TE Vwgh Beschluss 2021/11/8 Ra 2021/19/0390

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Veröffentlicht am 08.11.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie den Hofrat Dr. Faber und die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Seiler, in der Revisionssache des E C I, vertreten durch Mag. Hubert Wagner, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Wattmanngasse 8/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. September 2021, I411 2166567-1/14E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Nigerias, stellte am 18. April 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er mit Verfolgung durch gewalttätige Kult-Gruppen begründete. Sein Vater habe gegen diese Kult-Gruppen gekämpft. Nach dessen Tod hätten diese den Revisionswerber bedroht und verfolgt.

2        Mit Bescheid vom 12. Juli 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Die Revision wendet sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung zunächst gegen die Beweiswürdigung und bringt dazu vor, der Revisionswerber habe seine Fluchtgründe in allen Verfahrensschritten gleich und übereinstimmend vorgebracht. Eine Rückkehr nach Nigeria sei dem Revisionswerber nicht möglich, weil Kultmitglieder über die im ganzen Land verbreiteten Tempel eine uneingeschränkte Verfolgung des Revisionswerbers ausgesprochen hätten. Der nigerianische Staat und seine Institutionen seien nicht in der Lage, ausreichend Schutz vor diesen Kult-Gruppen zu bieten.

8        Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 23.9.2021, Ra 2021/19/0315, mwN).

9        Das BVwG hat sich - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers auseinandergesetzt und es als nicht glaubwürdig beurteilt. Der Revisionswerber habe widersprüchliche Angaben zum Tod seines Vaters gemacht. Die Behauptung, sein Vater habe einen Schusswaffenanschlag überlebt, weil er eine „spirituelle kugelsichere Weste“ getragen habe, sei nicht nachvollziehbar und entbehre jeder Glaubwürdigkeit. Gegen eine Verfolgung spreche auch, dass der Revisionswerber, nachdem er beim Begräbnis seines Vaters angegriffen und verletzt worden sei, noch mehrere Jahre im Herkunftsstaat geblieben sei.

10       Die Revision zeigt nicht auf, dass diese Beweiswürdigung fallbezogen unvertretbar wäre. Daher ist im Revisionsverfahren von der Feststellung des BVwG auszugehen, dass dem Revisionswerber in Nigeria keine Verfolgung durch Kult-Gruppen bzw. Sekten drohe. Wenn die Revision zu ihrer Zulässigkeit auch die mangelnde Schutzfähigkeit des nigerianischen Staates (für politisch aktive Menschen) bei einer Verfolgung durch Kult-Gruppen vorbringt, entfernt sie sich daher vom festgestellten Sachverhalt und vermag auch insoweit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen (vgl. VwGH 22.5.2020, Ra 2020/19/0073, mwN).

11       Die Revision wendet sich zu ihrer Zulässigkeit auch gegen die Rückkehrentscheidung und bringt vor, der Revisionswerber sei in Österreich stark integriert und habe dies im Verfahren auch ausreichend belegt. Er sei strafrechtlich unbescholten sowie arbeitsfähig und -willig.

12       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn kein revisibler Verfahrensmangel vorliegt und sie in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. etwa VwGH 30.3.2021, Ra 2019/19/0518, mwN).

13       Das BVwG berücksichtigte im Rahmen seiner Interessenabwägung die entscheidungswesentlichen und auch die zugunsten des Revisionswerbers sprechenden Umstände, wie etwa die Einstellungszusage bzw. einen Arbeitsvorvertrag sowie die Beziehung des Revisionswerbers zu einer in Österreich aufenthaltsberechtigten nigerianischen Staatsangehörigen. Die Revision zeigt nicht auf, dass die Interessenabwägung fallbezogen unvertretbar wäre.

14       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 8. November 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021190390.L00

Im RIS seit

01.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.12.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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