Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
ÄrzteG 1998 §138Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie die Hofräte Dr. Grünstäudl und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des Dr. P E in B, vertreten durch die Beneder Rechtsanwalts GmbH in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 27/DG/9, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 2. Juni 2021, Zl. LVwG 49.30-924/2021-19, betreffend vorläufige Untersagung der Berufsausübung nach dem ÄrzteG 1998 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Steiermark), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Schreiben vom 3. September 2020 teilte die Staatsanwaltschaft Leoben der belangten Behörde mit, dass gegen den Revisionswerber, einen Arzt für Allgemeinmedizin, ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vergehen der vorsätzlichen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten und der Fälschung von Beweismitteln sowie des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt eingeleitet worden sei.
2 Mit Beschluss vom 21. September 2020 leitete der Disziplinarrat der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Steiermark (im Folgenden: Disziplinarrat), gemäß § 154 Abs. 1 ÄrzteG 1998 gegen den Revisionswerber das Disziplinarverfahren ein und untersagte ihm gemäß § 138 Abs. 1 ÄrzteG 1998 die Ausübung des ärztlichen Berufes bis zum rechtskräftigen Abschluss des Disziplinarverfahrens. Der Disziplinarrat legte diesem Beschluss auf das Wesentliche zusammengefasst zu Grunde, der Revisionswerber habe (in Zusammenhang mit Maßnahmen gegen die Verbreitung des sog. Coronavirus) auf einer Webseite „Maskenbefreiungsatteste“ angeboten und solche ausgestellt, ohne die Patienten gesehen zu haben.
3 Mit Bescheid vom 18. Februar 2021 untersagte die belangte Behörde dem Revisionswerber gemäß § 62 Abs. 1 Z 2 ÄrzteG 1998 vorläufig die Ausübung des ärztlichen Berufes bis zur Einstellung des von der Staatsanwaltschaft Leoben eingeleiteten Ermittlungsverfahrens bzw. bei Einleitung eines Strafverfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss eines auf diesem Ermittlungsverfahren basierenden Strafverfahrens. Unter einem schloss die belangte Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid aus.
4 Mit Bescheid vom 8. März 2021 stellte der Präsident der Österreichischen Ärztekammer fest, dass die Berechtigung des Revisionswerbers zur Ausübung des ärztlichen Berufes nicht mehr bestehe und der Revisionswerber aus der Ärzteliste zu streichen sei. Unter einem wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid ausgeschlossen.
5 Mit (als „Beschluss“ bezeichnetem) Erkenntnis vom 12. März 2021 gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark der vom Revisionswerber gegen den Beschluss des Disziplinarrates vom 21. September 2020 erhobenen Beschwerde Folge und hob die einstweilige Maßnahme der Untersagung der Ausübung des ärztlichen Berufes auf. Begründend verwies das Verwaltungsgericht auf die mit Bescheid der belangten Behörde vom 18. Februar 2021 erfolgte vorläufige Untersagung der Ausübung des ärztlichen Berufes, weshalb die Voraussetzungen für die Anordnung der einstweiligen Maßnahmen nicht mehr vorliegen würden und diese daher gemäß § 138 Abs. 1 und 3 ÄrzteG 1998 aufzuheben sei.
6 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 18. Februar 2021 (betreffend die vorläufige Untersagung der Ausübung des ärztlichen Berufes) erhobene Beschwerde ab und sprach unter einem aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
7 Das Verwaltungsgericht stellte - soweit hier maßgeblich - fest, bei der Staatsanwaltschaft Leoben sei betreffend den Revisionswerber als Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen (näher genannter) grober Verfehlungen bei der Ausübung des ärztlichen Berufes, die mit gerichtlicher Strafe bedroht seien (Verdacht der vorsätzlichen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten, des Missbrauchs der Amtsgewalt, der Fälschung bzw. Unterdrückung von Beweismitteln, der üblen Nachrede, der Verleumdung sowie der Beleidigung), anhängig.
8 In rechtlicher Hinsicht stützte sich das Verwaltungsgericht auf die Einleitung dieses Strafverfahrens gegen den Revisionswerber wegen Vergehen und Verbrechen in Zusammenhang mit der Behandlung von Patienten, bei denen es sich eindeutig um grobe Verfehlungen in Ausübung des ärztlichen Berufes handle. Es komme in einem Verfahren gemäß § 62 Abs. 1 Z 2 ÄrzteG 1998 nicht darauf an, ob die Verfehlungen tatsächlich begangen worden seien, weil dies Sache des Strafverfahrens sei. Die vorläufige Untersagung sei (aus näher genannten Gründen) zur Wahrung des öffentlichen Wohls erforderlich. Gefahr im Verzug liege vor, weil davon auszugehen sei, dass der Revisionswerber bei Fortsetzung seines Berufes weitere gleichartige grobe Verfehlungen von strafrechtlicher Relevanz begehen könnte.
9 2.1. § 62 ÄrzteG 1998, BGBl. I Nr. 169, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 59/2018, lautet (auszugsweise):
„Vorläufige Untersagung der Berufsausübung
§ 62. (1) In Wahrung des öffentlichen Wohles und bei Gefahr in Verzug hat die Landeshauptfrau/der Landeshauptmann Ärztinnen/Ärzten die Ausübung des ärztlichen Berufes bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Verfahrens über die Bestellung einer (einstweiligen) gerichtlichen Erwachsenenvertretung nach § 271 ABGB oder eines Strafverfahrens zu untersagen, wenn
1. ...
2. ein Strafverfahren wegen grober Verfehlungen bei Ausübung des ärztlichen Berufes, die mit gerichtlicher Strafe bedroht sind, eingeleitet oder
3. ... worden ist.
...“
10 2.2.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 In den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorzubringenden Gründen ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage dieser uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat. (vgl. aus vielen VwGH 13.3.2019, Ra 2019/11/0021, mwN).
14 Außerdem muss die Revision, damit sie zulässig ist, gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG von der Lösung der Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, abhängen. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 20.1.2021, Ra 2019/11/0182, mwN).
15 2.2.2. Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, es handle sich auf Grund des Sachverhalts um einen „einzigartigen Fall“ in Österreich. Es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, ob ein Arzt Atteste ausstellen könne, wenn er auf Grund seiner Erfahrung und wissenschaftlicher Unterlagen und Meinungen der Überzeugung sei, dass das Maskentragen für den Träger gesundheitsschädlich sei.
16 In der Revision bleibt allerdings die Feststellung des angefochtenen Erkenntnisses unbestritten, dass im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen den Revisionswerber wegen der genannten Vergehen und Verbrechen bei Ausübung des ärztlichen Berufes eingeleitet waren (wodurch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Strafverfahren iSd. § 62 Abs. 1 Z 2 ÄrzteG 1998 als eingeleitet gilt; VwGH 15.10.2015, Ro 2014/11/0055; 13.3.2019, Ra 2018/11/0244). Vor diesem Hintergrund legt die Revision aber nicht konkret auf den Revisionsfall bezogen dar, warum die Entscheidung über dieselbe von der Beantwortung der geltend gemachten Rechtsfrage abhängt.
17 Auch mit dem weiteren Vorbringen, es fehle Rechtsprechung „zum Verhältnis einer Untersagung der Berufsausübung seitens der Ärztekammer und seitens des Landeshauptmanns, bei gleichzeitig anhängigen Verfahren beim Strafgericht und bei einem weiteren Verfahren durch die steiermärkische Ärztekammer“, wird eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht gesetzmäßig ausgeführt:
18 Die Untersagung der ärztlichen Berufsausübung durch den Disziplinarrat wurde mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 18. März 2021 bereits aufgehoben. Welches „weitere Verfahren durch die steiermärkische Ärztekammer“ gegen den Revisionswerber noch anhängig sein soll, legt die Revision nicht dar (die Feststellung, dass die Berechtigung des Revisionswerbers zur Ausübung des ärztlichen Berufes nicht mehr bestehe und dass der Revisionswerber aus der Ärzteliste zu streichen sei, erfolgte durch Bescheid des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer vom 8. März 2021). Welche konkrete Rechtsfrage sich für das vorliegende (ausschließlich die vorläufige Untersagung der Ausübung des ärztlichen Berufes durch die Gesundheitsbehörde und nicht durch eine Disziplinarbehörde betreffende) Revisionsverfahren im Hinblick auf ein allenfalls (weiterhin) anhängiges Strafverfahren gegen den Revisionswerber stellen sollte, von der die Entscheidung über die Revision abhängig wäre, legt die Revision nicht konkret dar.
19 2.3. In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 2. November 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021110134.L00Im RIS seit
01.12.2021Zuletzt aktualisiert am
06.12.2021