantragten Aufenthaltstitel zu erteilen.")

Von seinen verfehlten Prämissen ausgehend lässt das VGW im fortgesetzten Verfahren neuerlich die nach §11 Abs3 NAG vor dem Hintergrund des Art8 EMRK und des Art7 Abs1 Satz 3 B-VG gebotene Interessenabwägung außer Acht und verstößt somit gegen seine Verpflichtung aus §87 Abs2 VfGG, womit es den Beschwerdeführer neuerlich in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung seines Privat- und Familienlebens gemäß Art8 EMRK verletzt.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Fremdenrecht, Privat- und Familienleben, Behinderte, Ersatzentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:E1489.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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