Index
82/02 Gesundheitsrecht allgemeinNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerordnungLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch eine Tiroler COVID-19-MaßnahmenV betreffend das Speisen- und Getränkeabholverbot (take away) von Gastronomiebetrieben, die nicht über eine allgemein zugängliche öffentliche Straße erreichbar sind; Unsachlichkeit des (ausschließlichen) Kriteriums der Erreichbarkeit von "Schihütten" durch ein Kfz garantiert nicht, Speisen und Getränke unter Einhaltung des Mindestabstands konsumieren zu könnenSpruch
I. 1. Die Verordnung des Landeshauptmanns von Tirol vom 22. Dezember 2020 über zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 in Schigebieten in Tirol, LGBl für Tirol Nr 142/2020, war gesetzwidrig.
2. Die als gesetzwidrig festgestellte Verordnung ist nicht mehr anzuwenden.
3. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.
II. Der Bund (Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz) ist schuldig, den antragstellenden Parteien zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit insgesamt € 5.582,40 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Anträge
Gestützt auf Art139 Abs1 Z3 B-VG begehren die antragstellenden Parteien, der Verfassungsgerichtshof möge
"[d]ie Verordnungen des Landeshauptmann[s] für Tirol vom 22. Dezember 2020 über zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 in Schigebieten in Tirol, in der Fassung der Kundmachung im Landesgesetzblatt für Tirol, LGBl Nr 142/2020 vom 22. Dezember 2020 zur Gänze, in eventu den §1 der genannten Verordnung, in eventu die Wortfolgen 'in Schigebieten unzulässig' sowie ', die durch Gäste nicht mit Kraftfahrzeugen über Straßen erreicht werden können, deren Benutzung durch die Allgemeinheit vom Willen des Grundeigentümers oder Straßenerhalters unabhängig ist' in §1 der genannten Verordnung"
als verfassungs- und gesetzwidrig aufheben, in eventu feststellen, dass die außer Kraft getretenen Bestimmungen rechtswidrig waren.
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz – COVID-19-MG), BGBl I 12/2020, idF BGBl I 138/2020 lauteten wie folgt:
"Betreten und Befahren von Betriebsstätten und Arbeitsorten sowie Benutzen von Verkehrsmitteln
§3. (1) Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung
1. das Betreten und das Befahren von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen,
2. das Betreten und das Befahren von Arbeitsorten oder nur bestimmten Arbeitsorten gemäß §2 Abs3 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes und
3. das Benutzen von Verkehrsmitteln oder nur bestimmten Verkehrsmitteln
geregelt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist.
(2) In einer Verordnung gemäß Abs1 kann entsprechend der epidemiologischen Situation festgelegt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit oder unter welchen Voraussetzungen und Auflagen Betriebsstätten oder Arbeitsorte betreten und befahren oder Verkehrsmittel benutzt werden dürfen. Weiters kann das Betreten und Befahren von Betriebsstätten oder Arbeitsorten sowie das Benutzen von Verkehrsmitteln untersagt werden, sofern gelindere Maßnahmen nicht ausreichen. […]
Zuständigkeiten
§7. (1) Verordnungen nach diesem Bundesgesetz sind vom für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister zu erlassen.
(2) Verordnungen nach diesem Bundesgesetz können vom Landeshauptmann erlassen werden, wenn keine Verordnung gemäß Abs1 erlassen wurde oder zusätzliche Maßnahmen zu einer Verordnung gemäß Abs1 festgelegt werden. Verordnungen gemäß §5 bedürfen der Zustimmung des für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesministers.
(3) Verordnungen nach diesem Bundesgesetz können von der Bezirksverwaltungsbehörde erlassen werden, wenn keine Verordnungen gemäß Abs1 oder 2 erlassen wurden oder zusätzliche Maßnahmen zu Verordnungen nach Abs1 oder 2 festgelegt werden. Verordnungen gemäß §5 bedürfen der Zustimmung des Landeshauptmanns.
(4) In einer Verordnung gemäß Abs1 bis 3 kann entsprechend der jeweiligen epidemiologischen Situation regional differenziert werden.
(5) Durch Verordnung gemäß Abs1 können Verordnungen gemäß Abs2 und 3 oder Teile davon aufgehoben werden. Durch Verordnung gemäß Abs2 können Verordnungen gemäß Abs3 oder Teile davon aufgehoben werden.
(6) Verordnungen gemäß Abs2 und 3 sind vor deren Inkrafttreten dem für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister mitzuteilen."
2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, mit der besondere Schutzmaßnahmen zur Verhinderung einer Notsituation auf Grund von COVID-19 getroffen werden (2. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung – 2. COVID-19-NotMV), BGBl II 598/2020, lauteten auszugsweise wie folgt:
"Massenbeförderungsmittel
§3. In Massenbeförderungsmitteln und den dazugehörigen U-Bahn-Stationen, Bahnsteigen, Haltestellen, Bahnhöfen und Flughäfen zuzüglich deren Verbindungsbauwerke ist gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten und eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende und eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung zu tragen. Ist auf Grund der Anzahl der Fahrgäste sowie beim Ein- und Aussteigen die Einhaltung des Abstands von mindestens einem Meter nicht möglich, kann davon ausnahmsweise abgewichen werden.
Fahrgemeinschaften, Gelegenheitsverkehr, Seil- und Zahnradbahnen
§4. […]
(3) Für die Benützung von Seil- und Zahnradbahnen gilt:
1. §3 gilt sinngemäß, wobei in geschlossenen oder abdeckbaren Fahrbetriebsmitteln (Gondeln, Kabinen, abdeckbaren Sesseln) und in geschlossenen Zugangsbereichen von Seil- und Zahnradbahnen ab dem vollendeten 14. Lebensjahr eine Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske) ohne Ausatemventil oder eine äquivalente bzw einem höheren Standard entsprechende Maske zu tragen ist.
2. In geschlossenen oder abdeckbaren Fahrbetriebsmitteln dürfen höchstens so viele Personen gleichzeitig befördert werden, dass die Hälfte der Beförderungskapazität des Fahrbetriebsmittels nicht überschritten wird. Dies gilt nicht, wenn ausschließlich Personen aus demselben Haushalt befördert werden.
(4) Der Betreiber von Seil- und Zahnradbahnen hat basierend auf einer Risikoanalyse ein dem Stand der Wissenschaft entsprechendes COVID-19-Präventionskonzept zur Minimierung des Infektionsrisikos auszuarbeiten und umzusetzen. Das COVID-19-Präventionskonzept hat insbesondere zu enthalten:
1. spezifische Hygienevorgaben,
2. Regelungen zum Verhalten bei Auftreten einer SARS-CoV-2-Infektion,
3. Risikoanalyse,
4. Regelungen betreffend die Nutzung sanitärer Einrichtungen,
5. Regelungen betreffend die Konsumation von Speisen und Getränken,
6. Regelungen zur Steuerung der Kundenströme und Regulierung der Anzahl der Kunden,
7. Entzerrungsmaßnahmen, wie Absperrungen und Bodenmarkierungen,
8. Vorgaben zur Schulung der Mitarbeiter in Bezug auf Hygienemaßnahmen.
Der Betreiber hat die Einhaltung dieser Bestimmungen durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen.
[…]
Gastgewerbe
§7. (1) Das Betreten und Befahren von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen des Gastgewerbes ist untersagt.
(2) Abs1 gilt nicht für Gastgewerbebetriebe, die innerhalb folgender Einrichtungen betrieben werden:
1. Krankenanstalten und Kuranstalten,
2. Alten-, Pflege- und Behindertenheimen,
3. Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung von Kindern und Jugendlichen einschließlich Schulen und Kindergärten,
4. Betrieben
wenn diese ausschließlich durch die dort betreuten, untergebrachten oder nicht zum bloßen Besuch aufhältigen Personen oder durch Betriebsangehörige genutzt werden.
(3) Abs1 gilt nicht für Beherbergungsbetriebe, wenn in der Betriebsstätte Speisen und Getränke ausschließlich an Beherbergungsgäste verabreicht bzw ausgeschenkt werden. Die Verabreichung und Konsumation hat tunlichst in der Wohneinheit zu erfolgen.
(4) Abs1 gilt nicht für öffentliche Verkehrsmittel, wenn dort Speisen und Getränke ausschließlich an Benutzer des öffentlichen Verkehrsmittels verabreicht bzw ausgeschenkt werden.
(5) Hinsichtlich der Ausnahmen gemäß Abs2 bis 4 gilt:
1. Gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ist ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten und – ausgenommen während des Verweilens am Verabreichungsplatz – eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende und eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung zu tragen.
2. Der Betreiber hat sicherzustellen, dass die Konsumation von Speisen und Getränken nicht in unmittelbarer Nähe der Ausgabestelle erfolgt.
3. Speisen und Getränke dürfen in der Betriebsstätte nur im Sitzen an Verabreichungsplätzen konsumiert werden. Der Betreiber hat die Verabreichungsplätze so einzurichten, dass zwischen den Personengruppen ein Abstand von mindestens einem Meter besteht. Dies gilt nicht, wenn durch geeignete Schutzmaßnahmen zur räumlichen Trennung das Infektionsrisiko minimiert werden kann.
4. Der Betreiber und seine Mitarbeiter haben bei Kundenkontakt eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende und eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung zu tragen, sofern zwischen den Personen keine sonstige geeignete Schutzvorrichtung zur räumlichen Trennung vorhanden ist, die das gleiche Schutzniveau gewährleistet.
5. Selbstbedienung ist zulässig, sofern durch besondere hygienische Vorkehrungen das Infektionsrisiko minimiert werden kann.
(6) Hinsichtlich der Ausnahmen gemäß Abs2 bis 4 darf der Betreiber das Betreten und das Befahren der Betriebsstätte nur im Zeitraum zwischen 06.00 und 19.00 Uhr zulassen. In Betrieben ist das Betreten durch Betriebsangehörige im Schichtbetrieb durchgehend zulässig. Restriktivere Sperrstunden und Aufsperrstunden aufgrund anderer Rechtsvorschriften bleiben unberührt.
(7) Abweichend von Abs1 ist die Abholung von Speisen und alkoholfreien sowie in handelsüblich verschlossenen Gefäßen abgefüllten alkoholischen Getränken zwischen 06.00 und 19.00 Uhr zulässig. Die Speisen und Getränke dürfen nicht im Umkreis von 50 Metern um die Betriebsstätte konsumiert werden. Bei der Abholung ist gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten sowie eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende und eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung zu tragen.
(8) Abs1 gilt nicht für Lieferservices."
3. Die zur Gänze angefochtene Verordnung vom 22. Dezember 2020 des Landeshauptmanns von Tirol über zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 in Schigebieten in Tirol (im Folgenden: Tiroler COVID-19-MaßnahmenVO – Schigebiete), LGBl 142/2020, lautete wie folgt:
"Auf Grund des §3 Abs1 Z1 in Verbindung mit §7 Abs2 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl I Nr 12/2020, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl I Nr 138/2020, wird verordnet:
§1
Die Abholung von Speisen und Getränken ist bei solchen Betriebsstätten des Gastgewerbes in Schigebieten unzulässig, die durch Gäste nicht mit Kraftfahrzeugen über Straßen erreicht werden können, deren Benutzung durch die Allgemeinheit vom Willen des Grundeigentümers oder Straßenerhalters unabhängig ist.
§2
Diese Verordnung tritt mit 24. Dezember 2020 in Kraft und mit dem Ablauf des 17. Jänner 2021 außer Kraft."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Die antragstellenden Parteien betreiben Schi- bzw Almhütten in Schigebieten in Tirol.
1.1. Zu ihrer Antragslegitimation bringen sie zusammengefasst das Folgende vor:
1.1.1. Die durch die antragstellenden Parteien betriebenen Gastgewerbebetriebe würden insbesondere im Winter über keine allgemein zugänglichen öffentlichen Zufahrtsmöglichkeiten verfügen. Sowohl im Sommer als auch im Winter würden Wanderer regelmäßig die Betriebe besuchen, die dafür keine Aufstiegshilfen benützen. Auch Schitourengeher bzw zum Teil auch Rodler würden in den Wintermonaten diese Almhütten besuchen, wofür diese ebenso keine Aufstiegshilfen benützen oder benötigen.
1.1.2. Mit der angefochtenen Verordnung werde den antragstellenden Parteien die Möglichkeit genommen, den zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes notwendigen Umsatz zu erzielen. Gemäß §1 der auf §3 Abs1 Z1 iVm §7 Abs2 COVID-19-MG, BGBl I 12/2020, idF BGBl I 138/2020 gestützten Tiroler COVID-19-MaßnahmenVO – Schigebiete, LGBl 142/2020, sei die Abholung von Speisen und Getränken bei solchen Betriebsstätten des Gastgewerbes in Schigebieten, die durch Gäste nicht mit Kraftfahrzeugen über Straßen erreicht werden können, deren Benutzung durch die Allgemeinheit vom Willen des Grundeigentümers oder Straßenerhalters unabhängig ist, untersagt worden.
1.1.3. Dieses Verbot der Abholung von Speisen und Getränken habe die antragstellenden Parteien aktuell und unmittelbar betroffen. Dies insbesondere, weil ihnen untersagt worden sei, dass Kunden die Betriebsstätten zum Erwerb von Speisen und alkoholfreien Getränken (Take Away) zwischen 06.00 und 19.00 Uhr unter Wahrung der sonstigen Vorgaben aufsuchen können.
1.1.4. Die Anträge seien zulässig, weil die Verordnung tatsächlich in die Rechtssphäre der antragstellenden Parteien unmittelbar eingreife, nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt sei und die rechtlich geschützten Interessen der antragstellenden Parteien aktuell beeinträchtigt seien sowie kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des zumindest behaupteterweise rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung stehe.
1.2. In der Sache sehen sich die antragstellenden Parteien durch die angefochtenen Bestimmungen in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art7 B-VG, Art2 StGG, Art20 und Art21 GRC) auf Freiheit der Erwerbsbetätigung (Art6 StGG, Art15 GRC) bzw der unternehmerischen Freiheit (Art16 GRC) sowie auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG, Art1 1. ZPEMRK, Art17 GRC) verletzt. Überdies verstoße die Verordnung in Überdehnung der Ermächtigungsgrundlage sowohl gegen §3 Abs1 iVm §7 Abs2 COVID-19-MG als auch gegen das Legalitätsprinzip des Art18 Abs2 B-VG.
1.3. Zur gesetzlichen Grundlage führen die antragstellenden Parteien Folgendes aus:
1.3.1. §3 Abs1 iVm §7 Abs2 COVID-19-MG ermächtige den Landeshauptmann insbesondere dazu, durch Verordnung "das Betreten und das Befahren von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten" zum Zweck des Erwerbes von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen zu regeln, "soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist". Hiebei hätten sich aus Sicht des "Sozialministeriums" solche Maßnahmen als wirksam herausgestellt, die eine Reduzierung der Mobilität und damit der sozialen Kontakte zum Ziel hätten. Im vorliegenden Kontext würde aber nicht die Möglichkeit der Abholung von Speisen und Getränken bei Schihütten die Mobilität von Personen steigern, sondern vielmehr die mit 24. Dezember 2020 erfolgte Öffnung der Seil- und Zahnradbahnen. Der Landeshauptmann als verordnungserlassende Behörde wäre daher im Lichte der Verordnungsermächtigung des §3 Abs1 iVm §7 Abs2 COVID-19-MG verpflichtet gewesen darzulegen, warum ein Take Away-Verbot nur in solchen Betriebsstätten in Tiroler Schigebieten erforderlich sein solle, die durch Gäste nicht mit Kfz über allgemein zugängliche öffentliche Straßen erreicht werden können. Vor dem Hintergrund des Art18 Abs2 B-VG habe die verordnungserlassende Behörde nachvollziehbar darzulegen, auf welcher Informationsbasis über die nach dem Gesetz maßgeblichen Umstände die Verordnungsentscheidung fuße und wie die gesetzlich geforderte Abwägungsentscheidung erfolgt sei. Diesbezüglich folge auch aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH jeweils 1.10.2020, V405/2020, und V429/2020), dass die aktenmäßige Dokumentation im Verfahren der Verordnungserlassung kein Selbstzweck sei; ihr komme die Funktion der Sicherung der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns zu.
1.3.2. Vorliegend habe es der Landeshauptmann von Tirol aber unterlassen, nachvollziehbar darzustellen, warum er die Erlassung des in Prüfung gezogenen Take Away-Verbotes für erforderlich gehalten habe. Auch der Umstand, dass der bundesweite Verordnungsgeber ein Take Away-Verbot zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 nicht als erforderlich erachtet habe, zeige, dass ein solches Verbot auf Landesebene vollkommen willkürlich und sachfremd sei.
1.3.3. Mangels ausreichender Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen verstoße daher die angefochtene Verordnung gegen §3 Abs1 iVm §7 Abs2 COVID-19-MG.
1.4. Ihre Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz begründen die antragstellenden Parteien im Wesentlichen damit, dass die angefochtene Verordnung eine sachlich nicht begründbare, willkürliche und unverhältnismäßige Differenzierung treffe.
1.4.1. Es mache tatsächlich epidemiologisch bzw virologisch keinen relevanten Unterschied, ein Take Away-Verbot bei Gastronomiebetrieben zum einen von der Lage in einem Schigebiet und zum anderen von deren Erreichbarkeit mit Kfz über eine allgemein zugängliche und öffentliche Straße abhängig zu machen. Die verordnungserlassende Behörde unterstelle ohne sachliche Begründung bei Gastgewerbebetrieben in Schigebieten ein höheres Infektionsrisiko als bei sonstigen Betrieben. Diese Annahme stimme aber mit den tatsächlichen Gegebenheiten nicht überein und rechtfertige damit die vorgenommene Differenzierung nicht. Die durch die verordnungserlassende Behörde vorgenommene Ungleichbehandlung sei daher willkürlich und diene nicht dem Ziel der Verhinderung der Verbreitung von COVID-19. Es bestehe auch bei einer Abwägung kein vernünftiges Verhältnis zwischen eingesetzten Mitteln und verfolgten Zielen.
1.4.2. Überdies sei nach dem aktuellen Wissensstand zu COVID-19 im Freien und noch dazu bei höheren Lagen und durchwegs kühlen Temperaturen ein niedrigeres Infektionsrisiko anzunehmen als etwa im Tal. Es bestehe keine sachliche Rechtfertigung, warum Gaststätten, die zwar nicht in Schigebieten aber ebenso am Berg gelegen seien (etwa durchaus touristisch besuchte Rodel- und Wanderhütten), ihre Speisen und Getränke zum Take Away anbieten dürften; jene Gaststätten, die aber im Schigebiet gelegen und nicht über eine Straße erreichbar seien, dies aber gerade nicht dürften.
1.4.3. Eine unsachliche Ungleichbehandlung ergäbe sich auch im Hinblick auf in Schigebieten gelegenen Betriebsstätten der Seil- und Zahnradbahnen einerseits und solchen des Gastgewerbes andererseits. So bestehe vor dem Hintergrund des Ziels der Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 kein sachlicher Grund, warum die Benutzung von (auch räumlich geschlossenen) Seil- und Zahnradbahnen zulässig sein solle, die Abholung von Speisen und Getränken aber nicht. Eine Abholung von Speisen und Getränken würde doch meist weniger Zeit in Anspruch nehmen als eine Seilbahnfahrt und sei eine Konsumation zwingend nur im Freien unter Einhaltung der sonstigen Beschränkungen (vgl §7 Abs7 2. COVID-19-NotMV) zulässig. Hier werde daher mit "zweierlei Maß" gemessen und würde beispielweise eine Verpflichtung zum Tragen von FFP2-Masken ein gelinderes Mittel als ein gänzliches Take Away-Verbot darstellen. Der angefochtenen Verordnung fehle demnach jede Verhältnismäßigkeit. Die verordnungserlassende Behörde habe daher ihren bei der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie eingeräumten Gestaltungsspielraum überschritten.
1.5. Die antragstellenden Parteien sehen sich des Weiteren in ihrem Grundrecht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung verletzt: Die angefochtene Verordnung normiere unzulässige Ausübungsbeschränkungen, weil es den antragstellenden Parteien untersagt sei, Speisen und Getränke weiterhin im Wege des Take Away anzubieten. Es könne zum einen nicht im öffentlichen Interesse gelegen sein, Gleiches ungleich zu behandeln und zum anderen sei die Lage eines Betriebes in einem Schigebiet kein geeignetes Mittel. Wie dies bereits zum Gleichheitssatz ausgeführt worden sei, sei das Tragen von FFP2-Masken ein gelinderes Mittel als ein gänzliches Verbot. "Auch für Akte der Vollziehung […] gilt die traditionelle Grundrechtsformel." Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung werde demnach verletzt, wenn die Behörde – wie dies vorliegend der Fall sei – gesetzlos handle.
1.6. Das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums sehen die antragstellenden Parteien aus den folgenden Gründen als verletzt an: Durch das Take Away-Verbot hätten die antragstellenden Parteien keine Möglichkeiten in ihren Betrieben Umsätze zu erzielen; diese seien aber für ihre materielle Existenz wesentlich. Die Verluste würden auch nicht durch staatliche COVID-19-Hilfsmaßnahmen bzw Rettungspakete abgefedert werden. Daher werde das Eigentum der antragstellenden Parteien nicht nur beschränkt, sondern diesen rechtswidrig entzogen. Wie auch bereits im Hinblick auf die Verletzung des Grundrechtes auf Erwerbsfreiheit ausgeführt, sei ein gelinderes, weniger eingriffsintensives Mittel möglich, nämlich das verpflichtende Tragen von FFP2-Masken. Auch hier habe die Vollziehung gesetzlos gehandelt bzw habe sie sich nur zum Schein auf eine gesetzliche Grundlage gestützt.
2. Der Landeshauptmann von Tirol hat als verordnungserlassende Behörde die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet. Der Landeshauptmann geht davon aus, dass die Zulässigkeit der Anträge dem Grunde nach gegeben sei. Den Bedenken der antragstellenden Parteien wird in der Sache wie folgt entgegengetreten:
2.1. Zur gesetzlichen Grundlage führt die verordnungserlassende Behörde das Folgende aus:
2.1.1. Die angefochtene Verordnung stütze sich auf §§3 Abs1 Z1 iVm 7 Abs2 COVID-19-MG, BGBl I 12/2020, idF BGBl I 138/2020. Nach §3 Abs1 Z1 COVID-19-MG könne beim Auftreten von COVID-19 durch Verordnung das Betreten und Befahren von ua bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbes von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen geregelt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. Nach Abs2 leg cit sei eine solche Untersagung möglich, sofern gelindere Maßnahmen nicht ausreichen.
2.1.2. Entgegen der Rechtsansicht der antragstellenden Parteien sei die angefochtene Verordnung auf Grund der maßgeblichen epidemiologischen Situation erforderlich gewesen.
2.1.3. Anlass der vorliegend in Prüfung stehenden Reglementierung von Betriebsstätten des Gastgewerbes in Schigebieten sei die Novellierung der 3. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung, BGBl II 566/2020, idF BGBl II 598/2020 gewesen, wonach die Beförderung mit Seilbahnen ab dem 24. Dezember 2020 nicht mehr nur für Spitzensportler, sondern für die Allgemeinheit ermöglicht worden sei.
2.1.4. Diese Lockerungsschritte in Schigebieten seien aber bei einem relativ hohen Niveau des Infektionsgeschehens gesetzt worden. So werde auch in den Erwägungsgründen zur 2. COVID-19-NotMV ua Folgendes ausgeführt:
"Es ist durch die vorangegangenen Maßnahmen zwar gelungen, die Infektionszahlen zu senken, dies allerdings nicht in einem zufriedenstellenden Ausmaß. Bei einem hohen Niveau des pandemischen Grundgeschehens ist zu befürchten, dass die Neuinfektionen mit Zeitverzögerung nach den Lockerungen durch die COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnungen wieder ansteigen werden. Dazu kommt, dass es zu den Weihnachtsfeiertagen auf Grund von zusätzlichen sozialen Kontakten wieder zu vermehrten Neuinfektionen kommen kann. Überdies hat sich gezeigt, dass es – trotz rückläufiger Infektionszahlen – im Zusammenhang mit der weiterhin hohen Auslastung der Intensivstationen zu keinen substanziellen Erleichterungen gekommen ist. Daher sind die medizinischen Versorgungskapazitäten nach wie vor sehr unter Druck.
Es bedarf daher wieder einer noch drastischeren Reduktion der sozialen Kontakte als bisher. Da die bisher gesetzten gelinderen Maßnahmen nicht ausgereicht haben, sind die mit dieser Verordnung getroffenen Verschärfungen unbedingt erforderlich, um einen drohenden Zusammenbruch des Gesundheitssystems zu verhindern."
2.1.5. Gleichzeitig habe die 2. COVID-19-NotMV – die mit 26. Dezember 2020 in Kraft getreten sei und die bis dahin geltende 3. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung, BGBl II 566/2020, aufgehoben habe – die für die Gastronomie geltenden Bestimmungen unverändert beibehalten, wonach gemäß deren §7 Abs7 die Abholung von Speisen und alkoholfreien bzw in handelsüblich verschlossenen Gefäßen abgefüllten alkoholischen Getränken zwischen 06.00 und 19.00 Uhr zulässig gewesen sei. Die Konsumation im Umkreis von 50 Metern um die Betriebsstätte sei jedoch verboten gewesen und sei gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten sowie ein Mund- und Nasenschutz zu tragen. In §4 Abs3 2. COVID-19-NotMV sei die allgemeine Benützung von Seil- und Zahnradbahnen zwar ermöglicht, jedoch die Halbierung der Kapazität und das Tragen einer FFP2-Maske verordnet worden.
2.1.6. Wie die antragstellenden Parteien zutreffend ausführten, sei zu sämtlichen "Lockdown-Phasen" (und damit auch im Zeitpunkt der Öffnung der Schigebiete) die Abholung von Speisen und Getränken zulässig gewesen. Gerade aber durch diese Öffnungsschritte sei es absehbar gewesen, dass mit einer hohen Anzahl an Wintersportlern zu rechnen sei. Für die damit im Zusammenhang stehenden und auch zu erwartenden Menschenansammlungen bei Gastronomiebetrieben habe man jedoch im Sinne des öffentlichen Gesundheitsschutzes vorbeugende Maßnahmen treffen müssen. Es sei davon auszugehen gewesen, dass im alpinen Gelände im Bereich der Ausgabestelle von Gaststätten die Einhaltung des Mindestabstandes auf Grund eines in der Regel beschränkten Platzangebotes nicht gewährleistet werden könne und somit eine erhebliche Ansteckungsgefahr entstehe. Daher sei es notwendig gewesen, weitere Maßnahmen im Hinblick auf einen sicheren Schibetrieb zu treffen.
2.2. Des Weiteren seien die Behauptungen der antragstellenden Parteien, dass zum einem die Voraussetzungen nach §3 Abs1 Z1 COVID-19-MG nicht vorgelegen seien bzw auch keine ausreichende Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen für die Verordnungserlassung stattgefunden habe, verfehlt:
2.2.1. Die verordnungserlassende Behörde habe auf die bevorstehende Öffnung der Schigebiete unverzüglich reagieren müssen. Auf Grundlage des vorgelegenen Informationsstandes und nach Ermittlung der relevanten Umstände sowie nach Abwägung der betroffenen rechtlich geschützten Interessen sei sie zu dem Ergebnis gelangt, ein Take Away-Verbot sei zur Erreichung des Ziels, Menschenansammlungen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 zu vermeiden, unbedingt erforderlich und auch das gelindeste Mittel. Auf Grund der besonderen Dringlichkeit habe naturgemäß kein Begutachtungsverfahren erfolgen können, sodass die der angefochtenen Verordnung zugrunde liegenden Erwägungen zwar dem Verordnungsakt zu entnehmen, aber nicht für die Öffentlichkeit unmittelbar erkennbar seien.
2.2.2. Hinsichtlich der Erforderlichkeit sei aber auf die Erläuterungen der angefochtenen Verordnung zu verweisen, die auszugsweise wie folgt lauten würden:
"Es entspricht nicht der Lebenserfahrung, dass Personen sich bei Betriebsstätten des Gastgewerbes in Schigebieten ohne Zufahrtsmöglichkeit Speisen und Getränke mitnehmen, um diese nicht in unmittelbarer Nähe zu dieser zu konsumieren, zumal es Gästen solcher Betriebsstätten insbesondere auch um das gemeinsame und gesellige Beisammensein und das Genießen des Bergpanoramas im Freien geht. Darüber hinaus wird eine Pause bei derartigen Betriebsstätten während des Sports erfahrungsgemäß für eine kürzere oder auch längere Erholung genützt, sodass bedingt durch die potentiell hohe Personenanzahl in Schigebieten mit einer Situation zu rechnen ist, die ein Einhalten des Mindestabstands praktisch unmöglich machen würde. Daher vermag auch die in Bezug auf die Gastronomie im Allgemeinen gültige Regelung, nach der die Speisen und Getränke nicht im Umkreis von 50 Metern um die Betriebsstätte konsumiert werden dürfen, nicht zu vermeiden, dass es im Nahbereich dieser Betriebsstätten zu größeren Menschenansammlungen kommen würde; dies auch vor dem Hintergrund des dort oft beengten Platzangebots.
Bei Betriebsstätten des Gastgewerbes bei Talstationen ist demgegenüber regelmäßig eine entsprechend große befestigte Fläche als Parkplatz angeschlossen. Folglich können sich dort Personen auch leicht verteilen, um die Einhaltung des Mindestabstandes sicherzustellen. Zudem können die Gäste auch ihren PKW aufsuchen, um die Speisen zu konsumieren oder sie können am Ende des Schitages Essen und Getränke beispielsweise für die Fahrt nach Hause mitnehmen. Für diese Ausgabestellen besteht daher weniger die Gefahr, dass ein Einhalten des Mindestabstands praktisch nicht möglich ist, sodass für diese ein Verbot nicht als sachlich gerechtfertigt gesehen wird. Auch ist die Situation bei Gastronomiebetrieben in Fußgängerzonen im Vergleich zu der Situation bei Betriebsstätten des Gastgewerbes in Schigebieten ohne Zufahrtsmöglichkeit grundlegend anders gelagert, da es – auch abseits der derzeit vorherrschenden pandemischen Situation – sehr wohl der Lebenserfahrung entspricht, dass bei dort ansässigen gastronomischen Betrieben regelmäßig Speisen und Getränke zum Verzehr abgeholt werden, um diese nicht in unmittelbarer örtlicher Nähe zu Gaststätte (beispielsweise zu Hause) zu konsumieren.
Dies alles rechtfertigt (und gebietet auch) eine entsprechend differenzierte Regelung."
2.2.3. Entgegen der Ansicht der antragstellenden Parteien käme eine Anordnung der Verpflichtung zum Tragen von FFP2-Masken nicht in Betracht, weil das Tragen solcher bei der Konsumation von Speisen und Getränken bereits naturgemäß nicht möglich sei.
2.2.4. Im Zuge der Verordnungserlassung seien auch die Einschätzung der Corona-Kommission berücksichtigt worden. Dazu sei grundlegend auszuführen, dass alle Tiroler Bezirke seit 5. November 2020 die Ampelfarbe "Rot" aufgewiesen hätten. Dies entspreche nach Angaben der Corona-Kommission einem "sehr hohen Risiko" und bedeute somit die höchste Stufe der Risikobewertung.
2.2.5. Am 14. Jänner 2021, also an dem Tag, an dem mit LGBl 4/2021 die Geltungsdauer der Verordnung verlängert worden sei, habe die Corona-Kommission ausgeführt:
"Im Zuge der Beratungen kam die Corona-Kommission zum Schluss, dass aufgrund der aktuell unübersichtlichen Lage sowie der noch nicht abschließend bewertbaren Implikationen der Virusmutationen auf die Risikobewertung keine differenzierte Risikoeinschätzung auf Länder- und Bezirksebene vorgenommen werden soll. So werden laufend Verdachtsfälle aus verschiedenen Bundesländern gemeldet. Auch das Ausmaß der erhöhten Infektiosität ist derzeit Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion. Vor dem Hintergrund dieser Unsicherheit kommt die Corona-Kommission für Gesamtösterreich zur Einschätzung mit sehr hohem Risiko."
2.2.6. In weiterer Folge habe die Corona-Kommission am 4. Februar 2021 Folgendes festgestellt:
"Die Corona Kommission weist ausdrücklich darauf hin, dass die geplanten Lockerungsschritte zu einer Erhöhung der effektiven Reproduktionszahl beitragen können. Bei anhaltender Verbreitung der Variante B.1.1.7 ist es sehr wahrscheinlich, dass sich diese im Zuge des Februars im gesamten Bundesgebiet als dominante Variante durchsetzt und bei der beobachteten Verdopplungszeit rasch zu einem Anstieg der Infektionsfälle führen kann. Zusätzlich empfiehlt die Corona Kommission bezüglich der Verbreitung der südafrikanischen Variante B.1.351, die gemäß aktuellem Wissensstand schlechter durch Antikörper neutralisiert und dadurch zu Reinfektionen führen, die notwendigen Maßnahmen zur raschen Eindämmung zu ergreifen, um einer Verbreitung im Bundesgebiet bzw in Europa gegenzusteuern. […] Die Corona Kommission kommt auf Basis der Ausführungen zum Schluss, dass das Infektionsgeschehen nach wie vor in vielen Bundesländern auf einem sehr hohen Niveau liegt. Präventive Maßnahmen zur Kontaktreduktion sowie regelmäßige, flächendeckende Testungen sollten bundesweit fortgesetzt werden. Dies nicht zuletzt aufgrund der Verbreitung der neuen Virusmutationen."
2.2.7. Die Corona-Kommission habe daher immer wieder präventive Maßnahmen zur Kontaktreduktion empfohlen. Das angefochtene Take Away-Verbot stelle jedenfalls eine solche (empfohlene) Maßnahme dar.
2.3. Der behaupteten Verletzung des Gleichheitssatzes entgegnet die verordnungserlassende Behörde wie folgt:
2.3.1. Die verordnungserlassende Behörde habe das Abholverbot auf das unbedingt erforderliche Ausmaß beschränkt. Dies bedinge die notwendige Unterscheidung zwischen einerseits Betriebsstätten des Gastgewerbes mit und ohne allgemeinen Zugang mittels Kfz über eine Straße und eine Differenzierung zwischen Betriebsstätten des Gastgewerbes in und außerhalb eines Schigebietes andererseits.
2.3.2. Die Erreichbarkeit über solche Straßen, deren Benutzung durch die Allgemeinheit vom Willen des Grundeigentümers oder Straßenerhalters unabhängig ist, sei ein notwendiges Kriterium, weil hiedurch sichergestellt werden könne, dass die erworbenen Getränke und Speisen nach Abholung zügig abtransportiert werden können. Ein Schigebiet würde jedoch aller Erfahrung nach nicht genügend Raum bieten, um den zu erwartenden Kunden, die untereinander entsprechend Abstand halten und sich mindestens 50 Meter von der Ausgabestelle entfernen müssten, Platz zu bieten. Demgegenüber könnten in Fußgängerzonen in Innenstädten die Kunden diese Betriebe mit den abgeholten Waren zügig verlassen (etwa um die Speisen im Büro oder zu Hause zu konsumieren). Überdies sei auch die Versorgungssicherheit als wesentlicher Aspekt für die Reglementierung von Betriebsstätten des Gastgewerbes zu beachten. Eine Reduktion der Mobilität und die Verringerung der sozialen Kontakte sei eine notwendige Maßnahme zur Verringerung der Verbreitung von COVID-19. Insbesondere hinsichtlich der Versorgung mit Speisen und Getränken müssten jedoch Ausnahmen vorgesehen werden, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Diesbezüglich seien aber Betriebsstätten des Gastgewerbes in Schigebieten nicht mit Betriebsstätten in Fußgängerzonen vergleichbar. Fußgängerzonen würden sich regelmäßig an zentralen Orten in dicht besiedelten Gebieten, insbesondere in Stadtzentren, befinden. In diesen Zonen oder in deren unmittelbaren Nahbereich würden in aller Regel eine Vielzahl von Personen, deren Versorgung mit Lebensmitteln und Speisen notwendig sei, leben und arbeiten. Hingegen sei Schifahren ein planbares Freizeitvergnügen, weshalb die Versorgung mit Speisen und Getränken nicht im gleichen Ausmaß als erforderlich angesehen werden könne. Die Versorgung im Bereich der Talstationen der Seilbahnen sei zur Versorgung der Gäste des Schigebietes ausreichend, zumal dort der Abtransport einfacher erfolgen könne und regelmäßig sehr große Parkplätze für eine entsprechende Verteilung der Gäste, unter Einhaltung der Abstandsregeln, vorhanden seien.
2.3.3. Die angefochtene Verordnung würde aus gutem Grund zwischen Betriebsstätten des Gastgewerbes in Schigebieten und außerhalb davon unterscheiden. Sogenannte "Rodel- und Wanderhütten" seien zum Teil ebenfalls nicht über eine allgemein zugängliche öffentliche Straße erreichbar. Sie seien aber oftmals auch nicht durch Aufstiegshilfen erreichbar, weshalb hier naturgemäß nicht die gleichen Menschenansammlungen zu erwarten seien wie in Schigebieten. Überdies entspreche es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Versorgungslage in Schigebieten auch ohne Gastronomiebetriebe eine wesentlich bessere sei als im freien (alpinen) Gelände. Die Wahrscheinlichkeit von großen Menschenansammlungen sei in Schigebieten jedenfalls als sehr hoch einzuschätzen.
2.3.4. Daher sei eine Kombination der beiden Tatbestandselemente (Schigebiet und Erreichbarkeit) für die Bildung des in Prüfung gezogenen Take Away-Verbotes geeignet, erforderlich und verhältnismäßig, um auf beengtem alpinen Raum rund um Schihütten große Menschenansammlungen und damit drohende Infektionen zu vermeiden.
2.4. Auch der behauptete Verstoß gegen das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit liege nicht vor: Mit der angefochtenen Verordnung werde wirksam verhindert, dass sich eine größere Anzahl von Personen auf engem Raum aufhalte und sich damit einem hohen Ansteckungsrisiko aussetze. Die Regelung liege im öffentlichen Interesse des Gesundheitsschutzes und sei zur Zielerreichung geeignet und erforderlich. Es würden keine alternativen Mittel (wie etwa das Tragen einer FFP2-Maske) bestehen, die den Gesundheitsschutz in gleicher Weise gewährleisten könnten. Auch eine Gesamtabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse am Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der vorübergehenden Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit hinsichtlich bestimmter Orte, zeige, dass die Maßnahme auch verhältnismäßig sei.
2.5. Ebenso wenig verstoße die angefochtene Verordnung gegen das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums. Das vorliegende Take Away-Verbot bewirke entgegen der Ansicht der antragstellenden Parteien keine Enteignung im formellen Sinn, sondern eine Eigentumsbeschränkung, weil das zivilrechtliche Eigentumsrecht unangetastet geblieben sei und keine Vermögensverschiebung stattgefunden habe (vgl VfSlg 9911/1983, 20.186/2017). Zur Verhältnismäßigkeitsprüfung verweist der Landeshauptmann von Tirol auf seine Ausführungen zur Erwerbsfreiheit.
2.5.1. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen habe, sei bei Eigentumsbeschränkungen nicht jedenfalls eine Entschädigung vorzusehen. (vgl 2572/1953, 2680/1954; VfGH 4.10.2018, E1818/2018). Es sei aber stets zu prüfen, ob die Eigentumsbeschränkung im konkreten Fall dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspreche (zB VfSlg 13.587/1993).
2.5.2. Die angefochtene Verordnung stelle dahingehend keine isolierte Maßnahme dar, sondern sei vielmehr Teil eines Maßnahmensystems zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19. Der Bundesgesetzgeber habe auch zur Abfederung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Betretungsverbote auf die betroffenen Unternehmen ein umfangreiches System von Hilfs- und Rettungsmaßnahmen vorgesehen. Ein darüber hinausgehender Anspruch auf Entschädigung für die von der angefochtenen Maßnahme betroffenen Unternehmen könne aus dem Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums nicht abgeleitet werden. Vor diesem Hintergrund sei daher die auf Grund einer akut krisenhaften Situation erfolgte vorübergehende Eigentumsbeschränkung verhältnismäßig.
2.6. Die verordnungserlassende Behörde führt abschließend aus, sofern die antragstellenden Parteien in der Grundrechte-Charta gewährleistete Rechte anführen würden, sei zu bemerken, dass vorliegend kein unionsrechtlicher Bezug geltend gemacht werde und ein solcher auch nicht erkennbar sei.
3. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat von der Erstattung einer Äußerung abgesehen.
IV. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat die zu V 7/2021, V8/2021, V9/2021, V10/2021, V11/2021, V12/2021, V13/2021 und V14/2021 protokollierten Verfahren in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden.
1. Zur Zulässigkeit
1.1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B?VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.
1.1.1. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.
1.1.2. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).
1.1.3. Die antragstellenden Parteien sind Betreiber von Gastgewerbebetrieben in Schigebieten, die nicht über eine Straße erreichbar sind. Daher war es ihnen gemäß §1 der Tiroler COVID-19-MaßnahmenVO – Schigebiete, LGBl 142/2020, in der Zeit von 24. Dezember 2020 bis zunächst 17. Jänner 2021 (durch LGBl 4/2021 wurde die Geltungsdauer der Verordnung auf unbestimmte Zeit erstreckt) untersagt, ihre Betriebsstätten zur Abholung von Speisen und Getränken zu öffnen. Die angefochtene Verordnung stand im Zeitpunkt der Antragstellung in der Fassung LGBl 142/2020 in Kraft. Der Umstand, dass die Verordnung mit Verordnung LGBl 25/2021 mit Ablauf des 14. Februar 2021 und damit nach der Antragstellung aufgehoben wurde, schadet in der vorliegenden Konstellation mit Blick auf die mit VfSlg 20.399/2020 beginnende Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht (vgl auch VfSlg 20.397/2020; VfGH 1.10.2020, V392/2020; 10.3.2021, V573/2020; 24.6.2021, V593/2020). Die antragstellenden Parteien sind daher unmittelbar und aktuell in ihrer Rechtssphäre betroffen.
1.1.4. Im Hinblick auf die Verwaltungsstrafdrohung in §8 Abs3 COVID-19-MG (idF BGBl I 104/2020) steht den antragstellenden Parteien auch kein anderer zumutbarer Weg offen, die behauptete Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verordnung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.
1.2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Teil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Stelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
1.2.1. Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; VfGH 14.3.2017, G311/2016). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).
1.2.2. Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Verordnungsstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; VfSlg 20.082/2016), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Gesetzwidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Verordnung dieser ein völlig veränderter, dem Verordnungsgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (vgl VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015, 20.102/2016).
1.3. Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was am Vorliegen dieser Voraussetzung zweifeln ließe. Der Anfechtungsumfang wurde richtig gewählt. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweisen sich die Anträge insgesamt als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).
2.2. Die Anträge sind begründet.
Die antragstellenden Parteien bringen im Wesentlichen die gleichen Bedenken im Hinblick auf die Gleichheitswidrigkeit der angefochtenen Verordnung vor, wie sie der Antragsteller in dem zu V5/2021 protokollierten Verfahren betreffend die inhaltlich gleichlautende Oö COVID-19-Maßnahmenverordnung – Schigebiete, LGBl für Oberösterreich 141/2020, geltend gemacht hat.
Der Verfassungsgerichtshof kann daher sinngemäß auf die diesbezüglichen Erwägungen zur Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnung im Erkenntnis zu dieser Zahl verweisen (siehe Punkt IV.4. des Erkenntnisses vom 23. September 2021, V5/2021).
Die angefochtene Tiroler COVID-19-MaßnahmenVO – Schigebiete, LGBl 142/2020, erweist sich daher als gleichheitswidrig.
2.3. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine weitere Prüfung, ob die angefochtene Verordnung auch aus anderen Gründen gesetzwidrig war, insbesondere ob die verordnungserlassende Behörde ihrer Dokumentationspflicht im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nachgekommen ist (vgl grundlegend VfSlg