Entscheidungsdatum
07.09.2021Index
L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung WienNorm
WMG §6 Abs1 Z4Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Landesrechtspfleger Mag. Fahrngruber über die Beschwerde des Herrn A. B., Wien, ..., gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, Sozialzentrum ..., vom 12.01.2021, Zl. MA 40 - SH/2021/...-001, mit welchem gemäß §§ 4, 7, 8, 9, 10 und 12 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes - WMG in der geltenden Fassung in Zusammenhang mit der Verordnung der Wiener Landesregierung zum Wiener Mindestsicherungsgesetz - WMG-VO, der Antrag vom 05.01.2021 auf Zuerkennung einer Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs (Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs und Mietbeihilfe) abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:
Gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Zum Gang des Verfahrens:
1. Am 05.01.2021 stellte Herr A. B., Wien, …, einen Antrag auf Zuerkennung von Leistungen nach dem WMG. Nach Prüfung des Antrages erließ der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, als zuständige Behörde, den Bescheid vom 12.01.2021, mit welchem der Antrag für den Zeitraum 05.01.2021 bis 31.03.2021 abgewiesen wurde. Begründend führte die Behörde aus, der Antragsteller beziehe Leistungen des AMS, die er bereits am 02.12.2020 beantragen hätte müssen, diese würden daher fiktiv angerechnet. Der monatliche Bezug von AMS-Leistungen übersteige den anzuwendenden Mindeststandard und sei der Antrag daher abzuweisen gewesen.
2. Gegen diesen Bescheid brachte der Antragsteller und nunmehrige Beschwerdeführer (in der Folge kurz: BF) Beschwerde ein und führte aus, dass der BF im Monat Jänner 2021 nicht die vollständige Leistung von der MA 40 erhalten habe, die Behörde habe ein falsches Einkommen ihren Berechnungen zugrunde gelegt. Der Beschwerde angeschlossen war eine Kopie einer Mitteilung des AMS über den Leistungsanspruch für die Zeiträume 14.12.2020 bis 31.12.2020 und 01.01.2021 bis 23.01.2021.
3. Die Behörde legte die Beschwerde mit dem Verwaltungsakt am 04.02.2021 dem Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung vor.
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Gesetzliche Bestimmungen:
4. Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS) hat nach § 1 Abs. 1 WMG zum Ziel, Armut und soziale Ausschließung verstärkt zu bekämpfen und zu vermeiden sowie die dauerhafte Eingliederung oder Wiedereingliederung in das Erwerbsleben weitest möglich zu fördern. Die BMS erfolgt nach Absatz 2 dieser Bestimmung durch Zuerkennung von pauschalierten Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs sowie von den bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung erforderlichen Leistungen. Auf diese Leistungen besteht ein Rechtsanspruch.
5. Die Zuerkennung von Leistungen der BMS ist nach § 1 Abs. 3 WMG subsidiär. Sie erfolgt nur, wenn der Mindestbedarf nicht durch Einsatz eigener Arbeitskraft, eigener Mittel oder Leistungen Dritter gedeckt werden kann.
6. Gemäß § 4 Abs. 1 WMG hat Anspruch auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung hat, wer
1. zum anspruchsberechtigten Personenkreis (§ 5 Abs. 1 und 2) gehört,
2. seinen Lebensmittelpunkt in Wien hat, sich tatsächlich in Wien aufhält und seinen Lebensunterhalt in Wien bestreiten muss,
3. die in § 3 definierten Bedarfe nicht durch den Einsatz seiner Arbeitskraft, mit eigenen Mitteln oder durch Leistungen Dritter abdecken kann,
4. einen Antrag stellt und am Verfahren und während des Bezuges von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung entsprechend mitwirkt.
7. Nach § 5 Abs. 1 WMG stehen Leistungen nach diesem Gesetz grundsätzlich nur österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern zu.
8. Nach § 6 Abs.1 Z 4 und 6 WMG haben Hilfe suchende oder empfangende Personen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen Ansprüche, die der Deckung der Bedarfe nach diesem Gesetz dienen, nachhaltig zu verfolgen, soweit dies nicht offensichtlich aussichtslos, unzumutbar oder mit unverhältnismäßigem Kostenrisiko verbunden ist sowie ihre Mitwirkungspflichten im Verfahren und während des Bezuges von Leistungen zu erfüllen.
9. Gemäß § 7 Abs. 1 WMG in der Fassung LGBl. Nr. 22/2020 haben volljährige Personen bei Erfüllung der Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 und 2 Anspruch auf Mindestsicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs haben.
10. Nach § 7 Abs. 2 WMG erfolgt die Zurechnung zu einer Bedarfsgemeinschaft nach folgenden Kriterien: volljährige Personen bilden jeweils eine eigene Bedarfsgemeinschaft, auch wenn sie mit anderen Personen in der Wohnung leben (Wohngemeinschaft), sofern nicht Z 2 oder 4 anzuwenden ist.
11. Zu Folge § 8 Abs. 1 WMG in der Fassung LGBl. 39/2021 erfolgt die Bemessung der Leistungen zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs auf Grund der Mindeststandards gemäß Abs. 2, die bei volljährigen Personen auch einen Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs im Ausmaß von 25 vH des jeweiligen Mindeststandards enthalten.
12. Zu Folge § 8 Abs. 2 Z 1a WMG beträgt der Mindeststandard für volljährige Personen ab dem vollendeten 25. Lebensjahr, die in einer Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs. 2 Z 1 leben (Alleinstehende), für den Bemessungszeitraum von einem Monat 100 vH des Ausgleichszulagenrichtsatzes nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG abzüglich des Beitrages für die Krankenversicherung.
13. § 10 Abs. 1 WMG lautet: Auf den Mindeststandard ist das Einkommen der Person, für die der jeweilige Mindeststandard gilt, anzurechnen.
14. Nach § 10 Abs. 5 WMG sind gesetzliche oder vertragliche und der Höhe nach bestimmte Ansprüche der Hilfe suchenden Person auf Leistungen, die der zumindest teilweisen Deckung der Bedarfe nach § 3 dienen, ohne Berücksichtigung eines allfälligen Ruhens oder subjektiven Anspruchsverlusts nach vertraglichen oder gesetzlichen Bestimmungen fiktiv anzurechnen, wenn dies auf ein Verhalten der Hilfe suchenden oder empfangenden Person zurückzuführen ist. Die Bestimmungen des § 15 bleiben davon unberührt.
15. Gemäß § 14 Abs. 1 WMG sind arbeitsfähige Hilfe suchende und empfangende Personen verpflichtet, ihre Arbeitskraft einzusetzen, insbesondere von sich aus alle zumutbaren Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen bis Lebensunterhalt und Wohnbedarf der Bedarfsgemeinschaft aus eigenen Mitteln – unabhängig von Leistungen der Mindestsicherung – gedeckt sind. Diese Pflichten bestehen insbesondere auch dann, wenn mit einer ausgeübten Beschäftigung der Lebensunterhalt und Wohnbedarf nicht gedeckt werden kann oder das volle Beschäftigungsausmaß nicht erreicht wird. Das Vorliegen von Arbeitsfähigkeit (§ 8 AlVG) und Zumutbarkeit (§ 9 AlVG) wird von den zuständigen Stellen, insbesondere jenen für die Gewährung von Arbeitslosengeld, beurteilt.
16. Nach Abs. 2 leg. cit. sind arbeitsfähige Hilfe suchende und empfangende Personen verpflichtet, sich bei den regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stellen, eine durch die regionale Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung durchführenden Dienstleister vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen und an allen Angeboten zur Feststellung von Kompetenzen und Eignungen, zur Steigerung der Arbeitsfähigkeit oder Vermittelbarkeit und zur Eingliederung oder Wiedereingliederung in das Erwerbsleben mitzuwirken. Dazu zählen – abhängig vom Einzelfall – insbesondere:
1. Kompetenzchecks,
2. Nach- und Umschulungen,
3. Beschäftigungsmaßnahmen,
4. Orientierungs- und Aktivierungsmaßnahmen,
5. Beratung, Betreuung und Coaching,
6. Integrationsmaßnahmen.
17. Gemäß § 14 Abs. 4 darf der Einsatz der eigenen Arbeitskraft und die Mitwirkung an arbeitsmarktbezogenen sowie die Arbeitsfähigkeit oder Vermittelbarkeit fördernden Maßnahmen nicht verlangt werden von Personen, die
1. das Regelpensionsalter nach dem ASVG erreicht haben,
2. arbeitsunfähig sind,
3. Betreuungspflichten gegenüber Kindern haben, welche das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder das vierte Lebensjahr noch nicht vollendet haben und Pflegegeld mindestens der Stufe 1 beziehen, und keiner Beschäftigung nachgehen können, weil keine geeigneten Betreuungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen,
4. pflegebedürftige Angehörige betreuen, welche ein Pflegegeld mindestens der Stufe 3 beziehen, sofern es sich dabei um Ehegatten/Ehegattin und deren Kinder, die Eltern, Großeltern, Adoptiv- und Pflegeeltern, Kinder, Enkelkinder, Stiefkinder, Adoptiv- und Pflegekinder, den/die Lebensgefährten/Lebensgefährtin und dessen/deren Kinder, den/die eingetragene/n Partner/in und dessen/deren Kinder sowie Geschwister, Schwiegereltern und Schwiegerkinder handelt,
5. Sterbebegleitung oder Begleitung von schwersterkrankten Kindern nach §§ 14a, 14b AVRAG leisten,
6. in einer zielstrebig verfolgten Erwerbs- oder Schulausbildung stehen, die
a) bereits vor Vollendung des 18. Lebensjahres begonnen wurde, sofern noch keine abgeschlossene Erwerbsausbildung oder Schulausbildung auf Maturaniveau vorliegt,
b) einen Pflichtschulabschluss oder erstmaligen Abschluss einer Lehre oder Facharbeiter-Intensivausbildung zum Ziel hat, sofern dadurch voraussichtlich die Eingliederung oder Wiedereingliederung in das Erwerbsleben erleichtert wird,
7. an einem Freiwilligen Integrationsjahr nach Abschnitt 4a des FreiwG teilnehmen.
18. § 28 VwGVG lautet: Abs. 1. Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Abs. 2: Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltsdurch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
19. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 3 VwGVG kann eine öffentliche mündliche Verhandlung entfallen, wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.
20. Die Erkenntnisse sind im Namen der Republik zu verkünden und auszufertigen. Sie sind zu begründen. Hat eine Verhandlung in Anwesenheit von Parteien stattgefunden, so hat in der Regel das Verwaltungsgericht das Erkenntnis mit den wesentlichen Entscheidungsgründen sogleich zu verkünden (§ 29 Abs. 1 und 2 VwGVG).
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt fest:
21. Der BF ist als österreichischer Staatsbürger mit Lebensmittelpunkt in Wien berechtigt, Leistungen aus Mitteln der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zu beziehen.
22. Der BF war bei der Firma C. von 01.09.2020 bis 01.12.2020 angestellt.
23. Ab 02.12.2020 war der BF aus unbekannten Gründen nicht beim AMS gemeldet, ab 14.12.2020 bis 31.03.2021 war der BF beim AMS gemeldet und bezog Arbeitslosengeld in Höhe von € 35,85 täglich.
24. Diese Feststellungen beruhen auf dem unbedenklichen Inhalt des Verwaltungsaktes und dem Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Beweisverfahrens.
In rechtlicher Hinsicht wurde dazu erwogen:
25. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Rechtsansicht der Behörde, dass Für den Zeitraum 02.12.2020 bis 13.12.2020 das Arbeitslosengeld fiktiv anzurechnen war.
26. Nach § 6 Abs. 1 Z 4 WMG sind Ansprüche, die der Deckung der Bedarfe nach diesem Gesetz dienen, grundsätzlich geltend zu machen. Dem Behördenakt lässt sich entnehmen, dass der BF im Zeitraum vom 02.12.2020 bis 13.12.2020 seinen Anspruch gegenüber dem AMS nicht geltend gemacht hat.
27. In weiterer Folge bestimmt § 10 Abs. 5 WMG, dass gesetzliche oder vertragliche Ansprüche ohne Berücksichtigung eines allfälligen Ruhens oder subjektiven Anspruchsverlusts nach vertraglichen oder gesetzlichen Bestimmungen fiktiv anzurechnen sind, wenn dies auf ein Verhalten der Hilfe suchenden oder empfangenden Person zurückzuführen ist.
28. Da der BF seinen Anspruch für den Zeitraum 02.12.2020 bis 13.12.2020 nicht geltend gemacht hat und auch keine Gründe nannte, warum er subjektiv hierzu nicht in der Lage war, ist gemäß § 10 Abs. 5 WMG bei der Berechnung des Mindestsicherungsanspruches der volle Anspruch des BF ab 02.12.2020 fiktiv anzurechnen. Nach § 1 Abs. 1 WMG-VO hat der BF Anspruch auf den Richtsatz für volljährige Personen nach Vollendung des 25. Lebensjahres, das sind im Jahr 2021 € 949,46.
29. Es ergibt sich daher folgende Berechnung:
Jänner 2021:
€ 949,46 (Anspruch) - € 1.075,50 (Einkommen Dezember 2020) = - € 126,04
Februar 2021:
€ 949,46 (Anspruch) - € 1.111,35 (Einkommen Jänner 2021) = - € 161,89
März 2021:
€ 949,46 (Anspruch) - € 1.003,80 (Einkommen Februar 2021) = - € 54,34
In allen Monaten überschreitet das Einkommen den Richtsatz und war daher der Antrag abzuweisen.
30. Eine Verhandlung konnte im Hinblick auf § 24 Abs. 2 Z 3 VwGVG entfallen.
31. Da der Bescheid dem Gesetz entspricht, war die Beschwerde abzuweisen.
Schlagworte
Bedarfsorientierte Mindestsicherung; Pflichten; Verfolgung; Mindestsicherungsanspruch; AnrechnungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.242.043.RP28.1801.2021Zuletzt aktualisiert am
30.11.2021