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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten betreffend eine Familie von Staatsangehörigen des Iraks; erneut mangelnde individuelle Auseinandersetzung mit der Gefährdungslage im Heimatstaat im Hinblick auf die Minderjährigkeit der Fünftbeschwerdeführerin, insbesondere mangelnde Prüfung der Unterstützung durch dort lebende Familienangehörige sowie mangelnde Auseinandersetzung mit der COVID-19-Situation im Hinblick auf den ViertbeschwerdeführerRechtssatz
Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) kommt mit der angefochtenen Entscheidung dem Erkenntnis des VfGH vom 08.06.2020, E175/2019 ua, nunmehr zwar insofern nach, als es Länderfeststellungen betreffend die besondere Situation von Kindern im Irak trifft und auch die besondere Vulnerabilität der Familie feststellt, doch wird es der vom VfGH in stRsp geforderten individuellen Auseinandersetzung mit diesem Risikoprofil im konkreten Einzelfall nicht gerecht. Das BVwG verneint nämlich pauschal, dass sich die potentiellen Gefahren für Kinder in Bezug auf die minderjährige Beschwerdeführerin verwirklichen würden, ohne diese Behauptung näher zu begründen. Es verweist diesbezüglich lediglich auf die Rückkehr im Familienverband und die Unterstützung durch das familiäre Netzwerk im Herkunftsstaat, setzt sich aber nicht näher damit auseinander, ob die Familie der beschwerdeführenden Parteien auch willens und in der Lage ist, Unterstützung zu leisten. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass die mündliche Verhandlung vor dem BVwG im Zeitpunkt der Entscheidung bereits vier Jahre zurückliegt und daher gerade im Hinblick auf die zwischenzeitlich möglicherweise geänderte Situation der Familienangehörigen im Herkunftsstaat weitere Ermittlungsschritte anzustellen gewesen wären. Das BVwG hat es daher in verfassungswidriger Weise unterlassen zu prüfen, ob dem minderjährigen Kind im Falle einer Rückkehr in den Irak eine Verletzung in seinen gemäß Art2 und Art3 EMRK gewährleisteten Rechten droht.
Im Übrigen stellt das BVwG in seiner Entscheidung fest, der Viertbeschwerdeführer habe ein sehr hohes Körpergewicht und trifft weiters Feststellungen zur COVID-19-Situation im Herkunftsstaat, setzt sich aber nicht näher mit der Bedeutung dieser Feststellungen für den Viertbeschwerdeführer auseinander. Da dieser aber zumindest eine gewisse Nähe zu einer COVID-19-Risikogruppe aufweist, wäre jedenfalls eine nähere Auseinandersetzung mit diesem Umstand gefordert gewesen. Auch durch das Unterlassen der Ermittlungstätigkeit in diesem Punkt hat das BVwG das Erkenntnis mit Willkür belastet.
Diese Mängel schlagen gemäß §34 Abs4 AsylG 2005 auch auf die Entscheidung betreffend die Familienangehörigen durch; daher ist auch diese im selben Umfang aufzuheben.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht / Vulnerabilität, Kinder, COVID (Corona), Ermittlungsverfahren, Entscheidungsbegründung, Rückkehrentscheidung, ErsatzentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:E2410.2021Zuletzt aktualisiert am
01.12.2021