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90/01 StraßenverkehrsrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 Z1Leitsatz
Gesetzwidrigkeit eines – wegen einer Baustelle im Jahr 1999 eingerichteten – Parkverbots mangels Erforderlichkeit; Wegfall der Erforderlichkeit war – trotz fehlender behördlicher Überprüfung – bereits bei Erlassung der Verordnung nach Baustellenbeendigung absehbarRechtssatz
Aufhebung der Verordnung des Stadtsenates der Stadt Graz vom 29.04.1999, ZA 10/1-I-214/54-1999.
Eine Verletzung der Überprüfungspflicht nach §96 Abs2 StVO 1960 begründete nach der bisherigen Rsp des VfGH (zur zweijährigen Frist) für sich allein noch keine Gesetzwidrigkeit von Verordnungen, deren Überprüfung unterblieben war. Dementsprechend ist regelmäßig davon auszugehen, dass eine Verordnung für die in §96 Abs2 StVO 1960 festgelegte Zeit auch dann gesetzlich gedeckt ist, wenn die Voraussetzungen für ihre Erlassung in der Folge wegfallen. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn der Behörde solche Umstände vorzeitig angezeigt wurden oder für sie bereits vorher erkennbar waren bzw sie davon Kenntnis haben musste. Diese Rsp kann auch auf die geltende Rechtslage, nach der eine Überprüfungspflicht nicht mehr alle zwei Jahre, sondern "mindestens alle fünf Jahre" vorgesehen ist, übertragen werden.
Das mit dem vorliegenden Antrag angefochtene Parkverbot wurde ausweislich des Verordnungsaktes ausschließlich aus dem Grund erlassen, den Betrieb des im Jahr 1999 um Errichtung einer Ladezone ansuchenden Unternehmens während der Durchführung von Bautätigkeiten im Zusammenhang mit der (Neu-)Errichtung der Synagoge ungestört aufrechterhalten zu können. Das Unternehmen wurde in der angefochtenen Verordnung auch ausdrücklich zur Kostentragung für die Beschaffung, Aufstellung und Erhaltung der Verkehrszeichen verpflichtet.
Die angefochtene Verordnung war daher bereits nach Abschluss der Bautätigkeiten im Zusammenhang mit der (Neu-)Errichtung der Synagoge im Jahr 2000 nicht mehr erforderlich im Sinne von §43 Abs1 StVO 1960. Es ist davon auszugehen, dass dieser Umstand für die verordnungserlassende Behörde nicht nur nach Abschluss der Bautätigkeiten, sondern schon bei Erlassung der angefochtenen Verordnung erkennbar bzw vorhersehbar war. Im Übrigen war die Erforderlichkeit der angefochtenen Verordnung (auch) durch die Änderung der Geschäftszeiten des betreffenden Unternehmens (insbesondere durch die gänzliche Schließung des Betriebes am Samstag) im Jahr 2016 nicht mehr in dem ursprünglich verordneten Umfang gegeben. Mag auch die fehlende Überprüfung der angefochtenen Verordnung gemäß §96 Abs2 StVO 1960 für sich genommen nicht zu deren Gesetzwidrigkeit geführt haben, so wurde sie damit aber jedenfalls durch den erkennbaren Wegfall der tatsächlichen Grundlage für ihre Erlassung gesetzwidrig.
Diesem Ergebnis steht auch der Umstand nicht entgegen, dass allenfalls andere Gründe vorliegen könnten, die die Erlassung eines Parkverbotes in dem in der angefochtenen Verordnung angegebenen Bereich notwendig erscheinen lassen. Die verordnungserlassende Behörde führt in ihrer Äußerung aus, dass bei entsprechender Bebauung ohne zugeordnete Stellplätze im Grazer Stadtgebiet davon ausgegangen werde, dass Parkverbote auch durch die Anwohner für Ladetätigkeiten und kurze Haltevorgänge, die sich noch nicht unter den Begriff der Ladetätigkeit subsumieren lassen, genutzt werden könnten. Im Übrigen würden Parkverbote auch Inhabern eines Ausweises gemäß §29 Abs2 StVO 1960 die Möglichkeit zum Parken ihres Fahrzeuges einräumen. Schließlich würden sowohl die Parkplatzsituation der Anwohner an der in Rede stehenden Örtlichkeit als auch die Nähe der Synagoge mit einem größeren Benutzerkreis für die Beibehaltung des Parkverbotes auch an Samstagen sprechen. Diese Ausführungen können die Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnung aber nicht sanieren, weil die Erforderlichkeit der angefochtenen Verordnung unter diesen Aspekten laut der Gedächtnisniederschrift vom 13.04.1999 nicht geprüft wurde.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Halte(Park-)verbot, Straßenverkehrszeichen, Verordnungserlassung, VfGH / Gerichtsantrag, Verordnung KundmachungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:V102.2021Zuletzt aktualisiert am
01.12.2021